Erleben. Erfahren. Sich entsinnen. - Susanna Zeller - E-Book

Erleben. Erfahren. Sich entsinnen. E-Book

Susanna Zeller

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Beschreibung

Autobiographische Kurzgeschichten. Reisen durch die Erinnerungs- und Gedankenwelt

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Seitenzahl: 67

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Über mich

Ich bin: Mutter. Ehefrau. Tochter.

Enkelin. Nichte. Cousine. Schwester.

Freundin. Pflegende Angehörige.

Familienmanagerin. Schreiberin.

Engelsympathisantin.

Schmetterlingsflüsterin.

Ich bin SusannA

Liebe Leserin, lieber Leser!

Das Land der Erinnerungen ist durchzogen von einer endlosen Weite. Wer dorthin unterwegs ist, findet sich selbst und andere in vielen Begegnungen wieder. Es zu bereisen bedeutet ein Eintauchen in gelebtes Leben und das Heben von Erfahrungsschätzen aus der Gedankenwelt.

Schreibend mache ich mich auf den Weg.

Schön, dass du auf diesen Seiten meine Reisebegleitung bist!

Inhaltsverzeichnis

Samstagnachmittags-Phantasie

Dreckigmachshosen

Marie

Charlotte

Pfirsichknödel

Altes Gemäuer und Morsches Gebälk

Zuversicht ist Einsicht auf Aussicht

Jahrestag und Schmetterlingsgruss

Rusi

Ein Applaus für den Klatschmohn

Regenpfützensprungtage

Gefühlshochschaubahn und Weihnachten Imm Oktober

Eine Goldene Schreibepisode

2019. (M)Ein Jahr in Wellen

Traumreisen und Himmelstreppen

Hühnereier und Semmelbrösel

Kichererbsenmomente

Rote Zehennägel und Sonnenblumen

Der Wald des Nichtvergessens

Aus der Zeit Fallen

Fräulein Unkaputtbar

Umarmungen 2020

Das Blaue Pyjamahemd

Wenn Gegenstände Lebendig Werden

Herzenslächeln

Auf Eine Tasse Kaffee Mit Papa

Lebensgeister

Gedanken Über den Herbst

Gedanken und Erinnerungen Rund um Weihnachten

Glück Im Glas

Let It Be

Winterwunderland

Wunder

Es War Einmal

Glockengruss

Brief ans Christkind

Schlussworte

SAMSTAGNACHMITTAGS-PHANTASIE

Ich glaube, jede Seele hat ihren Ursprung zwischen den Sternen, im Reich der tausend Lichter. Vom hellsten Licht wird ihr dort der Auftrag erteilt, wieder auf die Erde zu fliegen. Gemeinsam wird ein Ort ausgesucht, den es dann als Landeplatz anzupeilen gilt. Davor wird noch ein Seelenvertrag unterzeichnet, in dem die Aufgaben und Fristen der Seele aufgelistet sind. Die Seele weiß, worauf sie sich einlässt, der Mensch kennt die Vertragsbedingungen nicht so genau. Das kleine, beseelte Licht schlüpft alsbald in einen gerade entstehenden Körper und verschmilzt mit ihm zum SeelenMensch.

Der erste, irdische Wohnort ist die Bauchhöhle unserer Mütter. Wenn ich mich dorthin zurückdenke, in den Raum, in dem mich meine Mutter empfangen hat, empfinde ich den kleinen Schockmoment, der sie wohl durchzuckt hat, als ich dort aufgetaucht bin. Ich hatte mich nicht angemeldet, bin einfach hineingeplatzt, und habe sie mit meiner Anwesenheit konfrontiert. Aber ich spüre auch die Einladung zum Bleiben und das Gefühl des Willkommenseins, obwohl es doch etwas früh im Leben meiner Eltern dafür war.

Unsere Anfänge prägen unseren Weg. Mein Anfang war eine Überraschung für meine Familie - er hat Leben durcheinandergewirbelt und auf den Kopf gestellt. Aber er war auch ein eindeutiges, mutiges JA zu unserem gemeinsamen Weg. Seine Gestaltung stand schon in den Sternen geschrieben und wir haben ihn gemeinsam beschritten. Dieses JA, so denke ich mir, ist auch ausschlaggebend dafür, dass ich selbst bisher auch immer wieder JA zum Leben sagen konnte und kann. Obwohl, und das gebe ich offen zu, sich manches im ersten Moment nach einem NEIN angefühlt hat und sich erst in ein JA verwandeln durfte.

Irgendwann wird meine Seele wieder zu den Sternen reisen, wieder in die Lichter eintauchen und mit jenen tanzen, die dieses Leben geprägt haben und schon vorausgegangen sind. Ich mag diese Vorstellung. Das Leben ist eine Sternenreise – von den Sternen zur Erde und zurück.

DRECKIGMACHSHOSEN

Vor einiger Zeit habe ich in meinem Kleiderkasten „tabula rasa“ gemacht. Diesmal habe ich wirklich auch Sachen aussortiert, von denen ich jahrelang gehofft hatte, ich schrumpfe wieder hinein. Aber mittlerweile war mir klargeworden, dass diese Teile nur noch Platzhalter waren. Zwischen den alten Teilen habe ich eine zerrissene, farbbefleckte Jeans gefunden, meine „Streichhose“, die ich irgendwann einmal angehabt hatte, um das Gartenhaus und ein paar andere Dinge mit neuer Farbe aufzufrischen. Sie ist auf dem Müll gelandet und während ich sie in die Tonne verfrachtet habe, ist mir wieder die „DRECKIGMACHSHOSE“ meines Bruders eingefallen und auch andere Kindheitserinnerungen wurden wach.

Mein kleiner Bruder war eine perfekte Mischung aus „Michael von Lönneberga“, dem berühmten Lausbuben aus Astrid Lindgrens Geschichten und einem „Kleinen Lord“. Er hat es geliebt, wenn wir in ein Restaurant essen gegangen sind. Oft hat er sich dafür bereitwillig von Mama extra schick anziehen lassen und ich sehe es noch vor mir, wie der kleine Stöpsel in weißer Hose, Hosenträgern, Hemd und einem rot weiß gesprenkelten „Mascherl“ um den Hemdkragen, sich selbstbewusst Leckereien servieren hat lassen.

Abgesehen von seinem exquisiten Geschmack, hatte mein Bruder tatsächlich im Kleinkindesalter Essmanieren wie ein kleiner Lord. Ich kann mich noch erinnern, dass die Leute oft an unserem Tisch vorbeigekommen sind, und ihn dafür gelobt haben, wie gut er mit Messer und Gabel hantieren konnte. Viele sagten, dass es eine Freude sei, ihm dabei zuzusehen. Mein Bruder konnte selten ruhig sitzen, war immer in Bewegung, aber diese Zeiten am Esstisch eines Restaurants, die zelebrierte er und kostete sie aus. War das feine Mahl dann verzehrt, war es allerdings oft ziemlich schnell vorbei mit dem stilvollen Benehmen und der kleine Lord verwandelte sich mit dem Ablegen des Essbestecks wieder in einen echten Wildfang.

Am liebsten verbrachte er seine Tage im Freien, auf dem Bauernhof unserer Großeltern, bei den Tieren im Stall, mit dem Opa oder seinen Onkeln im Wald, spielte mit den Hunden oder erkundete das Abenteuerland seiner Umgebung.

Für diese Tage und Stunden hatte er auch sein eigenes Gewand – seine „DRECKIGMACHSHOSE“. Sobald er bei Oma und Opa „eingecheckt“ hatte, hat er gefragt: „Kann ich mir jetzt meine DRECKIGMACHSHOSE“ anziehen?“ Blitzschnell wurde das Teil dann hervorgekramt, und er schlüpfte hinein. Nicht nur in die Hose, sondern, so kommt es mir heute vor, auch in eine Art Freiheitsgefühl, das ihm erlaubte, einfach nur Kind zu sein. Alles andere streifte er ab, während er sich die Hose überzog.

Heute ist aus dem kleinen Hosenmatz längst ein erwachsener Mann geworden. Gutes Essen liebt er immer noch und seine Naturverbundenheit ist ihm geblieben.

Manchmal entdecke ich in ihm noch den kleinen Buben, der fragt, ob er sie jetzt endlich anziehen darf, seine DRECKIGMACHSHOSE, um mit ihr durchs Abenteuerland zu ziehen.

MARIE

Plötzlich tauchte sie heute in meiner Erinnerungswelt auf: Marie.

Marie ist schon über 30 Jahre tot. Sie war, so glaube ich mich zu erinnern, ein Findelkind, das unter schlimmen Umständen trotzdem irgendwie heranwuchs und überlebte - als Arbeitskraft benutzt und vielfach ausgenutzt. Irgendwann Anfang der 50iger Jahre hat meine Omi sie bei sich auf dem Hof aufgenommen.

Jemand hatte meiner Großmutter von diesem armen, bemitleidenswerten Geschöpf erzählt, und sie gebeten, sich ihrer anzunehmen. Und so wurde Marie Magd auf ihrem Hof. Marie konnte weder schreiben noch lesen, war sehr einfach gestrickt, aber sie vergötterte meine Großmutter, wohl die erste Person, die ihr Respekt entgegenbrachte und ihr wirklich „von Mensch zu Mensch“ begegnete.

Für Marie war Oma ihre „Himmelmutter auf Erden“. Sie gab ihr ein Zuhause, eine Aufgabe und Entlohnung für ihre Dienste. Vor allem gab sie Marie das, was man für kein Geld der Welt kaufen kann: eine Familie.

Marie war klein, stämmig und zahnlos. Sie war die Geschirrspülerin in der Familie, die Verwalterin des Misthaufens. Mit der Mistgabel in der Hand, dem Kopftuch auf dem Haupt und in ihren „Stallmantel“ gehüllt, war die Welt für sie in Ordnung. Wenn das Auto meiner Familie auf die Hofeinfahrt zufuhr, war Marie oft gerade mit dem Ausmisten beschäftigt, und begrüßte uns winkend von ihrer Kommandozentrale herunter.

Als ich ein junges Mädchen war, war Marie schon pensioniert und freute sich jeden Monat auf ihre kleine Rente, die der Briefträger brachte. Oma hatte ihr beigebracht, zumindest ihren eigenen Namen zu schreiben und so setzte Marie jedes Mal ihre Unterschrift mit Stolz auf die Empfangsbescheinigung. Für uns Kinder hatte sie immer den einen oder anderen Schilling für Süßigkeiten oder sie ging selber ins Dorf, um sie zu kaufen und unter uns Kindern zu verteilen.

Blaue Bensdorp-Schokolade mit ihren zart schmelzenden, kleinen Würfeln – das gehörte zu Marie, wie Marie ins Haus meiner Großmutter.

Marie hatte ihr eigenes Zimmer am unteren Ende des Hauses. Bett Kasten, Nachttisch, ein bequemer Stuhl, Tisch, Sessel. Ihren kleinen Holzofen befeuerte sie immer kräftigst, und es war stets wohlig warm bei ihr.