Es gibt nichts zu tun - Thich Nhat Hanh - E-Book

Es gibt nichts zu tun E-Book

Thich Nhat Hanh

0,0

Beschreibung

Ein Gipfeltreffen des Zen. Der weltberühmte Zen-Meister Thich Nhat Hanh kommentiert die bekannten Unterweisungen des ebenso berühmten chinesischen Zen-Meisters Linji (jap. Rinzai). Einige von dessen knappen, aufrüttelnden Aussprüchen sind längst zu geflügelten Worten des Zen geworden. So der Satz: ?Triffst du den Buddha, töte den Buddha.? Deutlich wird, dass beide Meister vollkommen darin übereinstimmen: Es gibt nichts zu tun, nichts außerhalb von uns zu suchen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 355

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



www.edition-steinrich.de

Die Originalausgabe erschien 2007 unter dem TitelNothing to do – Nowhere to go.

Waking up to whom you are bei Parralax Press.

Berkeley, Kalifornien, USA

Copyright © 2007 by Unified Buddhist Church, Inc.

Die deutsche Erstausgabe erschien 2009 unter dem Titel Aufwachen zu dem, der du bist. Die Zen-Unterweisungen des Meisters Linji bei O.W. Barth, einem Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Textgrundlage dieses eBooks ist die gedruckte Version des gleichnamigen Titels

Copyright eBook © 2013 edition steinrich, Berlin

Copyright der überarbeiteten Neuausgabe:

© 2013 edition-steinrich, Berlin

Gesamtgestaltung und Satz: Ingeburg Zoschke, BerlinKalligraphie: Thich Nhat HanhDruck: Westermann Druck, ZwickauPrinted in Germany

eBook-Herstellung und Auslieferung:Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

ePub-ISBN: 978-3-942085-38-0

Inhalt

1Der Mensch, für den es nichts zu tun gibt

2Wie man die Aufzeichnungen des Meisters Linji lesen sollte

3Die Aufzeichnungen des Meisters Linji

4Kommentare zu den Aufzeichnungen des Meisters Linji

Zen-Gefechte

1.  Kommentar

2.  Kommentar

3.  Kommentar

4.  Kommentar

5.  Kommentar

6.  Kommentar

7.  Kommentar

8.  Kommentar

9.  Kommentar

Abendvorträge

10.  Kommentar

11.  Kommentar

12.  Kommentar

13.  Kommentar

14.  Kommentar

15.  Kommentar

16.  Kommentar

17.  Kommentar

18.  Kommentar

19.  Kommentar

20.  Kommentar

21.  Kommentar

22.  Kommentar

23.  Kommentar

5Übungen, die auf den Aufzeichnungen des Meisters Linji aufbauen

Zuflucht nehmen zu der Insel in uns

Einatmen, ausatmen

Ein, aus, tief, langsam

Hier ist das Reine Land

Ich bin angekommen, ich bin zuhause

Anmerkungen

1

DER MENSCH, FÜR DEN ES NICHTS ZU TUN GIBT

»Wie ich es sehe, gibt es nicht viel zu tun.Seid ganz natürlich – legt eure Robe an,esst euer Essen und verbringt die Zeit damit,nichts zu tun.«

MEISTER LINJI, 18. UNTERWEISUNG

Viele Schülerinnen und Schüler des Buddhismus sind Kinder von Meister Linji, selbst wenn sie nicht einmal seinen Namen kennen. In der Zen-Tradition ist der Geist von Meister Linji in allem, was uns gelehrt wird und was wir tun.

Meister Linji lebte im China der Tang-Dynastie. Geboren wurde er zwischen 810 und 815 in der westlichen Provinz Shandong, südlich des Huang-Ho-Flusses (des Gelben Flusses). Als junger Mann verließ er seine Familie und reiste nach Norden, um bei Zen-Meister Huangbo in dessen Kloster nahe Hongzhou in der Provinz Jiangxi, südlich des Yangzi-Flusses, zu studieren. Es war eine Zeit politischer Instabilität in China. Der Buddhismus wurde von staatlicher Seite unterdrückt, was 845 in einem Dekret des Kaisers Tang Wu Zong kulminierte, demzufolge Mönche und Nonnen die Roben ablegen und wieder als Laien leben mussten. Viele Tempel und Statuen wurden zerstört, vor allem in den Städten. Klöster in entlegenen Gebieten waren weniger betroffen.

Nach einigen Jahren sandte sein Lehrer den jungen Linji zu dem als Einsiedler lebenden Mönch Dayu, damit er bei ihm für kurze Zeit studierte. Danach kehrte Linji zum Tempel Huangbos zurück und lebte dort mit den anderen Mönchen. Später leitete er in Zhengzhou in der Provinz Hebei einen eigenen Tempel, wo er in dem für ihn charakteristischen unmittelbaren und dramatischen Stil lehrte. Wie damals in China üblich, wählte er seinen Namen, Linji, nach dem Berg, auf dem er lebte und lehrte. Dort wohnte er bis zu seinem Tod 867. Er selbst schrieb seine Unterweisungen nie auf, doch seine Schüler sammelten sie und stellten sie in den Aufzeichnungen des Meisters Linji zusammen.

Als junger Mönch studierte Meister Linji voller Eifer und gewann tiefe und umfassende Kenntnisse im Tripitaka, den drei Körben buddhistischer Lehren: Sutras, Kommentare und Vinaya (monastische Regeln). Ihm fiel auf, dass viele Mönche zwar sehr fleißig studierten, dies jedoch keine Wirkung auf ihr Verstehen und ihre Transformation hatte. Sie schienen nur nach Wissen zu streben, um ihren Ruhm zu vergrößern oder eine bessere Position im Kloster einzunehmen. Deshalb gab Meister Linji seine Studien auf, um der wahren Zen-Praxis zu folgen.

Viele von uns haben ihr ganzes Leben damit verbracht, zu lernen, zu befragen, zu suchen. Doch auch auf dem Weg der Erleuchtung verschwenden wir unsere Zeit und die unseres Lehrers, wenn wir nichts anderes tun, als zu studieren. Das bedeutet nicht, dass wir nicht studieren sollten; Studium und Praxis können einander unterstützen. Doch wichtig ist nicht das Ziel, das wir anstreben – auch wenn dieses Ziel Erleuchtung ist –, sondern dass wir jeden Moment unseres täglichen Lebens voll und wahrhaft leben.

Meister Linji verfügte über ein fundiertes Wissen des buddhistischen Kanon, doch gründete seine Lehrmethode auf der Zuversicht, dass Menschen nur zu ihrer wahren Natur erwachen und als ganz normale Menschen leben müssen. Er bezeichnete sich nicht als Zen-Meister, vielmehr sah er sich als »guten spirituellen Freund« – jemanden, der anderen auf dem Pfad helfen konnte. Menschen, die über genügend Einsicht verfügten, um zu lehren, nannte Meister Linji »Gastgeber« und Schüler, die kamen, um zu lernen, »Gäste«.

Zu seiner Zeit wurden einige buddhistische Begriffe so oft benutzt, dass sie bedeutungslos geworden waren. Die Menschen grübelten über Worte wie »Befreiung« und »Erleuchtung« nach, bis diese ihre Kraft verloren, und das ist heute nicht anders. Viele Leute verwenden Worte, die unsere Ohren ermüden. Wir hören im Fernsehen oder Radio so oft die Worte »Freiheit« und »Sicherheit« oder lesen sie in den Zeitungen, dass sie ihre Wirkung einbüßen. Selbst die schönsten Worte verlieren ihre wahre Bedeutung, wenn sie zu oft benutzt werden. So ist zum Beispiel das Wort »Liebe« ein wundervolles Wort. Essen wir gern Hamburger, sagen wir: »Ich liebe Hamburger.« Was bleibt dann von der tieferen Bedeutung des Wortes »Liebe« übrig?

Ähnlich ist es mit buddhistischen Begriffen. Es mag jemand sehr schön über Mitgefühl, Weisheit oder Nicht-Selbst sprechen können, aber das hilft anderen nicht notwendigerweise. Er oder sie kann zum Beispiel weiterhin ein großes Ego haben oder andere schlecht behandeln. Die wortgewandte Rede besteht möglicherweise nur aus leeren Worten. Wir können all der Worte müde werden, sogar des Wortes »Buddha«. Um Menschen aufzuwecken, führte Meister Linji neue Begriffe ein, entwickelte neue Ausdrucksweisen, die den Bedürfnissen seiner Zeit entsprachen.

So verwendete er zum Beispiel den neuen Begriff »ungeschäftiger Mensch« für jemanden, der nichts zu tun hat und nirgendwo hingehen muss. Das war sein Idealbeispiel dafür, was ein Mensch sein könnte. Im Theravada-Buddhismus galt der arhat als idealer Mensch, jemand, der Geburt und Tod überwunden hat. Im Mahayana-Buddhismus war dies der bodhisattva, ein mitfühlendes Wesen, das anderen auf dem Pfad der Erleuchtung hilft.

Meister Linji zufolge ist der ungeschäftige Mensch jemand, der der Erleuchtung nicht hinterherläuft und nicht nach etwas greift, und sei dieses Etwas der Buddha. Dieser Mensch hat einfach innegehalten. Er ist nicht länger in etwas verstrickt, auch nicht in Theorien oder Lehren. Der ungeschäftige Mensch ist der wahre Mensch in einem jeden von uns. Er bildet sozusagen das Zentrum in der Lehre Meister Linjis.

Wenn wir lernen, innezuhalten und im gegenwärtigen Moment wahrhaft lebendig zu sein, sind wir mit dem, das in uns und um uns herum geschieht, in Berührung. Wir werden nicht von der Vergangenheit, der Zukunft, von unserem Denken, von Ideen, Emotionen und Projekten davongetragen. Wir glauben oft, dass unsere Vorstellung von den Dingen auch die Wirklichkeit dieser Dinge wäre. Unsere Vorstellung von Buddha ist vielleicht nur eine Idee und weit von der Wirklichkeit entfernt. Der Buddha außerhalb von uns war ein Mensch, der geboren wurde, lebte und starb. Nach solch einem Buddha zu suchen bedeutet, einen Schatten, einen Geist-Buddha zu suchen. Unsere Vorstellung von Buddha wird ab einem bestimmen Punkt zu einem Hindernis für uns.

Meister Linji sagte, dass wir dem Geist-Buddha, wenn wir ihm begegnen, den Kopf abschlagen sollen. Ob wir im Innen oder Außen schauen, wir müssen dem, dem wir begegnen, den Kopf abschlagen, also unsere Ansichten und Ideen über die Dinge, selbst über Buddhismus und Buddha, hinter uns lassen. Buddhistische Lehren sind keine hehren Worte und Schriften, die außerhalb von uns existieren und auf einem hohen Podest im Tempel stehen, sondern sie sind Arznei für unsere Krankheit. Buddhistische Lehren sind geschickte Mittel, um unsere Verblendung, unser Verlangen, unsere Wut zu heilen sowie unsere Gewohnheit, nach Dingen außerhalb unserer selbst zu suchen und kein Vertrauen zu uns selbst zu haben.

In Sutras, Kommentaren oder Dharma-Vorträgen können wir keine Einsicht finden. Befreiung und erwachtes Verstehen sind nicht durch das Studium buddhistischer Schriften zu erlangen. Das wäre wie die Hoffnung, frisches Wasser in trockenen Knochen zu entdecken. Doch kehren wir zum gegenwärtigen Moment zurück, benutzen wir unseren klaren Geist, der hier und jetzt existiert, dann ist es uns möglich, mit Befreiung und Erleuchtung in Berührung zu sein, ebenso wie mit dem Buddha und all seinen Schülerinnen und Schülern als lebendigen Wirklichkeiten genau in diesem Augenblick.

Ein Mensch, für den es nichts zu tun gibt, ist Meister seiner selbst. Er braucht sich nicht aufzuspielen oder irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Der wahre Mensch ist ein aktiv teilnehmender Mensch, in seinem Umfeld engagiert, doch ohne sich davon bedrücken zu lassen. Alle Phänomene durchlaufen die verschiedenen Erscheinungsformen von Geburt, Verbleiben, Wandel und Tod, und doch ist der wahre Mensch kein Opfer von Traurigkeit, Glück, Liebe oder Hass. Er lebt voller Gewahrsein als ein ganz normaler Mensch, ob er nun steht, geht, liegt oder sitzt. Er spielt keine Rolle, auch nicht die Rolle eines großen Zen-Meisters. Das meint Meister Linji mit seinen Worten: »Seid unabhängig, wo immer ihr seid, und nutzt diesen Ort als Sitz des Erwachens.«

Wir überlegen vielleicht: »Wenn ein Mensch keine Richtung hat, nicht bestrebt ist, ein Ideal zu erreichen und kein Ziel im Leben hat, wer wird dann den Lebewesen helfen, frei zu werden, wer wird jene retten, die im Ozean des Leidens zu ertrinken drohen?« Ein Buddha ist ein Mensch, der keine Geschäfte mehr zu erledigen hat und nach nichts mehr Ausschau hält. Indem wir nichts tun, einfach innehalten, können wir frei und uns selbst treu leben, und unsere Befreiung wird zu der Befreiung aller Wesen beitragen.

2

WIE MAN DIE AUFZEICHNUNGEN DES MEISTERS LINJI LESEN SOLLTE

Meister Linji lehrte, weil er die Dinge drastisch verändern wollte. Er wollte Hindernisse zerschmettern, Krankheiten heilen und Fesseln lösen. Seine Worte zu lesen ist, als würde man eine sehr wirksame Arznei einnehmen. Die meisten von uns glauben, dass wir uns gesünder fühlen, wenn wir unseren Körper mit Vitaminen oder Stärkungsmitteln versorgen. Doch manchmal müssen wir ihn, statt ihm immer noch mehr zuzuführen, von allem reinigen. Dann brauchen wir eine ausreichende Dosis der Lehren Meister Linjis. Sie sind keine Vitamine, sie sind ein Abführmittel.

Haben wir innerlich zu viel Wissen angehäuft, können wir es nicht richtig verdauen. Auch wenn wir zu viel gegessen haben, können wir nicht verdauen und leiden an Verstopfung. Verstehen wir nicht, was wir gelernt haben, und können wir es in unserer Übung, im täglichen Leben nicht anwenden, dann blockiert das Wissen unseren Körper und unseren Geist. Aber wir müssen nicht auf die Verstopfung warten, um von Meister Linjis Lehren zu profitieren; Prävention ist besser als eine Behandlung.

Meister Linji wollte keine tiefsinnigen, wunderbaren Ideen präsentieren, die wir dann studieren und debattieren könnten. Wir kommen nicht auf der Suche nach absoluten Wahrheiten zu seinen Unterweisungen oder in der Hoffnung, schwierige Konzepte oder geheimnisvolle Ideen zu entdecken. Alle Lehren sind zuallererst Worte, bloße Bezeichnungen. Meister Linji nennt sie »leere Worte« oder »-ismus«. Sie sind keine objektiven Wirklichkeiten. Meister Linji will seine Worte nicht als goldenes Gerüst oder als zu verehrenden Jade-Kaiser verstanden wissen. Er sagt, dass seine Worte nur Skizzen im leeren Raum sind.

Der Zweck von Meister Linjis Werk liegt darin, dass es uns helfen will, unser Suchen aufzugeben und zu uns selbst in den gegenwärtigen Moment zurückzukehren. Dort können wir alles finden, wonach wir suchen, sei es Buddha, vollkommenes Verstehen, Frieden oder Befreiung.

Lesen Sie als Erstes die Unterweisungen selbst, bevor Sie sich den Kommentaren und Übungen zuwenden. Beim ersten Lesen brauchen Sie keine Anleitung. So wie Sie bei Ihrem ersten Besuch in einer Ausstellung zunächst die Bilder auf sich wirken lassen, bevor Sie den Katalog studieren oder sich einer Führung anschließen. Lesen Sie Unterweisungen als Geschichten und nehmen Sie wahr, was Sie verstehen und fühlen. Lassen Sie Ihre alten Vorstellungen über einen wahren Menschen, über Buddha und die Lehren verblassen. Beim Lesen sollten wir uns einen Lehrer vorstellen, der vor uns steht und schreit: »Komm nicht zu mir auf der Suche nach etwas! Die Erleuchtung, das Glück, die Stabilität und Freiheit, die du suchst, sind bereits in dir!«

Man kann sich diese Unterweisungen vielleicht am besten als Gedichte vorstellen. Wenn wir sie anfangs nicht verstehen, ist das in Ordnung. Diese Worte sind, für sich genommen, keine Weisheit. Meister Linji bot sie als Werkzeuge an, um unser Herz zu öffnen und die Weisheit langsam eindringen zu lassen. Die Lehren sind wie eine Schaufel, mit deren Hilfe wir nach einem vergrabenen Schatz graben.

Die Aufzeichnungen des Meisters Linji bestehen aus zwei Teilen, den Zen-Gefechten und den abendlichen Vorträgen. Jene Unterweisungen, die Meister Linji morgens gab, die Zen-Gefechte, sind in der Form von Fragen und Antworten gehalten. Am Nachmittag oder Abend gab er erläuternde Unterweisungen, erklärte das Dharma und erzählte Geschichten. Ich empfehle, zuerst diese abendlichen Vorträge (10 bis 23) zu lesen, auch wenn sie hier als Zweites präsentiert werden, denn sie vermitteln grundsätzliche Vorstellungen, die eure Praxis anleiten können. Diese Unterweisungen helfen auch, die Zen-Gefechte besser zu verstehen, die oft sehr rätselhaft anmuten mögen.

Die Zen-Gefechte haben einen satirisch-spöttischen Charakter. Einer der Sprecher hat die Rolle des Lehrers, er ist »der Gastgeber«. Der andere ist der Rolle des Schülers, das ist »der Gast«. Der Gastgeber weiß, worum es geht, und der Gast kommt, um zu lernen. Manchmal tauschen sie auch die Rollen: Der Gastgeber spielt die Rolle des Gastes, der Gast die des Gastgebers. Manchmal übernehmen auch beide die Rolle des Gastes oder des Gastgebers.

Zu Zeiten Meister Linjis war es üblich, dass ein Schüler auf den Meister zutrat, ihm von Angesicht zu Angesicht eine Frage stellte und vom Meister erfuhr, ob sein Verständnis bereits gereift war. Dies erforderte einen gewissen Mut vonseiten des Schülers. Manchmal gab es einen Sieg, manchmal eine Niederlage. Manchmal führten die Gefechte zu Zerstörung; manchmal waren sowohl Gast als auch Gastgeber siegreich.

Meister Linji versuchte nicht, seine Schüler in diesen Gefechten niederzuringen; er wollte nur ihre Tendenz zu übermäßigem Denken und Rationalisieren besiegen. Für ihn war Denken nicht gleichbedeutend mit erwachtem Verstehen. Von daher dauerten die Gefechte auch nicht lang. Der Zen-Meister musste nicht über einen längeren Zeitraum sitzen und reden. Der Schüler brauchte nur ein Wort zu sagen, und der Zen-Meister kannte dessen Geist. Der Schüler musste nur einen Gedanken aufkommen lassen, und schon ging er in die falsche Richtung. Ob er verstand oder nicht verstand, entschied sich in diesem einen Moment. Ging er in die falsche Richtung und unternahm dann eine Anstrengung, war er verloren.

In der Schule bleiben wir für gewöhnlich sitzen und heben die Hand, wenn wir eine Frage stellen wollen. Wir benutzen unseren Kopf, unseren Verstand, um eine Frage zu stellen und dafür ein wenig neues Wissen zu erhalten. Doch das ist nicht Zen. Unser Ziel ist es hier nicht, Wissen über den Buddhismus zu erwerben und anzusammeln. Es geht darum, die richtige Frage zu stellen, jene Frage, die unsere inneren Hindernisse zu zerstören vermag. Wenn wir diese Frage nicht haben, ist es besser, nicht vorzutreten. Unsere Frage sollte den Schleier der Verblendung niederreißen und uns befreien können. Vielleicht kann sie unseren Lehrer und die ganze Gemeinschaft etwas lehren. Danach hält Meister Linji Ausschau, wenn er fragt: »Gibt es irgendeinen Krieger, der auf das Schlachtfeld kommen will?«

Nachdem Sie die abendlichen Vorträge und die Zen-Gefechte gelesen haben, können Sie sich den Kommentaren und dem ergänzenden Material am Ende des Buches zuwenden, das konkrete Praxismethoden enthält. Die Übungen geben Anregungen, die Lehren in unserem täglichen Leben anzuwenden. Auch wenn der wahre Mensch jener Mensch ist, für den es nichts zu tun gibt und der nirgendwohin gehen muss, so bedarf es doch einer Menge freudvoller Praxis, nichts zu tun und nirgendwohin zu gehen.

3

DIE AUFZEICHNUNGEN DES MEISTERS LINJI

1

Der Präfekt namens Wang und einige andere Beamte baten den Zen-Meister, den Dharma-Sitz einzunehmen. Als der Meister hinaufgestiegen war, sagte er: »Heute bin ich, wenn auch ungern, dem Brauch gefolgt und habe den Sitz eingenommen. Wenn ich in formaler Weise sprechen müsste, die großen Errungenschaften der Zen-Schule darlegend, wäre ich nicht in der Lage, den Mund zu öffnen, und ihr wüsstet nicht, wo ihr eine Stütze für eure Füße finden könntet. Da der Präfekt sein Anliegen heute viele Male wiederholt hat, wie könnte ich da die essentiellen Lehren der Zen-Schulen weiterhin geheim halten. Wenn also irgendein Krieger hier bereit ist, auf das Schlachtfeld zu kommen, sollte er hervortreten und der Sangha gegenübertreten, um sich in einigen Punkten zu beweisen.«

Ein Mönch trat vor und fragte: »Was ist die letztendliche Bedeutung des Buddha-Dharma?« Der Meister stieß einen Schrei aus. Der Mönch verbeugte sich. Der Meister sagte: »Dieser Mönch hat die Fähigkeit zu sprechen.«

Ein anderer fragte: »Zu welcher Tradition gehört das Lied, das der Meister singt, und welche Zen-Richtung setzt er fort?« Der Meister antwortete: »In der Vergangenheit, als ich noch bei Meister Huangbo war, da stellte ich dreimal eine Frage und wurde dreimal geschlagen.« Der Mönch hielt inne, um nachzudenken. Der Meister stieß einen Schrei aus. Dann schlug er ihn und sagte: »Mönch, hoffe nicht darauf, einen Pflock in leeren Raum zu treiben.«

Ein älterer Mönch fragte: »Es gibt keinen Grund, warum die Lehren der Drei Fahrzeuge und Zwölf Abteilungen unsere Buddha-Natur nicht erstrahlen lassen, oder?« Der Meister sagte: »Du hast noch nicht das Unkraut im Gartens deines Geistes umgegraben.« Der ältere Mönch sagte: »Es gibt keinen Grund, warum der Buddha die Menschen getäuscht haben könnte.« Der Meister fragte: »Wo ist Buddha?« Der ältere Mönch vermochte nicht zu antworten. Der Meister sagte: »Du wolltest diesen alten Mönch wohl in Gegenwart des Präfekten zum Narren halten, oder? Geh, geh! Mach Platz, damit andere Fragen stellen können.« Der Zen-Meister sagte: »Das Dharma-Festmahl ist heute aus einem wichtigen Grunde abgehalten worden. Gibt es noch jemanden, der etwas fragen oder sagen möchte? Tretet schnell vor. Ich will euch bereits im Voraus wissen lassen, dass ihr nur den Mund aufmachen müsst, und schon ist die Nachricht verlorengegangen. Warum? Habt ihr gehört, dass der Buddha sagt, das Dharma sei nicht in Worten und Vorstellungen gefangen, und es entstehe nicht aus einer Ursache, und es entstehe nicht aus Bedingungen? Weil ihr noch kein Vertrauen in euch besitzt, haben wir heute nur einige merkwürdige Worte, gesprochen hier und da, deren einzige Funktion es ist, den Weg des Präfekten und der anderen Beamten zu blockieren und eure Buddha-Natur noch mehr zu verdunkeln. Es wäre besser, sich zurückzuziehen.«

Dann stieß der Meister einen Schrei aus und sagte: »Für die, deren Vertrauen schwach ist, ist es nutzlos, einen ganzen Tag damit zu verbringen, Worte wie diese auszutauschen. Ihr habt lange gestanden, eure Beine müssen müde sein. Lebt wohl einstweilen.«

2

Eines Tages ging der Meister nach Hefu. Der Präfekt Wang bat ihn, den Dharma-Thron einzunehmen. Der ehrwürdige Magu trat nach vorn und fragte: »Von all den tausend Augen und tausend Armen des Bodhisattva des Mitgefühls, welches ist das wichtigste Auge?«

Der Meister sagte: »Von all den tausend Augen und tausend Armen des Bodhisattva des Mitgefühls, welches ist das wichtigste Auge? Sprich schnell.« Magu zog den Meister vom Dharma-Thron herunter und setzte sich selbst darauf. Der Zen-Meister trat nah an ihn heran und sagte: »Du verstehst nicht.« Magu war verwirrt. Der Meister zog Magu vom Thron herunter und setzte sich selbst wieder. Magu verließ die Dharma-Halle. Der Meister stieg vom Thron herab.

3

Eines Tages betrat der Zen-Meister die Dharma-Halle und sagte: »Auf diesem Klumpen aus rotem Fleisch gibt es einen wahren Menschen ohne Position, der direkt vor euch ein- und ausgeht. Wer diesen Menschen noch nicht gesehen hat, sollte genau hinschauen. Schaut gut hin.« Da trat ein Mönch hervor und fragte: »Was ist der wahre Mensch ohne Position?« Der Meister kam von der Meditationsplattform herab, packte den Mönch und sagte: »Sprich, sprich! Was ist der wahre Mensch ohne Position?« Der Mönch war verwirrt. Der Meister ließ ihn los und sagte: »Der wahre Mensch ohne Position ist nicht mehr als getrocknete Exkremente an einem Stock.« Nach diesen Worten kehrte er sofort in seinen Raum zurück.

4

Der Meister hatte gerade die Dharma-Halle betreten, als ein Mönch hervortrat und sich verbeugte. Der Meister stieß einen Schrei aus. Der Mönch sagte: »Upadhyaya, bitte testet mich nicht.« Der Meister fragte: »Mönch, sag mir, wohin ist der Klang dieses Schreis gefallen?« Der Mönch stieß sofort einen Schrei aus.

Ein anderer Mönch trat hervor und fragte: »Was ist die essentielle Lehre des Buddhadharma?« Der Meister stieß einen Schrei aus. Der Mönch verbeugte sich. Der Meister fragte: »Worin liegt der Mangel?« Der Mönch sagte: »Wenn jemand wieder Anstoß erregt, wird es nicht vergeben.« Der Meister stieß sofort einen Schrei aus.

Als sich an diesem Tag die Hauptmönche der beiden Meditationshallen trafen, stießen sie zur selben Zeit einen Schrei aus. Ein Mönch fragte den Meister: »Gibt es in diesem Fall einen richtigen Gastgeber und einen richtigen Gast?« Der Meister sagte: »Wer Gastgeber und wer Gast ist, das ist eindeutig.« Dann fügte er hinzu: »Edle Sangha, wenn ihr die Prinzipien der vier Beziehungen zwischen Gastgeber und Gast erfahren wollt, dann geht zu den Hauptmönchen und fragt sie.« Nach diesen Worten stieg er herab.

Der Zen-Meister kam in die Dharma-Halle, und ein Mönch fragte: »Was ist der Kern des Buddhadharma?« Der Meister hob seinen Fliegenwedel. Der Mönch stieß einen Schrei aus, und der Meister schlug ihn.

5

Ein anderer Mönch trat hervor und fragte: »Was ist die Essenz des Buddhadharma?« Der Meister hob erneut seinen Fliegenwedel. Der Mönch stieß einen Schrei aus. Der Meister stieß auch einen Schrei aus. Der Mönch zögerte, und der Meister schlug ihn sofort.

Der Zen-Meister sagte dann: »Edle Sangha, wenn das Dharma auf dem Spiel steht, dann fürchtet man nicht um seinen Körper und sein Leben. Vor zwanzig Jahren lebte ich noch im Kloster des früheren Meisters Huangbo. Dreimal fragte ich ihn nach der Essenz des Buddhadharma, und dreimal versetzte er mir einen Schlag, als riebe er meinen Kopf mit einem Zweig Beifuß. Noch heute spüre ich leichte Sehnsucht nach dem Tag, an dem er mich schlug. Gibt es hier jemanden, der zu mir kommen und mir helfen würde, diesen Augenblick erneut zu erleben?« Ein Mönch trat vor und sagte: »Ich könnte es.« Der Meister nahm seinen Stock und gab ihn dem Mönch. Der Mönch zögerte, als er den Stock empfing. Sofort schlug der Meister ihn.

6

Der Meister betrat die Dharma-Halle, und ein Mönch fragte: »Was hat es mit der scharfen Spitze der Schwertklinge auf sich?« Der Meister sagte: »Sie ist nicht sicher! Sie ist nicht sicher!« Der Mönch zögerte und wurde sofort geschlagen.

Ein anderer fragte: »Im Falle des Laien-Praktizierenden Shi Shi, der Reis zerstieß: In dem Augenblick, als er vergaß, mit seinen Füßen das Mörserpedal zu treten, wo ging er da hin?« Der Zen-Meister sagte: »Er ertrank in einem tiefen Brunnen.«

Der Zen-Meister fuhr fort: »Ich lasse niemanden im Stich, der zu mir kommt. Immer weiß ich, woher dieser Mensch kommt. Wenn jemand in einer bestimmten Haltung kommt, hat er sich selbst verloren. Wenn jemand nicht in einer bestimmten Haltung kommt, ist es, als hätte er sich ohne Strick gefesselt.

Seid niemals, zu keiner Zeit, leichtsinnig in eurem Denken und trefft Urteile. Ob ihr verstanden habt oder nicht verstanden habt, ihr irrt euch. Ich sage es geradeheraus. Wenn Leute über mein Verhalten reden, lasst sie reden. Ihr habt lange Zeit gestanden. Ihr müsst müde sein. Wir sollten uns bald wieder treffen.«

7

Der Meister kam in die Dharma-Halle und sagte: »Jemand steht allein auf einer Bergspitze. Es führt kein Weg von dem Gipfel hinab. Jemand anderes steht an einer Straßenkreuzung und kann nicht vorwärts gehen. Wer von diesen beiden wird zuerst kommen, wer danach? Gebt nicht vor, Vimalakirti zu sein, oder spielt nicht die Rolle des großen Meisters Fu. Lebt wohl.«

8

Der Meister betrat die Dharma-Halle und sagte: »Da gibt es jemanden, der immer auf dem Weg ist, aber nie sein Zuhause verlassen hat. Da gibt es auch jemanden, der sein Zuhause verlassen hat, doch nicht auf dem Weg ist. Wem von beiden gebühren die Opfergaben der Götter und Menschen?« Nach diesen Worten stieg er sofort herab.

9

Der Meister kam in die Dharma-Halle.

Ein Mönch fragte: »Was ist der erste Satz?«

Der Meister erwiderte: »Wenn das Siegel der Drei essentiellen Prinzipien entfernt ist, ist der rote Stempel klar. Da gibt es kein Zögern – Gastgeber und Gast können unterschieden werden.«

»Was ist der zweite Satz?«

»Die wundervolle Erklärung ist nicht verdunkelt, in der Beantwortung der Frage hat sie keine Hindernisse. Die Realisierung der geschickten Mittel teilt den Strom nicht.«

»Wie ist es mit dem dritten Satz?«

»Betrachte das Spiel der Marionetten. Da ist jemand, der innen die Fäden zieht.«

Der Meister fügte hinzu: »Jeder Satz muss drei wundervolle Eingänge haben. Jeder Eingang muss die Drei essentiellen Prinzipien haben. Da muss es geschickte Mittel und Wirken geben. Wie versteht ihr das?«

Nach diesen Worten, stieg er herab.

10

Während einer abendlichen Sitzung begann der Meister mit der folgenden Erklärung: »Manchmal ist es notwendig, die Person wegzunehmen, doch nicht ihre Objekte. Manchmal ist es notwendig, die Objekte der Person wegzunehmen, doch nicht die Person. Manchmal ist es notwendig, sowohl die Person als auch ihre Objekte wegzunehmen. Manchmal ist es notwendig, weder die Person noch ihre Objekte wegzunehmen.«

Darauf fragte ein Mönch: »Was bedeutet es, die Person wegzunehmen, doch nicht ihre Objekte?« Der Meister antwortete: »Die Sonne geht auf, lässt die Erde zu einer Stickerei werden. Die Haare des Kindes hängen herab, so weiß wie Seidenfäden.«

Der Mönch fragte: »Was bedeutet es, das Objekt der Person wegzunehmen, doch nicht die Person?« Der Meister antwortete: »Die Befehle des Königs sind an jeden Ort der Welt weitergemeldet worden. Die Offiziere im Grenzgebiet haben die Rauchwolken zerstreut.«

Der Mönch fragte: »Was bedeutet es, sowohl die Person als auch das Objekt wegzunehmen?« Der Meister antwortete: »Die beiden Distrikte Bun und Phan stehen nicht in Verbindung. Die Menschen sind in ihrer eigenen Welt isoliert.«

Der Mönch fragte: »Was bedeutet es, weder die Person noch das Objekt wegzunehmen?« Der Meister antwortete: »Der König geht in den Juwelenpalast. Alte Männer singen auf dem Land.«

11

Der Meister lehrte: »Wer immer in diesen Zeiten das Buddhadharma studiert, braucht rechte Ansicht. Sobald rechte Ansicht da ist, können Geburt und Tod euch nicht länger berühren. Ob ihr dann bleibt oder geht, ihr tut es als freie Menschen. Ihr braucht euch nicht auf die Suche nach dem Transzendenten zu machen, denn das Transzendente wird euch aufspüren.

Freunde des Weges, die tugendhaften Mönche von einst haben den Menschen einen Pfad der Befreiung angeboten. Das Amt dieses Bergmönchs besteht nur in der Ermutigung, anderen nicht zu erlauben, euch in die Irre zu führen. Mein Rat sollte sofort umgesetzt werden. Seid nicht unentschlossen oder zweifelnd.

Warum sind Menschen in unserer Zeit nicht in der Lage, die Früchte der Übung zu realisieren? Es ist so, weil sie nicht über die Tugend des Selbstvertrauens verfügen. Weil ihr nicht über die Tugend des Selbstvertrauens verfügt, seid ihr ständig beschäftigt, habt es eilig, Myriaden Arten von Objekten außerhalb eurer selbst hinterherzulaufen, und dann werdet ihr von diesen Objekten im Kreis herumgeführt und verliert all eure Freiheit.

Wenn ihr imstande seid, dem Denken, das hinter äußeren Objekten herjagt, ein Ende zu machen, dann werdet ihr erkennen, dass es keinen Unterschied zwischen euch selbst und unserem Lehrer, dem Buddha, gibt. Wollt ihr wissen, wer unser Lehrer, der Buddha, ist? Der Buddha seid ihr selbst, wie ihr hier vor mir steht und mir zuhört, wie ich das Dharma lehre. Der Praktizierende, der nicht genügend Selbstvertrauen hat, wird seine Aufmerksamkeit immer auf das richten, was außen ist, und wird umherwandern und nach etwas Ausschau halten. Selbst wenn er etwas findet, ist dieses Objekt nur eine schöne Form von Geschriebenem und Worten. Es ist nicht der lebendige Geist des Meisters. Ihr guten Mönche, macht diesen Fehler nicht! Wenn ihr dem Buddha im gegenwärtigen Moment nicht persönlich zu begegnen vermögt, dann werdet ihr für zahllose zukünftige Leben in den Drei Bereichen des samsara wiedergeboren werden, immer auf der Suche nach etwas, das ihr festhalten könnt, um euch behaglich zu fühlen, fortwährend im Bauch einer Kuh oder eines Esels geboren.

Meine Freunde, der Einsicht dieses Bergmönchs zufolge gibt es keinen Unterschied zwischen euch und Shakyamuni Buddha. In all euren gewöhnlichen, alltäglichen Aktivitäten habt ihr da das Gefühl, es fehlte euch etwas? Gibt es einen Moment, in dem die sechs wunderbaren Lichtstrahlen nicht leuchten? Jeder, der diese Einsicht hat, wird ein Mensch sein, für den es in seinem ganzen Leben nichts zu tun gibt.

Ehrwürdige Mönche, in den Drei Bereichen ist nichts sicher. Diese Bereiche sind wie ein brennendes Haus. Da könnt ihr nicht euer Leben lang bleiben. In jedem Augenblick streckt die Vergänglichkeit wie ein Dämon ihre Hand aus und nimmt euer Leben, ohne zwischen jung und alt, edel und nieder zu unterscheiden.

Wenn ihr nicht verschieden von Buddha, unserem Lehrer, sein wollt, dann lauft keinen äußeren Dingen nach. Jede Bewegung eures Geistes, die das Licht der Reinheit auszustrahlen vermag, ist der Dharma-Körper des Buddha, der hier in eurem Haus ist. Das Licht der Nicht-Unterscheidung, das in einem Moment der Sammlung entsteht, ist der glorreiche Retributionskörper1 des Buddha hier in eurem Haus. Das Licht der Leuchtenden Klarheit, das aus jedem Moment der Sammlung entsteht, ist der Verwandlungskörper des Buddha, der hier in eurem Haus ist. Diese drei Körper sind nicht verschieden von euch, die ihr hier vor mir steht und dem Dharma lauscht. Dieses wundervolle Wirken ist nur möglich, wenn ihr eure Energie nicht darauf ausrichtet, Dingen außerhalb eurer selbst nachzujagen.

Den Gelehrten vertrauend, welche die Sutras und Shastras studiert und Kommentare dazu verfasst haben, suchen die Menschen nach den drei Körpern als absoluten Maßstäben außerhalb ihrer selbst.2 Meiner Ansicht nach ist das nicht so. Die drei Körper, von denen sie sprechen, sind nur Namen und Worte. Sie können auch zu drei Zufluchtsorten werden, an denen Menschen anhaften und gefangen sind. Ein Lehrer alter Zeit sagte: ›Die Drei Körper werden abhängig von der wahren Bedeutung begründet. Die Buddha-Länder werden abhängig von der ursprünglichen Natur erläutert.‹ Von daher sind die Körper und die Länder hinsichtlich der Dharma-Natur lediglich Lichtspiegelungen.

Ehrwürdige Mönche, ihr solltet wissen, dass die Spiegelungen, an denen sich die Leute festhalten und mit denen sie herumspielen, die Quelle der Buddhas sind. Soweit es den Sprecher betrifft, ist jeder Ort ein Ort der Ankunft, und jeder Ort ist das wahre Zuhause des Praktizierenden.

Euer Körper, der aus den vier Elementen besteht, weiß nicht, wie er über das Dharma sprechen oder es hören könnte. Eure Milz, euer Magen, eure Leber, eure Galle können weder über das Dharma sprechen noch es hören. Was ist es also, das über das Dharma zu sprechen oder es zu hören weiß? Es ist die leuchtende Klarheit, welche ohne jede äußere Form ist, die hier vor uns steht. Das ist es, was über das Dharma zu sprechen oder es zu hören weiß. Wenn ihr das erkennen könnt, dann seid ihr vom Buddha und den Meistern nicht verschieden. Diese Einsicht gilt es fortwährend zu bewahren, lasst keine Unterbrechung zu; wann immer eure Augen damit in Kontakt sind, werdet ihr es sehen.

Nur weil gefühlsmäßige Anhaftung entsteht, wird das Verstehen verdunkelt. Weil sich Wahrnehmungen verändern, verändert sich die Form der wahren Natur. Darum gibt es Wiedergeburt in den Drei Bereichen, und darum sind wir so vielen Arten des Leidens unterworfen. Meinem Verständnis nach gibt es nichts, das nicht tief und wunderbar wäre; es gibt nichts, das nicht befreit wäre.

Meine Freunde, Bewusstsein hat keine Form. Es durchdringt frei die Zehn Richtungen. In den Augen wird es Sehen genannt, in den Ohren wird es Hören genannt; in der Nase wird es Riechen genannt; im Mund wird es Unterhaltung genannt; in den Händen wird es Greifen genannt, in den Füßen Laufen und Springen. Alle entstehen sie aus einem strahlenden Licht, das in sechs Funktionen unterteilt ist, die in Harmonie zusammenwirken. Wann immer falsches Denken nicht entsteht, ist Befreiung da. Was meine ich damit? Nur weil ihr nicht in der Lage seid, das Suchen zu beenden, geratet ihr in die Fallen, die die Alten für euch aufgestellt haben.

Meine Freunde, erprobt meine Einsicht und wendet sie an. Sitzt still und schneidet die Köpfe jedes Retributions- und Verwandlungskörpers des Buddha ab. Seht, dass alle Bodhisattvas auf den zehn Bodhisattva-Stufen, alle vollkommen Erwachten und wundervoll Erwachten wie Fesseln sind, die euch einkerkern wollen. Arhats und Pratyekas sind wie ein Latrinenloch. Erwachen (bodhi) und Nirwana sind wie Eselspflöcke. Warum? Weil ihr kein klares Verständnis der Leerheit der drei unermesslich langen kalpas erlangen konntet, rennt ihr in die Hindernisse, die ihr gegenwärtig erfahrt. Würdet ihr die wahren Lehren korrekt praktizieren, wäre das anders. Ihr braucht nur diese günstigen Umstände zu nutzen, um euer vergangenes Karma zu beenden. Legt eure Robe als freie Menschen an. Ist es erforderlich zu gehen, geht. Ist es erforderlich zu sitzen, sitzt. Verlangt nicht einen Augenblick lang nach Buddhaschaft.

Warum? Ein Meister alter Zeit sagte: ›Wenn du den Buddha dadurch finden willst, dass du aus der Praxis harte Arbeit machst, wird der Buddha jene Vergeltung, die dich im Kreislauf von Geburt und Tod hält.‹ Ehrwürdige Mönche, Zeit ist etwas sehr Kostbares. Ihr solltet den Geist anhalten, der stets umherwandert, ins Nachbarhaus rennt, um dort Zen zu studieren oder den Weg, auf der Suche nach einer Redewendung, auf der Suche nach Worten, Ausschau haltend nach Meistern, nach dem Buddha, nach einem guten spirituellen Freund. Schlagt nicht diese falsche Richtung ein. Ihr müsst in euch selbst hineinschauen. Ein Lehrer alter Zeit sagte, Yajnadatta habe geglaubt, er habe seinen Kopf verloren, doch als sein Geist fähig war, mit der Suche aufzuhören, sei er sofort in der Lage gewesen, den Zustand, in dem es nichts zu tun gibt, zu erlangen.

Ehrwürdige Mönche, ihr solltet euer Leben in ganz natürlicher Weise leben. Spielt euch nicht auf. Es gibt eine Reihe von geschorenen Köpfen, die gut von schlecht nicht unterscheiden können. Sie sagen, dass sie Geister und Dämonen sähen. Sie deuten nach Osten und nach Westen und beten um Regen und Sonnenschein. Diese Gruppe wird mit Sicherheit das zurückzahlen müssen, was sie sich geliehen hat, und eines Tages wird sie vor Yama, dem Herrscher des Todes, Klumpen von geschmolzenem Eisen schlucken. Und die aus guter Familie, die von dieser Gruppe wilder Fuchsgeister getäuscht wurden, werden auch die Schulden für den Reis, den sie gegessen haben, zahlen müssen. Sie werden das nicht vermeiden können.«

12

Der Meister sprach zu der Versammlung:

»Meine Freunde, das, was ihr entdecken müsst, ist rechte Sicht. Ihr solltet frei in der Welt handeln, um euch nicht durch die Worte der Gruppe der Geister in die Irre führen zu lassen. Nichts zu tun zu haben ist die Basis eines edlen Menschen. Der edelste Mensch ist der, für den es nichts zu tun gibt. Das Einzige, das ihr vermeiden solltet, ist, darüber nachzudenken, was ihr tun werdet. Alles, was ihr tun müsst, ist, ein ganz normaler Mensch zu sein. Seid unabhängig, wo ihr auch seid, und nutzt diesen Ort als Sitz des Erwachens. Wenn ihr weiterhin darüber nachdenkt und plant, wie ihr eure Suche auf das, was außerhalb von euch liegt, ausrichten könnt, habt ihr einen großen Fehler begangen.

Sucht nicht nach Buddha. Buddha ist nur ein leerer Begriff. Wisst ihr, wer das ist, der sucht? Die Meister und die Buddhas der Drei Zeiten haben immer nur nach dem Dharma gesucht. Gegenwärtig geht ihr dem Zen nach und studiert den Weg, um das Dharma zu suchen. Wenn ihr das Dharma realisiert, dann ist alles gelöst. Habt ihr es noch nicht realisiert, werdet ihr weiterhin in den Fünf Fügungen wiedergeboren. Was ist Dharma? Dharma ist das Dharma des Geistes. Der Geist hat keine andere Form; er durchdringt frei die Zehn Richtungen. Sein wundervolles Wirken offenbart er direkt vor euren Augen. Weil die Menschen nicht genügend Vertrauen in den Geist haben, verwechseln sie ihn mit Begriffen und Redewendungen. Sie halten in Worten und Schriften nach der Lehre des Buddha Ausschau. Weil das so ist, sind sie vom Dharma so weit entfernt wie der Himmel von der Erde.

Meine Freunde, wenn ich das Dharma lehre, was ist das dann für ein Dharma? Ich spreche vom Dharma des Erd-Geistes, um Menschen zu helfen, das Heilige und das Profane, das Reine und das Unreine, das Wahre und das Konventionelle zu durchdringen. Doch das innere Wahre und Konventionelle, Heilige und Profane kann nicht in Begriffen des Profanen, Heiligen, Konventionellen und Wahren beschrieben werden. Profanes, Heiliges, Konventionelles und Wahres verweisen nie auf sich selbst als Profanes, Heiliges, Konventionelles und Wahres.

Meine Freunde, wenn ihr die Essenz dessen erfassen könnt, dann wendet sie sofort an. Haftet nicht an Begriffen. Ich nenne dies das wundervolle Prinzip.

Das Dharma dieses Bergmönchs unterscheidet sich sehr vom Dharma der Menschen, die der Welt anhängen. Selbst wenn Manjushri und Samantabhadra in ihren verschiedenen Manifestationen vor mir erschienen und mich über das Dharma befragten, würde ich, sobald sie ihre Münder öffneten und ›verehrter Meister‹ sagten, imstande sein, sie herauszuriechen. Ich sitze still da, und wenn jemand mich aufsucht, fühle ich sofort seinen Puls und kenne ihn. Warum? Weil meine Art zu schauen anders ist – im Außen bin ich nicht in heilig und profan gefangen, im Innen stütze ich mich nicht auf grundlegende Prinzipien. Meine Art des Sehens ist durchdringend, da bleibt kein Raum für Zweifel.«

13

Der Meister hielt einen Vortrag:

»Meine Freunde, in der Praxis des Buddhadharma ist harte Arbeit nicht erforderlich. Das Prinzip ist: nicht zu versuchen, etwas Besonderes zu sein; und nichts zu tun zu haben. Wenn ihr eure Robe anlegt, euer Mahl esst, uriniert, eure Notdurft verrichtet, ruht, wenn ihr müde seid, dann werden die Törichten lachen, doch die Weisen werden verstehen. Die Lehrer alter Zeit sagten: ›Wenn ihr eure Praxis auf die äußere Form richtet, seid ihr nur eine Gruppe törichter Leute.‹ Ihr solltet eure Unabhängigkeit bewahren in Übereinstimmung mit dem, wo ihr euch befindet; seid der wahre Mensch, wo immer ihr seid, gestattet nicht den Umständen, euch wegzuzerren. Selbst wenn ihr eure Gewohnheitsenergien über tausende Jahre herausgebildet oder die fünf unsühnbaren Verbrechen begangen habt, sie alle werden zum Ozean der Befreiung.

Die meisten Menschen, die in unserer Zeit den Buddhismus studieren, verstehen das Dharma nicht. Sie sind wie Ziegen, die alles fressen, was ihnen gegeben wird; sie können den Meister nicht vom Diener unterscheiden, den Gastgeber nicht vom Gast. Solche Menschen begeben sich mit der falschen Motivation auf den Übungsweg, allzeit bereit, Orte des Lärms und Trubels aufzusuchen. Ihr könnt sie nicht wahre Mönche nennen. Tatsächlich sind sie weltliche Menschen. Wahre Mönche müssen in ihrem täglichen Leben eine rechte Sichtweise haben, wodurch sie Buddha von Mara, das Wahre vom Falschen, das Heilige vom Profanen zu unterscheiden vermögen. Nur wenn sie über diese Fähigkeit verfügen, haben sie wahrhaft auf das Leben eines Haushälters verzichtet. Können Sie Mara nicht von Buddha unterscheiden, dann haben sie nur ein Haus aufgegeben, um ein anderes zu betreten. Man kann sie Karma schaffende Lebewesen nennen, aber nicht solche, die das Haushälterleben aufgegeben haben. In unserer Zeit gibt es ein Phänomen, Buddha-Mara genannt, ein Gebilde, in dem Mara und Buddha nicht unterschieden werden können, wie Milch und Wasser, die zusammengerührt wurden. Es heißt, dass der König der Gänse aus einer solchen Mischung die Milch allein trinken kann. Meine Dharma-Freunde mit guten Augen sollten meiner Auffassung nach sowohl Buddha als auch Mara umstürzen. Wenn sie immer noch dazu neigen, das Heilige zu lieben und das Profane zu hassen, dann werden sie im Ozean von Geburt und Tod weiterhin für eine lange Zeit versinken.«

14

Jemand fragte: »Was ist Buddha, und was ist Mara?« Der Meister antwortete: »Ist in eurem Geist noch ein einziger Gedanke des Zweifels, dann ist das Mara. Gelangt ihr zu dem Verständnis der ungeborenen Natur von allem, was ist, und erkennt, dass der Geist ein Phantom ist, dass es kein Objekt, kein Phänomen mit einer realen Existenz gibt, dann gibt es, wo immer ihr seid, Reinheit, und das ist Buddha. Trotzdem glauben die Menschen im Allgemeinen, dass Buddha und Mara zwei verschiedene Welten wären; die eine rein, die andere befleckt. Wie ich die Dinge sehe, gibt es Buddha nicht, Lebewesen gibt es nicht, es gibt weder Vergangenheit noch Gegenwart. Wenn ihr die Wahrheit realisiert, realisiert ihr sie direkt. Ihr braucht dazu keine Zeit. Ihr braucht sie nicht zu kultivieren, ihr braucht sie nicht zu realisieren, es gibt keinen Gewinn und keinen Verlust. Es kann nie eine andere Lehre als diese geben. Gäbe es eine andere Lehre als diese, würde ich sagen, dass sie nur ein Traum, ein Phantom wäre. Das ist alles, was ich sagen möchte.

Meine Freunde, ihr alle sitzt hier im gegenwärtigen Moment und lauscht dem Dharma. Ihr alle seid die klare, ursprüngliche Natur, niemand von euch ist darin behindert, die Zehn Richtungen zu durchdringen. Ihr könnt frei in den Drei Bereichen umherstreifen. Jeder von euch kann sich frei in jeden dieser Bereiche begeben, ohne behindert zu werden. Jeder kann im Bruchteil eines Augenblicks die Dharma-Bereiche durchdringen. Trefft ihr den Buddha, sprecht ihr mit Buddha; trefft ihr den Meister, sprecht ihr mit dem Meister; trefft ihr einen Arhat, sprecht ihr mit dem Arhat, trefft ihr einen Hungrigen Geist, sprecht ihr mit dem Hungrigen Geist. Ihr könnt euch daran erfreuen, jedes Land zu bereisen, die Lebwesen zu unterweisen, und ihr seht nicht für einen Augenblick, dass ihr nicht zu Hause seid. Überall ist Reinheit, das Licht der Klarheit erleuchtet die Zehn Richtungen, und ihr erkennt die Einheit von allem, was ist.

Meine Freunde, wenn ihr heute große Ehrenmänner sein wollt, müsst ihr die Wahrheit der Tatsache erkennen, dass es nie etwas zu tun gab. Nur weil euer Vertrauen unreif ist, sucht ihr weiterhin in jedem Augenblick. Ihr nehmt euren Kopf weg, und dann sucht ihr danach; und ihr könnt euch von der Suche nicht abbringen.

Stellt euch Bodhisattvas der vollkommenen und plötzlichen Erleuchtung vor, welche die Dharma-Bereiche manifestieren und in sie eintreten. Sie wenden sich zum Reinen Land hin. Sie mögen das Profane nicht und lieben das Heilige. Gäbe es solche Bodhisattvas, so wären sie noch immer Anhaftung und Ablehnung unterworfen. Die Vorstellung von rein und befleckt wäre noch immer in ihrem Geist. Der Einsicht der Meditationsschule zufolge ist das nicht so. Verstehen geschieht jetzt, in diesem Augenblick; ihr müsst auf keine andere Gelegenheit warten. Was ich stets sage, ist, dass alles geschieht. Die Arznei und die Krankheit, die zu heilen ist, müssen zur gleichen Zeit zusammenkommen, denn Arznei und Krankheit müssen sich aufeinander beziehen. Abgesehen davon gibt es nichts anderes, das wir Wahrheit nennen. Wenn ihr das erkennen könnt, seid ihr wahrlich jemand, der vorangegangen ist und der es würdig ist, jeden Tag materielle Opfergaben im Werte von zehntausend Goldmünzen zu empfangen.