Ein Tag für alle - Judith Keller - E-Book

Ein Tag für alle E-Book

Judith Keller

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Beschreibung

Früh am Morgen, zur Zeit der Dämmerung, landet ein Schwarm von Baustangen im Tal und brütet. Es wird Morgen, Mittag, Abend, Nacht. Odile kann nicht schlafen und fällt immer wieder in ein tiefes Schaf. Agatha findet Spuren, aber nicht das Ziel. Die Vogelfreundin hört im Zug seltsame Laute. Iltis stiehlt nichts. Elsa möchte ein Katalogdelikt verüben und Charlottes Wünsche sind in Erfüllung gegangen – sie hätte aber gerne andere gehabt. Der Tag für alle ist durchzogen von Sehnsucht und Übermut, Willen und Ohnmacht, Lust und Angst. Und von all jenem, das nicht aufgeht und plötzlich an eine Pforte klopft. Mit “Ein Tag für alle” legt Judith Keller nach “Die Fragwürdigen” wieder eine Sammlung von Kurzprosa vor. Feinfühlig und wach führt sie nah heran an den Puls jener Menschen und Tiere, die sich eigenwillig und überraschend eingerichtet haben in der ungewissen Welt, die sie umgibt.

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Seitenzahl: 51

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Judith Keller

Ein Tag für alle

edition spoken script 51

1. Auflage, 2024

© Der gesunde Menschenversand, Luzern

Alle Rechte vorbehalten

www.menschenversand.ch

eISBN: 978-3-03853-191-3

Lektorat: Valerie-Katharina Meyer

Herausgeber:innen: Matthias Burki, Ursina Greuel, Tamaris Mayer, Daniel Rothenbühler

Gestaltung: hofmann.to

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

Herzlichen Dank für die Unterstützung an: Stadt Zürich Kultur, Kulturförderung Kanton Zürich, Kulturförderung Kanton Schwyz

Der gesunde Menschenversand wird vom Bundesamt für Kultur für die Jahre 2021–2024 unterstützt.

www.menschenversand.ch

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Dämmerung

Sieben Uhr morgens

Genügsamkeit

Die Idee

Elsa

Warten

Beweise

Im November

Die Ersatzprobe

Audrée oder das Finanzwesen

Wunsch

Agatha

Herzog

Der geheime Retter

Claudine und der beissende Spott

William

Justine

Lene und Sophia

Versicherung

Iltis

Urvertrauen

Fleur

Denise oder die Zukunft

Vor dem Fenster

Ein Gespräch über Regen und Wald

Das Schild

Ein gastliches Fell

Mathilde

Wunsch

Wald

Anleitung zum Frieden

Barbara

Der dreissigste Februar

Nachmittag

Aussicht

Die langen Schatten

Der Tag von niemandem

Das Gerücht

Weiterleiten

Kennenlernen

Der Frühling

Die Vogelfreundin

Joschi und der Meister

Das Gespräch auf dem grünen Hügel

Lilo

Die Liste

Moritz

Odile

Jane

Violette

Fanny

Nathalie

Tamara

Die bösen Beine

Auf dem Friedhof

Annelies

Am zu kleinen See

Isabelle

Matteo

Ein Anliegen

Reihenfolge

Belda

Bedingungen

Ein plötzlicher Frost

Verspätung

Dämmerung

Überraschender Fund

Geschenk

Ein sehr schöner Abend

Gertrud

Die Sorge des Tunnelingenieurs

Das Wurstbrett und die Galerie

Das Klopfen

Susanne

Clairette

Überraschung

Bettina

Leonor

Wünsche

Nachhaltigkeit

René

Matz

Guido

Clemens

Pascale

Dehnung

Die geheimnisvolle Lust der orangen Katze

Die Hunde

Tradition

Der grössere Schlüssel

Der Blick

Vorsicht

Das Flimmern in den Vorhöfen

Gabriela

Fritz

Plötzlich wach

Nach Mitternacht

Prolog

Ein Schwarm von Baustangen war gelandet auf der schilfigen Fläche des Tals. Ein Schwarm von Baustangen war gelandet auf der Siedlung neben dem Wald. Ein Schwarm von Baustangen war gelandet auf den Hallen der alten Fabrik. Und überall sah man sie brüten.

Dämmerung

Wer alles schon auf ist, frühmorgens, und wer sich davor fürchtet.

Sieben Uhr morgens

Odile fiel in ein tiefes Schaf.

Genügsamkeit

Das wäre nicht nötig gewesen, denkt Henri, dem früh am Morgen eine mit Tomatensauce gefüllte Plastikbox aus den Händen auf den Boden der U-Bahn gefallen ist. Obwohl es nicht nötig gewesen wäre, ist es passiert. Den Deckel hat es weggejagt und die Sauce, in der Stückchen von Broccoli und Scheiben von feinen Pilzchen schwimmen, hat sich um viele Füsse am Boden verteilt. Das wäre nicht nötig gewesen, denkt Henri ein zweites Mal. Er braucht zum Leben nur das Allernötigste.

Die Idee

Es ist nicht die Idee, dass Sie jetzt da am Bahnhof auf dem Boden hocken. Dies erfährt die Punkfrau von einer Putzkraft, die es ihr barsch mitteilt. Überrascht steht sie auf. Sie hätte schwören können, dass es die Idee gewesen ist.

Elsa

Elsa blätterte im Katalog. Denn sie wollte gern ein Katalogdelikt verüben.

Warten

Die Detailfachangestellte wusste nicht im Detail, weshalb sie das Geld an der Kasse im Coop Pronto gestohlen hatte. Als man sie danach fragte, habe sie laut Protokoll wie aus der Pistole geschossen geantwortet: «Aus Sozialneid.» Man glaubte ihr sofort. Im Vertrauen aber hatte sie davor einer Freundin, die auch bei Coop Pronto arbeitete und sogar ihre Vorgesetzte darstellte, erzählt, es sei die plötzlich zum Vorschein gekommene schwarze Fläche unterhalb der Hunderternoten gewesen, die sie nicht mehr losgelassen habe. Da, wo nichts ist, kann noch etwas werden. Dieser Satz sei ihr wie auf leisen Pfoten durch den Kopf geschlichen, während sie die Noten sachte entfernt habe. Die Vorgesetzte versuchte dies dem obersten Personalleiter wiederzugeben, denn sie wollte verhindern, dass die Detailfachangestellte ihre Stelle verlor. Und ist es ihr gelungen? Man muss jetzt warten.

Beweise

Sobald Leopold etwas bewiesen hat, ist er sich nicht mehr sicher, ob er es bewiesen hat. Er glaubt dann, er könne erst sicher sein, wenn er es bewiesen habe. Dass er das nur glaubt, hat er oft bewiesen. Aber er glaubt nicht an Beweise.

Im November

Vor der Schiebetür des Einkaufszentrums steht unbewegt ein alter und kräftiger Mann. Er hält einen langen Knüppel mit beiden Händen über seinem Kopf zum Schlag bereit. Die Schiebetür geht auf und geht zu. Menschen kommen heraus und gehen hinein. Alle machen ihr Ding.

Die Ersatzprobe

Wenn Jessica jemandem begegnet, den sie nicht leiden kann, ersetzt sie die Person, die vor ihr steht mit einer, die sie noch viel weniger leiden kann. Sie kann es allen empfehlen.

Audrée oder das Finanzwesen

Audrée wurde morgens um neun von einem Putzfahrzeug verfolgt. Sonnenstrahlen brachen durch die tief hängenden Wolken, hinter sich hörte sie es schnaufen und mit den runden Borsten wie mit Zangen nach ihren Füssen greifen. Audrée rannte und rannte, aber niemand schaltete sich ein. Sie musste es anscheinend selbst tun, wie sie alles selbst tun musste auf der Welt. Eine Schiebetür ging auf und plötzlich stand sie in einer Bank. Sie schloss die Augen. In dem Moment, als sie sich definitiv einschaltete, verschwand das Putzfahrzeug vor der Schiebetür. Das Licht in der Bank aber ging nicht aus. Nur, dass plötzlich aus jedem einzelnen Gesicht hinter und vor den Schaltern das Finanzwesen Audrée entgegenstarrte. Ein Grauen überkam sie. Und wieder rannte sie los.

Wunsch

Leonor möchte emotional alle abholen. Wenn sie nur wüsste, wo sie sind.

Agatha

Agatha fällt es schwer, ihr Ziel zu verfolgen. Überall findet sie Spuren.

Herzog

Wieder hat Herzog das Gefühl, ihm sei etwas entgangen. Misstrauisch späht er in die Vergangenheit.

Der geheime Retter

Er hatte im Sinn, alle zu retten, wenn es einmal so weit wäre, denn er konnte mit Waffen umgehen. Weil es aber nicht so weit war, konnte niemand in ihm den Retter erkennen, den er gewesen wäre. Das war schade, denn er hätte auch jene gerettet, die ihn schlecht behandelten und die er nicht mochte. Seine Güte rührte ihn an schwarzen Tagen und kitzelte ihn wieder hervor aus dem Untergrund an eine helle Oberfläche, wo er hin- und hergerissen war zwischen der Lust zu lachen und ernstem Schmerz.

Claudine und der beissende Spott

Es war ein Nagen und lautes Schmatzen. Wo es auf Metall stiess – auf Briefkästen – veränderten sich die Geräusche, es klang wie ein silbernes Quetschen, manchmal auch wie ein Knistern, dazwischen gab es Luft. Der beissende Spott