Eine ungewöhnliche Rechnung - Friederike von Buchner - E-Book

Eine ungewöhnliche Rechnung E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Gustav Steier fuhr auf dem Uferweg am Bergsee rechts ran, als Sandra ihm auf dem Fahrrad entgegenkam. Sie hielt an. »Grüß Gott, Herr Steier!«, sagte Sandra artig. »Grüß, Sandra! Thomas wartet schon auf dich. Er ist hinten am Ufer beim Wald.« Gustav Steiner war der Großvater von Thomas. Thomas hatte keine Eltern mehr und wohnte bei seinen Großeltern, sein Onkel Dieter hatte ihn adoptiert. Thomas und Sandra waren von Kindesbeinen an befreundet. Wenn Sandras Mutter nachts im Krankenhaus arbeitete, übernachtete Sandra bei den Großeltern von Thomas. »Es ging nicht schneller. Mama hat so lange gefrühstückt. Eigentlich dürfte ich das nicht sagen. Es ist auch nicht so, dass ich Mama schlecht machen will. Aber ... ach … nur ...«, stotterte das Mädchen und errötete. »Aber jetzt bin ich da. Ich fahre weiter, denn ich will Thomas nicht noch länger warten lassen.

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Toni der Hüttenwirt – 286 –

Eine ungewöhnliche Rechnung

Dann ergibt eins und eins eben vier und vielleicht noch mehr...

Friederike von Buchner

Gustav Steier fuhr auf dem Uferweg am Bergsee rechts ran, als Sandra ihm auf dem Fahrrad entgegenkam.

Sie hielt an.

»Grüß Gott, Herr Steier!«, sagte Sandra artig.

»Grüß, Sandra! Thomas wartet schon auf dich. Er ist hinten am Ufer beim Wald.«

Gustav Steiner war der Großvater von Thomas. Thomas hatte keine Eltern mehr und wohnte bei seinen Großeltern, sein Onkel Dieter hatte ihn adoptiert. Thomas und Sandra waren von Kindesbeinen an befreundet. Wenn Sandras Mutter nachts im Krankenhaus arbeitete, übernachtete Sandra bei den Großeltern von Thomas.

»Es ging nicht schneller. Mama hat so lange gefrühstückt. Eigentlich dürfte ich das nicht sagen. Es ist auch nicht so, dass ich Mama schlecht machen will. Aber ... ach … nur ...«, stotterte das Mädchen und errötete. »Aber jetzt bin ich da. Ich fahre weiter, denn ich will Thomas nicht noch länger warten lassen. Pfüat di!«

»Viel Spaß«, sagte Thomas Großvater. »Ich bringe euch später eine Brotzeit zum Mittag.«

Sandra seufzte und schüttelte den Kopf.

»Bitte, für mich nicht! Mama kocht, und ich muss zum Essen heim und ...«

»Ah so!«

»Mama isst nicht gern allein.«

Gustav Steier lächelte Sandra an und startete den Motor. Er fuhr los. Im Seitenspiegel sah er, wie Sandra auf ihr Fahrrad stieg und im Stehen in die Pedalen trat.

»Da bist du endlich!«, stöhnte Thomas und rollte die Augen.

»Mei, das ist eine Begrüßung! Willst du mir denn nicht grüß Gott sagen?«

»Grüß Gott, Sandra!«

»Grüß Gott, Thomas!«

»Warum bist du so spät?«

»Ich habe lange mit Mama gefrühstückt.«

»Dann musst du schneller essen«, belehrte sie Thomas.

»Ha, ha, du Schlauberger! Es war, weil Mama sich mal wieder sooo viel Zeit nahm. Eine Tasse Kaffee und noch eine und noch eine Tasse. An mir lag es nicht. Ich war ganz schnell fertig.«

»Da kann man nix machen. Ich finde es nur schade.«

»Stimmt, aber ich wollte sie nicht allein lassen. Als Papa noch bei uns war«, Sandra vermied die Wörter ›noch lebte‹, »haben wir immer lange gefrühstückt, an den Wochenenden oder wenn beide frei hatten. Damals haben wir viel erzählt. Es war sehr schön. Jetzt ist das nicht mehr so. Deshalb bleibe ich am Tisch sitzen, bis Mama ganz fertig ist. Weißt du, sie hat einmal gesagt, sie vermisse Papa bei den Mahlzeiten sehr und es sei eine große Umstellung, nicht mehr für drei Leute zu kochen. Jetzt gibt es nur noch meine Lieblingsessen und Mamas Lieblingsessen. Ach, ich sage es lieber gleich: ich musste ihr versprechen, zum Mittagessen heimzukommen.«

»Mei, das auch noch! Ich kann hier am See bleiben. Großvater bringt mir eine Brotzeit.«

»Deine Großeltern sind nett. Großeltern sind überhaupt viel netter und lieber, als Eltern.«

»Meine Eltern waren auch lieb und nett. Aber jetzt bin ich bei Onkel Dieter und den Steier Großeltern. Das geht in Ordnung. Sie sind bei weitem nicht so streng wie deine Mama.«

»Mama hat nur noch mich, Thomas.«

»Sie soll sie sich einen Mann suchen und wieder heiraten. Dann kann sie seine Lieblingsessen kochen.«

»Das wird sie bestimmt nicht tun.«

»Woher willst du das wissen?«

»Weil sie es gesagt hat. Alle reden ihr gut zu. Sie sei doch noch jung und würde sicherlich einen Mann finden und einen neuen Papa für mich.«

»Willst du einen neuen Papa?«, fragte Thomas.

»Ich weiß nicht. Keine Ahnung«, Sandra zuckte mit den Schultern, »außerdem werde ich bestimmt keinen bekommen.«

»Warum? Das kannst du doch nicht wissen.«

»Doch das weiß ich. Mama will bestimmt keinen neuen Mann.«

»Hat sie das gesagt?«

»Sie sagt, dass sie mich hat und damit zufrieden sein muss.«

»Manchmal verstehe ich die Erwachsenen nicht«, seufzte Thomas.

»Ich auch nicht.«

»Sandra, deine Mama ist fesch«, bemerkte Thomas. »Sie könnte bestimmt einen neuen Mann finden, wenn sie wollte. Aber wahrscheinlich ist es bei ihr wie bei Dieter.«

»Was ist wie bei Dieter?«

»Es ist nicht einfach für ihn, weil er mich hat. Die Madln wollen keinen Burschen, der ein Kind hat.«

»Aber du bist doch nicht richtig Dieters Kind. Er hat dich nach dem Tod deiner Eltern adoptiert.«

»Meine Großmutter sagt, das spielt keine Rolle. Kind ist Kind. Dieter müsste sich ein Madl suchen, das sich nicht daran stört. Weißt du, ich habe Großmutter belauscht, als sie darüber mit Dieter gesprochen hat.«

Die Kinder saßen im Gras. Thomas riss einige Grashalme aus und spielte damit.

»Wenn ich groß bin, gehe ich fort«, sagte Thomas. »Dann ist Dieter allein und muss auf mich keine Rücksicht mehr nehmen. Ich dachte, ich wandere aus. Neulich war eine Sendung im Fernsehen über Auswanderer.«

»Wohin würdest du gehen?«

Thomas zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich noch nicht. Irgendwohin, wo es Berge gibt. Ich kann im Winter als Skilehrer arbeiten und im Sommer als Bergführer. Oder ich arbeite auf einer Farm mit vielen Kühen.«

»So wie ein Cowboy?«

»Genau! Was machst du später?«, fragte Thomas.

»Daran denke ich noch nicht. Ich wäre sehr traurig, wenn du fortgehst.«

»Du kannst mich besuchen.«

»Flugreisen sind teuer, sagt Mama. Ich habe sicherlich nicht so viel Geld, um dich zu besuchen.«

»Mach dir darüber keine Gedanken, dann lade ich dich ein. Außerdem komme ich bestimmt zu Besuch nach Waldkogel.«

»Wirst du nicht traurig sein, wenn du fort bist?«

Thoma ließ sich nach hinten ins Gras fallen und verschränkte die Arme unter dem Nacken. Sandra saß im Schneidersitz neben ihm und sah ihn an.

»Ich möchte nie von Waldkogel fort«, sagte sie. »Du wirst bestimmt Heimweh bekommen.«

»Das kann schon sein. Aber es geht nicht anders. Ich habe mir das gründlich überlegt. Wenn ich weg bin, findet Dieter bestimmt ein Madl.«

Sandra legte sich ebenfalls ins Gras.

»Du musst eben ein Madl für Dieter suchen, Thomas. Dann kannst du hier bleiben.«

»Im Kirchenblatt gibt es Partneranzeigen«, sagte Thomas. »Die lese ich immer. Ich vertraue dir jetzt ein Geheimnis an. Das darfst du aber nicht weitersagen, Sandra. Du musst es schwören.«

Sandra setzte sich auf und hob die Hand zum Schwur.

»Ich schwöre«, sagte Sandra feierlich und legte ihre Hand auf ihr Herz.

»Okay, ich habe einmal auf eine Anzeige geschrieben.«

»Wirklich? Was hast du geschrieben?«

»Dass ich Thomas heiße, meine Eltern tot sind und mein Onkel Dieter mich adoptiert hat. Dass er deshalb kein Madl findet, weil ich sein Anhang bin. Ich schrieb, dass Onkel Dieter schon oft enttäuscht wurde, weil die Madln weggelaufen sind. Ich habe geschrieben, dass Dieter nett ist und viel Geld verdient und wir einen schönen, großen Hof haben, auf dem auch meine Großeltern leben. Du musst wissen, Sandra, dass ein Mann viel Geld hat, ist den Madln wichtig.«

»Hast du eine Antwort bekommen?«

Thomas schüttelte den Kopf.

»Nein! Das kam nur daher, weil die Frau sich nicht für Dieter interessierte. Sie schrieb in der Anzeige, dass sie auch einen Witwer, mit einem Kind, oder Kindern, nehmen würde. Sie war selbst Witwe und hatte zwei Kinder. Deshalb dachte ich, sie wäre in Ordnung und es würde passen. Dieter ist kein Witwer. Deshalb wollte sie ihn nicht, denke ich.«

Es war einen Augenblick still. Sandra betrachtete Thomas von der Seite. Er schien bedrückt.

»Du denkst, du bist der Grund, warum dein Onkel Dieter keine Frau findet, richtig?«, fragte Sandra.

»Das kann sein. Alle sagen, es wird Zeit, dass er sich nach einem Madl umsieht. Außerdem wünschen sich meine Steier Großeltern noch Enkelkinder.«

»Das ist gemein. Sie haben doch dich!«, stieß Sandra hervor.

»Mmm«, brummte Thomas. »Ich denke, sie hätten gern ein Madl, eine Enkelin.«

»Schmarrn, das kann man sich nicht aussuchen. Entweder es wird ein Bub oder ein Madl. Was ist, wenn dein Onkel Dieter heiratet und Vater wird, aber es nur Buben sind? Eins, zwei, drei, vier Buben oder mehr? Was ist, wenn überhaupt kein Madl kommt?«

Sie sahen sich ratlos an.

»Wahrscheinlich hoffen die Großeltern, dass ich früh heirate und Kinder bekomme.«

»Am besten nur Madln«, fügte Sandra hinzu.

Sie sahen sich an und grinsten.

»Dazu muss ich erst selbst ein Madl haben. Aber ich glaube, ich weiß, wen ich nehme.«

»Vorausgesetzt, das Madl hat sich in dich verliebt«, sagte Sandra.

»Das ist ja wohl klar, oder?«

Thomas sah Sandra nicht an.

»Kenn ich das Madl, das du später heiraten willst?«, fragte Sandra.

»Mmm«, antwortete Thomas.

Dann konnte er ein Grinsen nicht unterdrücken. Seine Wangen färbten sich zartrot.

»Ich habe lange darüber nachgedacht. Dich würde ich gern heiraten, Sandra. Magst du?«

»Ja, das könnte gehen. Jedenfalls kennen wir uns gut, auch wenn wir mal streiten.«

»Streiten gehört zum Leben dazu, sagt meine Großmutter. Wenn wir uns streiten, Sandra, sind wir nur verschiedener Meinung, aber wir sind nie lange böse aufeinander.«

»Nein, das sind wir nicht. Aber ich kann dir nicht versprechen, dass wir Mädchen bekommen. Außerdem dauert das noch, bis wir groß sind.«

»Wir müssen volljährig sein.«

»Das stimmt nicht ganz. Man kann schon vorher heiraten. Aber dann braucht man die Zustimmung der Eltern.«

»Es ist besser, wenn man sie nicht braucht«, sagte Thomas.

»Das stimmt. Wenn wir heiraten, wanderst du dann nicht mehr aus?«

»Ich weiß nicht. Würdest du nicht mitkommen?«

Sandra überlegte.

»Es würde schwierig werden, wegen Mama. Sie wäre ganz allein.«

»Dann muss sie eben auch mitkommen.«

»Und wenn sie nicht will?«, fragte Sandra.

Thomas wusste darauf keine Antwort.

Plötzlich hatte Sandra einen Einfall.

»Thomas, ich habe die Lösung! Ich muss meine Mama verheiraten. Sie muss einen Mann finden, und ich bekomme eine Menge kleiner Geschwister. Dann ist sie beschäftigt und ist froh, wenn sie ein Kind weniger hat.«

»Das glaube ich nicht.«

»Warum?«

»Weil du dann als Babysitter ausfällst«, sagte Thomas ernst.

Sandra stimmte zu.

»Die älteste Tochter muss immer auf die kleineren Geschwister aufpassen, das war bei Mama auch so. Aber wenn sie einen ganz reichen Mann finden würde, dann könnte sie ein Kindermädchen einstellen.«

Thomas verzog das Gesicht.

»Was gefällt dir daran nicht?«, fragte Sandra.

»Weil mein Onkel Dieter bestimmt kein armer Mann ist, aber er trotzdem keine Frau findet. Ein reicher Mann will vielleicht keine Frau mit einem Anhängsel. Das denke ich mir jedenfalls. Ein reicher Mann kann jede Frau haben.«

Sie sahen sich an und seufzten.

»Das ist ganz schön kompliziert, finde ich«, bemerkte Thomas.

»Es wäre nicht kompliziert, wenn wir deinen Onkel Dieter mit meiner Mutter verheiraten!«

Thomas riss erstaunt und erschrocken die Augen auf.

»Du meinst, wir sollen sie verkuppeln?«, stieß er hervor. »Meine Großmutter sagt, Verkuppeln sei strafbar.«

»Mmm, das habe ich auch schon gehört. Aber was können wir dafür, wenn sich die beiden ineinander verlieben?«

»Sandra, ich denke, das wird nicht geschehen.«

»Thomas, wieso sollte das nicht passieren? Es könnte doch sein, oder?«

»Jetzt höre, auf zu spinnen, Sandra! Sicher wäre es toll, wenn deine Mutter und mein Onkel Dieter heiraten würden. Dann wären wir den ganzen Tag zusammen. Du müsstet nicht mehr heim zum Essen.«

»Stimmt! Aber können wir dann noch heiraten?«

»Ich denke schon, wir sind keine richtigen Geschwister. Wir müssen uns erkundigen, Sandra. Bürgermeister Fellbacher oder Pfarrer Zandler werden es genau wissen.«

Sandra schüttelte heftig den Kopf.

»Bist du narrisch, Thomas? Die können wir nicht fragen. Die würden sofort Lunte riechen.«

»Stimmt, aber wen können wir sonst fragen?«

Sandra überlegte.

Nach einer Weile sagte sie: »Wir fragen die alte Ella Waldner. Sie ist okay, denke ich. Sie wird uns nicht verraten. Vielleicht kann sie uns ein Liebeskraut geben, damit die beiden sich ineinander verlieben.«

»Liebeskraut? Wirklich? Und das wirkt?«

»Ich denke schon, dass die alte Ella so etwas hat. Sie hat Tees für alle Leiden«, sagte Sandra mit viel Überzeugung in der Stimme.

»Liebe ist doch keine Krankheit. Es sei denn, zwei gehen auseinander. Dann kann es passieren, dass sie krank werden. Die Krankheit heißt Liebeskummer.«

»Das stimmt, Thomas. Liebeskummer ist wirklich eine Krankheit. Meine Mama hatte eine Kollegin, die wurde sitzen gelassen von ihrem Freund und dann wurde sie so krank, dass sie nicht arbeiten konnte. Sie hat nur geheult und geheult, bis der Chef sie heimgeschickt hat. Das war toll.«

»Toll, was war daran toll? Sie muss sehr unglücklich gewesen sein. Onkel Dieter war jedes Mal sehr bedrückt, wenn er wieder verlassen wurde.«

Sandra lachte laut.

»Thomas, so meine ich das doch nicht. Es war toll, weil Mama vier Wochen lang ganz viele Überstunden machen konnte. Sie hat viel mehr Geld verdient, und ich bekam ein neues Fahrrad.«

»Das rote Fahrrad?«, fragte Thomas. »Hast du den Platten repariert?«

»Blöde Frage, natürlich das rote Fahrrad. Mama und ich haben den Reifen geflickt, aber er verliert immer wieder Luft. Deshalb bin ich mit Mamas Fahrrad gefahren.«

»Mein Großvater kann danach sehen. Er kann das gut.«

»Unmöglich!«, widersprach Sandra mit Nachdruck.

»Warum? Was soll daran unmöglich sein?«

»Mama würde es nicht wollen. Sie hat ohnehin ein schlechtes Gewissen, weil ich so oft bei euch sein darf.«

»Himmelsakrament!«, schimpfte Thomas. »Deine Mutter scheint nicht einfach zu sein. Vielleicht sollte ich doch noch einmal darüber nachdenken, ob es wirklich eine gute Idee ist, wenn wir sie mit Onkel Dieter verkuppeln.«

»Komm mir jetzt bloß nicht so! Das wäre doch super, wenn die beiden zusammen kämen. Dann könnte sie nichts mehr sagen, weil deine Großeltern dann auch irgendwie meine Großeltern wären.«

»Du meinst Stiefgroßeltern?«, fragte Thomas.

»Ja, angeheiratete Großeltern eben.«

»Stimmt schon, also ist das noch ein Grund mehr, die beiden zusammenzubringen. He, ich habe eine Idee. Du musst doch zum Mittagessen nach Hause. Komm, lass uns gehen! Dann leihst du mir dein Fahrrad aus. Ich fahre damit heim und esse dort. Großvater kann nach dem Mittagessen dein Fahrrad reparieren. Für den kurzen Weg wird der Schlauch die Luft halten. Du kommst dann zu uns auf den Hof und holst mich ab. Wir fahren zusammen in den Wald und besuchen Ella Waldner.«

»Gute Idee, du bist gar nicht dumm. Die Idee könnte direkt von mir sein.«

»So, du hältst mich für dumm?«, zischte Thomas Sandra an.

»Nein, das tue ich nicht. Sei doch nicht so empfindlich!«

»Bin ich aber.«

»Dann bist du ganz schön eitel, Thomas.«

»Bin ich nicht!«

»Bist du doch!«

»Willst du jetzt streiten?«, fragte Thomas. »Hör auf, herumzuspinnen! Wir haben wirklich besseres zu tun, wenn wir deine Mutter und meinen Onkel zusammenbringen wollen. Oder willst du nicht?«

»Wie kannst du fragen? Das wäre super. Wir wären den ganzen Tag zusammen. Nur … meinst du, dass meine Mama deinem Onkel Dieter gefällt. Welche Haarfarbe mag er?«

»Rothaarige!«

»Wie bitte? Du nimmst mich auf den Arm.«

Thomas schüttelte den Kopf.

»Nein, neulich haben wir zusammen Fernsehen geschaut. Da war eine Schauspielerin, die rote Haare hatte. Onkel Dieter sagte, sie sei eine richtig fesches Madl.«

Sandra dachte einen Augenblick nach, griff sich in die Haare und drehte eine Strähne um den Finger.

»Ich werde versuchen, Mama zu überreden, sich die Haare zu färben.«

»Ob sie das macht?«

»Thomas, Mama macht schon mal Haarfarbe in die Haare, weil sie seit dem Tod von Papa einige graue Haare bekommen hat. Der Stress, verstehst du? Dabei ist sie noch so jung. Doktor Engler meint, es sei sicher nur eine vorübergehende Erscheinung. Er hat ihr Vitaminpillen verordnet. Ich tausche die blonde Haarfarbe gegen eine andere Farbe aus. Ich fülle einfach das Zeug in der Flasche um.«

»Das gibt Ärger, Sandra.«

»Nein, die Farbe war falsch abgepackt.«

Sie warfen sich ins Gras und lachten, bis sie keinen Atem mehr hatten.

»Aber zuerst sprechen wir mit Ella Waldner«, sagte Thomas. »Lass uns gehen!«

»Aber morgen fahren wir mit dem Paddelboot rum.«

»Ja, das machen wir. Komm, hilf mir, es dort hinten im Schilf verstecken!«

So machten sie es.

Dann rannten sie zurück ins Dorf. Daheim bei Sandra angekommen, schlichen sie in leise durch den Garten in den Schuppen.