Erhoffte Küsse - D.K. DEE - E-Book

Erhoffte Küsse E-Book

D.K. DEE

4,8

Beschreibung

Mexiko: Der junge Manuel liebt Tita. Er will mit ihr in Europa leben. Der um einiges ältere Pedro möchte seine in Amerika wohnende Verflossene Ana zurückgewinnen. Beide heuern als Haifischer an, um ihren Zielen näherzukommen. Doch auf See zieht ein schlimmer Sturm auf ... Ein Buch wie die fünf Elemente selbst: Feurig, erdig, ätherisch und fließend. Und inmitten dieser: Die Liebe – gleichsam zärtlich und rau.

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Inhaltsverzeichnis

Erhoffte Küsse

D. K. DEE

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Impressum

Erhoffte Küsse

D. K. DEE

Erhoffte Küsse

ROMAN

Mexiko: Der junge Manuel liebt Tita. Er will mit ihr in Europa leben. Der um einiges ältere Pedro möchte seine in Amerika wohnende Verflossene Ana zurückgewinnen. Beide heuern als Haifischer an, um ihren Zielen näherzukommen. Doch auf See zieht ein schlimmer Sturm auf ...

Autor: D.K. DEE

Originalausgabe Januar 2016

Umschlaggestaltung: 211entertainment

1

Auf dem Meer. Mittags.

Der Himmel wirkt wie ein geheimnisvolles azurblaues Universum, nahezu wolkenlos. Die Sonne steht im Zenit. Unbarmherzig brennt sie herab. Ihre Strahlen brechen sich in den immerfort springenden Wellen.

Das unruhige Meer ist blauschwarz; es wirkt fast undurchdringlich. Wie ein waberndes gleißendes Ungetüm aus Schwingungen zwischen fluiden Bergen und Tälern, Schaumkronen und Lichtspiegelungen.

Der Wind geht leicht. Das wogende Wasser schlägt gegen die Bordwand eines Bootes. Es ist ein Fischerboot ohne Bedachung, das hier in der Wasserwüste treibt.

Pedro, fünfunddreißig, untersetzt und kräftig, mit einem T-Shirt, Hemd und Shorts bekleidet, steht breitbeinig an der Bordwand, hält eine Schnapsflasche in der Hand, nimmt dann und wann einen großen Schluck daraus und beobachtet jede Regung von Garn und Ruten. Der siebzehnjährige Manuel, ein gutaussehender, braunäugiger Jüngling, schmal und feingliedrig, ebenfalls in T-Shirt und Shorts, beachtet die Angeln in den Bordwand-Halterungen nicht. Er sitzt vornübergebeugt auf der weiß lackierten Ducht, schattet mit einer Handfläche sein Smartphone ab und tippt mit den Fingern der anderen Hand wieselflink darauf herum.

„Bingo“, frohlockt Pedro.

Die Ruten biegen sich durch. Beinahe überall scheint ein Fang am Haken zu sein.

Er verschließt schnell die Schnapsflasche und steckt sie in eine Box hinein, greift sich die am stärksten durchgebogene Angel. Mit einem Seitenblick schaut er zu Manuel, der wie festgeklebt auf seinem Platz hockt und gebannt auf sein Mobiltelefon starrt.

„Los. Beweg deinen Arsch“, blafft Pedro. „Steck das Scheißding endlich weg und hilf mir.“ Manuel lässt murrend das Smartphone im Seitenschlitz seiner Shorts-Tasche verschwinden, rückt die ausgebleichte Baseballkappe zurecht, drückt die Sonnenbrille den Nasenrücken hinauf und kommt zu den Angeln hin.

Missgelaunt nimmt er sich eine Rute aus der Halterung und holt mit der Kurbel die Leine ein. „Wir haben schon nach eins“, mault er. „Lass uns zurückfahren. Da ist bestimmt wieder keiner dabei.“

Pedro pfeift zwischen den Zähnen hindurch, während er hart mit seiner Angel arbeitet. Es scheint ein dicker Brocken angebissen zu haben. Mal muss er Leine lassen, mal kann er leicht aufspulen. „Willst du Geld oder willst du kein Geld?“, presst er hervor.

Manuel holt die Schnur spielend ein, sein Fisch zeigt kaum Gegenwehr.

„Vargas gibt uns die zweihundert Pesos auch, wenn wir mit den Doraden wieder reinkommen.“

Pedro stemmt sich gegen die Kraft des Fisches, den er mit aller Macht an die Wasseroberfläche zwingen will. „Wer hat dir den Scheiß denn erzählt? Vargas bezahlt für das Haifischen. Nicht fürs Dasein, Atmen und Köderfische fangen. Und für das Herumgetippe schon gar nicht.“

An Manuels Leine gibt es einen Ruck. Er kann die Angelschnur plötzlich ohne Gegendruck einholen. Als der Haken aus dem Wasser hüpft, wird der angebissene Rumpf einer Brasse sichtbar. – Ein größerer Fisch hat den Fang abgefressen. Manuel schwingt den Brassen-Rest ins Boot hinein, lässt ihn auf die Planken knallen, legt die Rute ab. Er greift sich die nächste Angel, lässt die Schnurrolle rotieren. Hier geht es schwerer. „Man kann auch mal Pech haben“, sagt Manuel. „Wir haben gearbeitet. Wir haben Anspruch auf unseren Lohn.“

Pedro lacht verächtlich. Sein potentieller Fang schimmert durch die Oberfläche des Wassers hindurch. Es ist ein Hai. „Wow. Der ist fast drei Meter lang“, jubelt er.

Manuel schaut den Hai an, der durch die kürzer werdende Schnur langsam der Bordwand näher gezwungen wird. Seine Miene erhellt sich. „Dann können wir ja gleich zurück!“

Schnell holt der schlaksige Kerl die Leine seiner Angel ein.

Diesmal sinkt das Garn mit einer Makrele am Haken auf die Bootsplanken.

Manuel schlägt mit einem Holzknüppel mehrmals auf ihren Kopf, bis sie still daliegt. Ihre großen runden schwarzen Augen scheinen ihn anzustarren. Er wendet schnell seinen Blick ab, springt Pedro bei, beugt sich weit über die Verschanzung hinaus und hilft ihm den nunmehr harpunierten Hai an Deck zu hieven.

Der Haikörper ist glitschig, obwohl ihm seine Haut wie Schmirgelpapier vorkommt. Aus dem Wasser gehoben, ist er doch kleiner als gedacht. Manuels gespannte Oberschenkel pressen sich fest gegen die Bordwand.

Und so geschieht es: Während der dünne Bursche mit seinen Händen den Hai knapp hinter seiner Rückenflosse umfasst und ihn mit aller Kraft hochwuchtet, bemerkt er nicht, wie sein Smartphone aus der Hosentasche rutscht und ins Wasser fällt. Das dunkle Plumpsgeräusch überhört er im Eifer des Tuns; erst als das silbrige Gehäuse sich mit hilferufartigen Reflektionen nah an der Bordwand in die Tiefe verabschiedet, schrickt er auf.

Manuel lässt den Hai los und greift ins Wasser. Aber zu spät. Das Handy ist verloren. – Pedro hat Mühe den Hai, eine Hand an der Harpune, eine Hand am Fischleib, zu halten.

„Mann. Greif den Hai. Los!“, ächzt Pedro.

Manuel verharrt für Sekunden regungslos, unterdrückt die Tränen. Aber wenig später packt er den Hai erneut, diesmal näher an der Schwanzflosse, hält ihn, doch eine tatkräftige Hilfe ist er nicht. Pedro zerrt den Hai nahezu allein über die Bordwand ins Boot. Der Ruck ist dabei so gewaltig, dass die beiden Männer umstürzen und auf die Planken fallen. Fast begräbt der Fischkörper die Männer unter sich. „Prügel bräuchtest du! Man sollte dir echt eine verpassen“, keucht Pedro.

Manuel scheint sein Gefauche gar nicht zu hören. Er weint bitterlich, kriecht von dem Hai fort. Pedro schüttelt den Kopf. „Memme!“ Manuel kann sich kaum beruhigen. „Ich habe für das Telefon drei Jahre gespart!“

Pedro wischt sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. „Ein Telefon ist ein Telefon. Wenn wir Glück haben, dann…“

Manuel zieht die Nase hoch. Seine Lippen beben. „Da waren Fotos drauf!“

Pedro rappelt sich auf, geht zur Kiste hin, greift sich die Schnapsflasche, nimmt einen großen Schluck daraus. Er schiebt sich die Wollmütze nach hinten.

„Was für Fotos?“

Manuel nimmt die Sonnenbrille ab, wischt die Tränen fort, aber es kommen neue. „Von meiner Freundin.“

Pedro schaut ihn nachdenklich an. Um seine Mundwinkel zuckt es leicht. Er nimmt wieder einen Schluck vom Schnaps, wischt sich über die Lippen. „Komm! Wir bereiten die Cimbra vor. Wir fischen in der Nacht und kehren morgen früh zurück.“

2

Am frühen Nachmittag.

Das Boot quält sich – vom röhrenden Außenbordmotor angetrieben – durch die Wellen. Am Heck lassen Pedro und Manuel die Langleine ins Meer gleiten. Die an dem dünnen Seil angebrachten kleinen Plastikflaschen beginnen über den Schnüren mit den Köderhaken auf der See zu hüpfen. Als die Leine komplett draußen ist, stellt Pedro den Motor ab und lässt das Boot treiben. Er nimmt die letzten Schlucke aus seiner Schnapsflasche, wirft sie danach achtlos ins Meer.

„Legen wir uns aufs Ohr. Um halb vier holen wir die Leine ein.“

Manuel zuckt die Achseln. „Kann nicht auf Kommando schlafen.“

Pedro nickt wissend. „Trink Bier. Aber lass mir was übrig.“

Stunden später kämpft sich die rotglühende Sonne durch den wolkenverhangenen Abendhimmel gen Wasseroberfläche um dahinter zu verschwinden. Manuel starrt in diesen Abendhimmel. Es ist sehr windig, die Wolken ziehen. Der Jüngling hat sich unter der Abdeckung verschanzt, kaut auf einem Butterbrot und einem Stück getrockneter Salami herum. Pedro lehnt mit dem Rücken an der Bordwand. Neben ihm steht die erleuchtete Bordlampe. Er inhaliert kräftig von einer Haschischzigarette. Seine Au-gen sind gerötet, die Lider werden ihm schwer, flattern wie die müde gewordenen Flügel eines Kolibris. Manuel schaut zu ihm herüber. „Kann ich mal ziehen?“

Pedro schüttelt den Kopf, schnippt den Zigaret-tenrest ins Wasser. Er rollt sich am Bootsboden ein, deckt sich mit seiner Strickjacke zu.

Gegen zwei Uhr.

Gischt wirbelt durch die Luft. Es donnert ohrenbetäubend. Blitze durchzucken entfernt den Himmel. Das Gewitter tobt, Regen peitscht hernieder. Ein heftiger Sturm schüttelt das Boot und lässt es wie eine Nussschale auf dem Meer tanzen. Pedro schlägt sich den Kopf an und ist urplötzlich hellwach. Er fährt hoch und schaut sich um. Manuel, da ist er. Der Junge klammert sich – von Angst gelähmt – am Bootsrahmen unter der Abdeckung fest. Pedro springt auf, prüft die Sicherung der Cimbra. – Sie ist intakt. Er hastet zum Motor, versucht ihn anzulassen. Es misslingt. Das Boot stürzt im nächsten Moment in ein tiefes Wellental. Pedro wird zu Boden geschleudert, findet Halt an Querstreben der Verschanzung. Ein mächtiger Sturzsee über-schwemmt das Boot, lässt es gefährlich schaukeln. Die ausgeworfenen Angeln werden aus den Halterungen gehebelt und gehen über Bord. Pedro robbt zu den beiden Eimern hin, hakt sie aus den Sicherungskarabinern. Er brüllt: „Los. Schöpfen!“

Der kräftige Kerl reicht Manuel einen Eimer. Sie schöpfen und schöpfen, haben Mühe nicht über Bord zu gehen.

Manuels und Pedros Blick treffen sich für den Bruchteil einer Sekunde. Manuels Augen sind erfüllt von blanker Todesangst. Pedro greift die Rettungsweste, wirft sie zu Manuel hinüber. „Anziehen. Schnell.“

Manuel klemmt sich den Eimer zwischen die Knie und folgt der Anweisung. Pedro wirft, während er mit jedem Hub so viel Wasser wie möglich aus dem Boot bugsiert, kurz einen Blick auf die zweite Rettungsweste, lässt den gefassten Gedanken jedoch fallen. Er füllt und leert Eimer um Eimer, bleibt unermüdlich in seinem Tun. Manuel schlüpft umständlich in die Weste hinein. Aber es gelingt ihm schließlich sie anzulegen. Pedro fletscht wild entschlossen die Zähne, seine Augen sind schwarz wie Kohlen. Er brüllt: „Wir werden nicht sinken. Wir haben die Cimbra. Wir werden nicht sinken.“

Am Morgen.

Das Boot treibt dahin. Pedro liegt verkrümmt zwischen der blauen Fischkiste und der Notfallbox, öffnet die Augen, erkennt, wo er ist. Manuel entdeckt er im Heck. Er atmet. Scheint zu schlafen. Pedro hebt erschöpft die Hand, spürt: eine leichte Brise geht. – Von den Planken hoch. Die Sicht auf den Wasserspiegel gerichtet. Er kräuselt sich sanft. Der Blick zum Himmel: Klar. Weitgehend. Vereinzelt ziehen Wolken.

Dem Tod von der Schippe gesprungen, aber dennoch kein Aufatmen. Alle Angeln sind fort. – Jedoch: Die Notfallkiste ist noch da. Der Wasserkanister. Der Treibstoffkanister.

Pedro wankt zum Heck, sieht das Unglück sofort. Die Langleine ist abgerissen, am Sicherungshaken hängt das ausgefranste Ende des Nylonbands. Der stämmige Mann kniet sich zu Manuel hin, prüft seinen Zustand. Der Atem geht in ruhigen, gleichmäßigen Zügen. Aus dem Nichts schlägt Manuel die Augen auf. Sie ertrinken beinahe in Verstörung.

Pedro: „Na ..?“

Manuel antwortet nicht, seufzt, fährt sich mit der Hand über das Gesicht, stützt sich mit den Ellenbogen auf, versucht sich zu orientieren und die stumpfe Benommenheit abzuschütteln. Pedro erhebt sich, latscht zum Motor und startet ihn. Der Motor hustet, springt kurz an, geht wieder aus. Manuel schleudert Pedro einen vernichtenden Blick zu. „Du wusstest, dass ein Gewitter aufziehen wird. Und wir sind trotzdem geblieben!“

Pedro antwortet nicht, versucht wieder den Motor zu starten. Diesmal zündet er und singt fortan gleichmäßig in seinem ratternden Bariton. Mit dem Handgas treibt Pedro das Boot an. Manuel entfährt ein Jauchzer der Erleichterung. „Ab nach Hause!“, frohlockt der Jüngling.

Pedro schüttelt den Kopf. „Wir müssen erst die Cimbra holen. Sonst macht Vargas uns die Hölle heiß.“

Manuel schaut zum Haken hin. Dort flattert das zurückgebliebene Ende der Schnur im Fahrtwind. Pedro klappt den Kompass auf, beobachtet die zuckende Nadel und steuert in die Richtung, in der er die Langleine vermutet.

„Außerdem, rede keinen Unsinn“, sagt er grob. „Schau lieber nach, was außer den Angeln noch alles fehlt.“

Manuel steht auf und sucht die Ausrüstung ab. Seine Stimme zittert. „Die Ködereimer sind weg. Die Werkzeugtasche ist weg. Die Schnüre-Kiste ist weg. Die Bordlampe ist weg. Die Karten sind auch weg. Unsere Sonnenbrillen. Und meine Kappe.“

Pedro kaut auf der Unterlippe. Er muss nachdenken, presst die Atemluft zwischen den Zähnen hervor, dass es leise pfeift.

Manuel kommt zu ihm hin. „Weißt du wo wir sind?“

„Ungefähr.“

Manuel fröstelt es. Er reibt sich über die Unterarme. „Wir können nicht so lange suchen. Wir haben nur noch den Sprit vom Reservekanister.“

Pedro blickt aufs Wasser. Dieses blaue Unge-heuer. Ihn beschleicht das Gefühl, das Meer wolle ihm etwas zuflüstern. Etwas, das er nicht recht deuten kann. Dieses verdammte, blauschwarze Gesicht grinst ihn an. Pedro hasst dieses abschätzige Lächeln. „Ich weiß. Was sagt die Uhr?“

„Weiß nicht. Meine Uhr ist auch weg.“

Kaum hat Manuel geantwortet, knallt es ohrenbetäubend. Das Krachen rührt vom Heck: Schwarzer Rauch quillt aus dem Motorgehäuse und steigt schnell auf. Manuel und Pedro starren entsetzt auf die Maschine. „Verflucht...“, entfährt es Pedro. „So ein verdammter Scheißdreck.“ Er geht zum Motor hin, schützt Mund und Nase mit dem Armrücken, beäugt das Gerät und weiß, solange Rauch aufsteigt, ist sowieso nichts zu machen. Also wartet er ab.

Nach einer kleinen Ewigkeit: Pedro drückt den elektrischen Startknopf. Er befindet sich genau zwischen der Not-Aus-Schnur und dem Handzug. – Der Motor gibt keinen Laut von sich. Pedro betätigt den Handzug. Ein rollendes Geräusch ertönt. Wieder und wieder versucht er es. Doch die Maschine bleibt stumm. „Muchacho, muchacho“, sagt Pedro missmutig. Manuel schneidet eine Grimasse. „Wir haben keine Ruder.“ Pedro zwinkert im Zwielicht der Sonne. „Ach… Und kein Segel! – Vielleicht kann ich ihn reparieren.“

„Womit denn?“

Pedro zieht ein Multifunktions-Taschenmesser aus seiner Hosentasche, präsentiert es Manuel wie ein Juwel auf seiner Handfläche.

„Na super!“, stößt Manuel zwischen den Lippen hervor.

Niedergeschlagen lässt er den Blick schweifen. Von Land, Schiffen oder Booten ist weit und breit nichts zu sehen.

„Wir treiben ab“, sagt Manuel leise.

„Sie werden uns suchen. Es wird Hilfe kommen“, entgegnet Pedro.

Manuel vergräbt die Hände in den Taschen seiner Shorts. „Oh Mann, ich glaub das alles nicht. Warum haben wir keinen Funk? Und kein GPS?“

Pedro antwortet ihm nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit gehört dem defekten Motor.

Wie soll er das Ding bloß wieder zum Laufen bringen?

Fünfzehn Jahre zuvor.

Das Haus der Familie Sanchez ist marode. Beängstigend klein. Es braucht dringend einen Anstrich. Überall blättert die grüne Farbe vom Holz.

Es ist spät. Im Wohnzimmer steht ein großer Tisch. Zehn Personen sitzen um ihn herum. Santiago Sanchez, ein schmaler Mann mit müden Augen und seine Ehefrau, Maria, eine kleine, zähe Person, sitzen mit ihren acht Kindern an diesem Tisch. Er am Kopfende, sie ihm gegenüber. Die Sanchez essen zu Abend. Hühnchen. Gemüse. Kartoffeln. – Das ist ein gutes Essen. Ihr Schmatzen ein wohliges Geräusch. Schlürfendes Trinken, zufriedenes Grunzen ist zu vernehmen. Hier und da. Das Besteck klappert auf dem Geschirr. – Plötzlich klappt die Tür. Maria horcht auf, sie weiß.