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Annwn ist das alte Walisische Wort für ”Himmel” und wird, ähnlich wie Valhalla, unterirdisch verortet. Der Roman erzählt die Geschichte von Willy, einem alten Walisischen Schafhirten, der sich nach dem Tod seiner geliebten Frau hat gehen lassen. Eines Tages während eines Spaziergangs stirbt seine alte Hündin und Willy bricht aufgrund eines durch Trauer und Schock hervorgerufenen Herzinfarkts zusammen, obwohl er schon lange keinen Lebenswillenmehr verspürt hatte.
Dennoch wacht er im Krankenhaus auf und versucht zu verstehen, was passiert ist. Nach kurzer Zeit stellt er fest, dass die junge Krankenschwester seine verstorbene Frau Sarah ist, und ihm dämmert, dass er gestorben sein muss. Das jedoch stört ihn nicht; ganz im Gegenteil, er ist überglücklich.
Er verbringt einige ”Tage” mit Sarah in Annwn, während derer sie ihn herumführt und ihm erklärt, wie das Leben im ”Himmel” abläuft. Er ist von allem, was er dort sieht und hört, begeistert, bis er plötzlich und ohne Warnung zu seinem Körper zurückgerufen wird. Dieser war auch im Krankenhaus, aber in der wirklichen, physischen Welt, und er erwacht von seiner Nahtoderfahrung. Kurz darauf beginnt er, seine Frau wahrzunehmen, und seine Erinnerungen an Annwn kehren zurück.
Sein Leben ist völlig verändert und er spürt einen neuerwachten Lebenswillen, während er mit seiner Frau aus dem Jenseits heraus gemeinsam für das Wohl der mit weniger Glück gesegneten Menschen um ihm herum arbeitet, bis er, eines Tages wirklich sterben und sein Leben für immer an der Seite seiner Frau verbringen wird.
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EINE NACHT IN ANNWN
URHEBERRECHTE ©
WIDMUNG
INSPIRIERENDE ZITATE
ANNWN-HIMMEL
1 WILLY JONES
2 WILLYS SPAZIERGANG
3 SARAH
4 ANNWN
5 DER SITZ ALLEN LERNENS
6 RUNDGANG
7 WIEDER-WIEDERERWACHEN
8 BRYN TEG COTTAGE
9 NEUE HOBBYS
10 DER ENTWICKLUNGSZIRKEL
11 GEISTHEILUNG
13 DER ZAPFENSTREICH
14 DER „POST HORN GALLOP“
GLOSSAR
LEBEN IN ANNWN
ÜBER DEN AUTOR
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EINE NACHT IN ANNWN
Die seltsame Geschichte der NTE des alten Willy Jones
van
Owen Jones
übersetzt von
Dr. Maya Grünschloß
URHEBERRECHTE ©
Copyright © 2024 Owen Jones
Das Recht von Owen Jones, als Urheber dieses Werks bezeichnet zu werden, wurde gemäß den Abschnitten 77 und 78 des Urheberrechts-und Patentgesetzes 1988 geltend gemacht. Das Urheberpersönlichkeitsrecht wurde geltend gemacht.
Die Figuren und Ereignisse in diesem Roman sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder sie werden völlig fiktiv verwendet. Einige Orte mögen existieren, aber die Ereignisse sind völlig fiktiv.
Eine Nacht in Annwn
Die seltsame Geschichte der NTE des alten Willy Jonesvon Owen Jones
Veröffentlicht von Megan Publishing Serviceshttps://meganthemisconception.com
Alle Rechte vorbehalten!
WIDMUNG
Für meine Eltern und alle Spiritualisten in unserer Familie, sowohl auf als auch unter der Erde, dafür, dass sie mir eine gute Sicht auf das Leben ermöglichten.
Glaube nicht einfach an alles, nur weil du es gehört hast.
Glaube nicht einfach an alles, nur weil man darüber spricht und redet.
Glaube nicht einfach an alles, nur weil es in deinen religiösen Büchern geschrieben steht.
Glaube nicht einfach an alles, nur weil die Autorität deiner Lehrer und Eltern es fordert.
Glaube nicht einfach an alles, nur weil die Tradition es über Generationen hin gebietet.
Falls du aber nach genauer Beobachtung und Analyse erkennst, dass es vernünftig istund dem Guten wie dem Wohlergehen des Einzelnen und aller dient,dann akzeptiere es und lebe strikt danach.
Gautama Buddha
––
Oh großer Geist, dessen Stimme ich in den Winden vernehme, höre mich. Ich brauche Deine Kraft und Weisheit.
Mache, dass ich immer den roten und purpurnen
Sonnenuntergang sehe. Mögen meine Hände die Dinge achten, die Du mir gegeben hast.
Lehre mich die Geheimnisse, die unter jedem Blatt und jedem Stein verborgen sind, wie Du die Menschen schon immer gelehrt hast.
Lass mich meine Kraft nicht dazu gebrauchen, meinen Brüdern überlegen zu sein, sondern um meinen größten Feind – mich selbst – zu bekämpfen.
Lass mich immer mit reinen Händen und einem offenen Herz vor dich treten, damit mein Geist, wenn mein Erdenleben wie der Sonnenuntergang schwindet zu Dir zurückkehren kann, ohne sich schämen zu müssen.
(Frei nach einem traditionellen Gebet der Sioux)
Die Serie:
ANNWN-HIMMEL
Eine Nacht in Annwn
Die seltsame Geschichte der NTE des alten Willy Jones
Leben In Annwn
Die seltsame Geschichte von Willy Jones’ Leben nach dem Tod
Annwn Verlassen
Rückkehr zur Erde auf einer Mission
„Dad, bist du schon wach?“, rief Becky in das schäbige, dunkle Cottage hinein, während sie die Haustür hinter sich mit einem Knall ins Schloss fallen ließ, nur für den Fall, dass er noch nicht auf den Beinen war. Sie fragte sich, ob sie die Tür nicht doch besser offengelassen hätte. Der Gestank war fürchterlich. „Dad, ich bin’s, Becky! Steh jetzt bitte auf, Dad!“
Sie öffnete die Vorhänge des vorderen Fensters, das für ein altes walisisches Landhaus recht groß geraten war, aber nach modernen Maßstäben als klein gelten konnte. Sie öffnete es, soweit es ging, und befestigte es mit den altmodischen Streben, bevor sie nach hinten in die Küche ging.
Die Quelle des Geruchs wurde sofort ersichtlich. Kiddy, der alte, schwarze Welsh Sheepdog, drückte sich eindeutig schuldbewusst vor der Hintertür herum.
„Schon gut, altes Mädchen, du kannst nichts dafür. Er hätte dich vor Stunden schon rauslassen müssen.“ Sie öffnete die Hintertür und verteilte die Schweinerei dabei unabsichtlich noch weiter auf dem Linoleum. „Scheiße!“, rief sie unwirsch aus, als ein neuer, noch stärkerer Gestank vom frisch aufgeriebenen und aufgelockerten Hundehaufen emporstieg.
Sobald der Spalt groß genug war, schlüpfte Kiddy dankbar hinaus in den Garten, erleichtert, sich von der Quelle ihrer Verlegenheit entfernen zu können.
Becky holte einen Eimer und ein müffelndes Putztuch unter der Spüle hervor, musste aber erst das Geschirr auf die Arbeitsfläche stellen, bevor sie den Eimer im Waschbecken befüllen und dann mit dem Tuch den Boden wischen konnte. Mangels heißen Wassers oder eigener Reinigungsmittel nutzte sie kaltes Wasser und Seifenpuder.
Es gab keine Gummihandschuhe, sodass sie sich auf den Boden hockte und mit dem Aufwischen begann.
„Scheiße, Scheiße, Scheiße und nochmal Scheiße!“, schimpfte sie leise. „Dieses Haus ist ein richtiges Drecksloch!“
Während sie sich um den halbmeterlangen braunen Streifen herumbewegte, klebten die Sohlen ihrer Turnschuhe immer wieder am Boden fest. Die ganze Küche bräuchte dringend eine Tiefenreinigung mit heißem Wasser, dachte sie. Als sie mit dem kleinen Abschnitt zufrieden war, ging Becky in den Garten zur Außentoilette und schüttete das Wasser weg. Dann wusch sie ihre Hände und den Eimer am Außenhahn, schüttete Bleiche in den Eimer und füllte ihn erneut mit Wasser, sodass sich das Wischtuch vollsaugen und hoffentlich von alleine reinigen konnte.
Sie ging zurück in die Küche, steckte den Stöpsel in das Waschbecken, drehte am einsamen Wasserhahn, öffnete das Fenster und legte das Geschirr ins Wasser, um es einzuweichen. Das einzige Küchenutensil, das seit ihrem letzten Besuch benutzt worden war, schien die Bratpfanne zu sein, aber alle Teller waren dreckig und dazu noch eine Menge Tassen, Whisky-und Biergläser.
Sie wusste, was das bedeutete. Etwas Frittiertes und Tee am Morgen – am späten Morgen oder eher frühen Nachmittag – etwas Frittiertes und Bier am Abend und ein paar Whiskys vor dem Schlafengehen. Die Situation war untragbar geworden und Becky war kurz davor, die Geduld mit ihrem Vater zu verlieren, auch wenn sie Mitleid mit seiner alten Hündin hatte, der mit ihrem Vater in einem solchen Saustall leben musste, den weder der Gestank noch der Zerfall zu stören schienen.
Als sie das Geschirr abwusch, sah sie nach draußen auf die kleine Bergkette, die sich ein paar Meilen entfernt von dem Stück Land aufwarf, das man euphemistisch als Garten bezeichnen konnte, auch wenn es früher wunderschön gewesen war, als sie noch zuhause gewohnt hatte. Die Berge hatten sie immer schon angezogen; sie kam dabei nach ihrer Mutter. Ihre Mutter hatte vierzig Jahre lang zwei-bis dreimal am Tag an diesem Fenster abgespült und die Berge betrachtet.
Becky und ihr Vater trösteten sich mit dem Gedanken, dass sie glücklich in den Bergen lebte und dort herumwanderte, jetzt, wo sie nicht mehr bei ihnen war. Sie war vor fünf Jahren an Gebärmutterhalskrebs gestorben. Sie waren aus allen Wolken gefallen, weil sie nie zu den Kontrolluntersuchungen im Krankenhaus gegangen war. Diagnose und Tod innerhalb von drei Monaten; es war ein fürchterlicher Schock gewesen.
Indessen wusste Becky nun mehr über die Krankheit, hatte sich selbst testen lassen und vermutete, dass ihre hart arbeitende, stoische Mutter gewusst hatte, dass sie krank war, aber niemandem zur Last hatte fallen wollen und sich vielleicht sogar mit dem Gedanken angefreundet hatte, tot und weit weg von der Plackerei in einem kleinen, isolierten und einsamen Cottage zu sein.
„Ich wollte doch selbst noch spülen, wenn ich runterkomme!“
„Ah! Du hast mich erschreckt! Würdest du dich bitte nicht immer so hinter mir anschleichen? Ich hab’s dir doch schon oft gesagt, Dad.“
„Das ist ja eine nette Art, deinen alten Da zu begrüßen. Wie auch immer, ich schleiche mich nicht an und selbst wenn ich es täte, darf ich das wohl in meinem eigenen Haus.“
„Wie geht’s dir heute, Da?“ Manchmal rutschte sie in den Dialekt und nannte ihn „Da“, manchmal sprach sie sogar Walisisch, aber nicht mehr so oft, seit sie von ihrer Gärtnerausbildung zurückgekehrt und ihre Mutter gestorben war.
„Mir geht’s gut. Ich bin nur so müde und habe keinen Grund, früh aufzustehen, wenn es kalt ist. Warum nicht warten, bis die Sonne alles ein bisschen aufgewärmt hat, und solange im Bett bleiben? Gibt es Tee? Ich bin völlig ausgedörrt. Mein Mund schmeckt wie die Unterhose von ’nem Feldarbeiter.“
„Musst du das so bildlich beschreiben? Ich habe keine zwei Paar Hände, wie du weißt! Ich musste schon der armen alten Kiddy hinterherputzen, weil du zu ‚müde‘ warst, um sie rauszulassen, und alles hier war viel zu dreckig, um davon zu essen. Und du musst dich wirklich mehr um dich kümmern“, sagte sie, als sie sich umdrehte und ihn von oben bis unten betrachtete. „Du siehst schrecklich aus.“
William Jones stand in seinen Pyjamahosen und ohne Hausschuhe vor ihr. Das weiße Haar bedeckte die Hälfte seines Kopfes und stand in alle Richtungen ab und seine Gesichtsmuskeln sahen aus, als schliefen sie noch. Ein Hauch seines Atems beim Sprechen zeigte, dass sie mit Whisky als Schlummertrunk richtig gelegen hatte – vermutlich genug für einen ordentlichen Brummschädel.
„Warum putzt du dir nicht die Zähne und klatschst dir etwas Wasser ins Gesicht, um richtig aufzuwachen?“
„Ich brauche keinen Vortrag über Hygiene von dir, danke schön. Ich habe meine eigenen Routinen über sechzig Jahre hinweg etabliert und sie waren immer ausreichend. Ich werde sie jetzt nicht mehr ändern, nicht für dich oder irgendjemand anderen. Deine liebe alte Mutter hat sich nie beschwert und ihr Standard ist gut genug für mich.
Wie auch immer, wenn du’s unbedingt wissen willst, ich wollte sowieso grade auf die Toilette gehen. Wenn du mich dann entschuldigen würdest…“
Er ging nach draußen. Er hatte sich stets unter dem Außenwasserhahn gewaschen, solange es kein Schnee oder Eis gab, und eine Dusche oder ein Bad waren immer noch besondere wöchentlich stattfindende Anlässe.
Sie trocknete ihre Hände an einem Geschirrtuch ab, füllte den Wasserkessel, drehte das Gas darunter auf, ließ drei Teebeutel in einen Topf gleiten, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass er leer war, und kümmerte sich weiter um das Geschirr.
„Komm und zieh dich mal an, Da“, forderte sie ihn auf, als er wieder hereinkam und nach dem Handtuch am Haken hinter der Hintertür griff. „Ich mache uns etwas Toast und der Tee brüht auch schon. Komm schon, lass dir nicht zu viel Zeit.“
Sie wärmte den Topf auf, hielt die Teebeutel fest und goss das Wasser darüber, dann zog sie den Stöpsel aus dem Spülbecken und machte den Grill an. Sie hatte wie immer ihr eigenes Essen mitgebracht, weil William es selten zu den Läden schaffte und der Inhalt seines Kühlschranks eine Beleidigung allen Anstands war. Das würde sie später ansprechen müssen, aber sie wollte zuerst gefrühstückt haben.
Während sich der Grill erhitzte, erinnerte sie sich an die Hündin und legte die Reste, die sie mitgebracht hatte, in den Napf. Vermutlich wäre eine offene halbvolle Dose Hundefutter im Kühlschrank, aber die würde warten müssen, weil Kiddy von Zeit zu Zeit auch mal einen Leckerbissen verdiente.
Kurz bevor sie ihren Vater herunterkommen hörte, schüttelte sie das Tischtuch vor der Eingangstür aus, ersetzte es durch ein neues und servierte das Frühstück.
„Schau, du kannst gut aussehen, wenn du es willst, Da.“
„Mich sieht doch sowieso niemand, warum ist es dann wichtig. Du hast kein Bier zum geschmolzenen Käse gegeben.“
„Nein, du trinkst schon genug Bier am Tag, ohne dass du es auch noch zum Frühstück bräuchtest.“
„Bier in Käse ist doch nicht wie Biertrinken, es ist Tradition. Welsh Rarebit heißt das. Eine jahrhundertealte walisische Tradition, aber du magst deinen Käsetoast auf die englische Art, ohne Bier.“
„Irgendwann wirst du mir mal dankbar sein und der Schock darüber wird so groß sein, dass ich tot umfalle und zu Mum in die Berge komme. Eltern beschweren sich immer, dass Kinder undankbar seien, aber alte Leute, oder du zumindest, sind viel schlimmer.“
„Tut mir leid, Becky“, sagte er und sah zu ihr auf. „Ich schätze alles, was du für mich tust, tu ich wirklich… Es ist nur, dass alte Leute in ihren Manierismen festhängen. Meine Mutter, Gott sei ihrer Seele gnädig, hat für meinen Vater immer Bier in den Käse getan und deine Mutter hat das auch immer für mich getan. Nach sechzig Jahren Bier und Käse auf Toast bist du einfach dran gewöhnt. Das verstehst du doch, oder nicht?“
„Ja, Da, aber jetzt hör endlich auf mit dem verdammten Bier!“
„Oh! Deine Sprache, Becky! Deine Mutter würde in ihrem Haus keine Schimpfworte tolerieren und ich ebenso wenig, ihr zu Ehren. Das ist noch so eine schlechte Gewohnheit, die du in diesem englischen College aufgeschnappt hast.“
„Nein, ist es nicht! Das habe ich von dir.“
William war nicht sicher, ob das stimmte oder nicht, aber entschied sich, nicht weiter zu streiten. „Das ist wirklich ein herrlicher Tee und der Käse schmeckt auch gut zur Abwechslung, wenn ich ihn wenigstens nur gelegentlich so essen muss,“ sagte er.
„Die Wahrheit ist, ich wusste, dass vermutlich Bier im Kühlschrank sein würde, aber ich konnte mich nicht überwinden, dort vor dem Essen reinzuschauen.“
Ihr Vater lachte. „Na gut, das verstehe ich! Ich gehe selbst nicht gerne da ran… besonders, wenn es dunkel ist. Man weiß nie, was dort lauern könnte. Etwas könnte dir die Hand abbeißen!“ Er griff nach einer ihrer Hände.
Sie zog sie rechtzeitig zurück und machte den Spaß mit.
„Warum wohnst du so, Da? Das muss doch nicht sein, oder? Du redest von Tradition, aber Mum hat immer alles blitzblank geputzt. Das war ihr Stolz und Glück, aber ich wette, sie wäre zu beschämt, um es heute zu betreten.“
„Nun, da liegst du falsch, Fräulein Besserwisserin mit ihrer englischen College-Bildung. Ich sitze oft hier und rede mit deiner Mutter in diesen vier Wänden.“
„Ich weiß, Dad, aber ich wette, sie schüttelt oft ihren Kopf angesichts des Zustands, in den du den Ort hast verkommen lassen. Es hat vorhin wie eine Jauchegrube gestunken… Bier, Whisky, Hundehaufen und altes vergammeltes Essen. Ich hätte mich übergeben können!“
„Tut mir leid, ich weiß, dass ich es hier zu weit kommen lassen habe. Es gibt einfach nur keinen Ansporn mehr. Ich versuche es manchmal, tu ich wirklich. Die Willenskraft ist nicht mehr da, vermute ich mal.“
„Warum kommst du nicht zu uns? Wir hätten dich gern bei uns und haben dich oft gefragt. Das Cottage hier ist zu groß für einen Mann alleine, besonders einen wie dich, der noch nie den Haushalt alleine schmeißen musste. Du schaffst das nicht, Dad; noch dazu mit dem Rheuma, dem schlechten Rücken und den geschwollenen Füßen.“
„Du tust so, als wäre ich schon schrottreif. Sieh mal, ich weiß, dass du, dass ihr alle sehr lieb zu mir seid, aber ich kann dieses Haus nicht verlassen. Es gibt zu viele Menschen und Erinnerungen hier für mich und die alte Kiddy. Außerdem wäre deine Mutter hier ganz alleine, wenn ich umziehen würde.“
„Ich weiß, dass du das glaubst, Dad, aber ich denke, dass, wenn es Geister gibt, und ich wüsste nicht, warum es sie nicht geben sollte, sie dann dahin gehen können, wohin sie wollen. Sie sind nicht an einen Ort gebunden.“
„Nun, da bin ich mir nicht so sicher. Du hörst oft von Orten und Häusern, wo es spukt, oder? Ich bin ja nun kein Freund pathetischer Sprache wie ‚Spuk‘ und dergleichen, aber ich denke, dass Geister wie Menschen mit ihren Orten verbunden sind und dortbleiben.“
„Aber warum sollten sie sich verbunden fühlen? Das ergibt keinen Sinn.“
„Doch, tut es, wenn du drüber nachdenkst. Wir mit unseren Körpern fühlen uns Freunden, Familien und unserem Besitz verbunden. Wenn ich morgen sterbe, bedeutet das doch wohl nicht, dass du losgehst und nach Simbabwe ziehst, oder? Wenn ein Meteor in die alte Farm einschlägt, würde ich auch nicht meine Siebensachen packen und nach Schottland ziehen, oder? Nein, natürlich nicht, ich bin diesem Ort emotional verbunden. Ich bliebe hier, und wenn ich eine Weile mal wegmuss, komme ich danach wieder zurück. So geht es neunzig Prozent der Menschen. Abgesehen mal von den komischen Auswanderern, die für eine Weile wegziehen, und selbst da sterben die meisten auch zuhause. Du kannst mir glauben, dass Geister oder körperlose Menschen Dinge aus den gleichen Gründen tun wie die Menschen mit einem Körper.“
„Hast du Mum wirklich gesehen und mit ihr von Angesicht zu Angesicht gesprochen?“
„Das lässt sich nur schwer beantworten, Liebes. Ich habe mit dir heute Morgen gesprochen, aber du standst mit dem Rücken zu mir und konntest mich nicht sehen. Dennoch hat dich das nicht davon abgebracht, dass ich es war, der hinter dir stand, oder? Um aber deine Frage zu beantworten: Ich habe sie nie so gesehen, wie ich dich grade sehe, oder eine solche Unterhaltung gehabt. Ich denke, dass ich einen flüchtigen Blick auf sie erhascht habe, wenn der Fernseher zum Beispiel spinnt und ich ihre Stimme in meinem Kopf höre.“
„Du siehst Mum im Fernseher? Ich habe das in Filmen gesehen, aber ich habe noch nie davon gehört, dass es auch im echten Leben passiert. Bist du sicher?“
„Nein, so hab ich’s nicht gemeint. Ich sehe ein Bild von ihr im Fensterglas, im Dampf vom Teekessel oder im Schatten des Hauses. Ich habe eine Theorie. Deine Mutter hat nicht gelernt, wie sie sich zeigen kann, und ich weiß nicht, wonach ich suchen muss. Verstehst du?
„Ich bin mir nicht sicher. Wenn du tot bist, bist du tot, oder nicht?“
„Das nehmen die Leute an, aber keiner von uns weiß es am Ende, oder? Lass es mich anders sagen… keiner kann beweisen, dass er es weiß. Es gibt einen Mann, der behauptete, dass er Gottes rechte Hand auf dem Planeten sei, aber Gott half ihm nicht, es zu beweisen. Es wird dennoch von der Katholischen Kirche in alle Welt getragen, als ob es eine unstrittige Heilsbotschaft wäre. Wie können er und sie alle damit durchkommen, heutzutage?“
„Wenn es Reinkarnationen gibt, waren wir früher schon tot, also was können wir dann noch lernen?“
„Andererseits, wenn es Reinkarnationen gibt, wurden wir auch schon geboren, aber wir müssen dennoch erneut lernen, wie man läuft, und spricht und sich verhält. Vielleicht müssen tote Menschen erneut lernen, wie sie ihre Körper heller oder dichter machen können, sodass wir sie sehen können. Ebenso mit ihren Stimmen.“
„Aber warum sehen dann nicht mehr Leute andauernd Geister?“
„Ich denke, das tun sie, aber wir hören nicht davon. Die Christliche Kirche ist sehr stark und unterstützt den Staat in vielen Fällen, also unterstützt der Staat die Kirche. Sie halten sich und die Mitglieder des Establishments, denen die Presse gehört, gegenseitig fest; und die Medien haben auch ihre Finger im Spiel, sodass sie alle für einander eintreten. Ich bin sicher, dass es zehn Millionen Indigener gibt, die jeden Tag Geister sehen und mit ihnen sprechen. Ich wette, es gibt Millionen in jedem Land, die das jeden Tag tun, aber sie erzählen eben lieber von dem Dschihad oder davon, dass der Papst ein Stück Asphalt geküsst hat. Es ist eine Verschwörung und zwar eine, die Jahrhunderte andauert, seit der Zeit der Hexenverbrennungen.“
„Denkst du wirklich, Dad? Es klingt etwas weit hergeholt, oder?“
„Das ist genau, was sie wollen – dass du so denkst! Wenn sie deine Argumente abprallen lassen, indem sie dich anstelle deines Arguments lächerlich machen, dann haben sie leichtes Spiel. Ich weiß es jetzt, aber ich bin erst vor Kurzem zu diesem Schluss gekommen. Ich habe viel Zeit zum Nachdenken, jetzt wo mich deine Mutter nicht mehr dazu bringen will, die Tür zu streichen oder das Dach zu reparieren, sobald ich mir mal zehn Minuten Ruhe gönne.“
„Mum war gar nicht so!“
„Das war sie verdammt nochmal wohl, wie du weißt, aber sie ist es nicht mehr. Sie hatte ein sehr hartes Leben und keiner von uns hat ihr so geholfen, wie wir gekonnt hätten, daher ließ sie mich auch hart arbeiten. Sieh mal, ich sage nicht, dass sie etwas falsch gemacht hat. Sie hat unser aller Leben besser gemacht, aber sie war eben manchmal so und dann bin ich lieber in den Pub gegangen, als hier rumzusitzen und mich anmeckern zu lassen, weil ich mal ein paar Stunden faulenze. Sie konnte es nicht ertragen, jemanden ohne Arbeit zu sehen. Das war die alte Schule… es war damals normal. Ich beschwere mich auch nicht. Ich hatte ein paar Nachmittage im Pub und das war auch genug und verflucht mehr, als sie je hatte.“
„Wo wir von Arbeit sprechen, ich sollte besser los. Ich wische noch den Küchenboden und putze den Kühlschrank, aber dann muss ich nach Hause und dort loslegen. Warum nimmst du nicht einen Stuhl mit in die Küche, sodass wir weitersprechen können?“
„Aye, ist gut. Ich kann sowieso nicht mehr auf den Boden runtergehen, um ihn zu wischen, sonst komme ich nicht mehr hoch.“
„Du hast dein Leben lang nicht einen Boden gewischt, aber falls du es doch mal probieren willst, müsstest du einen Mopp oder einen Abzieher kaufen. Genau genommen werde ich dir einen zu Weihnachten schenken, weil du grade gelogen hast!“
„Du kennst mich zu gut, das ist dein Problem. Wie auch immer, deine Mutter und ich hatten eine strikte Arbeitstrennung. Ich habe die Farmarbeiten gemacht und sie den Haushalt.“
„Ja, abgesehen davon, dass sie auch noch den Gemüse-und Kräutergarten pflegen musste.”
„Selbstverständlich, das ist doch Teil des Hauses. Der Teil, wo die weisen alten Frauen, die Hexen, von denen ich dir erzählt habe, ihre Kräuter anpflanzten, um ihre Familien stark und gesund zu machen. Das ist doch kein männlicher Chauvinismus; sie wollten und brauchten den Kräutergarten. Also, mach dich lieber vorher schlau, bevor du hier alles kritisierst, wovon du eigentlich nichts verstehst.“
„Okay, okay, ich gebe auf. So, der Boden ist gewischt und es hätte mit einem ordentlichen Mopp sicher die Hälfte der Zeit gedauert. Jetzt zum Kühlschrank.“ Sie sah ihren Vater an, bekreuzigte sich und öffnete die Tür. „Ich mache ihn jetzt auf“, sagte sie. „Jesses, das ist ja die Hölle!“
„Übertreib doch nicht!“, lachte er. „Gib mir ein Bier, lass die anderen drinstehen und schmeiß alles andere weg, wenn du willst.“ Sie tat wie geheißen.
„Okay, jetzt muss ich aber wirklich gehen. Ich komme morgen früh wieder und beziehe dein Bett neu und putze das Wohnzimmer. Was hast du heute Nachmittag vor? Soll ich dich irgendwo absetzen?“
„Lass mich kurz nachdenken… Nun denn, was habe ich denn in meinem sozialen Kalender für diesen herrlichen Sommertag vermerkt? Ach du liebes Lieschen, ich scheine ihn verlegt zu haben. Was zur Hölle mache ich jetzt nur? Ich kann mich an keine einzige Verabredung erinnern. In diesem Fall werde ich wohl einfach Bereitschaftsdienst schieben und mit Kiddy über die Hügel spazieren, bis wir beide hungrig genug sind, um wieder zu essen, und dann nach Hause gehen, um Mum alles über unseren Spaziergang zu erzählen –wie viele Hasen wir gesehen haben, wie viele Schlangen, wie viele Menschen, also normalerweise nicht einen einzigen. Entweder das oder du musst uns beim Dorf-Pub rauslassen und hoffen, dass uns jemand nach Hause fährt. Entscheidungen über Entscheidungen. Klingt beides gut oder?“
„Weiß ich nicht, aber ich muss los, das steht fest. Willst du, dass ich dir morgen die Rente abhole, Dad, und dir Bier und Essen besorge?“
„Ja, bitte, Liebes. Wir gehen heute nur noch spazieren. Vielleicht sind wir morgen im Pub. Danke für deine ganze Hilfe. Lass mich dich zum Auto bringen. Richte ganz liebe Grüße an deine Familie aus, machst du das? Na, wo ist denn dieser Hund schon wieder? Kiddy! Kiddy! Dewch yma – komm her”, hörte sie ihn noch rufen, als sie langsam davontuckerte und ihn und seine treue Hündin im Rückspiegel beobachtete. Sie fragte sich, wie lange er wohl noch alleine zurechtkäme, von allem und jedem meilenweit entfernt.
Als Becky abgefahren war, schlurfte William zurück in sein Haus, verriegelte die Hintertür und nahm seinen Stock aus der Ecke, in der er ihn angelehnt hatte, sowie seine leichte Windjacke vom Haken an der Eingangstür.
„Bye-bye, meine geliebte Sarah. Ich bin nicht lange weg“, flüsterte er und schloss die Tür hinter sich.
Er brauchte keine Leine für seine Hündin, weil sie ihr ganzes Leben ein gut arbeitender Schäferhund gewesen war und immer auf Williams und Beckys Rufe gehört hatte. Sie liebten sich so sehr, wie zwei verschiedene Spezies es eben vermochten, und machten sich auf den Weg zu einer ihrer täglichen Routen, die noch vor fünf Jahren nah an ihren Schafen vorbeigeführt hätte, sie aber nun leeres Weideland passieren ließ. Er suchte den Himmel erneut ab, eine alte Marotte, aber beschloss zum dritten Mal an diesem Morgen, dass es ein schöner Tag werden würde.