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2. Sammelband von capito Wien mit 20 Beiträgen in Leichter Sprache.
Das E-Book Einfach zum Lesen 2 wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Leichte Sprache, Kurzgeschichten, Einfache Sprache, Leicht lesen, Beziehungen
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Vorwort
Danksagung
Brigitte Braucek
Der Feinschmecker
Beate Fischer
Omas können fliegen
Roger A. Freiburghaus
Abend im Herbst
Constanze Geertz
Nette Menschen gesucht
Katharina Gernet
Verzeihen
Nicol Goudarzi
Hundert Tage Hundertwasser
Ingrid Greubel Da Silva
Habibi
Gisela Hinsberger
Das Mädchen mit den grünen Augen
Sonja Jurinka
Marie steckt fest
Birgit Körner
Hefezopf und Herzen
Gabriella Kristoffersen
Für eine bessere Welt
Alexandra Lüthen
Männerhaushalt
Ellen Oelkers
Ich kann gar nicht mit Stäbchen essen
Dagmar Ransmayr
Lalita und Siba
Lucia Reichard
Fisch
Frauke Schuster
Im Park
Volker Stahlschmidt
Einfach unglaublich
Leonhard Thoma
Frau Murr
Anne Waterholter
Balkon-Krimi
Florian Wessels
Feste Kartoffeln
Die Autor*innen
Über capito Wien
Kann man Literatur auch in Leichter Sprache schreiben? Wir von capito Wien sind davon überzeugt. Deshalb haben wir 2021 den ersten Wettbewerb Literatur in Leichter Sprache gestartet.
Ende 2022 haben wir zum zweiten Mal Autor*innen eingeladen, Texte in Leichter Sprache zu schreiben. Eingereicht wurden mehr als 170 Texte zu einer unglaublichen Bandbreite an Themen: von der ersten Liebe über Trennungen bis zu Abschied und Tod. Eines haben alle Texte gemeinsam: Es geht um Menschen und Beziehungen.
Eine Fachjury und eine Laienjury haben die Texte bewertet. Die 20 am besten bewerteten Texte finden Sie in diesem Buch.
Mit unserem Wettbewerb und diesem Buch wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen leicht und gerne lesen. Wir wünschen Ihnen eine gute Zeit beim Lesen!
Robert Winklehner und Doris Becker, capito Wien
Zur Schreibweise Autor*innen: Damit meinen wir alle Menschen. Männer, Frauen und Menschen, die sich nicht als Mann oder als Frau fühlen.
Wir bedanken uns bei allen Autor*innen, die ihre Texte eingereicht haben. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag dazu, dass alle Menschen Literatur in Leichter Sprache lesen können.
Herzlichen Dank auch an unsere Fachjury: Walburga Fröhlich, Mitbegründerin von capito und Expertin für Leichte Sprache, und die beiden Autoren Jürgen Heimlich und Michael Stavarič.
Großer Dank gilt auch der inklusiven Lesegruppe unter der Moderation von Inga Schiffler.
Mehr dazu unter: www.inga-schiffler.net/vorlese-stunde
Die Reihung der Beiträge im Buch ist alphabetisch.
Die 3 Preisträgerinnen 2023 sind:
1. Platz: Sonja Jurinka,
2. Platz: Brigitte Braucek
3. Platz: Frauke Schuster.
Jedes unserer Jurymitglieder hat neben der allgemeinen Wertung auch eine ganz persönliche Empfehlung ausgesprochen. Es sind dies die Texte von Katharina Gernet, Ellen Oelkers und Lucia Reichard.
Es war 19 Uhr 30.
Um 20 Uhr machte der Supermarkt zu.
Er nahm einen großen Einkaufs-Wagen und ging hinein.
Viele Leute kauften noch schnell etwas ein.
Für das Abendessen.
Die meisten kamen direkt von der Arbeit.
Sie waren auf dem Weg nach Hause. Wie er.
In der Obst-Abteilung gab es heute frische Ananas.
Und Melonen aus Afrika.
Sogar Erdbeeren standen da.
Erdbeeren im Dezember waren selten.
Deshalb waren sie auch so teuer.
Vor dem Regal mit dem Sekt blieb er stehen.
Seine Lieblings-Marke war heute leider nicht dabei:
Französischer Champagner.
Zwei Jugendliche drängelten sich an ihm vorbei.
Sie hatten jeder eine Flasche Bier in der Hand.
Er schüttelte den Kopf und schob seinen Wagen weiter.
Da kam das Regal mit dem Wein.
Hier gab es viele Sorten aus aller Welt.
Von sehr billig bis sehr teuer.
Ganz oben stand ein spanischer Rotwein: 18,95 Euro.
Er sah sich das Etikett an und nickte.
Aus dem Lautsprecher an der Decke kam leise Musik.
Und eine angenehme Frauen-Stimme sagte:
„Heute Makkaroni im Angebot!
500 Gramm nur 1,49 Euro!"
Er schob den Wagen weiter zur Käse-Abteilung.
Zu einem guten Wein gehörte ein guter Käse.
Zum Beispiel ein französischer Weich-Käse aus Ziegen-Milch.
Oder ein pikanter Schafs-Käse aus Griechenland.
Er nahm ein Stück in die Hand und roch daran.
Das Wasser lief ihm im Mund zusammen.
Ein paar Schritte weiter kam das Regal mit den Süßigkeiten.
Von oben bis unten voll mit leckeren Sachen:
Sahne-Bonbons und Lakritze,
Nougat und Marzipan,
Pralinen mit und ohne Alkohol,
Gummi-Bärchen,
schwarze Schokolade, weiße Schokolade.
Und seine Lieblings-Sorte: Vollmilch-Nuss.
Er sah auf die Uhr, schon 20 vor 8.
Schnell ging er weiter.
Vorbei an Kaviar und Pizza.
Vorbei an der Fisch-Theke.
Da lagen heute auch endlich wieder frische Austern.
Keine Zeit mehr, er musste sich beeilen.
Der Automat für die Pfand-Flaschen stand ganz hinten.
Er holte die erste Flasche aus seiner großen Plastik-Tüte.
Und legte sie in die runde Öffnung vom Automaten.
Mit einem lauten Krach verschluckte der Automat die Flasche.
8 Cent gab es für jede leere Flasche.
Nacheinander legte er die anderen Flaschen hinein.
In Gedanken zählte er mit.
Die letzte Flasche war durch.
Er drückte auf den grünen Knopf.
Der Flaschen-Bon kam heraus.
Heute hatte es sich gelohnt.
5,60 Euro stand auf dem Bon.
Den ganzen Tag hatte er leere Flaschen gesammelt.
Die Leute ließen die Flaschen auf der Straße stehen.
Oder im Park.
Und in der U-Bahn.
Das Geld reichte für etwas Fleisch-Wurst.
Und für ein kleines Stück Edamer.
Und für die Makkaroni aus dem Sonder-Angebot.
Die Preise hatte er genau im Kopf.
Er rechnete nach.
Er konnte auf die Wurst verzichten.
Dann könnte er auch noch ein Glas Tomaten-Soße kaufen.
Für die Makkaroni.
Meine Oma hat mir ein Buch geschenkt.
Ein Tage-Buch.
Ein Buch für alle Tage.
Meine Oma hat gesagt:
In dem Buch kannst du deine Erinnerungen aufschreiben.
Ich habe gesagt:
Ich kann doch schlecht schreiben.
Obwohl ich schon erwachsen bin.
Meine Oma hat gelächelt.
Sie hat gesagt:
Aber das lernst du noch.
Bis dahin kannst du in das Buch malen.
Oder du kannst Fotos hinein kleben.
Oder du kannst ganz einfache Wörter schreiben.
Ich glaube: Meine Oma hat recht.
Ich lerne bestimmt noch besser schreiben.
Dann hat meine Oma die Augen zu gemacht.
Sie ist sehr krank.
Sie ist immer müde.
Sie muss viel schlafen.
Sie ist ganz dünn geworden.
Ich habe das Buch mit nach Hause genommen.
Ich habe mich an den Tisch gesetzt.
Und da sitze ich jetzt.
Ich schaue das Buch an.
Es ist außen grün.
Ein schönes Grün.
Ein helles Grün.
Auf dem Grün sind bunte Blumen.
Rote und gelbe und weiße.
Auf allen weißen Blumen sitzen Marien-Käfer.
Ich mag Marien-Käfer gerne.
Manchmal stelle ich mir vor:
Ich bin ein Marien-Käfer.
Ich bin rot wie eine Kirsche.
Und ich habe 7 schwarze Punkte.
Mit meinen schwarzen Beinchen krabble ich herum.
Auf Rosen.
Auf Himbeer-Büschen.
Auf Brenn-Nesseln.
Aber die Pflanzen brennen mich nicht.
Sie stechen mich nicht.
Sie kitzeln mich nur.
Ich muss kichern.
Dann breite ich meine Flügel aus.
Und ich hebe ab.
Ich schwirre durch die Luft.
Ich bin frei.
Ich bin mutig.
Ich bin glücklich.
Meine Mutter kommt.
Sie sagt: Das ist aber ein schönes Buch.
Ich nicke.
Ich sage: Oma hat es mir geschenkt.
Meine Mutter streicht mir über den Kopf.
Sie sagt: Die Oma muss ins Krankenhaus.
Ich nicke.
Das habe ich mir schon gedacht.
Ich frage: Stirbt die Oma bald?
Meine Mutter schaut aus dem Fenster.
Dann schaut sie mich an.
Sie nickt.
Ich sehe eine Träne in ihrem linken Auge.
Sie rollt ihre Wange hinunter.
Ich streiche meiner Mutter über den Kopf.
Wir umarmen uns.
Ich habe auch Tränen in den Augen.
Später gehe ich in mein Zimmer.
Ich nehme Stifte.
Stifte in traurigen Farben:
schwarz und grau und dunkelblau.
Ich male in mein Buch.
Zuerst einen Kreis in Schwarz.
Dann einen Kreis in Grau.
Dann viele Kreise in allen drei Farben.
Sie sind rechts.
Sie sind links.
Sie sind oben.
Sie sind unten.
Ich male Kreise auf die Kreise.
Ich male Kreise in die Kreise.
Ich kreise und kreise und kreise.
Bis das Blatt ganz voll ist.
Bis das Blatt ganz dunkel ist.
Dunkel wie meine Gedanken.
Nur ganz oben in einer Ecke ist es noch hell.
Ganz hell.
Dort leuchtet etwas.
Ich glaube:
Dort leuchtet das Gesicht von meiner Oma.
Das blasse Gesicht von meiner Oma.
Ich schaue ganz genau hin.
Dann nehme ich neue Stifte:
rot und hellblau und rosa.
Ich male in die leuchtende Ecke hellblaue Augen.
Ich male rosa Wangen.
Ich male einen roten Mund.
Ich küsse die Augen.
Die Wangen.
Den Mund.
Meine Mutter klopft an die Tür.
Sie sagt: Ich gehe ins Krankenhaus.
Ich frage: Kann ich mit?
Meine Mutter nickt.
Sie sagt: Wenn du das willst.
Natürlich will ich.
Ich muss meiner Oma das erste Bild zeigen.
Ich packe mein Buch ein.
Ich packe meine Stifte ein.
Wir fahren ins Krankenhaus.
Meine Oma liegt im Bett.
Sie hat einen Schlauch in der Nase.
Sie hat einen Schlauch im Arm.
Und an ganz vielen Stellen hat sie Kabel.
Die Schläuche und die Kabel führen zu Geräten.
Die Geräte stehen um sie herum.
Sie leuchten.
Sie piepsen.
Sie summen.
Meine Oma hat die Augen zu.
Ich stupse meine Oma ganz leicht an.
Sie macht ihre Augen auf.
Ihre leuchtenden hellblauen Augen.
Der Rest von ihrem Gesicht ist blass.
Ihre Wangen sind blass.
Ihre Lippen sind blass.
Meine Oma lächelt.
Sie flüstert: Du bist da. Schön.
Ich schlucke.
Ich sage auch: Schön.
Dann hole ich mein Buch aus meiner Tasche.
Ich zeige meiner Oma das erste Bild.
Das dunkle Bild mit dem leuchtenden Oma-Gesicht in der Ecke.
Meine Oma erkennt sich sofort.
Sie sagt: Mein Gesicht leuchtet.
Ich nicke.
Meine Oma sagt: Ich will immer für dich leuchten.
Und sie sagt: Ich bin immer für dich da.
Auch wenn du mich nicht mehr sehen kannst.
Meine Oma macht die Augen zu.
Ich setze mich neben ihr Bett.
Ich halte ihre Hand.
Meine Mutter setzt sich auf die andere Seite vom Bett.
Sie nimmt die andere Hand von meiner Oma.
Nach einer Weile schläft meine Hand ein.
Ich schüttle sie.
Meine Mutter sagt: Mach doch eine Pause.
Also mache ich eine Pause vom Hand-Halten.
Aber irgendetwas muss ich tun.
Etwas Gutes.
Etwas für meine Oma.
Ich überlege.
Dann nehme ich bunte Farben:
grün und gelb und lila.
Ich schlage mein Buch auf.
Ich schreibe oben auf eine leere Seite: Für Oma.
Dann male ich:
Grüne Stängel.
Grüne Blätter.
Gelbe Blüten.
Lila Blüten.
Ich nehme alle Stifte.
Das Bild wird bunt.
Ich male Schmetterlinge.
Einen Regenbogen.
Und zwei Marien-Käfer.
Meine Oma stöhnt.
Ich erschrecke.
Ich gehe zu ihr.
Meine Oma hat die Augen zu.
Ich stupse sie wieder an.
Sie macht die Augen auf.
Ihre leuchtenden hellblauen Augen.
Sie fragt ganz leise:
Hast du ein neues Bild gemalt?
Ich nicke.
Ich zeige ihr das bunte Bild.
Meine Oma macht die Augen zu.
Sie macht die Augen wieder auf.
Sie lächelt.
Sie sagt: Wir sind die Marien-Käfer.
Ich nicke.
Ich sage: Wir fliegen zusammen.
Immer.
Meine Oma nickt.
Sie macht die Augen zu.
Ich halte ihre Hand.
Meine Mutter hält ihre andere Hand.
Meine Oma atmet.
Dann hört sie damit auf.
Dann atmet sie wieder.
Ich weiß:
Bald hört sie ganz auf mit dem Atmen.
Das ist traurig.
Ich bin traurig.
Aber ich weiß auch:
Meine Oma hat Schmerzen.
Sie ist so müde.
Sie hat keine Kraft mehr zum Leben.
Deshalb lasse ich sie gehen.
Nach einer Weile muss ich aufs Klo.
Ich gebe meiner Oma einen Kuss auf die Wange.
Ich streiche ihr über die Haare.
Ich sage: Flieg, mein Marien-Käfer.
Nach ein paar Minuten komme ich zurück.
Meine Mutter weint.
Meine Oma atmet nicht mehr.
Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange.
Ich streiche ihr über die Haare.