Ein Traum vom großen Erfolg - Toni Waidacher - E-Book

Ein Traum vom großen Erfolg E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Guten Morgen, Servus und Grüß Gott, liebe Leute, verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Hier ist wieder euer Sender ›Radio Fünf‹ mit der coolsten Morningshow in ganz Bayern. Und wir steigen gleich in die Charts ein, hier sind die ›Beauty Angels‹ mit ›Dream on baby‹ …« Andrea Brandner drückte auf den Ausknopf, und die gerade einsetzende Musik verstummte. Die junge Frau biss sich auf die Unterlippe. Einmal nur in dieser Radioshow sein, davon träumte sie, solange sich Andrea erinnern konnte. Doch leider bisher vergebens. Missmutig blickte sie sich in dem Zimmer um. Es war eine billige Pension, in der sie wohnte. Zu mehr reichte es nicht, hatte Jochen gemeint und sie auf später vertröstet. »Du musst Geduld haben!«, beschwor er sie stets, wenn Andrea wieder mal kurz davor war, alles hinzuwerfen. »Mensch, Madel, was glaubst' wohl, was für einen steinigen Weg die meisten großen Stars hinter sich haben? Das geht nicht von heute auf morgen!« Dann lächelte er wieder sein gewinnendes Lächeln, und schon war Andrea bereit, ihm zu glauben. Indes blieb ihr auch gar nichts anderes übrig, als weiter zu hoffen, dass Jochen sein Versprechen endlich wahr machte und sie ganz groß herausbrachte. Denn außer ihm und ihrer Hoffnung hatte sie nichts anderes auf der Welt. Mit Wehmut dachte sie daran, dass alles so großartig angefangen hatte, ihr großer Traum von einer Karriere als Sängerin. Heimlich hatte sie ihn schon immer geträumt. Damals, als sie noch im Kirchenchor, in St.

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Der Bergpfarrer – 261 –

Ein Traum vom großen Erfolg

Auf Andrea wartet ein hartes Erwachen

Toni Waidacher

»Guten Morgen, Servus und Grüß Gott, liebe Leute, verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Hier ist wieder euer Sender ›Radio Fünf‹ mit der coolsten Morningshow in ganz Bayern. Und wir steigen gleich in die Charts ein, hier sind die ›Beauty Angels‹ mit ›Dream on baby‹ …«

Andrea Brandner drückte auf den Ausknopf, und die gerade einsetzende Musik verstummte. Die junge Frau biss sich auf die Unterlippe.

Einmal nur in dieser Radioshow sein, davon träumte sie, solange sich Andrea erinnern konnte. Doch leider bisher vergebens.

Missmutig blickte sie sich in dem Zimmer um. Es war eine billige Pension, in der sie wohnte. Zu mehr reichte es nicht, hatte Jochen gemeint und sie auf später vertröstet.

»Du musst Geduld haben!«, beschwor er sie stets, wenn Andrea wieder mal kurz davor war, alles hinzuwerfen. »Mensch, Madel, was glaubst’ wohl, was für einen steinigen Weg die meisten großen Stars hinter sich haben? Das geht nicht von heute auf morgen!«

Dann lächelte er wieder sein gewinnendes Lächeln, und schon war Andrea bereit, ihm zu glauben. Indes blieb ihr auch gar nichts anderes übrig, als weiter zu hoffen, dass Jochen sein Versprechen endlich wahr machte und sie ganz groß herausbrachte. Denn außer ihm und ihrer Hoffnung hatte sie nichts anderes auf der Welt. Mit Wehmut dachte sie daran, dass alles so großartig angefangen hatte, ihr großer Traum von einer Karriere als Sängerin. Heimlich hatte sie ihn schon immer geträumt. Damals, als sie noch im Kirchenchor, in St. Johann, gesungen hatte.

Pfarrer Trenker war mit Christel Haller, der Chorleiterin, einer Meinung gewesen, dass sie eine wunderschöne Stimme hätte, und es wäre ein Jammer, wenn dieses Talent so ungenutzt verkümmerte. Beide hatten sich darum bemüht, dass das Madel sich gesanglich weiterentwickelte, und erste Soloauftritte in der Kirche an hohen Feiertagen hatten auch die Gemeinde davon überzeugt, dass da ein kleines Wunderkind mit einer großen Stimme unter ihnen lebte.

Andrea war gerade erst neun Jahre alt, als sie in der Weihnachtsmesse »Maria durch ein’ Dornwald ging« sang, ganz alleine, vorne am Altar, nur von der Orgel begleitet.

Selbst ihr Vater zeigte sich gerührt, obwohl der Bauer es nicht gerne sah, dass seine Tochter so viel Zeit für den Chor opferte.

»Das Madel soll lernen, Kühe zu melken, Wäsche zu waschen und auch sonst auf dem Hof mitzuarbeiten«, sagte Franz Brandner, als der Bergpfarrer ihn darauf ansprach, dass Andrea zweimal die Chorprobe versäumt habe.

Dennoch tat sie alles, um weiterhin dem Gesang treu bleiben zu können und ihren Traum zu träumen.

Mit achtzehn dann kam die Wende. Andrea bewarb sich heimlich, ohne Wissen der Eltern, bei einer Talentshow. Mit klopfendem Herzen war sie nach München gefahren, wo die Veranstaltung stattfand. Ganz schlecht war ihr gewesen vor Aufregung, als sie auf die Bühne gerufen wurde, doch sobald sie das Mikrophon in der Hand hatte, war das Lampenfieber verflogen. Andrea sang und gab alles. Die Zuschauer klatschten begeistert Beifall, und als dann ihr Name als Siegerin genannt wurde, da schien der große Traum vom Glück sich tatsächlich erfüllt zu haben.

Veranstalter des Wettbewerbs waren eine große Tageszeitung und ein Musikproduzent, der ihr noch in der Stunde ihres Triumphs vorgestellt wurde. Jochen Hoffmann präsentierte ihr bei einem Glas Sekt hinter der Bühne den Vertrag. Eine CD sollte sie aufnehmen. Gleichzeitig würde er sich als ihr Manager darum kümmern, dass diese CD zu den Rundfunksendern kam, damit sie dort gespielt wurde. Das war überhaupt die Voraussetzung, um bekannt zu werden.

Andrea kehrte an diesem Tag nicht mehr nach Hause zurück. Auch nicht am nächsten und am übernächsten. Seit drei Jahren lebte sie nun in München. Jedoch ohne nennenswerten Erfolg.

Klar, Jochen kümmerte sich um alles. Er beschaffte ihr Auftritte in Möbelhäusern, die neu eröffnet wurden, er ließ sie in Diskotheken singen und verwaltete ansonsten ihr ganzes Leben. Eigenes Geld besaß Andrea kaum.

»Es kommt ja kaum was rein«, jammerte ihr Manager immer wieder, wenn sie sich beschwerte.

Dann zahlte er ihr ein lächerliches Taschengeld und verschwand für einige Zeit, um dann plötzlich wieder aufzutauchen, mit einem Vertrag für einen neuen dubiosen Auftritt. Längst hatte Andrea Brandner die Wahrheit erkannt. Sie war alles andere, als auf dem Weg, ein Star zu werden.

Wenn es so weiterging, würde sie nie über diese drittklassigen Engagements hinauskommen!

Doch wie sollte sie es ändern?

Geraume Zeit dachte sie schon darüber nach. Der einzige Ausweg, der ihr einfiel, war in die Heimat zurückzukehren und einzugestehen, dass sie versagt hatte, ihr großer Traum geplatzt war und sich nie erfüllen würde.

Auch auf die Gefahr hin, dass man sie daheim auslachen würde …

Andrea nahm ihre Handtasche und holte die Geldbörse hervor. Das ohnehin knapp bemessene Geld, das sie von Jochen bekam, reichte kaum für das Nötigste. Aber schon gar nicht, um davon noch was zu sparen. Dennoch war es ihr gelungen, ein bisschen Geld aufzuheben. Andrea hatte es in das hinterste Fach der Börse gesteckt und, so oft sie auch versucht war, daran zu gehen, sich gesagt, dass sie es eines Tages vielleicht für etwas brauchen würde, das dringender war, als der Kauf einer neuen Bluse. Jetzt zählte sie die Scheine durch. Hundertsiebzig Euro – auf jeden Fall genug für eine Fahrkarte nach St. Johann!

*

Mit klopfendem Herzen trat die Besucherin durch die Tür. Hoch über ihr wölbte sich das herrliche Deckenfresko, zu dem Andrea Brandner schon unzählige Male hinaufgeschaut hatte. Szenen aus der Bibel waren meisterlich dargestellt, angefangen bei der Erschaffung der Welt, bis hin zur Sintflut und Noahs Arche. Langsam ging sie durch den Mittelgang zum Altar hinunter und betrachtete dabei die Fensterbilder. Jedes einzelne Motiv kannte die Besucherin in und auswendig. Als Ministrantin hatte sie oft genug darauf geschaut, wenn sie ungeduldig auf das Ende der Messe gewartet hatte. Auch die wunderschönen Heiligenfiguren, von frommen Holzschnitzern geschaffen, die teilweise mit Blattgold verziert waren, grüßten sie scheinbar wie eine alte Bekannte.

Andrea schaute auf ein Gemälde, das unter der Galerie an der Wand hing. Es war ein Porträt des Gottessohnes. »Gethsemane«, stand auf einem kleinen Schild daneben. Es zeigte Jesus Christus am Abend vor der Kreuzigung, im Gebet versunken. Dem unbekannten Künstler war es meisterhaft gelungen, das Wissen um die Unabänderlichkeit seines Schicksals im Gesicht des Erlösers wiederzugeben.

Nur wenige Schritte daneben stand auf einem Sockel die kostbare Madonna. Das Meisterwerk eines unbekannten Holzschnitzers, die so schlicht gearbeitet war, dass genau diese Einfachheit jeden Betrachter ergriffen dastehen ließ.

Andrea wusste, dass die Statue nicht nur einen großen finanziellen Wert besaß. Sie gehörte einfach nach St. Johann und in diese Kirche, wie …, ja, wie Pfarrer Trenker auch.

Ob er wohl in der Sakristei war?

Andrea hatte nicht lange gezögert und ihren Entschluss, aus München fortzugehen, gleich in die Tat umgesetzt. Jochen Hoffmann verhandelte mit irgendeinem »Veranstalter«, der sie angeblich verpflichten wollte. Aus diesem Grund war ihr Manager nach Starnberg gefahren. Er würde nicht vor dem späten Nachmittag zurück sein, hatte er gesagt. Schnell packte Andreas dann ein paar Sachen zusammen und verließ die Pension, froh darüber, dass der Besitzer ihr nicht begegnete. Ferdl Pirschler war ihr nicht unbedingt sympathisch und hätte ihr sicher nur unangenehme Fragen gestellt.

Mit dem Bus fuhr Andrea zum Bahnhof, kaufte eine Fahrkarte und wartete ungeduldig auf die Abfahrt des Zuges. Erst als der Bahnsteig zurückblieb, atmete sie befreit auf und lehnte sich entspannt ins Polster zurück.

In der Kreisstadt stieg sie in den Bus um, der sie nach St. Johann brachte. Die ganze Zeit hatte sie überlegt, an wen sie sich sonst noch wenden konnte, aber außer Pfarrer Trenker fiel ihr niemand ein. Zu den früheren Bekannten und Freundinnen hatte Andrea Brandner keinen Kontakt mehr, und gleich nach Haus zu gehen, das wagte sie nicht. Also führte ihr erster Weg in die Kirche.

Mit der Reisetasche in der einen Hand stand sie vor der Sakristeitür und klopfte mit der anderen an.

Vorsichtig drückte sie die Klinke herunter. Von früher her wusste sie noch, dass die Sakristei nie zugesperrt war. Die Tür konnte Andrea aufziehen, der Raum dahinter war leer. Sie musste es also im Pfarrhaus versuchen.

Andrea verließ die Kirche. Rechts vom Friedhof stand das Haus, hinter einer dichten Hecke. Sie drückte den Klingelknopf und wartete mit klopfendem Herzen. Nach ein paar Sekunden waren Schritte zu hören, und die Tür schwang auf.

»Grüß Gott.«

Die Haushälterin blickte die junge Frau fragend an, dann erhellte sich ihre Miene.

»Das ist doch die Andrea!«

»Grüß Gott, Frau Tappert«, lächelte die Besucherin. »Ist der Herr Pfarrer zu sprechen?«

»Aber ja, komm nur herein. Deine Tasche kannst’ gleich hier abstellen. Ich sag’ Hochwürden Bescheid.«

Sebastian Trenker saß in seinem Arbeitszimmer und las die Post. Als er hörte, wer da zu Besuch gekommen war, legte der den Umschlag, den er gerade öffnen wollte, aus der Hand und stand auf.

»Andrea Brandner!«, sagte er und streckte die Hand aus. »Grüß dich, Madel. Das ist aber eine Überraschung!«

Sie lächelte befangen.

»Ich freu’ mich auch, wieder hier zu sein.«

Der Bergpfarrer nickte. Ihm war sofort klar, dass dies nicht einfach ein Besuch seines ehemaligen Pfarrkindes war. Da steckte mehr dahinter. Forschend betrachtete er die Sängerin und entdeckte etwas in ihrem Gesicht, das seine Ahnung bestätigte.

»Komm«, sagte er, »ich denk’, wir haben viel zu besprechen.«

*

»Das ist eine schlimme Geschichte«, sagte Sebastian Trenker, als Andrea ihm alles erzählt hatte.

Sie saßen auf der Terrasse des Pfarrhauses. Sophie Tappert hatte Saft serviert und für die Besucherin ein belegtes Brot.

»Weißt du«, fuhr der Geistliche fort, »ich hab’ mich oft gefragt, was aus dir geworden ist, warum du dich nie gemeldet hast?«

Andrea hatte den letzten Bissen heruntergeschluckt und trank aus ihrem Glas.

»Ich hatte keinen Mut dazu«, gestand sie. »Nach einiger Zeit, ich glaub’, es war ein halbes Jahr, nachdem ich fortgegangen bin, hab’ ich versucht, mit den Eltern Kontakt aufzunehmen. Ich hab’ ihnen einen Brief geschrieben, in dem ich ihnen erklären wollte, warum ich so gehandelt hab’. Der Brief kam postwendend zurück, und als ich daheim anrief, war Vater am Telefon und fertigte mich mit den Worten ab, er habe keine Tochter mehr, und ich sei für ihn gestorben. Danach wagte ich gar net mehr, mich bei irgendjemandem zu melden.«

Sebastian nickte verstehend.

»Ich hab’ deine Mutter oft gefragt, ob sie was von dir gehört hat«, erzählte er. »Leider nein, hat sie geantwortet, du würdest dich nie melden. Jetzt versteh’ ich, warum. Dein Vater hat ihr deine Kontaktversuche verschwiegen.«

Andrea seufzte betrübt, doch dann blitzte es in ihren Augen hoffnungsvoll auf.

»Glauben S’, wir könnten erst mal mit Mutter reden?«, fragte sie.

Der Bergpfarrer lächelte.

»Wir werden’s auf jeden Fall versuchen«, versprach er. »Jetzt aber bringst’ erst mal deine Sachen ins Gästezimmer hinauf. Frau Tappert zeigt’s dir, und dann wollen wir Mittag essen. Anschließend überlegen wir, wie wir am besten mit deiner Mutter Kontakt aufnehmen. Hauptsache ist aber erst einmal, dass du den Fängen dieses dubiosen Musikmenschen entkommen bist!«

Dankbar richtete sich Andrea im Gästezimmer ein. Es war schön, wieder in der Heimat zu sein. Andrea trat ans Fenster und schaute hinaus. Die Berge schienen zum Greifen nah, ihre Gipfel berührten den Himmel, wurden eins mit den Wolken. Andrea fühlte sich unendlich glücklich. Nur einmal hatte sie sich gefragt, ob sie Jochen hätte sagen müssen, dass sie ihre Karriere aufgeben wollte. Immerhin war sie vertraglich an ihn gebunden. Doch dann beruhigte sie sich, mit dem Gedanken, dass er vielleicht ganz froh war, sie los zu sein. Schließlich war der Erfolg ja ausgeblieben und das Geld ebenso.

Andrea holte tief Luft und schüttelte den Kopf.

Nein, »Mandy«, den Star der Discoszene, gab es nicht mehr. Sie hatte ihn mit dem heutigen Tag begraben!

Überhaupt – gefallen hatte ihr der Künstlername, den Jochen ihr gegeben hatte, nie so richtig. Sie wusste nicht, was sie mit diesem Namen verband, nur für ihre Person schien er ihr gänzlich ungeeignet.

Vermutlich würde es nicht lange dauern, und ihr Manager hatte eine andere Sängerin gefunden, die er als »Mandy« vermarktete.

Als Andrea Brandner wieder nach unten kam, aßen sie zu Mittag, anschließend kochte die Haushälterin des Bergpfarrers Kaffee. Sie tranken ihn auf der Terrasse, dann machten sie sich auf den Weg.

Je näher sie dem Brandnerhof kamen, umso aufgeregter wurde das Madel.

»Nur die Ruhe«, meinte Sebastian Trenker zu ihr, »es wird schon werden.«

Dabei versuchte er, zuversichtlich zu klingen. Indes ahnte er, dass es nicht einfach sein würde, Franz Brandner davon zu überzeugen, dass er sich mit seiner Tochter versöhnen möge. Überhaupt war es fraglich, ob er dem Geistlichen überhaupt Gehör schenken würde. Seit damals, als Andrea heimlich nach München gefahren und nicht zurückgekommen war, hatte Andreas Vater die Kirche nicht mehr betreten. Er gab dem guten Hirten von St. Johann die Schuld daran. Sebastian habe der Tochter Flausen in den Kopf gesetzt und sie ermutigt, war sein Vorwurf. Der Bergpfarrer setzte deshalb seine ganze Hoffnung auf Liesl Brandner. Die Mutter würde der Tochter eher verzeihen können, als der hartherzige Vater.

Andrea saß ganz verkrampft neben ihm, als Sebastian auf den Bauernhof einbog. Er hielt vor dem Wohnhaus und stieg aus.

»Komm«, sagte er und nickte ihr zu.

Sie öffnete die Tür und richtete sich auf. Schlagartig wurde die Zeit um vier Jahre zurückgedreht. Nichts hatte sich auf dem Hof verändert, selbst der Anstrich an Scheune und Stall war noch derselbe.

Sebastian wollte gerade zur Tür gehen, als diese von innen geöffnet wurde. Groß und wuchtig trat Franz Brandner nach draußen. Als er die Besucher sah, runzelte er die Stirn, dann verengten sich seine Augen zu Schlitzen und er stieß einen knurrenden Laut aus.

*

Über dem Saal der großen Strafkammer lag ein kleiner Raum, in dem zur selben Zeit fünf Männer saßen. Vor Ihnen auf dem Tisch lagen Berge von Akten, daneben standen Kaffeekannen, Tassen, Zucker und Milch. Eines der beiden Fenster war geöffnet und ließ ein wenig von der frischen Luft herein, die draußen wehte. Hier drinnen hingegen war sie eher zum Schneiden dick, auch wenn nicht geraucht wurde.