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- Die erste umfassende Biografie über die brillante Denkerin. - Das beeindruckende Leben der wohl bedeutendsten Mathematikerin überhaupt, die sich mit großer innerer Stärke in einer Männerdomäne behauptete. - Ein berührendes Frauenschicksal im Spannungsfeld zwischen Anpassung und Auflehnung. - Ein wichtiger Beitrag zur aktuellen Debatte um das Geschlechterverhältnis in Beruf und Bildung. Sie hat einen messerscharfen Verstand, ringt zeitlebens um Anerkennung und lässt sich nicht beirren: Emmy Noether (1882-1935), die wohl bedeutendste Mathematikerin überhaupt, ist stark genug, nie zu tun, was die Gesellschaft von einer Frau erwartet. So manchem Widerstand zum Trotz gelingt es ihr, sich mit bahnbrechenden Arbeiten an die Spitze ihrer Disziplin zu kämpfen. In Erlangen wächst Emmy in einer liberal-jüdischen Familie auf. Nach ihrem Examen zur Sprachenlehrerin nimmt sie mit Sondererlaubnis ein Mathematikstudium auf, promoviert und tritt dank glänzender Leistungen aus dem Schatten ihres Vaters, eines bekannten Mathematikers. 1915 folgt Emmy Noether einem Ruf nach Göttingen, wirkt hier neben den Koryphäen ihres Fachs, doch ohne Gehalt und akademische Position – weil sie eine Frau ist. Mit dem bis heute gültigen Noether-Theorem revolutioniert sie das mathematische Denken in der Physik, wird dann zur Pionierin der modernen Algebra. Hochbegabte Studenten aus aller Welt scharen sich um die außerordentliche Professorin, die inzwischen internationales Ansehen genießt. 1933 wird sie, da Jüdin, der Universität verwiesen. Sie emigriert in die USA, lehrt in Pennsylvania, in der Nähe Albert Einsteins, der die brillante Denkerin überaus schätzt. Das Schicksal schlägt zu, als sie sich einer Krebsoperation unterziehen muss ...
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Seitenzahl: 324
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Emmy Noether, vor 1910.
Lars Jaeger
Emmy
Noether
Ihr steiniger Weg
an die Weltspitze
der Mathematik
Biografie
Meiner Tochter Talia
»Meine Methoden sind wirklich Methoden
des Arbeitens und Denkens; deshalb haben sie sich
überall anonym eingeschlichen.«
Emmy Noether
»Die Algebra hat ein anderes Gesicht bekommen
durch dein Werk.«
Hermann Weyl in seiner Trauerrede
für Emmy Noether, 17. April 1935
Vorwort
1 – Umsturz in der Mathematik
Cantors neue Unendlichkeit
Paradoxien zerstören die klassische Mathematik
Hilberts Hoffnung und Gödels Schneise der Verwüstung
Vom Entscheidungsproblem zum Halteproblem
Eine von wenigen
Jan Arnoldus Schouten, Delft
2 – Auf Umwegen zur Universität
Emmy Noethers Eltern und Geschwister
Kindheit und Jugend Emmy Noethers
Die Frage der Motivation
Ein langer Weg voller Hindernisse
Emmy Noethers Bruder Fritz
3 – Außerhalb jeder Norm
Eine langwierige Übung: die Dissertation
Generationenwechsel in der Invariantentheorie
Neustart in Göttingen
Ein Leben für die Mathematik
Fruchtbarer Austausch
4 – Die unsichtbare Mitautorin der Allgemeinen Relativitätstheorie
Ein bedeutsamer Ausflug in die Physik
Gemeinsam für die Allgemeine Relativitätstheorie
Die zwei Gesichter der akademischen Welt
Skandal in Göttingen
Warum keine Professorinnen?
Emmy Noethers Jahre in der Warteschleife
Endlich habilitiert und doch nicht am Ziel
5 – Das Noether-Theorem
Der Rahmen aller Dinge
Den Symmetrien auf der Spur
Die geheime Tür zwischen Invarianzen und Erhaltungsgrößen
Emmy Noethers Zweites Theorem
Eine Anerkennung zweiter Klasse
Die Allgemeine Relativitätstheorie wird erwachsen
Gedränge im Teilchenzoo
Ein Leitstern für die theoretische Physik
Ein diametral aufgebautes Leben
6 – In den höchsten Sphären der Abstraktion
Totale Abkehr vom Konkreten
Eine neue Welt aus reiner Abstraktion
Die Noether’schen Ringe
Die wichtigsten Arbeiten Emmy Noethers
Zu abstrakt, um berühmt zu sein
Vorträge und Vorlesungen
Der Schritt in die Hyper-Komplexität
Ein Platz im Olymp
7 – Die »Noether-Jungs« (und -Mädels)
Noethers Live-Mathematik
Wirkung durch selbstlosen Fokus
Eine Übersicht der Noether-Jungs und-Mädels
Der Kreis der Postdocs und etablierten Mathematiker
Die Noether-Schule
8 – Grete Hermann
Gruppenbild mit Dame
Verstörende Experimente
Einsteins X-Faktor und ein Schuss, der nach hinten losgeht
Tot oder lebendig
Ein entscheidender Irrtum
Dreißig Jahre Stille
Eine widerständige Frau
Experiment anstatt theoretischer Herleitung
9 – Königin der Mathematik ohne Krone
Eine außerordentliche Karriere
Die Ehrungen häufen sich
Die Bourbaki-Gruppe, der Geheimbund der Mathematiker
Ein Weltstar der Mathematik wird evaluiert
Aus hellstem Licht in den tiefsten Schatten
10 – Flucht in die USA
Politische Wirren und der neue starke Mann
Exodus aus Göttingen
Persona non grata
Umzug in die USA
Entwurzelt in Amerika
Aus dem Leben gerissen
Nachwort
Anhang
Zeittafel
Expertenwissen
Bibliografie
Bildnachweis
Cover
Vorwort
Warum existiert eigentlich kein Nobelpreis für Mathematik? Auf diese Frage gibt es verschiedene Antworten. Eine verbreitete, aber unbestätigte Anekdote erzählt, dass bei der Vergabe der Preise in Stockholm nur deshalb keine Mathematiker auf der Bühne stehen, weil einmal Alfred Nobels Herzensdame einem schwedischen Mathematiker den Vorzug gegeben hatte. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Nobel die Bedeutung der Mathematik schlichtweg unterschätzte. Nach seinem Willen werden jedes Jahr jene Wissenschaftler ausgezeichnet (erstmals 1901), die der Menschheit einen besonders großen Nutzen beschert haben. Die Mathematik schien Nobel wohl nur wenig nützlich in der direkten Anwendung zu sein. Zwanzig, dreißig Jahre später hätte er wohl ganz anders gedacht. Denn die Mathematik hatte sich als Fundament aller Wissenschaften etabliert. Sie war die Wegbereiterin einer völlig neuen Physik, lieferte die Statistik der neuen Gentheorie in der Biologie und bestimmte die Arbeitsgänge in den chemischen Laboren. Doch bevor sie diese Macht entfalten konnte, musste sie die tiefste Krise seit Menschengedenken überwinden. Die Gelehrten des 19. Jahrhunderts stießen auf innere Widersprüche, die das gesamte, als absolut sicher geglaubte Grundgerüst der Mathematik in Frage stellten. Dieses Schicksal teilte die Mathematik mit der Physik, der Chemie und der Biologie, denn in den Jahrzehnten um 1900 verloren in einem weltgeschichtlich einmaligen Prozess ausnahmslos alle Naturwissenschaften den Boden unter ihren Füßen und mussten sich – jede für sich – von Grund auf neu erfinden.
Emmy Noether ist eine der zentralen Figuren in dieser kompletten Neuausrichtung der Mathematik. Ihre Leistungen stehen zumindest gleichberechtigt neben denen der berühmtesten Mathematiker des 20. Jahrhunderts: David Hilbert und John von Neumann. Da sie die Einführung der höheren Abstraktion entscheidend vorantrieb, ist Emmy Noether in der Mathematik sogar eine der einflussreichsten Personen aller Zeiten. Geradezu nebenbei löste sie auch ein zentrales Problem der modernen Physik und machte so den Weg frei für das heutige Verständnis der Quantentheorie: Das »Noether-Theorem« ist eines der bedeutendsten, wenn nicht gar das führende Prinzip der theoretischen Physik.
Dass ihr Name trotz ihrer überragenden Bedeutung bis heute praktisch unbekannt ist, liegt vor allem an einem Umstand: Emmy Noether war eine Frau. Unter großen Mühen musste sie sich einen Platz an der Universität erkämpfen, erst als Studentin, dann als wissenschaftliche Mitarbeiterin und außerordentliche Professorin im damaligen Weltzentrum der Mathematik: Göttingen. Weil es für ihre männlichen Kollegen unvorstellbar war, dass eine Frau die Mathematik bis in ihre Tiefen durchdringen könnte, ergab sich eine merkwürdige Diskrepanz zwischen der Bewunderung für Emmy Noethers Leistungen und der Unfähigkeit, einer Frau dieselben Möglichkeiten zuzugestehen wie jedem anderen auch. Denn Emmy Noethers Leistungen waren unbestreitbar und wurden auch von jenen, die den universitären Betrieb am liebsten weiterhin rein in Männerhand gesehen hätten, nicht angezweifelt. Ab Ende der 1920er-Jahre war sie sogar in der Fachwelt weltberühmt und wurde mit höchsten Auszeichnungen bedacht. Doch auf der universitären Karriereleiter war Emmy Noether schon früh an die berühmte gläserne Decke gestoßen: Männer mit geringeren mathematischen Fähigkeiten wurden mit attraktiven Positionen belohnt und verdienten genug Geld, um eine Familie zu ernähren. Diese Art der Anerkennung wurde Emmy Noether in Deutschland bis zum Ende vorenthalten. Erst in den letzten beiden Jahren ihres kurzen Lebens, in der Emigration in den USA, wurde der inzwischen weltberühmten Mathematikerin ein nennenswertes Gehalt zugesprochen.
Nach ihrem frühen Tod 1935 lebte Emmy Noethers Mathematik weiter, ihre Erkenntnisse haben die Mathematik revolutioniert und gehören heute zu den Grundlagen aller naturwissenschaftlichen Bereiche. Doch ihre Person geriet in Vergessenheit. Nur wenige Biografen nahmen sich ihrer Geschichte an, darunter Auguste Dick, Cordula Tollmien, Mechthild Koreuber und Peter Roquette.
Erst in den letzten Jahren erinnert man sich in weiteren Kreisen an den von Entbehrungen und Zurücksetzungen gekennzeichneten Lebensweg Emmy Noethers. Eine Reihe von Stipendien und anderen Fördermaßnahmen wurde in ihrem Namen auf den Weg gebracht, um die wissenschaftliche Karriere von Frauen zu unterstützen. Emmy Noether hätte dies bestimmt gefallen.