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Wilhelm Raabe's Buch 'Else von der Tanne & Die schwarze Galeere' ist eine faszinierende Erzählung, die in einem historischen Kontext angesiedelt ist. Raabe, ein bedeutender Vertreter des poetischen Realismus, entführt den Leser in eine Welt voller Intrigen, Liebe und Verrat. Durch seinen detailreichen Schreibstil und seine lebendigen Charaktere gelingt es ihm, die Leser in die Handlung eintauchen zu lassen und die Zeit des 17. Jahrhunderts zum Leben zu erwecken. Dabei werden auch sozialkritische Themen geschickt mit eingewoben, die das Werk zu einer wahren literarischen Schatzkiste machen. Wilhelm Raabe, ein bekannter deutscher Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, war selbst ein Zeitzeuge der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche seiner Epoche. Dies spiegelt sich deutlich in seinen Werken wider, so auch in 'Else von der Tanne & Die schwarze Galeere'. Raabe's Interesse an historischen Ereignissen und die Liebe zum Detail machen seine Erzählungen zu einem fesselnden Leseerlebnis, das den Leser sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt. Dieses Buch ist ein Muss für alle Liebhaber des historischen Romans und der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts. Es bietet eine einzigartige Mischung aus Spannung, Romantik und Sozialkritik, die sowohl Kenner als auch Neulinge in die Welt von Wilhelm Raabe eintauchen lässt.
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Seitenzahl: 139
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Es war eine dunkle, stürmische Nacht in den ersten Tagen des Novembers, im Jahre 1599, als die spanische Schildwache auf dem Fort Liefkenhoek an dem flandrischen Ufer der Schelde das Lärmzeichen gab, die Trommel die schlafende Besatzung wach rief und ein jeder – Befehlshaber wie Soldat – seinen Posten auf den Wällen einnahm.
Die Wellen der Schelde gingen hoch, und oft warfen sie ihre Schaumspitzen den fröstelnden Südländern über die Brüstungsmauern ins Gesicht. Scharf pfiff der Wind von Nordost von den »Provinzen« herüber, und die Spanier wußten schon lange, daß aus der Richtung ihnen selten etwas Gutes komme.
Auch auf dem Fort Lillo auf der brabantischen Seite des Flusses wirbelte die Trommel, klang das Horn: deutlich vernahm man durch das Getöse des Sturmes, durch das Brausen der Wasser fernen Kanonendonner, welcher nur von einem Schiffskampf auf der Westerschelde herrühren konnte.
Die Wassergeusen spielten ihr altes Spiel.
Was kümmerte dieses Amphibiengeschlecht der Sturm und die Finsternis? Waren Sturm und Nacht nicht seine besten Verbündeten? Wann hätte je ein Wassergeuse das stürmische Meer und die Finsternis gefürchtet, wenn es galt, seine Todfeinde zu überlisten, die Verwüster und Bedränger seines den Wogen abgekämpften Vaterlandes zu vernichten? Gräßlich aber war der Krieg ausgeartet.
Zweiunddreißig Jahre dauerte nun schon dieses fürchterliche Hin-und Herdrängen der kämpfenden Parteien, und noch war kein Ende davon abzusehen. Die Saat der Drachenzähne war üppig aufgegangen; wohl waren eiserne Männer emporgewachsen aus dem blutgedüngten Boden, und selbst die Frauen mußten verlernen, was Menschlichkeit und Milde sei. Es gab eine junge Generation, welche sich schon deshalb nicht nach dem Frieden sehnte, weil sie ihn gar nicht kannte.
Und war der Krieg schrecklich auf dem festen Lande, so war er noch viel fürchterlicher auf dem Meere. Auf dem Lande konnten immer noch Gefangene ausgewechselt oder losgekauft werden; Städte, Flecken und Dörfer konnten Brand und Plünderung abkaufen; auf der See gab es aber schon längst weder Pardon noch Ranzion. Für Barmherzigkeit wurde es geachtet, wenn man die gegenseitigem Gefangenen kurzweg niederstieß oder sie an der Rahe aufhing und sie nicht langsam auf die grausamste Art zu Tode marterte, sie nicht auf dem Verdeck kreuzigte und mit dem genommenen Schiff versenkte. –
Mit besorgter Aufmerksamkeit lauschten auf den Wällen von Fort Liefkenhoek Befehlshaber und Soldaten der Kanonade und teilten sich ihre Vermutungen gegenseitig mit. Der eine hatte diese Ansicht über die Kämpfenden, der andere jene Ansicht; aber zuletzt ging anfangs leiser, dann aber bestimmter und lauter von Mund zu Mund das Wort unter den Soldaten:
»Die schwarze Galeere! Wiederum die schwarze Galeere!«
Ein jeder sprach zwischen Zorn und unheimlicher Beklemmung dieses Wort aus:
»Die schwarze Galeere!«
Gegen ein Uhr legte sich der Wind, und auch die Kanonade schwieg; aber zwanzig Minuten nach ein Uhr flammte es plötzlich in weiter, weiter Ferne blutrot, blitzartig über den dunklen Wassern auf; das Leuchten zuckte über die Hunderte von bärtigen, wilden Gesichtern auf den Mauern von Liefkenhoek und Lillo, und eine halbe Sekunde später folgte dieser Lichterscheinung der dumpfe Knall einer größeren Explosion, womit das Gefecht zu seinem Ende gelangt zu sein schien, wie ein Trauerspiel mit einer Katastrophe endet. Man sah und hörte keine Anzeichen mehr, welche auf den Fortgang desselben deuteten. Obgleich die Besatzungen auf den spanischen Befestigungen noch lange harrten und lauschten, vernahmen sie doch keinen Schuß mehr. –
»Nun, was haltet Ihr davon, Sennor Jeronimo?« fragte der Kommandant von Liefkenhoek einen seiner Kapitäne, einen ältlichen, dürren Mann mit grauem Haar und Bart, mit Narben bedeckt vom Kopf bis zu den Füßen.
Der Angeredete, der bis jetzt ein wenig abseits von seinen Kameraden an der Brüstung gelehnt hatte, zuckte die Achseln.
»Fragt mich nicht danach, Sennor. Bei Gott und der heiligen Jungfrau, ich hab’ es schon lange aufgegeben, über das zu grübeln, was uns dieser Krieg bringt. Der Panzer ist mir schier festgewachsen auf der Haut, und meinen Posten halt’ ich bis zum letzten Tag; aber – damit auch genug.«
»Ihr seid sehr barsch, Jeronimo«, sagte der Kommandant, der ein viel jüngerer Mann als der alte Krieger war und erst kürzlich aus Kastilien angekommen war in den Niederlanden, um den Gouverneursposten auf diesem Fort an der Schelde anzunehmen.
»Herr Oberst«, sagte der Hauptmann Jeronimo, »seit manchen langen Jahren halte ich nun meine Stelle auf dieser Erdspitze und sehe die Wellen vorüberfließen. Ihr seid jung, Oberst, aber Euer Vorgänger war auch jung und edel. Leer stand er neben mir, an demselben Platz, wo Ihr jetzt steht, voll von jugendlichen Träumen und Siegeshoffnungen. Nun liegt er drunten unter den Wogen, und der, welcher ihm vorging, ist von einer Kugel gefallen bei Turnhout; er dachte auch siegesgekrönt heimzukehren in sein Schloß an der Tarata zu seinem jungen Weibe – bah! Und nun rechne ich an den Fingern zurück bis in das Ende des Jahres fünfzehnhundertfünfundachtzig, wo ich von Madrid zurückkam; Sennor, damals glaubte auch ich noch an Sieg und Ehre in diesem Krieg. Ich habe aufgehört, daran zu glauben, und Ihr werdet’s auch, Oberst, so Euch Gott das Leben schenkt.«
»Ihr seid ein finsterer Träumer, Hauptmann! Aber sagt doch, in jenem ewig denkwürdigen Jahre wart Ihr in Madrid?«
»Ja.«
»In jenem glorreichen Jahr, wo der große Prinz uns Antwerpen zurückeroberte?«
»Ja.«
»So seid Ihr mit dem Alexander Farnese als Sieger in die Stadt eingezogen? O, Ihr Glücklicher!«
»Nein«, sagte der alte Soldat finster. »Ich bin nicht im Triumphzuge gewesen; man hatte mir einen andern Auftrag gegeben, um welchen man mich damals im Lager sehr beneidete. Ich war der Bote, welchen der tapfere Prinz mit der Nachricht von der Übergabe der Stadt zu Don Philipp – Gott habe seine Seele gnädig – sandte.«
»Ihr? Ihr, Hauptmann Jeronimo, durftet solche Botschaft dem König bringen? – O, dreimal Glücklicher! Bitte erzählt davon, wir dürfen den Wall doch noch nicht verlassen.«
Die andere Offiziere der Besatzung hatten sich allmählich näher an den Kommandanten und den Hauptmann herangezogen; jetzt bildeten sie als aufmerksame Zuhörer einen Kreis um die beiden. Es war nicht häufig, daß man den alten Jeronimo zum Erzählen brachte.
»Was ist davon zu sagen?« hub der Hauptmann an. »In der Nacht vom vierten auf den fünften September fünfzehnhundertfünfundachtzig hielt ich meinen atemlosen Gaul an vor dem Schloß zu Madrid, – ich bin ein Kind der Stadt und kann euch wohl sagen, ihr Herren, daß mein Herz doch hoch schlug, als ich den Manzanares wieder einmal rauschen hörte. Ich hatte von seinem Rauschen oft genug vor nicht langer Zeit im Feldspital im Wundfieber geträumt. Und das erreichte Ziel, die stolze Botschaft, die ich trug, die Erwartung einer fabelhaften Belohnung, die ich träumte, trieben mir auch das Blut heftiger in den Adern um. Finsternis und Grabesstille lagen auf der Burg und der Stadt; es war, wie ich nachher vernahm, am gestrigen Tage ein großes Autodafé gewesen, und die Bevölkerung schlief den Festestaumel aus; – alles schlief, selbst der König Don Philipp. Die Wachen hielten mir die Partisanenspitzen auf die Brust in dem Augenblick, als mein erschöpftes Roß unter mir auf dem Pflaster zusammenstürzte. Ich war ebenso atemlos vom letzten wilden Ritt, wie mein Pferd, aber doch hatte ich noch Kraft genug, zu keuchen: Briefe aus Flandern! Briefe an den König! Briefe vom Prinzen Alexander von Parma! Viktoria! – Die Waffen senkten sich, Hofleute eilten herbei, fragten mich aus, und dann wurde ich durch die Hallen des Schlosses zu dem Schlafgemach unseres Herrn geführt. Mein Herz erzitterte wie meine todmüden Glieder. Es schwamm mir vor den Augen, als ich in des Königs Kammer an dem Bette des Königs kniete und ihm den Brief des großen Prinzen reichte. Auf seinen Ellenbogen gestützt, erbrach unser Herr Don Philipp das Schreiben, überflog es mit seinen scharfen, scheuen Augen – der Oberkämmerer hielt die goldene Lampe – in Ewigkeit vergesse ich das Gesicht des Königs nicht, das Zittern nicht, welches die gelblichbleichen Züge überkam. Hoch auf richtete er sich von seinem Lager, hager und schwächlich, und stieß einen Ruf aus, der fast ein Schrei war:
›Antwerpen ist über! Antwerpen ist über!‹
Und die Lampe in der Hand des Höflings fing auch an zu zittern. Aus dem Bette erhob sich der König; er stützte sich ganz gegen die Etikette dabei auf meine Schultern, die Schulter des einfachen mit dem Staub und Schweiß der Wege bedeckten Soldaten. Die adligen Herren warfen ihm einen Rock um die Schultern; – seit der Nachricht vom Sieg bei Lepanto hatte solche Freudenbotschaft das Ohr des Monarchen nicht getroffen. Durch die Gänge des Schlosses eilte er schnellen Fußes an die Tür seiner Lieblingstochter, der Donna Clara Isabella Eugenia, klopfte, – was war der katholischen Majestät ihre Etikette in diesem Augenblick? – an die Tür der Prinzessin klopfte er, öffnete sie ein wenig, schob den Kopf in das Gemach und flüsterte der schlaftrunkenen, erschreckten Tochter zu:
›Antwerpen ist über! Antwerpen ist über, Donna Clara!‹
Wie regte sich dann das Schloß, als die große Nachricht sich verbreitete…«
»Und Ihr? Ihr, Sennor Jeronimo?« fragte der Kommandant von Fort Liefkenhoek seinen Hauptmann. »Was war Euer Lohn für solche freudiges glorreiche Botschaft?«
»Ja, was war Euer Lohn, Jeronimo? Ihr seid nicht Calatravaritter?« fragten die anderen Offiziere.
»Nein, ich bin nicht Ritter vom Calatravaorden«, antwortete der alte Krieger. »Und was meine Belohnung anbetrifft, nun, eine goldene Kette hing mir die katholische Majestät um, und ein Obristenpatent gab man mir auch.«
»Ah!« machte der Kommandant, und die übrigen Befehlshaber drängten näher heran.
»Jawohl«, sagte der Alte, »ich verstehe wohl, was Euer Blick sagen will, Sennor Colennello; er will sagen: nun, und was steht Ihr hier jetzt als mein Untergebener, als ein armer, halbinvalider Söldner? Ist es nicht so?« fragte er und blickte im Kreise umher. »Nun, ich will’s Euch auch sagen, da ich grad am Erzählen bin. Knöpft die Ohren auf, junges Volk, es mag eine Lehre für euch drin liegen. Am dreizehnten Julius 1591 schlug der Prinz Farnese sein Lager vor Fort Knodsenburg, Nimwegen gegenüber, es zu belagern; aber Gerhard de Jonge, der niederländische Befehlshaber, war ein tapferer Mann und machte uns blutige Arbeit. Ihn zu entsetzen, rückte auch Moritz von Oranien über Arnheim in die Betau und zog nach gelegtem Hinterhalt her zur Rekognoszierung vor unser Lager. Da ritten wir aus, sieben Kornetten, spanische und italienische Speerreiter gegen den Feind. Kann euch sagen, wackere Ritter saßen auf: Francesco Nicelli, Alfonso Davales, Padilla, Jeronimo Caraffa, Decio Manfredi und andere. Des Herzogs Leibkornette führte ich an dem Tage – Fluch sei ihm! Vorwärts gegen den Feind ging’s, und eilends zog sich dieser zurück, bis – wir in den Hinterhalt fielen und aufgerieben wurden bis auf den letzten Mann. O heftiger Gott, dreißig Wunden, ehrliche Narben trug ich schon damals auf dem Leib, bei jedem Gefecht hatt’ ich geblutet, und dieses Mal – dieses Mal, als alle Gefährten tot und wund das Feld deckten, blieb ich allein unverletzt. Des Herzogs von Parma sieghafte Standarte aber, die ich führte, blieb in der Hand des Feindes! Einen gestickten Christus trug sie mit der Unterschrift: ‘Hic fortium dividet spolia’. – Da ging meine Kriegsehre zugrunde. Am folgenden Tag riß man mir die goldene Ehrenkette ab, die mir Don Philipp gegeben hatte; meine Stelle bekam ein anderer, Glücklicherer; ich durfte mich als gemeiner Söldner in der großen Masse verlieren; meinen Namen warf ich fort und nahm Dienste in einem deutschen Regiment, grau und gebeugt ward ich in einer einzigen Stunde, Hauptmann unter meinem jetztigen Namen auch wieder und so – Euer Untergebener, Kommandant, euer Kamerad, ihr Herren – wendet euch nicht ab!«
Der Kommandant von Fort Liefkenhoek reichte dem Erzähler die Hand und schüttelte sie stumm und herzlich: auch die andern drängten sich, ihm die Hände zu reichen.
»Basta!« sagte der Alte. »Was tut’s, zuletzt ist’s doch alles einerlei. Wieviel Glanz, Ehre und Ruhm hab’ ich verlöschen sehen – im Eskorial schläft Don Philipp der Zweite; zu Parma liegt der große Prinz Alexander; – wo blieb Fernando Alvarez von Toledo, der Herzog von Alba? Wo blieb unser gewaltiger Feind Wilhelm der Schweigende?« ‘Quo pius Aeneas, quo divus Tullus et Ancus?’ lachte ein junger Fähnrich, der eben erst der hohen Schule zu Salamanca entlaufen war; aber niemand achtete seiner, und der Kapitän Jeronimo fuhr fort: »Basta, Kameraden; ein jeder tue seine Pflicht und halte sich für einen ehrlichen Mann! Sennor Kommandant, laßt die Leute das Gewehr wegsetzen, die rote Ruhr streicht sie Euch morgen sonst von der Musterrolle. Die Geschichte auf den Wassern dort drüben ist zu Ende – seine katholische Majestät Don Philipp der Dritte und seine genuesischen Gnaden Signor Federigo Spinola haben ein gutes Schiff weniger. Laßt die Leute schlafen gehen, Oberst; morgen werdet Ihr schon das Weitere und Nähere erfahren.«
»Ihr glaubt, Unglücksverkünder? Ach, Euer teuflisches Mißgeschick hat Euch den frischen Mut allzu sehr geknickt. Faßt Mut, wackerer Jeronimo.«
Der Hauptmann zuckte nur die Achseln.
»Nun, es sei«, sagte der Kommandant. »Laßt die Zeichen geben, die Wälle zu verlassen. Nachher erwarte ich euch alle, meine Herren, zu einem Trunk Wein; es wird ja doch wohl keiner von euch mehr schlafen in dieser Nacht. Mut ihr Herren, und Spanien für immer!«
Die Offiziere riefen das letzte Wort ihres Befehlshabers nach, aber doch mit ziemlich beklemmten Stimme. Dann wirbelten die Trommeln, und die Truppen zogen zurück von den Wällen des Forts Liefkenhoek.
Der Kommandant blieb aber noch zurück, stützte seufzend die Ellbogen auf die Mauerbrüstung und legte das Kinn auf die Hände. So starrte er auf die Wasser und in die Nacht hinaus und murmelte:
»Er hat recht; es ist ein leidig Ding um diesen Krieg. Vierzehn Jahre flattert nun wieder das Banner von Spanien auf diesen Wällen und auf den Mauern und Türmen von Antwerpen; sind wir aber darum nur einen Schritt weiter in der Besiegung dieses heldenmütigen, starrköpfigen Volkes? Welche Männer haben auf dieser winzigen angeschwemmten Erdscholle gekämpft und geblutet! Welche Männer haben gekämpft um diesen Fleck! Wie leuchtende Sterne glänzen durch die Zeiten die Namen von Freund und Feind, die Namen Alexander Farnese, Mansfeld, Mondragone, Johannes Pettin von Utrecht, Aldegonde, Gianibelli, Johannes Baptista Plato, Barrai, Capisucchi, Olivera, Paz, La Motta, Delmonte und hundert andere. Tausend und aber tausend Ungenannte liegen dort unter dem Sande, unter den Fluten; – wie viele werden noch darin versinken?«
Die Besatzung hatte sich längst zurückgezogen, und man vernahm nichts mehr auf dem Wall von Fort Liefenhoek, als den Ruf und Schritt der Ronden und das Brausen der Wogen und des wiedererwachenden Sturmes.
Nochmals umschritt der Kommandant seine Mauern und schärfte den verdoppelten Wachen ein, ja gute Wacht zu halten; dann stieg auch er hinab und suchte seine Wohnung auf, wo er seine Offiziere, seiner Einladung gemäß, alle bereits versammelt fand. Nur der Hauptmann Jeronimo fehlte; er pflegte immer zu fehlen bei den Gelagen seiner Kriegsgesellen; man ließ ihn gewähren, bedauerte ihn und scherzte und lachte über seine Prophezeiungen.
Der Alte aber hatte doch recht! Wohl hatten in dieser Sturmnacht der katholische König und Friedrich Spinola von Genua ein wackeres Schiff verloren. Der nächste Morgen warf die verkohlten Trümmer der Immacolata Concezione an die Dünen von Südbeveland dem ketzerischen Volk vor die Füße, und die Abendflut trug mehr als eine verstümmelte Leiche mit der hispanischen Feldbinde zu den Mauern von Fort Bats. Die schlimme Voraussagung des Kapitäns Jeronimo war eingetroffen, die Wassergeusen hatten den Sieg behalten in dem nächtlichen Gefecht.
In die Stadt Antwerpen brachten Fischer die Botschaft von dem nächtlichen Vorgang, und groß war darob, je nach der Parteistellung, der heimliche Jubel oder die laute Wut der Bevölkerung.
Auch in der Stadt lief baldigst durch das Volk der Name der »schwarzen Galeere« und wurde mit mehr oder weniger Zuversicht mit dem geschehenen Unheil in Verbindung gebracht.
Wer konnte in solcher Sturmnacht, wie die vergangene war, solche Tat anders getan haben als die schwarze Galeere?
Auf den Plätzen, in den Gassen, in den Werkstätten, in den Kirchen, auf dem Rathause und in der Zitadelle wurde das Wort gehört. Auf den Kriegs-und Handelsschiffen, die am Kai, dicht an den Häusern und Mauern der Stadt vor Anker lagen, lief es um. Überall, wie gesagt, sah man Bestürzung oder geheimes Frohlocken auf den Gesichtern.
»Die schwarze Galeere! Die schwarze Galeere!« –