Einfach grandios - S. Pomej - E-Book

Einfach grandios E-Book

S. Pomej

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Beschreibung

Der Menschheit wird ein unglaubliches Geschenk gemacht, welches ungeahnte Möglichkeiten mit sich bringt, allerdings auch einige Probleme... Wird die unermessliche Weisheit des US-Präsidenten sein Volk vor Schaden bewahren können??? Diese Story hebt die Stimmung in jeder Lage.

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"Die zwei größten Tyrannen der Erde: der Zufall und die Zeit." J. G. Herder

Triggerwarnung: Einige politisch unkorrekte Aussagen mancher Protagonisten würden dem Autor niemals über die Lippen kommen!

Inhaltsverzeichnis

Das Rendezvous

Der Besuch

Die Audienz

Die Wiederkehr

Rückkehr in die Normalität

Nachrichten und ihre Folgen

Die Creme de la Creme

Ein Offizier und ein Gentleman

Ansprüche und ihre Erfüllung

Sorgen schon am Morgen

In der Stille der Nacht

Ein Tag zum Vergessen

Augen zu und durch

Die Konfrontation

Das Creutzfeldt-Jakob-Syndrom

Die Suche

Die Sterbewelle

Am Ende der Welt

Der Strafplanet

Der verlorene Sohn

Von Liebe & Hass

Aggression, Depression & Entspannung

Der Überläufer

Epilog

I. Das Rendezvous

Der angebliche Außerirdische in seinem grauen Overall erschien auf den ersten Blick völlig normal, ja direkt harmlos. Allerdings wirkte er wegen fehlender Kopfhaare und Augenbrauen ein wenig kränklich und der ihm gegenübersitzende General in adretter Zivilkleidung wie sein besorgter Arzt. Beide erregten in dem überfüllten Diner überhaupt keine Aufmerksamkeit. Die beiden aufgetakelten Touristinnen am Nebentisch unterhielten sich auf Französisch über ihren Verlust im Casino, aber hey, deswegen kam man schließlich nach Vegas, nes pas? Diese Stadt hatte etwas Magisches, das alle profanen Probleme überstrahlte. Ach ja, Las Vegas, ein Ort des oberflächlichen Vergnügens, das auch den General befiel, da er den Außerirdischen natürlich für einen der vielen Spinner hielt, die sich wichtigmachen wollten. Manche davon hatten großen Unterhaltungswert, darum kam ihm die seltsame Einladung via WhatsApp in seinem etwas langweiligen Urlaub gerade recht und nun saß er hier. Leicht amüsiert hörte er sich die Ausführungen des ulkigen Fremden an, wobei er keine Sekunde an dessen Echtheit glaubte. Verglichen mit den anderen Aliens und Zeitreisenden auf YouTube rangierte der kahle Mann in der nach oben offenen Sensationsskala ziemlich weit unten.

"Sie nehmen es mir hoffentlich nicht übel, doch ich hege Zweifel an Ihren Aussagen", sagte General Marvin Hobbs, nachdem er seinen Cheeseburger aufgegessen hatte. "Wenn Sie aus einer technisch weit überlegenen Gesellschaft stammen, warum treffen Sie sich hier mit mir und besuchen nicht einfach unseren Präsidenten? Zu ihm vorzudringen dürfte bei Ihren Fähigkeiten ganz bestimmt keine Schwierigkeit für Sie darstellen."

Daraufhin rümpfte der Fremde etwas seine kleine Nase, sicher nicht wegen des durch das Lokal ziehenden Gestanks nach in ranzigem Fett herausgebackenen Fleisches. Bei seiner Antwort bewegten sich seine schmalen Lippen kaum. "Abgesehen davon, dass wir natürlich die Privatsphäre eines Menschen respektieren - angenommen ich erschrecke Mr. Trump mitten in der Nacht in seinem Schlafzimmer und erzähle ihm von unserer Absicht, glauben Sie, er würde es am nächsten Morgen twittern oder auch nur seiner Gemahlin anvertrauen, geschweige denn vor Pressevertretern öffentlich verlautbaren?"

Hobbs tupfte sich schmunzelnd den Mund ab, verscheuchte danach eine aufdringliche Fliege, um mit der Serviette abzuwinken. "Nun, wenn er keinen Beweis Ihres nächtlichen Überfalls zur Bekräftigung hat, wohl kaum. Können Sie mir einen Beweis Ihrer technischen Überlegenheit liefern?"

"Was erwarten Sie von mir? Mich unsichtbar machen? Kurz im Lokal herumschweben? Einen Klumpen Gold herbeizaubern? Gerade in dieser Stadt sind das doch alles nur Taschenspielertricks, die jeder noch so minderbegabte Zauberlehrling beherrscht."

"Gold! Da bringen Sie das Thema auf eine alte Verschwörungstheorie, die besagt, dass wir Menschen einst von den Anunnaki zum Zwecke des Goldabbaus erschaffen wurden", fiel dem General ein und er prostete dem Kahlköpfigen mit einem Glas Cola zu, bevor er es austrank, wobei die darin enthaltenen Eiswürfel lustig klimperten. Dann unterdrückte er ein Rülpsen und fuhr scherzhaft fort: "Wer weiß, vielleicht kommen Sie ja, um uns wieder zur Minenarbeit zu versklaven, mein Herr!"

"Haha", machte dieser etwas bemüht. "Bei uns kennt man auch Humor, wenn auch andrer Art. Gold gibt es überall und es wäre bei Bedarf ganz leicht für uns zu holen, deswegen kämen wir niemals auf einen bewohnten Planeten, geschweige denn, um Menschen zu unterjochen. Glauben Sie mir, Ihre Arbeit können unsere Maschinen effizienter und vor allem fehlerfrei verrichten. Dazu bräuchten wir Ihre Rasse nicht!"

"Nein, wie Sie mir erklärten, führen Sie hier also eine sozialökologische Studie durch", erinnerte sich Hobbs, kratzte sich am Kinn und schüttelte den Kopf. "Ich wage gar nicht, nach Ihrer Analyse zu fragen."

"Oh, die fällt positiv aus, trotz vieler Logiklöcher Ihrer Spezies. Ich würde sogar behaupten, dass wir uns ein wenig ähnlich sind. Nicht nur aussehensmäßig."

"Zuviel an Ähnlichkeit würde mich aber sehr beunruhigen." General Hobbs stutzte im Hinblick auf die Gewaltbereitschaft seiner Mitmenschen sowohl im Krieg als auch im Zivilleben.

"Keine Sorge, wir forcieren keine Übernahmepläne Ihres Planeten oder dessen Ausbeutung. Auch sind wir keine Menschenfresser", beruhigte ihn der Fremde, der die Gedanken seines Gegenübers richtig zu deuten wusste.

"Wie sind Sie überhaupt auf unseren Planeten gekommen?", wollte Hobbs wissen.

"Reiner Zufall. Bis vor kurzem war er für uns nicht einmal ein Fly-over-Planet. Und plötzlich orteten wir ein starkes Zeichen Ihrer Aktivität."

"Hm, Funkwellen sind zu langsam, es muss sich wohl mehr um ein Leuchtzeichen gehandelt haben. Ein Silvesterfeuerwerk?"

"Nein, um genau zu sein war es eine seismische Störung ihres Planeten aufgrund einer Atombombendetonation", erklärte der freundliche Außerirdische.

"Hätte ich mir fast denken können. Das Lichtzeichen unseres kulturellen Leuchtturmes lockt fremde Besucher an... HM! Aber auf der Sonne finden doch solche Atomreaktionen millionenfach statt!", gab Hobbs zu bedenken.

"Um es banal auszudrücken: die Sonne funkt auf anderer Wellenlänge. Immer, wenn eine derartige Explosion einen Planeten erschüttert, sind Wellen im Raumzeitgefüge zu orten. Uns interessieren vor allem Zivilisationen, die sich die Atomkraft zunutze machen, denn sie stehen knapp vor der Selbstzerstörung."

"Aha, verstehe, und Ihre Delegation eilte sofort hierher."

Heftiges Nicken seines Gesprächspartners, der dabei wie ein drohender Leguan wirkte. "Außerdem wollten wir vor Anbruch der nächsten Eiszeit mit unserer Arbeit fertigwerden."

"Richtig, Sie sprachen ja schon per WhatsApp darüber." Der ist gut, dachte sich Hobbs, so überzeugend, beinahe könnte ich ihm Glauben schenken, bin gespannt, was er überhaupt von mir will. "Und warum landeten Sie ausgerechnet in den USA? Auch ein Zufall?"

"Nein, Ihre Nation ist ein Imperium, hat über 900 Militärbasen in 130 Ländern. Hier sind wir bei der Leitkultur."

"Verstehe!" Trotzdem sank die Aufmerksamkeit des Generals und seine Augen schweiften zur sexy Bedienung ab. Die hübsche Blondine in ihrem engen Servierkleidchen erinnerte ihn an seine High-School-Liebe Betty-Lynn Anderson, die sich bei KFC ein Zubrot zu ihrem Taschengeld verdiente.

"Wie ich erwähnte, sind wenige von uns schon einige Zeit unter Ihrer Bevölkerung, haben die Studie beendet und wollen sich nun mit einem Geschenk verabschieden. Was würde Ihnen - also der gesamten Menschheit - denn Freude bereiten?" Seine geweiteten schwarzen Pupillen beobachteten den General sehr interessiert, vielleicht sogar ein wenig hypnotisch.

"PUH..." Nach einer originellen Antwort suchend, sah sich Hobbs in dem Diner um, wo alle Gäste laut durcheinanderplapperten, ab und zu schrill auflachten, sich gierig Fastfood in den Mund stopften und teils wild gestikulierten. "Ziemlich laut hier, könnten Sie nicht für Ruhe sorgen und einen Moment totaler Stille einkehren lassen? Das wäre schön!"

Eigentlich hatte er das nur als Witz gemeint, doch im selben Augenblick froren alle um sie herum in der Bewegung ein, so als wären sie auf einem Videofilm gebannt, den jemand per Tastendruck gestoppt hatte, und Totenstille machte sich breit wie eine drückende Decke, mit der er erstickt werden sollte. Selbst die Fliege - vorhin quicklebendig surrend herumschwirrend - präsentierte sich knapp neben seinem Gesicht eingefroren im Strom der sonst so gleichgültig und grausam dahinfließenden Zeit.

Hobbs schluckte, bekam eine Gänsehaut an den Armen, die nicht der Klimaanlage geschuldet war, sah den Außerirdischen an und holte tief Luft: "Das war die Art von Beweis, die ich vorhin meinte. Wie konnten Sie das so einfach bewerkstelligen?"

"Die Erklärung würde zu weit führen. Einer Ihrer Artgenossen meinte, die Zeit sei das, was verhindert, dass alles gleichzeitig passiert. So einfach ist es nicht. Es hat etwas mit Verzögerung der Entropie auf subatomarer Basis zu tun. Soviel kann ich verraten."

"Nun, da ich keinen Zweifel mehr an Ihrer Behauptung hege, scheint es mir fast dreist, wenn ich Sie um einen Teil dieser Technologie der Macht über die Zeit als Geschenk bitte, die auf mich wie Zauberei wirkt."

"Leider bin ich nicht befugt, Ihnen eine derart weit fortgeschrittene Technik zu überlassen", sagte der Fremde, in dessen dunklen, kalt wirkenden Augen kein Zeichen des Bedauerns erkennbar war. "Weder Waffen noch Reichtümer, mit denen Sie Ihren Zeitgenossen auf anderen Kontinenten schaden könnten, darf ich Ihnen zukommen lassen. Angesichts Ihrer leidvollen Geschichte werden Sie wohl verstehen, weshalb nicht..."

Die Gesichtszüge des Generals entgleisten regelrecht und zeigten Enttäuschung sowie Scham für seinesgleichen. Doch er musste insgeheim wohl zugeben: die Geschichte lehrte stets, dass der Mensch nichts aus ihr lernt. "Schade... Sie sind wirklich sehr gut informiert. Der Wahnwitz unseres Gesellschaftssystems hat sich wohl schon lange bis ins hinterste Winkel des Universums herumgesprochen."

"Nun ja, das gehörte doch zu unserer Studie. Die Menschheit auf unseren Wissensstand zu heben, wäre so ungefähr, als würden Sie Ihren Kindern die Hausaufgaben erledigen."

"Das schränkt die Nützlichkeit der Geschenkauswahl leider ziemlich ein. Was meinen Sie, wäre das geeignete Geschenk für uns, Mr. Södluf?"

"Nach eingehender Studie Ihrer Art fiel mir die tiefe Trauer um die Toten auf. Wir sind unsterblich, daher kannten wir so etwas überhaupt nicht", gestand Södluf.

"ACH? Und bei Überhitzung des Antriebes? Ich nehme an, Sie nutzen Anti-Materie als Motor für Ihr Raumschiff, äh- PUFF!" Etwas ungelenk deutete er mit beiden Armen eine plötzliche Expansion an.

"Falsch! Wir haben eine Partikel-Schleuder, die eine Explosion nicht zulässt. So, wie man bei einer Steinschleuder keine Feuerkraft zur Beschleunigung benötigt, simpel ausgedrückt."

"Aha, sehr interessant! Daher gibt es auch keine Todesfälle per Unfall", folgerte der General. "So weit sind wir noch lange nicht..." Irritiert warf er wieder einen verstohlenen Blick auf das im stillen Lokal erstarrte Sammelsurium spielsüchtiger, amüsierwütiger, sensationslüsterner Touristen, welches gerade wie auf einem Bild für die Ewigkeit gebannt, den denkwürdigen Dialog verpasste.

"Darum mache ich Ihnen folgenden Vorschlag, werter General: Sie oder Ihr Präsident oder wer auch immer, können wählen, welche Toten wir wieder auferstehen lassen."

Die Gänsehaut des Generals dehnte sich nun auf dessen gesamten Körper aus, wobei sein Blutdruck merklich anstieg. "Sie wollen unsere Toten aus den Gräbern holen?"

"Haha, nicht als Zombies, wie es Ihre herrliche Filmkultur tut, übrigens auch etwas, das wir nicht kannten."

"Zombies oder Filme?"

"Beides. Die Idee, Zombies die noch lebenden Menschen fressen zu lassen, ist wohl aus der Überlegung entstanden, dass jeder Mensch mindestens ein Molekül aller bisher verstorbenen und verwesten Kameraden intus hat."

"Nein, ich denke, es ist eher parodistisch gemeint und bezieht sich auf die unerwünschten Wanderbewegungen der Menschen aus kulturfremden Gebieten zu uns."

"Ach? Was auch immer dahinterstecken mag, lässt Rückschlüsse auf die menschliche Natur zu. Unser Besuch hier unter Ihresgleichen war wirklich sehr aufschlussreich. Nein, mein bester General, ich meinte vorhin, Sie stellen uns die sterblichen Überreste der Auserwählten zur Verfügung, egal ob es die Gebeine oder auch die Asche der Toten ist, und wir machen eine Resurrektion!"

"Sie meinen einen Klon?"

"Nein, ich meine die Rekonstruktion des Toten, so wie er zur Zeit des Ablebens bestand, was in Ihrer Religion auch Auferstehung des Fleisches genannt wird", erklärte Södluf geduldig, während er auf der Menu Karte des Diners mit dem Fingernagel seines linken Daumens eine Eins und eine Null einkratzte. "Sagen wir von zehn Exemplaren, die Ihrer Gattung noch nützlich sein würden."

"Hm, da muss ich mit dem Präsidenten besprechen, wer dafür infrage käme…" Im Geiste ging er die Namen kürzlich genialer Verstorbener durch, aber auch jene großer Geister, von denen noch genug übrig sein konnte. "Und müssten wir das dann geheim halten?"

"Das bleibt ganz Ihnen überlassen. Mit einem Geschenk kann man doch hierorts machen was man will, solange man niemand anderen damit verletzt, oder habe ich das falsch verstanden?"

"Nein, das ist korrekt." Andächtig legte der General seine Denkerstirn in Falten. "Wenn ich so überlege... Sie sind unsterblich, können über die Zeit gebieten, ...welche Vorteile haben wir da als Menschen?"

"Na, immerhin pissen Sie Ihr eigenes Desinfektionsmittel! Das ist in einem so bakterienverseuchten Umfeld schon ein großer Vorteil." Die begrenzte Mimik des Fremden sowie die fehlende Modulationsfähigkeit seiner Stimme ließen keinen Schluss darauf zu, ob er das ironisch meinte oder nicht.

Seinem Gegenüber brannte eine Frage auf der Zunge: "Jetzt, wo ich weiß, dass Sie echt sind, würde mich nur noch interessieren: was fanden Sie auf unserem Planeten am erstaunlichsten?"

Ohne zu überlegen, offenbarte ihm der Fremde spontan: "Wie ein Mensch in Ihrem Land eine an die Wand geklebte Banane als Kunst deklarierte und dafür 120.000 Dollar einstrich, während auf der anderen Seite ihrer krisengebeutelten kleinen Welt ein Mensch um nur einen Dollar täglich schwerste Fronarbeit leisten muss, und sich trotzdem weder Apfel noch Ei darum kaufen kann. Das zeigt plakativ die verhaltensoriginelle Lebensweise Ihrer Spezies."

"Tja, wie auch immer... Also ich brenne schon darauf, mit meinem direkten Vorgesetzten, dem Präsidenten, darüber zu sprechen. Im Hinterkopf habe ich schon eine Liste von geeigneten Kandidaten. Wann treffen wir uns wieder?" Schon im Gedanken an diese bevorstehende Besprechung steckte er automatisch die angekratzte Menu Karte in seine Jackentasche.

Södluf erhob sich. "Ich werde es merken, wenn Sie mich sprechen wollen!" Schon eilte er aus dem Diner und die Leute begannen sich wieder zu bewegen und redeten, als hätten sie nichts von all dem Unglaublichen mitbekommen.

Hätte der General Französisch beherrscht, wäre ihm die Bemerkung der Touristin am Nebentisch nicht entgangen: "Dieser Glatzköpfige sah irgendwie gruselig aus, meinst du nicht auch, Yvonne?"

II. Der Besuch

Mit dieser Last der bevorstehenden Entscheidung hätte er gern seine Frau aufgesucht, doch seit der Scheidung wollte sie nichts mehr von ihm wissen. Zu oft hatte sie seine Launen sowie Geheimniskrämerei ertragen und auf ihn vergeblich warten müssen. Auch seine beiden erwachsenen Töchter zeigten sich ihm selten, außer sie brauchten Geld, was nicht mehr so oft der Fall war, seit er ihnen gute Jobs verschafft hatte. Sein erster Weg führte Marvin daher spätabends zu seinem besten Freund Wayne, einem Army-Pensionär - hochdekorierter Ex-Pilot -, der ein kleines Haus am Stadtrand von Vegas nahe der wachsenden Wüste besaß, welche ihre staubigen Ausleger schon gierig gegen den urbanen Sündenpfuhl reckte. Der ideale Ort in Nevada, um endlich zur Ruhe zu kommen. Fern penetranter Medien, deren lästige Journalisten zeitweilig auf Interviews drängten.

Die hektisch flirrenden Lichter der Glitzermetropole hinter sich lassend, fuhr er also in seinem Buick Encore eine öde Straße entlang, nachdem er sich telefonisch bei Wayne angekündigt hatte. Noch rüstig, doch ziemlich verhärmt aufgrund seiner privaten Tragödie und über jede Abwechslung erfreut, zeigte sich dieser beim Eintritt von Hobbs in sein bescheidenes Domizil. Wie üblich saßen sie auf dem abgewetzten Sofa von Wayne, welcher sich von seinen Rücklagen schon vor -zig Jahren verabschieden hatte müssen. Dennoch trug er seinen besten Anzug zur Schau, um seinem Gast das Gefühl von Feierlichkeit zu vermitteln. Gern wäre er selbst noch aktiv gewesen. Aufmerksam lauschte er dem Bericht seines alten Kameraden, an manchen Stellen voller Unglauben eine Hand zum Mund führend, um dann eine sehr erfreute Miene zu machen.

"Du bist ein echter Freund, Marvin", lobte er ihn schulterklopfend, "kommst eigens den weiten Weg zu mir, um mich mit utopischen Stories aufzumuntern. Komm, trinken wir eine Flasche Rotwein zusammen."

Etwas pikiert raunte ihm Hobbs zu: "Wayne, du kennst mich, ich bin weder ein Witzbold, noch ein Säufer oder Junkie! Es ist unglaublich, aber wahr! Noch nie zuvor verspürte ich solches Unbehagen. Ein Vertreter einer überlegenen Art, der einfach die Zeit einfrieren kann, kannst du dir das vorstellen?"

"Wie hat er das gemacht? Mit welchem technischen Hilfsmittel?"

"Keine Ahnung. Ich dachte, er wäre ein Hochstapler, darum hab ich ihn nicht genau beobachtet", gestand ihm Hobbs und versuchte sich genau zu erinnern, "doch ich denke, er hatte eine Hand unter dem Tisch, daher könnte er irgendeinen kleinen Apparat am Körper gehabt haben, den er ganz unbemerkt aktiviert hat."

"Nur, um dir zu beweisen, dass er echt ist?"

"Oder auch um meine Reaktion zu testen. Jedenfalls gewährt uns seine Art einen epochemachenden Gefallen. Eine Wiederauferstehung zehn großer Geister!"

"Wirklich? Das ist wahrlich ein wunderbares Geschenk", freute er sich. "Weißt du schon, WEN du auferstehen lassen willst?"

"Nun ja, wir sollten natürlich genau überlegen, wen wir aus dem Jenseits zurückholen, vor allem müssen von den Personen ja die Gebeine oder Asche übrig sein."

"Asche?", wiederholte Wayne, sprang ruckartig auf und holte eine Urne von dem Kaminsims gegenüber herbei, die er wie eine Trophäe vor sich hertrug.

"Nein, Wayne! Das ist unmöglich, du kannst deinen Sohn nicht wiederaufleben lassen, sieh das doch ein!", beschwor ihn Hobbs. "Er hat so viel Unheil über dich und vor allem andere Familien gebracht!" Wie im Zeitraffer liefen die TV-Bilder der Tragödie durch Marvins Gehirn, der seine Konzentration krampfhaft davon abzulenken versuchte.

"Unserer großen Nation und ihren tapferen Vertretern ist nichts unmöglich! Ich bitte dich, mein Freund, lege beim Präsidenten ein gutes Wort für ihn ein. Mir zuliebe! Ich bin sicher, wenn er noch eine Chance bekommt, wenn ICH noch eine Chance bekäme, ihm ein besserer Vater zu sein, dann wird alles gut! Seine Tat setzte er damals nur aus purer Verzweiflung über mein Nomadenleben. Immer, wenn er Freunde in der Schule fand, mussten wir umziehen und ausgerechnet dort, wo er von Wohlstandsverwahrlosten und stupiden Sportlern gemobbt wurde und an böse Freunde geriet, viel zu lang bleiben! Außerdem verschrieb ihm sein Arzt falsche Medikamente!"

Tränen standen in seinen traurigen Augen, denen ein guter Freund keinen Wunsch abzuschlagen vermochte. In diesem Augenblick kam seine Gattin aus dem Nebenzimmer dazu. Offenbar durch den Tratsch ihres Mannes mit dem Besuch aus dem Schlaf geholt, erschien sie in einem rosa Morgenmantel und hatte schwarze Kleidung über dem Arm hängen.

"Ich habe gelauscht, verzeiht mir! Ich verstehe Ihre Skepsis, General, aber Sie wissen doch, mit blutjungen 18 hat man Weltschmerz und unser Sohn litt unter seinem Welthass... Doch, wenn er zurück zu uns dürfte, wenn ich ihn in die Arme nehmen könnte, wäre dieser Hass längst wieder verflogen! Schlussendlich hat er sich doch selbst zum Tode verurteilt, das sollte schon Schuldeingeständnis und Strafe genug sein. Hier sind seine Lieblingssachen." Mit einem bittenden Blick nahe den Tränen samt zittrigen Händen überreichte sie Hobbs die Kleidung ihres Sohnes, die sie über all die Jahre wie Reliquien aufbewahrt hatte.

Auf der Rückfahrt zum Hotel, in welcher er noch in Erinnerung an gemeinsame Kampf-Zeiten mit Wayne schwelgte, sprang ihm gleich beim ersten Zebrastreifen ein langhaariger Mann im Leoparden-Tanga vor den Kühler und führte einen Schütteltanz nahe an der Epilepsie auf. Unschlüssig fragte er sich, ob er einen Irren - entweder von Natur aus geisteskrank oder durch die tägliche Überforderung irrsinnig geworden - vor sich hatte, oder nur einen Straßenkünstler, der sich vermittels von zwei bis drei Jobs auch mit der Kunst im Turbokapitalismus über Wasser halten wollte. Gleichgültig um welchen Typus es sich auch bei dem wildgewordenen Tänzer eines ekstatischen Twists handelte, fand er es passend, einen Zehn-Dollar-Schein aus dem Seitenfenster zu werfen, dem der Leoparden-Lendengeschürzte akrobatisch hinterherhechtete. Wahrlich, dachte er sich, hier gibt es nicht nur für Aliens jede Menge interessante Fälle des Homo Sapiens zu studieren.

Als er endlich ins Bellagio einkehrte, ließ er seinen Buick Encore von einem Valet-Parker in die Tiergarage bringen, dieser fragte ihn noch, ob er die Gegenstände auf dem Rücksitz nicht mit auf sein Zimmer nehmen möchte.

"Ich glaube kaum, dass jemand eine Urne und ein Rammstein-T-Shirt stiehlt", gab der General bekannt und eilte mürrisch zum Lift. Dabei fiel ihm das berühmte Zitat ein: Die Niederlage der Großen sind ihre Nachkommen.

Auf dem Weg dorthin kreuzte ein Elvis-Double seinen Weg. Wie viele Elvis-Darsteller es wohl in der Stadt gab, fragte sich der General, und sollte er das Original zur Auferstehung vorschlagen? Das wäre gleichsam das Ende aller Elvis-Impersonatoren. Es nahm ihn Wunder, welche Gedanken ihm so durch sein Gehirn huschten. Er wollte nur noch auf sein Zimmer, doch dann blieb der Aufzug stecken. Alles schien sich gegen ihn verschworen zu haben.

Währenddessen beriet sich das Ehepaar Harris, ob es seinen Freunden und Verwandten von dem hohen Besuch erzählen sollte.

"Nein, das wäre verfrüht", sagte Mrs. Harris.

"Also ich denke doch, dass Marvin das Unmögliche möglich machen wird. Auch, wenn ich diese ganze abstrus anmutende Story zuerst nicht geglaubt habe."

"So viele Dinge geschehen, die wir für unglaublich halten und dennoch sind sie wahr."

In seinem komfortablen Hotelzimmer haderte der General mit dem Auftrag. Dem gerecht werden zu können, stellte sich als Nervenprobe heraus, denn welche verstorbenen Personen könnten für die USA, Gods own Country, wichtig genug sein, um sie wieder ins Leben zurückzuholen? Und vor allem: wie sollte er ein solch subversives Geschöpf wie Wayne Harris' Sohn dazwischen mogeln? Würde Gott wollen, dass man ihm auf solche Weise vorgreift? Gab es ihn überhaupt oder stellten die Außerirdischen viele Götter dar, die manchmal Gnade mit humanen Wesen zeigten? Eine ganze Menge kontroverse Entscheidungen hatte der honorige General in seinem Dienst für die Heimat schon nolens volens treffen müssen, doch unter der Last dieser immens großen Verantwortung drohte sein neuronales Netz zu kollabieren - er hinterfragte sogar sein Treffen in dem Diner. Konnte er sich alles nur eingebildet haben? Entsprang es seiner Fantasie infolge seiner Insomnia? Er wusste genau: drei durchwachte Nächte konnten schon zu Halluzinationen führen. Das Gehirn spielte einem Menschen oft seltsame Streiche... NEIN! Nur sein logischer Verstand sträubte sich, diese unfassbare Begegnung als real zu verorten. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit leerte er alle Fläschchen der Minibar und orderte telefonisch ein Callgirl.

Wenige Minuten später klopfte sie an seine Tür: eine Schöne der Nacht mit wallendem Haar, duftender Haut sowie warm glänzenden Augen, so ganz anders als der Fremde. Schnell wurde er handelseinig mit seiner verführerischen Buhle und ließ sich von ihr für 150 Dollar ohne Extras verwöhnen. Zulaika flüsterte ihm sogar süße Lügen ins Ohr, während sie ihn zum Stöhnen brachte.

"Du bist ein echter Hengst!", wisperte sie. "Irgendwann wird die Gegenwart zur Ewigkeit. Mit dir könnte ich sie ertragen..."

Die kurze Nähe zu einem menschlichen Wesen erschien ihm sogar noch viel wertvoller als die Geldscheine, die sie zuvor hastig in ihre Chanel-Tasche verschwinden ließ. Kaum hatte sie sein Zimmer verlassen, schlief er selig mit ihrem Geruch in der Nase ein und träumte von einer Welt, in welcher Männer wie Einstein und Frauen wie Curie voll Harmonie den Ton zum Wohle der Menschheit angaben. Doch zwischendurch ertönten peitschenartig Schüsse, als hätte er Samuel Colt samt Billy the Kid aus den Ewigen Jagdgründen zurückgeholt...

Im Morgengrauen erwachte er mit einem ziemlichen Kater. Sein Kopf fühlte sich wie eine zerplatzende Wassermelone an und der durch das Hotelzimmerfenster einfallende erste Sonnenstrahl blendete ihn wie ein Suchscheinwerfer. In seinem Mund machte sich ein fauliger Geschmack breit, so als hätte er Friedhofserde zum Supper verspeist. Langsam wälzte er sich nackt aus dem zerwühlten Bett, seine Knie gaben beim Auftreten etwas nach, zudem befiel ihn leichter Drehschwindel. Trotz Orientierungsproblemen schaffte er es ins Badezimmer ohne hinzufallen.

"Ich muss alles nur geträumt haben", redete er sich ein, während kaltes Wasser über ihn strömte. "Das wäre auch zu fantastisch, um wahr zu sein. Ein Alien, das unsere toten Genies wiederauferstehen lässt, ist doch einfach nur absurd, ja geradezu grotesk, haha!" Um den üblen Traum, den er wiederkehrender PTBS aus seinen Kampfeinsätzen zuschrieb, zu vertreiben, sang er lauthals unter der Dusche: "I'm singin' in the rain - Just singin' in the rain - What a glorious feeling - I'm happy again!"

Als er schließlich noch feucht aus dem Bad schlurfte, fand er auf dem Bettvorleger eine Menu Karte von TONYs DINER, auf der groß und deutlich die Zahl 10 prangte. Ein negativer Vergleich kam ihm in den Sinn: So muss sich mein Vater gefühlt haben, nachdem er seinen Einberufungsbefehl nach Vietnam bekommen hatte!

III. Die Audienz

Im Oval Office thronte Donald Trump - aufgrund seines orangen Teints etwas grotesk anzusehen - mit seinen Beratern, unter welchen sich auch seine Lieblingstochter und ihr Gatte befanden. Die Szenerie erinnerte ein wenig an das letzte Abendmahl - nur, dass der General, dessen Uniformknöpfe auf Hochglanz poliert blinkten, die Predigt übernommen hatte. Und bei seinem Bericht hingen alle Anwesenden aufmerksam, ja richtig fasziniert an seinen Lippen. Ähnlich einer Kindergartengruppe, die andächtig ihrer Tante beim Märchenerzählen lauscht.

Ivankas sonst so ausdrucksloses schönes Puppengesicht mit dem Schlafzimmerblick zeigte Verwunderung an. "Unglaublich, dass diese Wesen Tote wie Phönix aus der Asche treiben können."

"Immerhin gelang mir auch schon Unglaubliches", befand der Präsident egozentrisch wie immer. "Es würde zu lange dauern, all die Erfolge aufzuzählen, die ich hatte."

"Ja, unglaublich, dass man ein Impeachment-Verfahren gegen dich anzustreben wagte."

"Vergiss es, Ivanka! Ich könnte mitten in New York jemanden erschießen und würde damit durchkommen!"

"Aber das würdest du nicht tun, Schwiegervater, oder?"

Die Frage von Ivankas Gatten blieb unbeantwortet.

"Jedenfalls war es goldrichtig von denen da draußen, mit ihren Fähigkeiten zu MIR zu kommen!" Nun nahm der Präsident der USA wieder den General ins Visier."Das Geschenk ist einfach grandios. Haben Sie schon Vorschläge, wer diese zehn Anwärter auf Wiedergeburt sein sollen, Marvin?"

"Ja Sir! Ich habe mir, um Ihnen wertvolle Zeit zu sparen, Mr. Präsident, bereits Gedanken gemacht, von wem noch geeignetes Material übrig ist, und schlage Ihnen folgende Personen vor: Albert Einstein, Thomas Alva Edison, Robert Oppenheimer, Stephen Hawking, Louis Pasteur, Marie Curie, Wernher von Braun, Alfred Nobel, Niels Bohr,.."

Trump sowie seine ihn umgebende Entourage nickten bei jedem Namen bedächtig. Doch der amtierende Präsident umgab sich eben gern mit einer Mitnicker-Gesellschaft, welche auch alternative Fakten ohne Widerrede akzeptierte.

"Alles klingende Namen von Berühmtheiten, deren geniale Leistungen für die Menschheit ich Ihnen nicht zu nennen brauche, Sir... und Wayne Harris' Sohn, den ganz gewöhnlichen US-Boy eines aufrechten, tapferen Militärveteranen!", meinte Marvin Hobbs zuletzt immer leiser werdend, insgeheim hoffend, dass Trump nach über 20 Jahren nicht mehr wusste, wer das überhaupt war. Doch da unterschätzte der General dessen Erinnerung gewaltig - sogleich hatte 'The Donald' ein genaues Bild vor Augen, eventuell auch, weil man berüchtigte Personen, die es sogar auf das Cover des Time-Magazine geschafft haben, nicht zu vergessen pflegte. Diese brannten sich vielmehr unauslöschlich ins kollektive Gedächtnis ein.

"Eric Harris? Einen der Columbine-Killer? Sind Sie wahnsinnig oder soll das ein schlechter Scherz sein? Warum nicht gleich Charles Manson, Timothy Mc Veigh oder Stalin?" Trumps Tränensäcke schienen unter seinen vor Wut hervorquellenden Augäpfeln etwas zu schrumpfen, In Erinnerung an die Tragweite dieser Katastrophe schien ihm der Name durchaus geläufig genug, um ziemliche Rage zu verspüren.

Der arme Hobbs fühlte sich Wayne verpflichtet, denn er hatte nie viele verlässliche Freunde und die wenigen treuen davon wollte er nicht enttäuschen. Auch eingedenk des erbarmungswürdigen Anblicks von Erics Mutter improvisierte er einen Grund herbei: "Er sollte doch vor Gericht gestellt werden, um für seine Untat zu büßen. Das würde diesen amerikanischen Albtraum bekämpfen."

"Abgelehnt!"

Hobbs befürchtete schon, Trump, der wie Gottes Zorn aussah, werde ihn gleich Niedrigenergiesoldat nennen, mit dem Finger anklagend auf ihn zeigen und polternd feuern, als er unerwartet Zuspruch aus dessen illustrer Runde erntete.

"Bei allem Respekt, Mr. Präsident, ich finde das eine großartige Idee", lobte ein anwesender Spindoctor - eine graue Eminenz im Hintergrund, hinlänglich gewohnt, die Fäden und alle Register zu ziehen. "Amerika zeigt sich seiner großen Verantwortung voll bewusst und holt einen jungen Schurken aus dem tiefsten Schlund der Hölle, um diesem Massenmörder den Prozess zu machen. Im Gefängnis wird er dann zum geläuterten Bibelfreak, welcher alle für Amoklauf prädestinierten Schüler von ihrem Vorhaben abhält! Ha, damit ist unser Imperium von einem seiner Traumata befreit, wir sind als Gerechtigkeitsfanatiker verewigt und können dank dieser famosen Technologie, von der wir ja nicht verraten müssen, dass sie von Aliens nur als kleines Präsent gedacht war, unsere Vormachtstellung in der gesamten Welt völlig ohne Waffen festigen!"