Ermittlung in Sachen Liebe - Toni Waidacher - E-Book

Ermittlung in Sachen Liebe E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Claus Winter sah die ältere Dame, die vor ihm stand, erschrocken an. »Gnädige Frau, ich bin entsetzt!«, versicherte der Direktor des Luxushotels ›Ransingerhof‹. »Bei uns ist noch niemals ein Gast bestohlen worden. Ich werde sofort die Polizei verständigen.« Luise Gräfin von Reimersbach nickte. »Tun Sie das«, entgegnete die adlige Dame. Winter warf der zweiten anwesenden Frau einen bedeutsamen Blick zu. Sylvia Meisner reagierte sofort. »Bitte, setzen Sie sich doch«, wandte die Hausdame sich an die Gräfin. »Kann ich Ihnen etwas bringen lassen? Einen Kaffee vielleicht? Oder ein Glas Champagner?« Luise von Reimersbach winkte ab. »Bloß keinen Kaffee«, schüttelte sie den Kopf. »Ich bin ohnehin schon aufgeregt genug.« Die grauhaarige, elegant gekleidete Dame lächelte.

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Der Bergpfarrer – 290 –

Ermittlung in Sachen Liebe

Eine Falle für den Dieb

Toni Waidacher

Claus Winter sah die ältere Dame, die vor ihm stand, erschrocken an.

»Gnädige Frau, ich bin entsetzt!«, versicherte der Direktor des Luxushotels ›Ransingerhof‹. »Bei uns ist noch niemals ein Gast bestohlen worden. Ich werde sofort die Polizei verständigen.«

Luise Gräfin von Reimersbach nickte.

»Tun Sie das«, entgegnete die adlige Dame.

Winter warf der zweiten anwesenden Frau einen bedeutsamen Blick zu. Sylvia Meisner reagierte sofort.

»Bitte, setzen Sie sich doch«, wandte die Hausdame sich an die Gräfin. »Kann ich Ihnen etwas bringen lassen? Einen Kaffee vielleicht? Oder ein Glas Champagner?«

Luise von Reimersbach winkte ab.

»Bloß keinen Kaffee«, schüttelte sie den Kopf. »Ich bin ohnehin schon aufgeregt genug.«

Die grauhaarige, elegant gekleidete Dame lächelte.

»Aber ein Glas Champagner wäre ganz reizend«, setzte sie hinzu.

»Kommt sofort«, nickte Sylvia und griff zu ihrem Mobiltelefon.

Alle führenden Angestellten waren damit ausgestattet.

Claus Winter hatte inzwischen die Polizeistation in St. Johann alarmiert. Max Trenker traf zehn Minuten später im Hotel ein. Der Direktor empfing ihn in der Halle.

»Max, gut dass du da bist!«, empfing Winter den Bruder des Bergpfarrers.

Der Polizist runzelte die Stirn.

»Sag’ mal, wird das jetzt zur Dauereinrichtung bei euch?«, wollte er wissen. »Das ist jetzt der vierte Diebstahl innerhalb von einer Woche.«

»Nicht so laut!«

Der Hoteldirektor blickte sich besorgt um. In der Halle herrschte reger Betrieb. Gäste kamen an oder reisten ab, andere saßen in der bequemen Sitzecke und unterhielten sich, auf der andern Seite waren Geschäftsleute in ihre Laptops und Netbooks vertieft. Dort war der Bereich, wo sie ungestört den W-Lan-Service des ›Ransingerhofes‹ nutzen und arbeiten konnten. Alle schienen derart beschäftigt zu sein, dass sie die Ankunft des Polizeibeamten überhaupt nicht registrierten.

»Was fehlt denn diesmal?«, fragte Max, als sie nach oben fuhren, zur Suite der Adligen.

»Gräfin Reimersbach vermisst ein goldenes Armband, das mit Diamanten besetzt ist.«

Max schüttelte den Kopf.

»Gold mit Diamanten? Furchtbar, was manche Leut’ für einen Geschmack haben. Wenn’s wenigstens Silber gewesen wär’ …«

Er zuckte die Schultern.

»Was ist es denn wert?«

»Keine Ahnung«, antwortete Winter. »Es handelt sich um ein Familienerbstück. Aber das ist momentan auch zweitrangig. Alleine die Tatsache, dass in unserem Haus schon wieder etwas gestohlen wurde, ist ein Skandal. Nicht auszudenken, wenn die anderen Gäste davon etwas mitbekommen!«

Sie traten aus dem Lift und gingen über den mit einem dicken Teppichboden, der jedes Geräusch schluckte, ausgelegten Flur. Claus Winter holte tief Luft und klopfte an die Tür.

»Aha, die Staatsgewalt«, begrüßte Gräfin Luise den Polizisten. »Sie wollen mir also mein Schmuckstück wieder beschaffen.«

Max Trenker deutete eine Verbeugung an.

»Wenn es in meiner Macht steht«, antwortete er. »Dazu müssten Sie mir allerdings ein paar Fragen beantworten. Doch zuvor möcht’ ich mich vorstellen: Max Trenker, Polizeistation St. Johann.«

Die Gräfin reichte ihm die Hand.

»Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte sie lächelnd und deutete einladend auf einen Sessel. »Nehmen Sie Platz. Ein Glas Champagner?«

»Besser net«, schüttelte Max den Kopf.

Er hatte sich gesetzt und einen Notizblock aus der Tasche seiner Uniformjacke gezogen.

»Sie wissen ja, im Dienst niemals! Aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir das Armband beschreiben könnten.«

Gräfin Luise nickte der Hausdame zu. Sylvia schenkte ihr nach. Selbstverständlich hatte sie nicht nur ein Glas Champagner kommen lassen, sondern gleich eine ganze Flasche.

»Ich kann es Ihnen nicht nur beschreiben«, antwortete die alte Dame, nachdem sie getrunken hatte. »Ich kann es Ihnen sogar zeigen.«

Max schaute erstaunt auf.

»Wie bitte …?«

Luise von Reimersbach winkte ab.

»Sekunde«, sagte sie und ging in das Zimmer nebenan.

Gleich darauf kam sie mit einem Schmuckkoffer wieder zurück und entnahm ihm ein kleines schwarzes Lederalbum.

»So, hier ist es.«

Sie reichte Max das Album, und der Bruder des Bergpfarrers schaute auf ein Foto, auf dem ein goldenes Armband zu sehen war. Es lag auf einem grünen Samttuch, die Diamanten, zwölf an der Zahl, jeweils in ein kleines Herz gefasst, waren gut zu sehen.

»Mir wurde vor einigen Jahren einmal ein Kollier gestohlen«, erzählte Luise von Reimersbach. »Auch in einem Hotel. Seitdem reise ich nie, ohne Fotos der Schmuckstücke dabeizuhaben, die ich mitnehme. Das erleichtert die Arbeit der Polizei, und die Versicherung ist von dieser Praxis auch ganz angetan.«

»In der Tat, gnädige Frau«, nickte Max. »Sehr umsichtig. Ich wünschte, mehr Leut’ würden so weit vorausschauen.«

Die Gräfin trank erneut einen Schluck und setzte das Glas behutsam ab.

»Nun ja, man rechnet ja nicht unbedingt damit, in so einem Hotel wie diesem ausgeraubt zu werden«, bemerkte sie.

Claus Winter, in dessen Richtung sie den Satz gesagt hatte, lief rot an.

»Es tut mir auch unendlich leid!«, versicherte er.

»Ich werd’ alles daran setzen, damit Sie Ihren Schmuck zurückbekommen«, versprach Max und sprang dem Hoteldirektor damit bei.

»Tu alles, damit das aufhört!«, beschwor Winter den Beamten, als der sich eine gute Stunde später verabschiedete. »Wenn Frau Vangaalen davon erfährt, bin ich meinen Job los!«

Max hatte aber noch die Ankunft der kriminaltechnischen Untersuchungsbeamten abgewartet, die die Suite der Gräfin auf Spuren untersuchten. Das Ergebnis würden sie ihm später mitteilen. Rätselhaft war, genau wie bei den anderen Diebstählen, dass es keine Einbruchsspuren gab. Es schien, als sei der Dieb in waghalsigen Aktionen jeweils von außen über die Balkone eingestiegen.

Hoffentlich weiß Sebastian einen Rat, dachte Max, als er nach St. Johann zurückfuhr – gerade noch rechtzeitig zum Mittagessen …

*

»Der vierte Diebstahl?«

Sebastian Trenker schüttelte den Kopf.

»Hast’ denn schon einen Verdacht?«

»Nein«, erwiderte sein Bruder. »Freilich hab’ ich die Gästeliste durchgesehen und über die einzelnen Personen Erkundigungen eingezogen – zumindest, so weit es mir möglich war. Schon beim ersten Mal, als die teure Uhr aus der Suite des Schauspielers verschwunden war. Aber da war nix, was jemanden verdächtig erscheinen ließ. Ich hab’ sogar überprüfen lassen, ob der Filmstar vielleicht in Geldnöten steckt und die Uhr selbst verschwinden lassen hat, aber auch da Fehlanzeige.«

»Na, in diesem Fall dürfte der Dieb es schwer haben, sie zu Bargeld zu machen«, meinte der Bergpfarrer. »Solche wertvollen Uhren werden beim Kauf registriert, da traut sich net einmal ein Hehler ran, und jeder Uhrmacher, jeder Juwelier kann, anhand der Registrierungsnummer, sofort feststellen, ob die ihm zum Verkauf angebotene Uhr Eigentum des Verkäufers oder gestohlen ist.«

Max hatte sich noch einmal aus den Schüsseln bedient. Trotz des Ärgers mit dem Hoteldieb war ihm der Appetit nicht vergangen – zumal es eines seiner Lieblingsgerichte gab. Sophie Tappert hatte ein leckeres Hühnerfrikassee aufgetischt, in dem sich, neben dem gekochten Huhn, auch frische Gemüse, ein paar Schwammerln und eine Handvoll Krebse befanden. Die Sauce war mit Zitronensaft pikant abgeschmeckt und mit einer Mischung aus Sahne und Eigelb gebunden worden. Dazu gab es Butterreis und Salat aus dem Garten des Pfarrhauses.

»Der Claus ist verständlicherweise sehr besorgt«, fuhr der Polizist fort. »Net nur, dass die Einbrüche dem Ruf des Hotels schaden, wenn sie publik werden, er hat auch Angst, seine Arbeit als Hoteldirektor zu verlieren, wenn seine oberste Chefin davon erfährt. Zum Glück schweigen die Angestellten. Bislang zumindest …«

»Apropos«, wandte Sebastian ein, »du hast vermutlich die Angestellten überprüft.«

»Na freilich«, nickte Max. »Von der Putzfrau bis zum stellvertretenden Direktor. Beim letzten Diebstahl haben die Kollegen aus der Kreisstadt die Zimmer der Leute durchsucht, die im Hotel arbeiten und wohnen. Die aus dem Wachnertal haben von sich aus eingewilligt, ihre Wohnungen und Häuser durchsuchen zu lassen: Aber da ist nix bei herausgekommen.«

Der gute Hirte von St. Johann hatte sich zurückgelehnt. Er machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Das ist wirklich alles sehr mysteriös«, meinte er. »Fast könnt’ man meinen, wir hätten es mit einem Phantom zu tun … Was mich wundert, ist, dass bisher kein Wort davon an die Öffentlichkeit gedrungen ist.«

Sein Bruder zuckte die Schultern.

»Die bestohlenen Gäste sind abgereist«, erklärte er. »Die Versicherung des Hotels hat den Wert der Schmuckstücke anstandslos bezahlt. Und was die Angestellten angeht, so sind sie von Claus Winter, unter Androhung einer fristlosen Kündigung, zum Stillschweigen vergattert worden. Außerdem haben s’ selbst viel zu viel Angst, die Vangaalen könnt’ von der Angelegenheit Wind bekommen und sie allesamt feuern.«

Sebastian nickte.

»Zuzutrauen wär’s ihr.«

Er selbst hatte einschlägige Erfahrungen mit der ebenso schönen wie milliardenschweren Frau, deren Reichtum höchstens noch von ihrer Skrupellosigkeit übertroffen wurde, mit der sie ihre Geschäfte durchpeitschte und unliebsame Konkurrenten aus dem Feld schlug.

Mehr als einmal war Sebastian Trenker mit ihr aneinandergeraten und hatte gespürt, zu was diese Frau fähig war, wenn es galt, ihre Interessen durchzusetzen.

Ursprünglich war Patricia Vangaalen von Markus Bruckner, dem Bürgermeister von St. Johann, ins Wachnertal geholt worden. In aller Welt hatte sie gigantische Ferienanlagen aus dem Boden gestampft, ohne Rücksicht auf die Menschen, die oft aus der Heimat vertrieben wurden, wenn sie dem Projekt im Weg standen. Bruckner, der immer auf der Suche nach Sensationen war, die ›sein Dorf‹ für Urlauber und Touristen noch attraktiver machen konnten, wollte unbedingt so eine Anlage auch hier in den Alpen haben. Die Idee zur ›Wachnertaler Ferienwelt‹ begeisterte ihn so sehr, dass er Patricia Vangaalen freie Hand ließ.

Indes rief dieses Projekt auch Gegner auf den Plan, und in vorderster Linie stand der Bergpfarrer, der ganz und gar nicht damit einverstanden war, dass seine geliebte Heimat so verschandelt werden sollte. Immer wieder gelang es ihm, die Pläne der Unternehmerin zu durchkreuzen, wodurch er sich den Hass dieser Frau zuzog.

Allerdings geschah es dann, dass Patricia Vangaalen sich in Sebastian Trenker verliebte …

Auf einer Wanderung zum Kogler hinauf, zu der er sie eingeladen hatte, gestand Patricia Sebastian ihre Liebe. Doch abgesehen davon, dass er als Mann der Kirche niemals gegen den Zölibat verstoßen hätte, ließ der Geistliche durchblicken, dass er eine Frau wie sie niemals würde lieben können, selbst wenn er nicht durch das Kirchengesetz gebunden wäre.

Mit dieser Äußerung war das ›Kriegsbeil‹ endgültig ausgegraben!

Patricia Vangaalen verfolgte den guten Hirten von St. Johann fortan mit ihrem Hass und versuchte alles, um ihm zu schaden. Die Klinik auf der ›Nonnenhöhe‹ war nur ein Beispiel dafür, das Hotel ›Ransingerhof‹ ein anderes. Und selbst ihre Pläne für die Ferienwelt waren noch längst nicht auf Eis gelegt, hatte sie ihm gedroht.

»Was wirst’ denn jetzt unternehmen?«, fragte Sebastian seinen Bruder.

Der zuckte wieder die Schultern.

»Was soll ich schon groß unternehmen?«, entgegnete Max. »Die bekannten Hehler werden sämtlich überprüft, ich selbst klappre täglich die Juweliere und Antiquitätenhändler in der Kreisstadt und Garmisch ab. Beschreibungen der gestohlenen Gegenstände liegen den Polizeidienststellen bis hoch nach München vor. Jetzt können wir eigentlich nur noch abwarten, dass der Dieb einen Fehler macht, der ihn überführt.«

Max blickte die Haushälterin an, die im selben Moment in der Küche erschien. Sophie Tappert hatte den Nachtisch aus der Speisekammer geholt, den sie nun auf den Tisch stellte.

»Ach, das lässt mich sofort allen Kummer vergessen«, strahlte der Polizist. »Errötendes Mädchen …«

Sophie Tappert lächelte. Dieser Nachtisch kam immer wieder gut an. Er bestand aus Buttermilch, roten Früchten und Sahne. Mit Gelatine gebunden, musste das rosafarbene Dessert – wovon es seinen Namen hatte – ein paar Stunden kalt stehen und wurde nun, mit ein paar Beeren und einem Klacks Sahne garniert, serviert.

»Ach ja«, fiel dem Beamten nach dem ersten Löffel ein, »Claus Winter erwägt, einen Privatdetektiv zu beauftragen, sich in die Ermittlungen einzuschalten.«

Sebastian runzelte die Stirn.

»Hältst du das für eine gute Idee?«

Max hob die Rechte und ließ sie wieder fallen.

»Wenn’s hilft.«

*

»Grüß Gott, mein Name ist Nadine Faber«, sagte die sportlich schlanke junge Frau. »Für mich ist ein Zimmer reserviert.«

Die Hotelangestellte lächelte verbindlich. Sie tippte den Namen in die Tastatur des Computers und nickte.

»Ja, Frau Faber, die Juniorsuite ›Alpenblick‹. Im ersten Stock.«

Sie händigte die Keycard aus und deutete zur rechten Seite.

»Dort sind die Aufzüge. Wenn Sie mir bitt’ schön Ihren Autoschlüssel geben wollen? Das Gepäck wird Ihnen sofort hinaufgebracht.«

Die gut aussehende Sechsundzwanzigjährige händigte die Schlüssel aus, nahm die Karte und bedankte sich mit einem Kopfnicken. Neidvoll begleitete sie der Blick der Frau hinter der Rezeption. Nadine Faber trug eine Jeans und eine Lederjacke, darunter ein T-Shirt, das ihre Rundungen perfekt zur Geltung brachte, ohne dass der Anblick vulgär wirkte. Das blonde Haar umgab den Kopf wie eine Löwenmähne und wurde durch ein buntes Tuch gebändigt.

Ach, einmal so eine Figur haben, seufzte die etwas rundliche Angestellte in sich hinein.

Nadine Faber bestieg den Aufzug und drückte den Knopf für die erste Etage. Normalerweise würde sie die eine Treppe zu Fuß gegangen sein, doch es lag ihr daran, sich mit allen Gegebenheiten vor Ort vertraut zu machen, und der Lift gehörte dazu.

Mit der Karte öffnete sie die Tür zu ihrer Suite. Der Name ›Alpenblick‹ versprach viel, sie war gespannt, ob dieses Versprechen auch gehalten wurde.

Nadine schloss hinter sich die Tür und ging zu der langen Fensterfront, die beinahe die gesamte Wand einnahm. Eine Glastür führte auf den Balkon hinaus. Sie trat nach draußen. Während sie sich über das Geländer beugte, gingen ihr allerlei Gedanken durch den Kopf. Von hier aus war es noch relativ leicht, eines der Zimmer oder eine Suite zu erreichen. Zumal sich an der Außenwand ein über alle Stockwerke führendes Gitter befand, an dem Efeu sich emporrankte. Wenn der Dieb also keine Universalschlüssel besaß, was nach den bisherigen Ermittlungen der Polizei auszuschließen war, dann musste er über diesen Weg in die Zimmer gelangt sein. Die Außentreppe würde der Dieb kaum benutzt haben, um sie zu betreten, musste man durch eine Tür gehen, bei deren Öffnen ein Alarm ausgelöst wurde, weil dies der Rettungsweg war, sollte ein Feuer ausbrechen.

Es klopfte an der Tür, und Na­dine ging hinein, nicht ohne vorher den grandiosen Blick auf die Berge zu genießen. Der Name der Suite war trefflich gewählt.