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Die Begegnung von zwei Frauen, zwei Kulturen, zwei Schicksalen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können Emma , Rentnerin in Wien, macht sich so ihre Gedanken über eine Welt, die nicht mehr ist, was sie mal war: Die neue türkische Schwiegertochter ist schwanger, die Enkelin Luzie trägt zu enge Hosen und ihren Ex-Mann Georg hat ein gerechter Schlaganfall niedergestreckt. Sarema kommt aus Grosny nach Wien. Dass sie noch am Leben ist, hat sie ihrem verzweifelten Mut zu verdanken: Im Tschetschenien-Krieg hat sie alles verloren, Schlepper haben sie und ihren jüngsten Sohn Schamil nach Österreich gebracht. Sarema braucht Asyl, Emma nach einem Unfall Hilfe im Haushalt. Ihre Wege kreuzen sich, Ihre Schicksale verbinden sich. Wie weit wird Emma gehen, um Sarema zu helfen?
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Seitenzahl: 232
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Susanne Scholl
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
www.residenzverlag.at
© 2013 Residenz Verlagim Niederösterreichischen PressehausDruck- und Verlagsgesellschaft mbHSt. Pölten – Salzburg – Wien
Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten.Keine unerlaubte Vervielfältigung!
ISBN ePub:978-3-7017-4456-5
ISBN Printausgabe:978-3-7017-1623-4
Für meine tschetschenischenFreundinnen, die nie aufgeben
Stille
Nacht
Einkaufen
Morgen
Die Begegnung
Lisa
Türkenbankert
Saremas Traum
Keine Hochzeit
Verschwinden
Suche
Flucht
Der Unfall
Besuch
Kochen
Warten
Lernen
Geburt
Georg
Begräbnis
Sommer
Markt
Erlebnisse
Wohin
Entscheidungen
Epilog
Es ist so still, denkt Emma und schaltet die Nachttischlampe ein. Sie hat Herzklopfen. Das kennt sie schon, das kommt manchmal vor. Der Arzt hat gesagt, das ist nicht schlimm, das sind nur die Nerven. Aber eigentlich ist sie doch ganz ruhig. Hat sie was geträumt? Sie kann sich an nichts erinnern. Aber irgendwie ist es zu still. Es ist ja auch drei Uhr früh. Da fährt der Autobus nur selten und Autos sind auch keine unterwegs. Zum Glück. Und die besoffenen Jugendlichen, die so gern laut grölen in der Nacht, scheinen heute auch zu Hause geblieben zu sein. Oder vielleicht doch nicht? Wahrscheinlich haben die sie mit ihrer Pöbelei aufgeweckt und sie hat’s nur nicht gleich bemerkt. Jedenfalls ist es jetzt still. Sie hört Mitzi im Wohnzimmer schnarchen. Wahrscheinlich liegt sie wieder auf dem Lehnsessel mit der weißen Decke, auf dem sie nicht liegen soll. Sicher sogar. Das Vieh ist einfach unerziehbar.
Natürlich, hat ja auch Georg mit nach Hause gebracht. Damals, kurz vor Hansis 40er. Ein Geschenk für die Mama, hat Georg gesagt und die Schachtel aufgemacht. Und drin saß Mitzi – ganz schwarz. Und ziemlich klein. Herzig war sie ja schon, aber eigentlich wollte Emma nie ein Haustier haben. Macht nur Arbeit und man ist angebunden, hat sie immer gesagt. Solange Hansi klein war und sie noch gearbeitet hat beim Notar Wiesel, hätte Georg sich nie erlaubt, ein Vieh nach Hause zu bringen. Aber kurz vor Hansis 40er hat sie ja schon nur mehr halbtags gearbeitet – und der Wiesel hatte schon so Andeutungen gemacht, dass sie doch eigentlich langsam ans Aufhören denken könnte. Dass sie doch noch das Leben genießen sollte mit ihrem lieben Georg. Und kurz danach hat der liebe Georg die Mitzi mitgebracht – für die Mama, hat er gesagt. Wie sie das gehasst hat, wenn Georg sie Mama genannt hat. Als ob sie seine Mutter wäre und nicht seine Frau. Sie hat es gehasst, aber Georg hat sich nicht davon abbringen lassen. Bald danach ist er gegangen, der Georg, den sie unbedingt hat haben müssen damals, als sie jung war und eigentlich nicht wusste, was sie aus ihrem Leben machen sollte, und ihre Freundinnen so geschwärmt haben von diesem Pierringer, der Student war und im Sommer Badewaschel im Stadionbad. Fesch war er damals schon, der Georg. Braun gebrannt und mit Muskeln an den richtigen Stellen. Und sie war stolz, weil er sie beachtet hat. Ja – und dann war sie plötzlich schwanger und der Georg ein kleiner Ingenieur. Die Muskeln sind verschwunden und haben einem kleinen, soliden Bierbauch Platz gemacht, und das Geld, das er nach Hause gebracht hat, war zu wenig, um den Hansi studieren zu lassen, also hat sie sich den Job beim Notar Wiesel gesucht. Jeden Tag hat sie sich schikanieren lassen von ihm und den anderen im Büro, die alle studiert hatten – nur sie nicht, weil Hansi kam, bevor sie mit der Schule fertig war, und die Eltern meinten, Mutter sei auch ein Beruf. Zum Glück hat Georg ihr wenigstens einen Maschinschreib- und Stenografie-Kurs gezahlt, quasi als Hochzeitsgeschenk. Das hat geholfen, sogar, als der Notar Computer angeschafft hat und sie umlernen musste. Eigentlich war es ganz nett beim Notar Wiesel. Vor allem später, als sie älter wurde und sich nicht mehr über die spitzen Bemerkungen der Kollegen geärgert hat, wenn sie wieder einmal einen Akt verlegt oder einen Namen falsch geschrieben hatte. Immerhin wusste sie da schon so viel über alle, dass die ihr nicht mehr gefährlich werden konnten. Irgendwann war sie so etwas wie das Herz des Büros geworden – kein besonders weiches Herz, das wusste sie. Aber am Ende hat sie zum Inventar gehört – und man ließ sie in Frieden. Und mit Georg hatte sie sich auch abgefunden, mit einem Georg, der sie Mama nannte und gar nicht mehr so fesch war und ihr eigentlich auch schon langweilig geworden war. Aber nie im Leben hätte sie sich vorstellen können, ihn zu verlassen. Das tut man nicht, fand Emma. Er war ja auch nicht schlecht zu ihr – er behandelte sie eben immer öfter als Mama und immer seltener so wie damals in jenem Sommer im Stadionbad, wo er ihr verliebte Blicke zugeworfen und kleine Zettel in ihrem Kästchen hinterlassen hatte. Sie hat sich jedenfalls mit ihm abgefunden gehabt, mit ihm und seinem Bierbauch. Und dann ist er plötzlich gegangen. Hat sie verlassen. Unglaublich eigentlich, hat sie gedacht. Da hat sie schon das Schreiben wegen ihrem vorzeitigen Pensionsantritt auf dem Tisch liegen gehabt, der Hansi hatte ihr gerade eröffnet, dass er sich jetzt von Gisela scheiden lässt, und Georg hat gemeint, er brauche neue Herausforderungen.
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