Ein Zuhause für Percy - Fiona Harrison - E-Book

Ein Zuhause für Percy E-Book

Fiona Harrison

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Beschreibung

Percy kann es nicht fassen. Sein geliebtes Herrchen Javier hat ihn einfach im Tierheim abgegeben. Jetzt muss er dabei zusehen, wie die anderen Hunde nach und nach adoptiert werden. Als jedoch eines Tages die warmherzige Gail auftaucht, ist es bei beiden Liebe auf den ersten Blick. Sie nimmt ihn mit und schenkt ihm ein wundervolles neues Zuhause. Doch Gails Familie steht vor großen Herausforderungen, und plötzlich droht alles zu zerbrechen. Percy begreift, dass jetzt sein Einsatz gefragt ist. So schnell lässt er sein Glück nicht ziehen …

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Seitenzahl: 427

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Zum Buch

Percy kann es nicht fassen. Sein Herrchen Javier hat ihn im Stich gelassen. Und dabei war er doch immer ein braver Mops. Jetzt sitzt er im Tierheim, während die anderen Hunde nach und nach adoptiert werden – und so langsam verlässt ihn der Mut. Bis eines Tages Gail auftaucht. Sie verspricht Percy ein wundervolles neues Zuhause. Das ist seine zweite Chance. Gerade als Percy glaubt, eine neue Familie gefunden zu haben, droht erneut alles zu zerbrechen. Doch so schnell gibt sich dieser Mops nicht geschlagen …

Zur Autorin

Fiona Harrison, Hundefreundin und Autorin, lebt zusammen mit ihrem Mann und ihren Haustieren im Südwesten Englands. Bereits als Kind hat sie ihre Familie immer wieder mit Geschichten unterhalten. Ein Zuhause für Percy ist ihr erster Roman.

Fiona Harrison

Ein Zuhause für Percy

Aus dem Englischen von Anke und Eberhard Kreutzer

Wilhelm Heyne Verlag München

Die Originalausgabe A Pug Like Percy erschien 2016 bei Harlequin.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte dieses E-Book Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses E-Books verweisen.Deutsche Erstausgabe 09/2017Copyright © 2016 by Fiona Harrison

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Hanne Hammer

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von © shutterstock/Liliya Kulianionek

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN 978-3-641-20656-7V001www.heyne.de

Kapitel 1

Mir waren die Lider so schwer, dass ich sie vor Müdigkeit nicht aufbekam, obwohl die erste herbstliche Morgensonne durch die Fenster schien. Statt richtig aufzuwachen, kuschelte ich mich tiefer in die blaue Kaschmirdecke, die mir mein Besitzer Javier gekauft hatte. Ich kniff die Augen zu, um noch ein paar Minuten mit der geliebten Decke im Bett zu bleiben, und rollte mich so lange hin und her, bis ich die bequemste Stellung gefunden hatte. Doch sosehr ich auch versuchte, noch ein Weilchen ins Schlummerland zurückzukehren, merkte ich, dass irgendetwas nicht stimmte.

Ich blinzelte, fest entschlossen, die Augen diesmal aufzubekommen, rappelte mich auf alle vier Pfoten hoch und sah mich um. Mit Schrecken registrierte ich, dass mir der Raum, in dem ich mich befand, völlig fremd war. Wo war das Sofa, auf dem ich so gerne ein Nickerchen hielt? Der Fernsehapparat, in dem ich mir Tom und Jerry ansah? Der Couchtisch aus Glas, an dem ich mir immer wieder die Nase stieß, und der dicke bunte Teppich, auf dem ich mich so gerne wälzte? Wieso war ich nicht zu Hause?

Mit Herzklopfen blickte ich links und rechts über meine Schulter und stellte fest, dass ich allein in einem kleinen Raum war, mit nichts als meinem Bett und einem Korb voll Spielzeug und einem alten Sessel an der gegenüberliegenden Wand. Meine Futter- und Wasserschüssel standen neben der Tür, und auf dem Boden lag ein altes Schafsfell. Als ich draußen vor dem Zimmer Schritte hörte, wandte ich den Kopf und spähte durch ein großes Plexiglasfenster, das auf einen Flur hinausging, auf dem es von aufgeregten Hunden sowie Menschen in grünen Uniformen nur so wimmelte.

In dem Moment stürmten die Erinnerungen mit aller Wucht auf mich ein, und als mir klar wurde, dass ich unendlich weit von zu Hause weg war, zitterte ich am ganzen Leib. In allen Einzelheiten sah ich wieder vor mir, wie mich Javier in dieses Tierheim gebracht hatte, auch wenn mir nicht klar war, warum. Hatte ich mich schlecht benommen? Liebte mich Javier nicht mehr? War ich zu einem anderen Hund gemein gewesen? Oder schlimmer noch, hatte ich die größte aller Hundesünden begangen und ohne ersichtlichen Grund einen Menschen gebissen?

Verzweifelt plumpste ich auf mein Bett zurück, legte die Pfoten über die Augen und versuchte zu begreifen, wieso Javier mich hiergelassen hatte, um zu verrotten wie schon so viele andere brave Hunde vor mir. Ich wusste, dass Die Vergessenen Pfoten, wie wir in der Hundegemeinschaft Tierheime wie dieses nannten, für unliebsame Hausgenossen waren, für Streuner, Straßenköter und andere lästige Viecher. Gehörte ich auf einmal auch dazu? War ich plötzlich nicht mehr erwünscht? Ich hatte meinen Besitzer Javier vergöttert und geglaubt, dass er mich genauso liebte wie ich ihn. Vor drei Jahren war ich als kleiner Welpe zu ihm gekommen. Ich war glücklich gewesen und dachte, er wäre es auch. Was war passiert, dass er mich plötzlich nicht mehr mochte? Vor Verzweiflung jaulte ich laut auf. Ich würde alles tun, um die Zeit zurückzudrehen und den Fehler wiedergutzumachen, der Javier dazu gebracht hatte, mich hierherzubringen. Ich liebte ihn, er war mein Besitzer, meine Welt, und ich würde mein Leben für ihn geben.

Als mir dämmerte, dass ich Javier, nachdem er mich hier zurückgelassen hatte, nie mehr wiedersehen würde, erfasste mich die nächste Woge der Verzweiflung. Der Gedanke an ein Leben ohne meinen über alles geliebten Besitzer und besten Freund war zu traurig. Als ich im Geist sein schönes Gesicht mit dem dichten schwarzen Haar vor mir sah, stieß ich das nächste Wolfsgeheul aus. Ich liebte ihn, ich vermisste ihn, ein Leben ohne ihn war undenkbar.

Ich ging mein Benehmen in den letzten Tagen und Wochen durch, kam aber auf nichts sonderlich Unartiges. Im Gegenteil: Soweit ich mich erinnerte, war ich besonders brav gewesen, hatte aufgepasst, mich nicht auf die Kleider von Gabriella, Javiers Freundin, zu setzen, beim Kauen meines Trockenfutters keine lauten Geräusche zu machen oder allzu viele Parkspaziergänge einzufordern.

Ich jaulte zum dritten Mal, als ich plötzlich hörte, wie die Tür zu meinem Zimmer aufging und jemand sachte auf mich zukam. Am Duft konnte ich erkennen, dass es ein Mensch war, doch wer das war und was er von mir wollte, war mir egal. Ich hatte nur den Wunsch, die Pfoten fest über die Augen gedrückt, für immer so liegen zu bleiben, und nichts, was irgendjemand zu mir sagte, würde daran etwas ändern. Als der Mensch neben mir stehen blieb, merkte ich, wie er sich hinhockte, wobei seine Knie meinen Kopf streiften. Für einen Moment geschah gar nichts, dann strichen mir weiche Finger, eindeutig die Finger einer Frau, über Kopf und Rücken.

»Wie fühlst du dich heute, Percy?«, fragte die Frau freundlich.

»Schrecklich«, kläffte ich, ohne die Pfoten von den Augen zu nehmen.

»Das wundert mich nicht«, sagte sie verständnisvoll, »dir ist etwas Schlimmes passiert. Das muss ein Schock für dich sein, aber ich bin da und werde dir helfen, darüber hinwegzukommen, versprochen.«

»Ich glaube dir nicht«, bellte ich zurück. »Egal, was du sagst oder tust, es macht die Sache kein bisschen besser. Mein Besitzer liebt mich nicht mehr, und er fehlt mir. Keiner wird mich je wieder lieben.«

»Ach, Percy«, seufzte die Frau, »ich verspreche dir, dass du wieder jemanden finden wirst, der dich liebt! Dafür werden wir sorgen! Ich heiße übrigens Kelly, du erinnerst dich vielleicht nicht, aber ich habe dich untersucht, als dich dein alter Besitzer gestern Abend hier abgegeben hat.«

»Ich erinnere mich«, winselte ich leise.

»Hör zu, ich werde es mir persönlich zur Aufgabe machen, die allerbeste Familie für dich zu finden. Leute, die dich auf immer und ewig lieben«, sagte Kelly beschwichtigend.

Es war ungewöhnlich, einen Menschen zu treffen, der verstand, was wir Hunde mit unserem Bellen sagen wollten, doch Kelly hatte mich, anders als Javier oder Gabriella, auf Anhieb verstanden. Die Stimme dieser Frau hatte etwas Beruhigendes, und ich eiste meine Pfoten von den Augen los, um mir diese Kelly genauer anzusehen. Sie hatte ein warmherziges, offenes Gesicht mit einer Stupsnase und grauen Strähnen im üppigen blonden Haar, und sie war klein. Kelly lächelte auf mich herunter. Sie kam mir wie jemand vor, den so schnell nichts mehr erschüttern konnte. Allein schon ihre Anwesenheit gab mir ein gutes Gefühl, und ich entspannte mich ein bisschen.

Sie streichelte mir weiter das weiche Fell und neigte sich mit dem Gesicht zu mir herunter. »Du wirst bestimmt nicht lange auf ein neues Zuhause warten müssen, Percy. Möpse sind beliebt, du wirst schon sehen.«

Im Gegenzug leckte ich ihr die Wange. Dabei wusste ich natürlich, dass sie nur versuchte, nett zu mir zu sein, denn wenn das stimmte, hätte mich Javier niemals im Stich gelassen.

»Ich verrate dir ein Geheimnis, Percy«, fuhr Kelly fort. »Ich hatte schon immer eine Schwäche für Möpse, und in dem Moment, in dem du gestern hier eingetroffen bist, habe ich mich in dich verliebt. Ich werde dafür sorgen, dass dich jemand ganz Besonderes adoptiert, denn ich will, dass du richtig glücklich wirst.«

Mit ihren weichen, warmen Händen hob sie mich hoch und bedeckte mein kleines Gesicht mit Küssen. Ihre Lippen fühlten sich wie Schmetterlinge an, die mir so zart übers Fell flatterten, dass ich wohlig das Gesicht verzog, bevor mich Kelly wieder absetzte.

»Ich weiß, dass das ein mächtiger Schreck für dich gewesen ist. Es ist kein Zuckerschlecken, von seinem Besitzer verlassen zu werden, aber du sollst eines wissen: Während ich da draußen nach einer ganz besonderen Familie Ausschau halte, die gut für dich sorgt, kümmere ich mich um dich, hörst du?«, sagte sie mit ihrer samtweichen Stimme.

Zum ersten Mal seit meiner Ankunft bellte ich ein wenig zuversichtlicher – um sie wissen zu lassen, dass ich sie verstanden hatte. Dass Kelly auf mich aufpassen würde, hörte sich gut an.

»Also, meine ganz besonderen Freunde sollen sich auch hier bei uns wohlfühlen, deshalb ermuntere ich alle, miteinander zu spielen«, sagte sie schmunzelnd, während sie zu dem großen Fenster hinüberging und mir ein Zeichen machte, ihr zu folgen. Das Fenster ging auf ein großes Freigehege an der Rückseite des Heims hinaus, das ich bei meiner Ankunft nur flüchtig gesehen hatte, da ich in meiner Fassungslosigkeit auf gar nichts hatte achten können. Ich spähte hinaus und sah, wie mehrere andere Hunde mit Menschen spielten, die wie Kelly grüne Uniformen trugen, während andere zusammensaßen und miteinander redeten. Sie sahen kein bisschen traurig aus. Ein besonders überdrehter Cockerpoo rannte wie wild von einem Ende des Hofs zum anderen und wirbelte das raschelnde Laub auf. Zweifellos hatte er mächtig Spaß.

»Siehst du, wie einige da draußen rumtoben?«, fragte Kelly, die einmal wieder meine Gedanken gelesen hatte. »Das wirst du auch bald. Du wirst gestreichelt, ausgeführt, spielst im Gehege und freundest dich mit den anderen an. Du wirst sehen, es ist alles halb so schlimm, und ich kümmere mich um dich.«

Dankbar rieb ich meinen Kopf an ihren Beinen. In Kellys Gegenwart fühlte ich mich schon ein wenig stärker, und obwohl ich mir immer noch nichts sehnlicher wünschte, als nach Hause zurückzukommen, hatte ich das Gefühl, dass Kelly für mich sorgen würde, als gehörte ich ihr.

»Jetzt lasse ich dich eine Weile allein, denn wie’s aussieht, sind deine Nachbarn, Barney und Boris, zurück.« Mit einem aufmunternden Grinsen kraulte mich Kelly noch einmal an den Ohren. »Dann bis später.«

Während mir die Pflegerin auf dem Weg zur Tür zuwinkte, sah ich, wie ein junger West Highland Terrier in den Raum zu meiner Linken kam und ein ziemlich verdrießlicher älterer Beagle in den zu meiner Rechten. Ich tappte zu den großen durchsichtigen Plastikplanen hinüber, die mein Zimmer von denen der beiden anderen Hunde trennten, und stellte mich mit einem freundlichen Bellen vor.

»Ich bin Boris«, antwortete der Westie.

»Und ich Barney«, erklärte der Beagle bekümmert.

Ich sah, dass Barney noch nass war, vermutlich hatte er gerade gebadet, und an seinem Bauch entdeckte ich unter dem feuchten Fell eine übel aussehende Schramme. Er ließ sich vor mir auf den Boden fallen und schien sich in seinem Elend zu suhlen.

»Wie hast du dir diese Schramme geholt«, bellte ich neugierig.

»Indem ich versucht habe, durch eine Katzenklappe zu kriechen«, antwortete er niedergeschlagen. Zwischen den langen Schlappohren sahen seine braunen Augen noch trübsinniger aus. »Nachdem mein Besitzer gestorben war, wollte ich sehen, ob ich im Haus nebenan einziehen kann. Aber als ich in der Klappe stecken geblieben bin, haben mich die Nachbarn befreit und hierhergebracht.«

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Beagles waren angeblich intelligent, aber das war mit Sicherheit keine brillante Idee gewesen. Doch statt den Besserwisser raushängen zu lassen, verkniff ich mir die Bemerkung, bellte Barney mitfühlend zu und nahm ihn in Augenschein. Sobald sein Bauch geheilt war, dürfte er zweifellos ein stattlicher Bursche sein. Und genau das sagte ich ihm auch.

»Meinst du?«, fragte Barney ein wenig hoffnungsvoller, und seine traurigen Augen hellten sich auf.

»Na klar«, bestätigte ich mit Kennermiene. Mit ein bisschen liebevoller Pflege würde aus Barney ein richtig hübscher Hund werden. »Du wirst sehen, die rennen dir die Bude ein, um dich zu bekommen.«

»Percy hat recht«, bekräftigte mit lautem Bellen durch die Plastikplane mein zweiter Nachbar Boris. »Du brauchst bestimmt nicht lange auf ein neues Zuhause zu warten.«

Barney schlug aufgeregt mit dem Schwanz auf den Boden. »Wie, echt jetzt?«, fragte er, schwieg einen Moment und sah mich an.

»Also, bei dir wird es aber auch nicht lange dauern, schätze ich. Nach Möpsen sind doch alle verrückt, oder?«, sagte Barney und bestätigte damit das, was mir schon Kelly gesagt hatte.

Boris machte es sich auf dem Boden bequem. »Auch da kann ich nur zustimmen. Ihr beide kommt schnell hier raus, und ich bleibe für immer hier.«

»Blödsinn«, protestierte Barney.

»Und ob«, bellte Boris. »Ich bin kein guter Hund, meinem alten Besitzer Sam und seiner Frau Emma war ich immer lästig. Irgendwie war ich ihnen dauernd im Weg.«

»Da kannst du aber nichts für«, antwortete ich. »Viele Hundebesitzer meinen, wir bräuchten nichts weiter als eine Schüssel Futter und ein paar Spaziergänge. Die haben keine Ahnung, dass wir Gesellschaft brauchen, Zuneigung und –«

»Liebe«, fiel mir Boris ins Wort. »Meine Besitzer hatten mich nicht lieb. Das dachten sie vielleicht, aber unterm Strich fanden sie es doch zu anstrengend mit mir.«

Der junge Hund tat mir leid. Er war nur wenig jünger als ich, und egal, wie viel Angst ich vor meiner eigenen Zukunft hatte, wollte ich Boris ein bisschen trösten.

»Du hast doch gesehen, wie nett Kelly zu uns ist, und die anderen, die sich um uns kümmern, sind es offenbar auch. Kelly wird dich lieben, mit dir spielen und dir zuhören, während sie ein gutes Zuhause für dich findet.«

»Wenn sie sich da mal nicht täuscht«, bellte Boris düster. »Mein Besitzer Sam hat mir immer wieder gesagt, ich wäre so eine Nervensäge, dass mich bestimmt keiner will.« Ich knurrte leise. Wie’s aussah, war es dieser Sam nicht wert, Boris die Pfoten zu küssen.

»Du bist keine Nervensäge«, bellte ich empört. »Du bist ein toller Hund, Boris, lass dir das gesagt sein.«

»Vergiss am besten, was deine alten Besitzer gesagt haben«, stimmte Barney mir zu. »Jede Familie könnte sich glücklich schätzen, dich zu bekommen.«

Boris verdrehte die Augen. »Ihr habt gut reden, ihr seid beide viel hübscher als ich. Mich will bestimmt keiner.«

»Aber das war nicht immer so«, protestierte ich. »Als mich mein alter Besitzer Javier gestern hier abgeliefert hat, habe ich mich genauso mies gefühlt wie du jetzt.«

»Wie war er denn, dieser Javier?«, wollte Barney wissen.

Mit einem tiefen Seufzer ließ ich mich auf den Boden plumpsen und wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Sobald ich an Javier dachte, fühlte ich mich hundeelend. Obgleich er mich im Stich gelassen hatte, schlug mein Herz immer noch für ihn, und wenn er jetzt zur Tür hereinkäme, würde ich alles für ihn tun.

»Javier war Arzt, aus Argentinien. Er hat die schönen Dinge im Leben geliebt und mich wie einen König mit dem besten Futter, den köstlichsten Leckerlis und Spielsachen verwöhnt«, erzählte ich Boris düster. »Seit er mich vor drei Jahren, als ich erst ein paar Monate alt war, von meiner Mum adoptiert hatte, haben wir zusammen in einer Wohnung in Battersea mit Blick auf die Themse gelebt.«

»Klingt nach einem schönen Leben«, bellte Boris beeindruckt.

»War es auch«, wuffte ich. »Wenn er morgens zur Arbeit ging, hab ich es mir bequem gemacht und vor mich hingedöst, und wenn Javier nach Hause gekommen ist, hat er erst mal ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank getrunken, bevor er mit mir in den Park gegangen ist, wo wir miteinander geredet haben und ich Tennisbälle zerkaut habe. Wenn Javier länger arbeiten musste, hat mich seine Freundin Gabriella ausgeführt. Aber mit ihr war es nie dasselbe, weil sie nie schnell genug wieder nach Hause kommen konnte.«

»Und was ist passiert?«, unterbrach mich Boris in meinen Erinnerungen.

»Als ich eines Abends ferngesehen hab«, bellte ich traurig, »hab ich gesehen, dass sie beide ihre Koffer gepackt haben. Kaum waren ihre Koffer voll, hat mich Javier hochgehoben, mit mir geschmust und gesagt, er hätte mich lieb, aber er und Gabriella müssten nach Buenos Aires zurück, weil ihre Visa abgelaufen seien.«

»Wieso haben sie dich nicht mitgenommen?«, stellte Barney die naheliegende Frage.

Ich zuckte die Achseln und merkte, wie mir die Unterlippe zitterte. Genau das war auch mein Gedanke gewesen, als ich mir nach diesem Schock die Kehle heiser gebellt und ihn angefleht hatte, mich mitzunehmen, doch Javier hatte meine verzweifelten Bitten überhört. Stattdessen hatte er meine Sachen zusammengesucht, ein Taxi gerufen und mich hier abgeladen.

»Das ist schrecklich«, sagte Boris leise. »Du bist dir bestimmt furchtbar verloren vorgekommen.«

Bei der Erinnerung, wie Javier sich umgedreht hatte und gegangen war, stellten sich mir erneut die Haare auf. In dem Moment, in dem ich begriffen hatte, dass er es ernst meinte und mich irgendwo draußen in Südlondon in einem Tierheim abgeben wollte, war ich vor Angst fast verrückt geworden. Mir brannten die faltigen Backen vor Scham, wenn ich daran dachte, wie ich ihm hinterhergejault, wie ich ihn angebettelt hatte, mich nicht zu verlassen, und mich für alles entschuldigt hatte, was ich je angestellt hatte, und wie ich gelobt hatte, mich zu benehmen, wenn er mich nur mit nach Argentinien nähme. Doch mein würdeloses verzweifeltes Bellen war auf taube Ohren gestoßen, denn mein ehemaliger Besitzer war wieder in sein Taxi gestiegen, ohne sich auch nur ein einziges Mal nach mir umzudrehen.

»Ich hatte schreckliche Angst«, bellte ich leise. »Und die habe ich immer noch.«

In Wahrheit hatte ich so große Angst, dass ich meine schlimmste Befürchtung bis jetzt für mich behalten und nicht einmal Kelly verraten hatte: Selbst wenn sie tatsächlich jemanden fand, der mich liebte, garantierte mir nichts, dass er mich eines Tages nicht auch wieder verließ. Wer wusste denn schon, ob er mich für immer behielt? Wenn ich eines von Javier gelernt hatte, dann das: Manchmal ist Liebe nicht genug.

Kapitel 2

Als aus Tagen Wochen wurden und die meisten meiner Freunde das Heim verlassen hatten, um zu neuen Ufern aufzubrechen, beschlichen mich Zweifel, ob Barney, Boris und Kelly sich vielleicht doch damit geirrt hatten, dass alle Möpse liebten. Allein in den letzten Tagen hatte ich zusehen müssen, wie der Spaniel Frank mit einem netten jungen Paar aus Cheam weggegangen war; wie Meggy, eine Weimaranerin mit einem älteren Herrn aus Hove das Heim verlassen hatte; und wie selbst Daisy, der Highland-Terrier, der so schlimme Blähungen hatte, dass es jeden aus dem Zimmer trieb, von einer anscheinend freundlichen Familie aus Chelmsford adoptiert worden war.

Und jetzt sah es ganz so aus, als müsste ich mich auch von Barney verabschieden, da er es einer jungen Frau aus Clapham mächtig angetan hatte, die gerade gekommen war, um ihn mitzunehmen. Als die Frau sich zu ihm herunterbeugte, um ihn an den Ohren zu kraulen, winselte Barney vor Freude und wedelte so heftig mit dem Schwanz, dass der Boden unter mir vibrierte. Natürlich freute ich mich, dass Barney jemanden gefunden hatte, der ihm die Liebe gab, die er verdiente, aber tief in meinem Inneren war ich traurig, dass nicht ich an seiner Stelle war.

Als Barney mit seiner neuen Besitzerin wegstolzierte, warf er mir einen aufmunternden Blick zu. »Ich sag dir, mein Junge, du bekommst eine ganz besondere Familie.«

Ich sah ihm hinterher, wie er durch die großen Glastüren ging, die auf den Hof und in die Welt da draußen führten. Niedergeschlagen trottete ich zu meinem zerwühlten Bett zurück und kroch unter meine weiche Decke. Ich wollte nichts und niemanden sehen. Obwohl es Samstag war und es im Heim bald nur so von Familien wimmeln würde, die auf der Suche nach einem neuen Kumpel waren, war ich nicht in der Stimmung, mich von meiner besten Seite zu zeigen. Im Lauf der letzten Wochen hatte ich sämtliche Tricks ausgespielt, um den süßen, unwiderstehlichen Mops herauszukehren und eine Familie zu finden, die mich mitnahm. Ich hatte meinen Schwanz ausgerollt und damit gewedelt, mich auf den Rücken gelegt und die Pfoten von mir gestreckt, um zu signalisieren, dass ich mich gerne streicheln ließ, und den vorbeikommenden Kindern mit schmachtendem Blick in die Augen geschaut. Natürlich hatte ich dafür reichlich Streicheleinheiten bekommen und im Lauf der Zeit gelernt, nicht zu jaulen, wenn mich die größeren Kinder am Schwanz zogen oder mir auf die empfindlichen Pfoten traten. Doch während mich alle mit Liebe überschütteten, hörte ich, wie sie hinter vorgehaltener Hand über die Gesundheitsprobleme redeten, die meine platte Nase mit sich bringen könnte, und wie sie sich wegen meiner Blähungen sorgten.

Ich war am Boden zerstört. Ich hatte mein Zuhause und meinen Besitzer verloren, und jetzt verließ mich auch noch die Hoffnung. Kelly hatte ihr Bestes getan, mich aufzumuntern, und mir immer wieder versichert, wie liebenswert ich sei, obwohl ich wusste, dass es nicht stimmte. Ich war nicht mehr in der Stimmung, eine tapfere Miene aufzusetzen, sondern machte einfach die Augen zu und träumte von einem anderen Leben. Kurze Spaziergänge in großen grünen Parks, ein freundliches Kind, das mich am Bauch kraulte, Schmusen mit einer kuscheligen Mum und Gespräche von Mann zu Mann mit dem Dad des Hauses in einem Schuppen am anderen Ende des Gartens.

Doch inzwischen gab es diese Dinge nur noch in meiner Fantasie, also kniff ich die Augen fest zusammen, um irgendwie die Welt da draußen zu vergessen. Meine Zeit hier bei den Vergessenen Pfoten war so weit in Ordnung, ganz nett sogar, doch das Heim konnte ein richtiges Zuhause nicht ersetzen. Zu sehen, wie all meine Freunde bis auf Boris einer nach dem anderen adoptiert wurden, warf eine Menge Fragen auf, nämlich: Was stimmte nicht mit mir?

Seit ich vor Wochen Boris und Barney erzählt hatte, wie ich hier gelandet war, musste ich immer wieder daran denken, wie Javier meine Bitten, mich mitzunehmen, einfach nicht beachtet hatte. Ich fragte mich unablässig, womit ich ihn verärgert hatte. Gabriella hatte mich nie besonders gemocht, und vielleicht war das ja der Grund, warum er nicht darum gekämpft hatte, mich in sein neues Leben in Argentinien mitzunehmen.

Die Zweifel nagten an mir, denn selbst wenn ich eine Familie fand, die mich nahm, reichte die Abneigung eines einzigen Familienmitglieds, um mich wieder wegzuschicken. Wenn ich daran dachte, aus wie vielen Gründen ein Hund bei den Vergessenen Pfoten landen konnte, war mir zum Heulen zumute. Allmählich hatte ich den Eindruck, dass wir Möpse unter einem schlechten Stern standen, egal, wie süß wir waren oder wie gut wir uns benahmen. In meinem Trübsinn tat ich, was ich in einer solchen Situation immer tue. Ich verabschiedete mich nach Schlummerland, während ich entgegen aller Vernunft die Hoffnung nicht ganz aufgab, dass sich mein Geschick doch noch zum Guten wenden würde.

»Ach, ist der süß!«, murmelte eine Frauenstimme und weckte mich sanft aus dem Schlaf.

Als ich mich verschlafen umdrehte, sah ich durch die Scheibe eine Frau, die zu mir hereinblickte. Sie war klein und dünn, das braune Haar fiel ihr sanft gewellt über die Schultern, und ihre blauen Augen strahlten eine Wärme aus, wie ich sie seit Langem nicht mehr gesehen hatte. Ich spürte einen Hoffnungsschimmer. Ich sah zu Kelly hoch, die mit einem strahlenden Lächeln neben dieser Frau stand, schüttelte den Schlaf ab, stand auf und trottete zum Glas hinüber, um die Besucherin mit einem kurzen Bellen zu begrüßen. Die Frau grinste, während sie in die Hocke ging, sodass ihr roter Wollmantel über den Boden schleifte. Aufgeregt klopfte sie an die Scheibe.

»Hallo, junger Mann.« Sie grinste, bevor sie wieder zu Kelly aufblickte. »Ich glaube, ich habe mich verliebt. Darf ich reingehen und ihn mir ansehen?«

Kelly lachte und kramte eins der Leckerlis aus der Tasche, die ich so liebte. »Aber sicher. Das ist Percy«, erklärte Kelly der Frau, während ich ihr das Leckerli aus der warmen Hand schnappte. »Er ist mein ganz besonderer Freund – ein prächtiger Bursche, umwerfend gut gebaut und ein riesengroßes Herz, meine Idealvorstellung von einem Mann.«

Nachdem sie mich hochgehoben hatte, knuffte mich Kelly zur Ermunterung und lud die Frau ein, auf dem alten Sessel in der Ecke Platz zu nehmen. Kaum hatte sie es sich bequem gemacht, setzte mich ihr Kelly behutsam auf den Schoß, und die Frau kraulte mich unter dem Kinn.

»Das ist Gail«, sagte Kelly zu mir. »Wir haben gerade so viel über dich geredet, dass dir sicher die Ohren geklingelt haben. Genau wie ich hat Gail einen ausgezeichneten Geschmack, Perce, sie liebt Möpse.«

Ich brachte meine Freude mit einem kurzen Bellen zum Ausdruck. Das war die hoffnungsvollste Nachricht, die ich seit meiner Ankunft gehört hatte. Ich setzte mich auf Gails Schoß so zurecht, dass ich sie in Augenschein nehmen konnte. Sie schien Ende dreißig zu sein, hatte eine cremeweiße Haut, und die vereinzelten Sommersprossen auf der Nase ließen sie irgendwie kindlich und verletzlich aussehen. Andererseits sagten mir die zarten Fältchen um ihre blitzenden blauen Augen und die grauen Ringe darunter, dass das Leben auch zu ihr nicht immer freundlich gewesen war und dass sie es vielleicht genau wie ich leid war, sich ihren Platz in der Welt zu erkämpfen. Ich mochte sie auf Anhieb, und als Gail meinen prüfenden Blick voller Wärme erwiderte, kribbelte es mir im ganzen Bauch. Ich spürte, dass Gail jede Menge Liebe zu geben hatte, und als ich das nächste freudige Bellen vom Stapel ließ, kraulte sie mich freundlich hinter den Ohren und lachte.

»Hättest du Lust auf einen kleinen Spaziergang mit mir, Percy?«, fragte sie. »Ich würde dich wirklich gerne ein bisschen besser kennenlernen.«

Dankbar rieb ich meinen Kopf an ihrem Arm, um ihr zu zeigen, wie toll ich die Idee fand.

»Ich denke, das dürfen Sie als ein Ja verstehen«, sagte Kelly schmunzelnd und reichte ihr meine Leine.

Kaum hatte Gail sie an meinem Halsband befestigt, lief ich gehorsam neben ihr her nach draußen ins Freilaufgehege. Als ich die frostige Luft im Gesicht spürte, blickte ich zu Gail auf und wedelte vor unbändiger Freude mit dem Schwanz. Noch niemand hatte darum gebeten, mich auf einen Spaziergang mitnehmen zu dürfen, und ich war wild entschlossen, alles zu tun, dass Gail mich genauso mochte wie ich sie.

»Also, Percy, Kelly hat mir alles über dich erzählt«, sagte Gail in einem freundlichen, beruhigenden Ton. Als der Wind zunahm, wickelte sie sich ihren Schal enger um den Hals. »Wie’s aussieht, hast du ein bisschen Pech gehabt.«

»Kannst du laut sagen«, bellte ich zur Antwort, während ich freudig neben ihr herlief.

»Ich weiß, wie das ist«, antwortete sie. »Meine Familie hat auch ganz schön Pech gehabt. Das ist nicht fair, oder?« Gail blieb an einer Bank stehen, setzte sich hin, legte ihre warmen Hände um meinen kleinen Körper und nahm mich auf den Schoß. Ich sog den Duft ihres blumigen Parfüms ein und entspannte mich auf ihren Oberschenkeln, durch die frostigen Temperaturen zitterte ich ein wenig. In den drei Wochen, die ich jetzt hier war, hatte der Winter Einzug gehalten, und ich genoss die Wärme eines Menschen. »Ich würde dich gerne nach Hause mitnehmen, Percy«, sagte sie, während sie mir sacht den Kopf streichelte. »Ich glaube nicht, dass ich mir das nur einbilde, wenn ich sage, dass wir zwei uns in dieser kurzen Zeit bereits angefreundet haben.«

Ich drückte mich tiefer in ihren Schoß, um ihr zu zeigen, wie recht sie hatte.

»Die Sache ist nur die, mein Junge« –, Gail lachte leise, »– dass du vielleicht nicht mehr so erpicht darauf bist, bei uns zu leben, wenn du erst ein bisschen mehr über meine Familie erfahren hast. Deshalb finde ich es nur fair, dir zu erzählen, wie wir so sind.«

Das entspannte, glückliche Gefühl, das ich seit Gails Ankunft hatte, verließ mich, und ich stellte die Ohren auf.

»Mein Mann, Simon, und ich sind seit zwanzig Jahren zusammen«, sagte sie nervös. »Wir haben uns auf einer Party kennengelernt, kurz nachdem er nach Devon gezogen war, und seitdem sind wir keinen Tag getrennt gewesen. Nach unserer Heirat vor fünfzehn Jahren wurden wir mit einer wunderbaren kleinen Tochter gesegnet, Jenny, sie ist inzwischen zwölf.«

Als sie ihre Tochter erwähnte, sah ich, wie Gail die Augen feucht wurden. Sachte legte ich meine warme Pfote auf ihre Hand, um sie zu ermuntern, mit ihrer Geschichte fortzufahren. Meine Absicht blieb ihr nicht verborgen – Gail sah mich dankbar an und vergrub ihr Gesicht in meinem Fell.

»Jenny ist ein wunderbares, freundliches, warmherziges Kind, und wir lieben sie über alles«, fuhr Gail mit wackeliger Stimme fort, »aber sie hat ein Herzleiden, und zu alldem sind wir auch noch vor Kurzem aus Devon nach London zurückgezogen. Ich sage ›zurück‹, weil Simon, der Installateur ist, ursprünglich von hier kommt, sodass er hier eine Menge alter Freunde hat, aber ich fühle mich ohne einen Job und ohne meine Freunde ziemlich einsam hier, und ehrlich gesagt, läuft es zwischen Simon und mir im Moment nicht so gut.«

Als sie ausgeredet hatte, fuhr mir Gail mit gespreizten Fingern durchs Fell und sah mich erwartungsvoll an. Ich erwiderte ihren Blick, der voll aufrichtiger Wärme war, und versuchte, mir auf das, was sie gerade erzählt hatte, einen Reim zu machen. Ich hatte mir nie etwas anderes gewünscht, als zu einer liebevollen Familie zu gehören, und ganz offensichtlich hatte Gail Liebe und Fürsorge genau so nötig wie ich. Obwohl wir erst ungefähr eine Stunde miteinander verbracht hatten, fühlte ich mich schon jetzt zu dieser Frau hingezogen, die mich vom ersten Moment an mit ihrer Zuneigung überschüttet hatte.

Andererseits hatte die Erfahrung mit Javier Zweifel bei mir gesät. Ich wollte nichts lieber, als mit Gail nach Hause zu fahren, neu anzufangen und geliebt zu werden, doch ich hatte Angst. Vielleicht war das alles zu schön, um wahr zu sein. Vielleicht beschloss diese neue Familie irgendwann, wieder nach Devon zurückzuziehen, und hatte keine Lust, mich mitzunehmen, weil ich Gail an ihr verhasstes Leben in London erinnerte. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, und grub mich noch tiefer in Gails Schoß, als könnte ich die Antworten dort finden. Als ich an ihren Händen schnüffelte, versuchte ich, ihr zu zeigen, wie viel sie mir schon jetzt bedeutete und wie gerne ich für sie und ihre Familie da sein wollte.

Und wie gehofft, ging es Gail umgekehrt nicht anders. »Also, Percy, die Sache ist klar.« Mit einem strahlenden Lächeln setzte sie mich wieder auf den Boden und beugte sich zu mir herunter. »Ich glaube, wir beide werden ein tolles Team. Und obwohl wir nicht wissen, wie alles weitergeht, kann ich dir eins versprechen: Wenn du mich lässt, werde ich dich mehr lieben, als je ein Mops geliebt worden ist.«

»Das fände ich toll«, bellte ich zur Antwort.

Auf dem Weg zurück ins Heim war ich so glücklich, dass ich am liebsten vor Freude in die Luft gesprungen wäre. Endlich würde ich wieder zu einer Familie gehören, endlich wollte mich jemand, und ich würde sie nicht enttäuschen. Als Kelly mit Gail ins Büro ging, um den Papierkram zu erledigen, lief ich Boris über den Weg, der gerade nach der Spielzeit aus dem Gehege hereingeführt wurde.

»Du siehst aus wie die Katze, die von der Sahne genascht hat«, bellte er freudig.

»Eher wie der Hund, der den größten, saftigsten Knochen abbekommen hat«, antwortete ich. »Ich bin adoptiert worden.«

Boris setzte sich auf die Hinterbeine und hob die rechte Pfote, um mich abzuklatschen. In freudiger Erwartung ließ ich die Zunge heraushängen und hob die rechte Pfote, während ich mich an den Trick erinnerte, den mir Javier beigebracht hatte, streckte sie aus und traf die Pfote des Westies.

»Gut gemacht, Kumpel. Ich freue mich für dich«, bellte er.

»Danke. Sie ist die netteste Frau der Welt«, erwiderte ich. »Als wir uns gesehen haben, hat es klick gemacht, und ich wusste sofort, dass sie die Richtige für mich ist.«

»Und? Haben Barney und ich dir nicht gleich gesagt, dass da jemand ganz Besonderes auf dich wartet?«

Ich nickte. »Habt ihr, Boris, ich hätte euch glauben sollen. Jetzt müssen wir nur noch für dich eine nette neue Familie finden.«

Boris zuckte die Achseln. »Du bist ein ganz besonderer Hund, Percy. Du hast es verdient, zu richtig netten Leuten zu kommen. Wenn ich es nur halb so gut erwische, bin ich der glücklichste Westie der Welt.«

»Ich sag dir was, Boris, du bist ein Glückspilz und ein richtig lieber Kerl«, bellte ich. »Und bis du einen netten neuen Besitzer findest, möchte ich dir zeigen, was für ein toller Bursche du bist. Komm mit.«

Aufgeregt trottete ich den Flur entlang zurück zu meinem Raum, während Boris mir eifrig folgte und mich immer wieder fragte, was das zu bedeuten habe. Doch ich verriet ihm nichts, bis wir bei mir waren. Da die Tür offen stand, lief ich hinein. Ich sah sofort, was ich wollte. Bei meiner Ankunft hatte ich nur wenig bei mir gehabt, neben ein paar Spielsachen nur meine geliebte blaue Kaschmirdecke und mein Bett. Boris hatte mit seinen ersten Besitzern Sam und Emma wenig Glück gehabt, und ich wollte ihm zeigen, dass auch auf ihn liebevolle Menschen warteten, wenn er ihnen nur eine Chance gab. In der kurzen Zeit hier im Heim war mir der Westie ans Herz gewachsen. Ich lief geradewegs zu der blauen Decke, die mir einmal so viel bedeutet hatte. Ich nahm den weichen Stoff zwischen die Zähne, zog die Decke aus meinem Bett und ließ sie vor Boris’ Pfoten fallen.

»Der Winter steht vor der Tür, und die hält dich nachts schön warm«, bellte ich.

Boris blickte ungläubig auf die Decke. »Aber das ist deine. Die hast du von Javier bekommen. Willst du sie nicht zur Erinnerung an ihn behalten?«

»Die sollst du haben, zur Erinnerung an mich und unsere Freundschaft«, wuffte ich. »Zeit, nach vorne zu blicken, Kumpel, für uns alle.«

Kapitel 3

Ich drückte mich mit dem ganzen Körper an die kalte durchsichtige Scheibe, die mich von der Welt da draußen trennte, und beobachtete gebannt das Kommen und Gehen im Heim. In den letzten beiden Stunden hatte ich jedes Auto genau beobachtet, das im strömenden Regen heranfuhr. Vor Aufregung stellten sich mir die Haare auf, und ich konnte es kaum erwarten, dass Gail endlich kam.

Gestern hatte mir Kelly erzählt, dass sie Gails Familie einen Besuch abgestattet und sich davon überzeugt habe, dass sie das ideale Zuhause für mich sei. Seitdem hatte ich an nichts anderes mehr gedacht als an meine neue Familie und die letzte Nacht bei den Vergessenen Pfoten vor Aufregung nicht geschlafen. Von einer Minute zur anderen schwankte ich zwischen Vorfreude und Angst vor meinem neuen Leben.

Als ich jetzt sah, wie eine Frau, die eindeutig nicht Gail war, aus einem roten Sportwagen stieg, pochte mir das Herz bis zum Hals. Wo blieb sie nur? Was, wenn Gail es sich doch noch anders überlegt hatte? Wenn sie mich auf einmal doch nicht mehr haben wollte? Von meinem besorgten Jaulen wachte Boris auf.

»Die kommen schon noch, keine Bange«, bellte er verschlafen.

»Und wenn nicht?«, fragte ich in plötzlicher Panik.

»Was soll schon zwischen gestern und heute passiert sein, dass sie es sich plötzlich anders überlegt hätten?«, fragte Boris, ein vernünftiger Gedanke, wie ich einräumen musste. »Und jetzt leg dich schlafen, damit du frisch und munter bist, wenn sie dich holen kommen.«

Ich wusste, Boris hatte recht, und kehrte widerstrebend in mein Bett zurück, schloss die Augen und versuchte, mich auf irgendetwas anderes als mein neues Zuhause zu konzentrieren. Doch jedes Mal, wenn ich mich abzulenken versuchte und an meine Lieblingsbeschäftigungen dachte, wie auf einem Tennisball herumzukauen oder nach einem Happen Käse zu schnappen, stellte ich mir vor, dass Gail mir den Ball zuwarf oder mir die Leckerlis hinhielt. Es nützte nichts. Ich war überdreht, und still zu liegen machte es nur noch schlimmer. Also stand ich aus meinem Körbchen auf, sprang erneut zum Fenster und drückte das Gesicht an das Glas – wenigstens hatte ich auf diese Weise etwas zu tun.

Plötzlich fuhr draußen vor dem Tierheim ein silberfarbener Wagen vor, und ein Mann um die vierzig in einem grünen Parka und in Jeans stieg auf der Beifahrerseite aus. Abgesehen von seinem grau gesprenkelten dunklen Haar konnte ich auf die Entfernung nur zwei freundliche schokoladenfarbene Augen ausmachen, bevor er zu einer der hinteren Türen ging und sie öffnete. Kaum schwang sie auf, stieg ein Mädchen mit blassem Gesicht und braunem Haar aus, das ihr fast bis zur Taille reichte, und hielt sich an der Hand des Mannes fest. Ich sah auf Anhieb, dass das Mädchen Gail wie aus dem Gesicht geschnitten war, und hielt den Atem an. Waren sie das? War meine Familie gekommen, um mich abzuholen? Vor Aufregung sprang ich auf dem kühlen Boden hin und her, während ich darauf wartete, dass sich der Fahrer endlich zeigte.

Ich brauchte nicht lange zu warten, denn im nächsten Moment öffnete sich die Fahrertür, und eine Frau mit gewelltem braunem Haar stieg aus: Gail.

»Sie sind da, sie sind da«, kläffte ich und trippelte noch aufgeregter auf der Stelle, ohne die Augen von meiner neuen Familie zu lassen. Eines war offensichtlich: Sie freuten sich, da zu sein. Die Tochter, Jenny, strahlte und plapperte aufgeregt drauflos, während sie sich im Heim umschaute, und Simon hing gebannt an ihren Lippen. Gail sah einfach hinreißend aus. An diesem Morgen trug sie einfach Jeans und Stiefel, ihren inzwischen vertrauten roten Wollmantel hatte sie bis unters Kinn zugeknöpft. Mit einem strahlenden Lächeln legte sie den Arm um ihre Tochter und küsste sie auf den Kopf. Dann sah sie sich suchend um, und unsere Blicke trafen sich. Kaum hatte sie mich am Fenster entdeckt, winkte sie mir zu und stupste Jenny und Simon an. Als ihnen klar wurde, dass ich ihr neuer Hund war, folgte Jenny dem Beispiel ihrer Mutter, während ich aufgregt auf und ab hüpfte und auf meine Weise zurückwinkte.

Wie ich sie so durch den Regen zur Tür eilen sah, um mich zu holen, schlug mein Herz dieser wunderbaren neuen Familie entgegen, zu der ich von jetzt an gehören sollte.

»Ich hab doch gesagt, dass sie kommen«, gähnte Boris. »Du machst dir zu viele Sorgen, Percy.«

»Ich hab mir keine Sorgen gemacht«, bellte ich und war schon wieder am Fenster, das mich von ihnen trennte.

»Hab ich gesehen«, zog mich Boris auf, während ich in meinem Raum hin und her flitzte und zusah, dass ich alle meine Sachen beisammenhatte.

Als ich Schritte den Flur entlangkommen hörte, flitzte ich zur Tür und wartete, dass sie endlich aufging. Binnen Sekunden hörte ich das vertraute Quietschen der Scharniere, und im nächsten Moment steckte Kelly den Kopf herein.

»Sieh mal, wen ich mitgebracht habe.« Sie strahlte übers ganze Gesicht und nahm mich wie immer auf den Arm, um mich zu streicheln. Dann setzte sie mich wieder ab, damit ich der Familie Hallo sagen konnte, die auf der Schwelle stand, und schon stieg mir dieser vertraute blumige Duft in die Nase.

Ich sah von einem zum anderen und wusste nicht, wen ich zuerst mit einem freudigen Bellen oder Lecken begrüßen sollte. Zum Glück nahm mir Jenny die Entscheidung ab und stürmte auf mich zu.

»Mum, ist der süß!«, rief sie und hob die Hand, um mich am Kopf zu tätscheln, zögerte dann aber doch. »Darf ich?«, fragte sie Kelly vorsichtshalber um Erlaubnis.

»Nur zu«, erwiderte meine Pflegerin, »unser Percy schmust für sein Leben gern, stimmt’s, mein Junge?«

»Allerdings!«, bellte ich und reckte den Kopf Jennys Hand entgegen.

Kaum spürte ich ihre Finger, die mich auf dem Kopf und an den Ohren kraulten, und blickte ihr in die blauen Augen, wusste ich, dass sie, genau wie ihre Mutter, die Liebe und Fürsorglichkeit in Person war und dass wir die besten Freunde werden würden.

»Komm schon, Jen, lass andere auch mal ran, ich will meinen neuen Kumpel nämlich ebenfalls begrüßen«, sagte Simon und trat ein wenig zögernd auf mich zu.

Er war warmherzig wie seine Tochter, nur vielleicht ein bisschen zögerlicher. Ich fragte mich, ob Simon schüchtern war, und drückte ihm als stumme Aufforderung mein Gesicht in die warme schwielige Hand. Er verstand mich und kraulte mich mit der anderen im Nacken.

»Willkommen in der Familie, Percy«, sagte Simon leise. »Wurde auch langsam Zeit für einen zweiten Mann im Haus – diese Frauen verschwören sich immer gegen mich, da müssen wir Kerle zusammenhalten.«

»Du kannst auf mich zählen«, bellte ich von ganzem Herzen und zog die Schnauze weg. Als ich glücklich zu ihm aufschaute, machte ich innerlich einen Luftsprung, denn neben ihm erschien ein bekanntes Gesicht mit schönem kastanienbraunem Haar und einem strahlenden Lachen, und ich wusste, wo ich hingehörte.

»Hallo, mein Junge«, sagte sie leise, »ich hab mich so darauf gefreut, dich heute nach Hause zu holen, dass ich unentwegt von dir geredet habe.«

Bei der Erinnerung an das wohlige Gefühl ihrer Hände in meinem Fell reckte ich ihr die Schnauze entgegen und bellte vor Freude über das Wiedersehen.

»Jetzt gehört er ganz Ihnen«, sagte Kelly, streichelte mir noch einmal über den Kopf und küsste mir das Fell. »Gehen wir zu einer letzten Untersuchung noch einmal mit ihm nach unten, und dann können Sie ihn mit nach Hause nehmen.«

Mit diesen Worten legte mich Kelly Gail in die Arme, und als ich noch einmal zu meiner Wohltäterin aufblickte, bekam ich feuchte Augen. Sie war hier im Heim mein Rettungsanker gewesen, und nie im Leben würde ich die liebevolle Fürsorge vergessen, die sie mir hatte angedeihen lassen.

»Danke«, wuffte ich leise.

»Gern geschehen, Percy.« Lächelnd sah mich Kelly an und küsste mich noch ein letztes Mal auf mein Fell.

In Gails Armen drehte ich mich um und warf einen letzten Blick auf mein Zimmer. Als ich Boris sah, der mir freudestrahlend hinterherblickte, bellte ich ihm ein Lebewohl zu.

»Pass auf dich auf«, sagte ich zu ihm. »Halt die Ohren steif, und vergiss nicht: Da draußen wartet schon eine Familie auf dich.«

»Mach ich, Percy, du auch«, antwortete Boris. »Wär schön, dich mal wiederzusehen.«

Es war ein komisches Gefühl, das Tierheim von draußen zu sehen, wie ich es von meiner Ankunft in Erinnerung hatte. Als ich über den kalten Betonboden rannte, wurde mir bewusst, dass ich nicht mehr in einem Auto gefahren war, seit mich Javier vor ein paar Wochen hierhergebracht hatte. Bei dem Gedanken an diesen düsteren Tag stellten sich mir sämtliche Haare auf. Doch dann tröstete ich mich damit, dass die bevorstehende Fahrt auf vier Rädern eine glückliche Zukunft verhieß.

Als Gail die hintere Tür aufschloss, sah ich, dass sie eine spezielle Hundebox für mich besorgt und auf dem Rücksitz festgeschnallt hatte. An sich hasste ich es, so beengt zu reisen, und zog es vor, mich auf dem Sitz frei bewegen zu können, doch als ich Gails Gesicht sah, wusste ich, dass sie nur besorgt um meine Sicherheit war. Widerstrebend kletterte ich hinein, und nachdem sich Gail vergewissert hatte, dass ich sicher untergebracht war, beugte sie sich zu mir herab und gab mir einen Schmatz auf den Kopf.

»Kommst du da drinnen klar, mein Junge?«, flüsterte sie, und ich sah, dass sie sich bei ihrem Kuss den Lippenstift verwischt hatte.

Ich bellte zur Bestätigung. Wie sich zeigte, hatte ich es in der Box recht bequem, da Gail mir dankenswerterweise ein Schafsfell hineingelegt hatte. Vor allem aber war die Box an den Seiten offen, sodass mich Jenny, die sich neben mich setzte, zur Beruhigung kraulen konnte, während Gail und Simon vorne einstiegen.

Kaum hatte Simon sich angeschnallt, fuhr Gail los. Als sie aus der Parklücke setzte und in den Rückspiegel sah, trafen sich unsere Blicke. »Wir wohnen ungefähr vierzig Minuten von hier, am westlichen Rand von London, wenn auch leider nicht in der feinen Gegend.«

»Da hat sie recht, Percy«, rief mir Simon über die Schulter zu. »Es ist definitiv nicht die feine Gegend, und so ungern ich es sage, wird es bei Gails Fahrweise um einiges länger als vierzig Minuten dauern.«

»Dad!«, rief Jenny empört und runzelte verärgert die Stirn. »Mach dich nicht immer über Mums Fahrweise lustig.«

»Danke für die Unterstützung, Jen«, antwortete Gail. »Wenn dir meine Fahrweise nicht passt, Simon, kannst du gerne fahren.«

»Lass gut sein, Liebes. Ich fahre die ganze Woche quer durch London; da muss ich ganz bestimmt nicht auch noch am Wochenende hinterm Lenkrad sitzen«, protestierte Simon.

Ohne den Blick ein einziges Mal von der Straße zu wenden, machte Gail ihren Standpunkt klar: »Dann hör auf mit deiner Krittelei. Es hat mir schon auf der Herfahrt gereicht.«

»Das war nur ein Witz«, sagte Simon beschwichtigend. »Wie wär’s mit ein bisschen Humor.«

»Und wie wär’s mit ein bisschen Einfühlungsvermögen?«, konterte Gail. »Du verdirbst uns diesen besonderen Moment mit unserem kleinen Percy.«

Ich spähte zu Jenny hinüber. Das blasse, zarte Mädchen hatte während des Schlagabtauschs ihrer Eltern den Blick fest in den Schoß gerichtet. Auch wenn sie nicht weinte, war sie offensichtlich darüber bedrückt, dass nach dem glücklichen Moment des Kennenlernens beziehungsweise des Wiedersehens plötzlich eine frostige Stimmung eingetreten war. Ich sah mich nach Gail um und erhaschte ihr Gesicht im Rückspiegel. Sie presste die Lippen zusammen, während sich Simon abgewandt hatte und betont aus dem Seitenfenster starrte.

Ich fragte mich, ob Gail das gemeint hatte, als sie mir von den Spannungen zwischen ihr und ihrem Mann erzählt hatte. Das hier war ein besonderer, glücklicher Tag, und ich war fest entschlossen, meinen Teil dazu beizutragen, dass es auch so blieb. Als ich mich wieder zu Jenny umwandte, kam mir eine Idee. Ich rief mir die Tricks ins Gedächtnis, die mir Barney beigebracht hatte, um sich bei neuen Familien beliebt zu machen. Und so drehte ich mich in der Box auf den Rücken, streckte alle vier Pfoten in die Höhe und winselte ein wenig wie ein Menschenbaby.

Als Jenny mich so sah, verzog sie das Gesicht zu einem freudigen Grinsen. »Mum! Percy denkt, er ist ein Baby.« Ohne auf eine Antwort zu warten, streckte sie die Hand in meine Box und kraulte mich, so wie ich gehofft hatte, am Bauch. »Oh, fühlt der sich weich an!«, kreischte sie.

Simon drehte sich um, und als er sah, was seine Tochter meinte, musste er lachen. »Ach, Percy, ganz offensichtlich hast du den Bogen mit den Frauen raus. Ich glaube, ich kann noch das eine oder andere von dir lernen.«

»Was macht er denn?«, wollte Gail wissen, während sie uns gerade durch den besonders dichten Verkehr an einer Kreuzung navigierte. »Ich kann es nicht sehen.«

»Er hat sich auf den Rücken gedreht und tut so, als wäre er ein Baby«, erklärte ihr Jenny, während sie mich zu meinem größten Vergnügen weiterstreichelte.

Nach einem kurzen Blick nach hinten musste auch Gail über mich lachen. »Percy!«, rief sie. »Du liebe Güte, bist du süß.«

»Süß ist gar kein Ausdruck«, sagte Simon schmunzelnd. »Er ist ganz schön ausgekocht, so, wie er euch Frauen zum Schmelzen bringt. Ich seh schon, Percy wird mein Ass im Ärmel gegen euch beide.«

»Oh nein«, protestierte Jenny kichernd. »Er wird mein Freund.«

»Und meiner, nicht zu vergessen«, fügte Gail hinzu, während ich mich umdrehte und wieder auf die Beine kam.

Als ich in die lächelnden Gesichter blickte, war ich froh zu sehen, dass sich die Stimmung im Wagen wieder aufgehellt hatte.

Und im Rückspiegel erhaschte ich einen vergnügten Blick von Gail. »Danke«, formte sie mit den Lippen.

Kapitel 4

Als der Wagen knirschend auf dem Kies einer Einfahrt zum Stehen kam, reckte ich den Hals, um mein neues Zuhause in Augenschein zu nehmen. Es war kein großes Haus und im Unterschied zu Javiers alter Wohnung auch nicht glamourös, doch mit der roten Backsteinfassade, der schwarzen Haustür und den schönen runden Erkerfenstern sah es anheimelnd und gemütlich aus.

Während Simon Jenny aus dem Wagen half, spähte ich aus dem Fenster und war froh, dass der Regen aufgehört hatte. Die graue Wolkendecke der ersten Novemberwochen hatte mir auf die Stimmung gedrückt. Als Gail meine Tür öffnete und mich aus der Box hob, übten ihre behutsamen Hände eine beruhigende Wirkung auf mich aus. Wochenlang hatte ich mich nach einem neuen Leben gesehnt, und als es nun endlich so weit war, machte es mir ein wenig Angst.

»Willkommen daheim, Percy«, flüsterte mir Gail zu, während sie mich an sich drückte und mir sanft über den Kopf strich. »Ich kann mir denken, dass du dich erst einmal ein bisschen fremd fühlst, aber wir alle haben dich schon jetzt so gern, dass wir alles tun werden, um dich glücklich zu machen.«

Mit meinen braunen Augen sah ich Gail ins Gesicht und legte ihr die Pfote auf den Unterarm. Danke, sagte ich ihr damit, als wir uns über den Kiesweg zum Haus begaben. Wie machten Kelly und Gail das nur, dass sie immer zu wissen schienen, was ich gerade dachte, fragte ich mich.

Als wir drinnen waren, hielt ich die Nase in die Luft und erschnupperte meine neue Umgebung. Schon in der Eingangsdiele stieg mir ein gemischter Duft nach Kaffee und Wäsche in die Nase, und es freute mich, dass es sich schon ein bisschen wie zu Hause anfühlte. Unter einem großen vergoldeten Spiegel sah ich einen Wandtisch, auf dem sich die Post stapelte. Rechts von mir hingen jede Menge Familienfotos über der Treppe. Auf einem großen Bild hielt eine sehr jung aussehende Gail Baby Jenny in den Armen, und darüber gab es Fotos, auf denen Gail und Simon zwischen älteren Paaren standen. Jennys Großeltern, wie ich vermutete.

Den Ehrenplatz in der Mitte nahm eine Aufnahme von Simon, Gail und Jenny vor diesem Haus ein, von der alle drei mir entgegenstrahlten. Doch bei näherem Hinsehen war zu erkennen, dass das Paar zwar in die Kamera lächelte, die Fältchen um Gails Augen aber nicht zu übersehen waren und Simons traurige Augen nicht zu seinem Grinsen passten.

»Eine Tasse Tee, Liebes?«, rief Simon aus der Küche, wie ich vermutete.

»Ja, gerne, und einen großen Napf Wasser für Percy«, erwiderte Gail, während sie mich auf den Boden setzte.

»Schon erledigt. Es soll seiner Lordschaft an nichts fehlen.«

Über Simons komische Wortwahl musste ich innerlich grinsen. Denselben Satz hatte Gabriella zuweilen verwendet, doch bei ihr hatte er nie freundlich geklungen. Bei Simon war das anders – ich hörte nicht nur die Zuneigung heraus – die Neckerei gab mir schon jetzt das Gefühl dazuzugehören.

»He, und was ist mit mir?«, fragte Jenny, als sie die Treppe herunterkam.

»Keine Angst, auch für dich ist gesorgt«, antwortete Simon grinsend, als er wieder aus dem Raum am Ende des Flurs kam. »Ich habe dir deine geliebte heiße Schokolade gemacht.«

Jenny strahlte über beide Ohren. »Danke, Dad. Darf ich jetzt Percy mein Zimmer zeigen?«

»Also, ich wär dann so weit«, antwortete ich Jenny und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Ich konnte es kaum erwarten, mich im Haus umzusehen und Zeit mit dem Mädchen zu verbringen. Als ich zu Gail hinübersah, bekam ich mit, wie sie und Simon Blicke tauschten, die ich nicht verstand.

»Also gut, dann mal los«, sagte sie schließlich lächelnd. »Aber nicht zu lange – danach wird es Zeit, dich ein bisschen hinzulegen, nach der Aufregung heute Morgen bist du bestimmt müde.«

»Muuuum!«, stöhnte Jenny, »mir geht’s gut. Ich hab doch nur im Wagen gesessen.«

Aber Gail sah ihre Tochter unerbittlich an. »Genau, ein paar Minuten mit Percy und dann ab ins Bett, wenn ich bitten darf.«