Elementargeister - Heinrich Heine - E-Book

Elementargeister E-Book

Heinrich Heine

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Beschreibung

Nicht umsonst lebt Schneewitchen hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen. Denn durch die Ausgrabungen kostbarer Edelmetalle gelten Zwerge schon immer als reiche Elementarwesen. Sie schmieden die angesehensten Schwerter, wohingegen die Riesen, die ebenfalls Schwerter schwingen, arm sind und riesige Schulden haben. Noch heute, erklärt Heine in seinem erzählerisch-essayistischem Werk, werden Felsöffnungen im Harz "Zwerglöcher" genannt. In "Elementargeister", erschienen 1837, dreht sich alles um die deutsche Mythologie mit ihren Elfen, Nixen, Zwergen und Teufeln.-

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Seitenzahl: 85

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Heinrich Heine

Elementargeister

 

Saga

Elementargeister

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1836, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726997903

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Wie man behauptet, giebt es greise Menschen in Westphalen, die noch immer wissen wo die alten Götterbilder verborgen liegen; auf ihrem Sterbebette sagen sie es dem jüngsten Enkel, und der trägt dann das theure Geheimniß in dem verschwiegenen Sachsenherz. In Westphalen, dem ehemaligen Sachsen, ist nicht alles todt was begraben ist. Wenn man dort durch die alten Eichenhaine wandelt, hört man noch die Stimmen der Vorzeit, da hört man noch den Nachhall jener tiefsinnigen Zaubersprüche, worin mehr Lebensfülle quillt, als in der ganzen Literatur der Mark Brandenburg. Eine geheimnißvolle Ehrfurcht durchschauerte meine Seele, als ich einst, diese Waldungen durchwandernd, bey der uralten Siegburg vorbey kam. »Hier«, sagte mein Wegweiser, »hier wohnte einst König Wittekind« und er seufzte tief. Es war ein schlichter Holzhauer und er trug ein großes Beil.

Ich bin überzeugt, dieser Mann, wenn es drauf ankömmt, schlägt er sich noch heute für König Wittekind; und wehe! dem Schädel worauf sein Beil fällt.

Das war ein schwarzer Tag für Sachsenland, als Wittekind, sein tapferer Herzog, von Kaiser Karl geschlagen wurde, bey Engter. »Als er flüchtend gen Ellerbruch zog, und nun alles, mit Weib und Kind, an den Furth kam und sich drängte, mochte eine alte Frau nicht weiter gehen. Weil sie aber dem Feinde nicht lebendig in die Hände fallen sollte, so wurde sie von den Sachsen lebendig in einen Sandhügel bey Bellmans-Kamp begraben; dabey sprachen sie: krup under, krup under, de Welt is di gram, du kannst dem Gerappel nich mer folgen.«

Man sagt, daß die alte Frau noch lebt. Nicht alles ist todt in Westphalen, was begraben ist.

Die Gebrüder Grimm erzählen diese Geschichte in ihren deutschen Sagen; die gewissenhaften fleißigen Nachforschungen dieser wackeren Gelehrten werde ich in den folgenden Blättern zuweilen benutzen. Unschätzbar ist das Verdienst dieser Männer um germanische Alterthumskunde. Der einzige Jacob Grimm hat für Sprachwissenschaft mehr geleistet als Eure ganze französische Akademie seit Richelieu. Seine deutsche Grammatik ist ein kolossales Werk, ein gothischer Dom, worin alle germanischen Völker ihre Stimmen erheben wie Riesenchöre, jedes in seinem Dialekte. Jacob Grimm hat vielleicht dem Teufel seine Seele verschrieben, damit er ihm die Materialien lieferte und ihm als Handlanger diente, bey diesem ungeheuren Sprachbauwerk. In der That, um diese Quadern von Gelehrsamkeit herbey zu schleppen, um aus diesen hunderttausend Citaten einen Mörtel zu stampfen, dazu gehört mehr als ein Menschenleben und mehr als Menschengeduld.

Eine Hauptquelle für Erforschung des altgermanischen Volksglaubens ist Parazelsus. Ich habe seiner schon mehrmals erwähnt. Seine Werke sind ins Lateinische übersetzt, nicht schlecht aber lückenhaft. In der deutschen Urschrift ist er schwer zu lesen; abstruser Stil, aber hie und da treten die großen Gedanken hervor mit großem Wort. Er ist ein Naturphilosoph in der heutigsten Bedeutung des Ausdrucks. Man muß seine Terminologie nicht immer in ihrem tradizionellen Sinne verstehen. In seiner Lehre von den Elementargeistern gebraucht er die Namen Nymphen, Undinen, Silvanen, Salamander, aber nur deßhalb weil diese Namen dem Publikum schon geläufig sind, nicht weil sie ganz dasjenige bezeichnen, wovon er reden will. Anstatt neue Worte willkürlich zu schaffen, hat er es vorgezogen für seine Ideen alte Ausdrücke zu suchen, die bisher etwas Aehnliches bezeichneten. Daher ist er vielfach mißverstanden worden, und manche haben ihn der Spötterey, manche sogar des Unglaubens bezüchtigt. Die Einen meinten er beabsichtige alte Kindermährchen aus Scherz in ein System zu bringen, die Anderen tadelten, daß er, abweichend von der kristlichen Ansicht, jene Elementargeister nicht für lauter Teufel erklären wollte. Wir haben keine Gründe anzunehmen sagt er irgendwo, daß diese Wesen dem Teufel gehören; und was der Teufel selbst ist, das wissen wir auch noch nicht. Er behauptet, die Elementargeister wären, eben so gut wie wir, wirkliche Geschöpfe Gottes, die aber nicht wie unseresgleichen aus Adams Geschlechte seyen und denen Gott zum Wohnsitz die vier Elemente angewiesen habe. Ihre Leibesorganisazion sey diesen Elementen gemäß. Nach den vier Elementen ordnet nun Parazelsus die verschiedenen Geister und hier giebt er uns ein bestimmtes System.

Den Volksglauben selbst in ein System bringen, wie manche beabsichtigen, ist aber eben so unthunlich, als wollte man die vorüberziehenden Wolken in Rahmen fassen. Höchstens kann man unter bestimmten Rubriken das Aehnliche zusammentragen. Dieses wollen wir auch in Betreff der Elementargeister versuchen.

Von den Kobolden haben wir bereits gesprochen. Sie sind Gespenster, ein Gemisch von verstorbenen Menschen und Teufeln; man muß sie von den eigentlichen Erdgeistern genau unterscheiden. Diese wohnen meistens in den Bergen und man nennt sie Wichtelmänner, Gnomen, Metallarii, kleines Volk, Zwerge. Die Sage von diesen Zwergen ist analog mit der Sage von den Riesen, und sie deutet auf die Anwesenheit zweyer verschiedener Stämme, die einst mehr oder minder friedlich das Land bewohnt, aber seitdem verschollen sind. Die Riesen sind auf immer verschwunden aus Deutschland. Die Zwerge aber trifft man mitunter noch in den Bergschachten, wo sie, gekleidet wie kleine Bergleute, die kostbaren Metalle und Edelsteine ausgraben. Von jeher haben die Zwerge immer vollauf Gold, Silber und Diamanten besessen; denn sie konnten überall unsichtbar herumkriechen, und kein Loch war ihnen zu klein um durchzuschlüpfen, führte es nur endlich zu den Stollen des Reichthums. Die Riesen aber blieben immer arm und wenn man ihnen etwas geborgt hätte, würden sie Riesenschulden hinterlassen haben. Von der Kunstfertigkeit der Zwerge ist in den alten Liedern viel rühmlich die Rede. Sie schmiedeten die besten Schwerter, aber nur die Riesen wußten mit diesen Schwertern dreinzuschlagen. Waren diese Riesen wirklich von so hoher Statur? Die Furcht hat vielleicht ihrem Maaße manche Elle hinzugefügt. Dergleichen hat sich oft schon ereignet. Nicetas, ein Byzantiner, der die Einnahme von Constantinopel durch die Kreuzfahrer berichtet, gesteht ganz ernsthaft, daß einer dieser eisernen Ritter des Nordens, der alles vor sich her zu Paaren trieb, ihnen, in diesem schrecklichen Augenblick, fünfzig Fuß groß zu seyn schien.

Die Wohnungen der Zwerge waren, wie schon erwähnt, die Berge. Die kleinen Oeffnungen die man in den Felsen findet, nennt das Volk noch heut zu Tag Zwerglöcher. Im Harz, namentlich im Bodenthale, habe ich dergleichen viele gesehen. Manche Tropfsteinbildungen, die man in den Gebirgshöhlen trifft, so wie auch manche bizarre Felsenspitzen nennt das Volk die Zwergenhochzeit. Es sind Zwerge, die ein böser Zauberer in Steine verwandelt, als sie eben von einer Trauung aus ihrem kleinen Kirchlein nach Hause trippelten, oder auch beim Hochzeitmahl sich gütlich thaten. Die Sagen von solchen Versteinerungen sind im Norden eben so heimisch wie im Morgenlande, wo der bornirte Moslem die Statuen und Kariatyden, die er in den Ruinen alter Griechentempel findet, für lauter versteinerte Menschen hält. Wie im Harze so auch in der Bretagne, sah ich allerley wundersam gruppirte Steine, die von den Bauern Zwergenhochzeiten genannt wurden; die Steine bey Loc Maria Ker sind die Häuser der Korriganen, der Kurilen, wie man dort das kleine Volk benamset.

Die Zwerge tragen kleine Mützchen wodurch sie sich unsichtbar machen können; man nennt sie Tarnkappen oder auch Nebelkäppchen. Ein Bauer hatte einst, beim Dreschen, mit dem Dreschflegel die Tarnkappe eines Zwerges herabgeschlagen; dieser wurde sichtbar und schlüpfte schnell in eine Erdspalte. Die Zwerge zeigten sich auch manchmal freywillig den Menschen, hatten gern mit uns Umgang, und waren zufrieden genug, wenn wir ihnen nur kein Leids zufügten. Wir aber, boßhaft wie wir noch sind, wir spielten ihnen manchen Schabernak. In Wyß Volkssagen liest man folgende Geschichte:

»Des Sommers kam die Schaar der Zwerge häufig aus den Flühen herab ins Thal, und gesellte sich entweder hülfreich oder doch zuschauend zu den arbeitenden Menschen, namentlich zu den Mähdern in der Heuärndte. Da setzten sie sich denn wohl vergnügt auf den langen und dicken Ast eines Ahorns ins schattige Laub. Einmal aber kamen boshafte Leute und sägten bey Nacht den Ast durch, so daß er bloß noch schwach am Stamme hielt, und als die arglosen Geschöpfe sich am Morgen darauf niederließen, krachte der Ast vollends entzwey, die Zwerge stürzten auf den Grund, wurden ausgelacht, erzürnten sich heftig und jammerten:

O wie ist der Himmel so hoch

Und die Untreu so groß!

Heut hierher und nimmermehr!«

Sie sollen seit der Zeit das Land verlassen haben. Es giebt indessen noch zwey andere Tradizionen, die ebenfalls den Abzug der Zwerge unserer Necksucht und Bosheit zuschreiben. Die eine wird in den erwähnten Volkssagen folgendermaßen erzählt: