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Die Debatten um die Reproduktionsmedizin und die Erblichkeit der Intelligenz werfen Fragen auf nach der Kontinuität eugenischer Praktiken, d. h. der Optimierung menschlicher Eigenschaften durch die Steuerung des Fortpflanzungsverhaltens. Dieses Programm ist eng verknüpft mit dem »Dritten Reich«, Zwangssterilisationen und der Vernichtung »unwerten Lebens«. Doch schon vor Beginn der Naziherrschaft warnten Autoren wie Aldous Huxley und Gilbert Keith Chesterton hellsichtig vor den Gefahren der Eugenik. Chestertons Essay "Eugenik und andere Übel" zeigt grundlegende Probleme eugenischen Denkens auf und liegt nun erstmals auf deutsch vor. Thomas Lemke erläutert den historischen Kontext und zeigt, daß Chestertons Mahnungen nichts von ihrer Aktualität verloren haben.
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Seitenzahl: 366
Die Debatten um die Reproduktionsmedizin und die Erblichkeit der Intelligenz werfen Fragen auf nach der Kontinuität eugenischer Praktiken, das heißt nach der Optimierung menschlicher Eigenschaften durch die Steuerung des Fortpflanzungsverhaltens. Dieses Programm ist eng verknüpft mit dem »Dritten Reich«, Zwangssterilisationen und der Vernichtung »unwerten Lebens«. Doch schon vor Beginn der Naziherrschaft warnten Autoren wie Aldous Huxley und Gilbert Keith Chesterton hellsichtig vor den Gefahren der Eugenik. Chestertons Essay Eugenik und andere Übel zeigt grundlegende Probleme eugenischen Denkens auf; er liegt nun erstmals auf deutsch vor. Thomas Lemke erläutert den historischen Kontext und zeigt, daß Chestertons Mahnungen nichts von ihrer Aktualität verloren haben.
Gilbert Keith Chesterton (1874-1936) wurde mit seiner Figur des Pater Brown berühmt. Auch seine bedeutenden Essays über Ketzer, Orthodoxie und zur Verteidigung des Nonsens zählen zur Weltliteratur.
Thomas Lemke, geboren 1963, lehrt Soziologie an der Goethe-Universität Frankfurt. Im Suhrkamp Verlag gab er zuletzt das Glossar der Gegenwart (es 2381) und Gouvernementalität der Gegenwart (stw 1490) mit heraus.
Eugenik und andere Übel Gilbert Keith ChestertonHerausgegeben und mit einer Einleitung von Thomas Lemke
Aus dem Englischen und mit Erläuterungen von Frank Jakubzik
Suhrkamp
Die edition unseld wird unterstützt durch eine Partnerschaft mit dem Nachrichtenportal Spiegel Online. www.spiegel.de
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2014
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe
der edition unseld 41.
© Suhrkamp Verlag Berlin 2014
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Umschlaggestaltung: Nina Vöge und Alexander Stublić
eISBN 978-3-518-73637-1
www.suhrkamp.de
Eugenik und andere Übel
Inhalt
Einleitung Thomas Lemke: Die Tyrannei der Zukunft. Gilbert Keith Chesterton und die Paradoxien der Eugenik
9
Eugenik und andere Übel
67
An den Leser
69
Erster Teil: Die falsche Theorie
71
I
Was ist Eugenik?
73
II
Die ersten Einwände
81
III
Die Anarchie von oben
90
IV
Der Geisteskranke und das Gesetz
99
V
Die ungreifbare Autorität
114
VI
Der unwiderlegte Einwand
128
VII
Die wissenschaftliche Staatskirche
139
VIII
Resümee einer falschen Theorie
148
Zweiter Teil: Die wahre Absicht
155
I
Die Ohnmacht der Unbußfertigkeit
157
II
Wahre Geschichte des Tagelöhners
167
III
Wahre Geschichte des Eugenikers
180
IV
Die Rache des Fleisches
191
V
Die Gemeinheit des Motivs
200
VI
Das Verschwinden der Freiheit
212
VII
Die Umwandlung des Sozialismus
223
VIII
Das Ende der Hausgötter
233
IX
Ein kurzes Kapitel
244
Erläuterungen
248
9Thomas Lemke Die Tyrannei der Zukunft Gilbert Keith Chesterton und die Paradoxien der Eugenik
»Die alten Tyrannen riefen die Vergangenheit an; die neuen Tyrannen werden die Zukunft anrufen.«1
Gilbert Keith Chesterton dürfte den meisten Leserinnen2 als Autor der Father-Brown-Geschichten bekannt sein, in denen ein Geistlicher durch Einfühlungsvermögen, Witz und Logik ungewöhnliche Kriminalfälle löst. Sein Werk läßt sich jedoch keineswegs auf diese populäre literarische Figur beschränken. Chesterton war einer der produktivsten und vielseitigsten Schriftsteller der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als er 1936 im Alter von 62 Jahren starb, hinterließ er ein umfangreiches Œuvre, das neben einigen Gedichten und Theaterstücken eine Vielzahl von Erzählungen, Romanen, Biographien und Essays umfaßt. In den vergangenen Jahrzehnten sind fast alle seiner zahlreichen Essays ins Deutsche übertragen worden. Manche – wie etwa die vor einigen Jahren übersetzten Bücher Orthodoxie und Ketzer – waren große Publikumserfolge und standen längere Zeit auf den Bestsellerlisten.3
Bemerkenswerterweise trifft dies auf das vorliegende Buch nicht zu. Eugenics and Other Evils, das vor fast einem Jahrhundert erschienen ist, liegt hier zum ersten Mal vollständig in deutscher Übersetzung vor.4 Im Mittelpunkt des Buches steht eine radikale Kritik der »Eugenik«. Der Begriff bezieht sich auf eine Vielzahl von Ideen und Aktivitäten, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts darauf abzielten, das menschliche Fortpflanzungsverhalten 10durch die praktische Umsetzung von Theorien der Vererbung zu steuern. Sie zeichneten sich oft durch eine spannungsvolle Verknüpfung von Niedergangsphantasien und Fortschrittsutopien, von Zivilisationskritik und Wissenschaftsgläubigkeit aus. Gemeinsam war den Vertretern der Eugenik der Grundgedanke, daß es möglich sei, verschiedene Lebenswertigkeiten zu unterscheiden und diese hierarchisch zu ordnen. Darüber hinaus teilten sie die Einschätzung, daß es notwendig sei, Entscheidungen über Partnerwahl, Kinderwunsch und Sexualität zu beeinflussen, um die individuelle Nachkommenschaft und die »Bevölkerungsqualität« insgesamt zu verbessern.
In Großbritannien und vielen anderen Staaten in Europa und Nordamerika verbreiteten sich eugenische Programme seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts ungewöhnlich schnell. Dabei unterschieden sich die Vorschläge in den Eingriffspunkten und Zielvorstellungen: Manche Praktiken konzentrierten sich darauf, die Entstehung »minderwertigen« Lebens zu verhindern (z.B. durch Sterilisierung oder Empfängnisverhütung), andere zielten darauf, »besseres« Leben hervorzubringen (z.B. die Förderung von durch Ehen »genetisch hochwertiger« Paare); im Extremfall sollte »unwertes« Leben beendet werden (etwa durch die »Euthanasie« von Behinderten oder die Nichtbehandlung von Neugeborenen).5
Chesterton war Zeuge der zunehmenden Akzeptanz eugenischen Denkens, die ihren Höhepunkt in den zwanziger Jahren erreichte, in denen Eugenik und andere Übel erschien.6 Das Buch markiert den Abschluß einer zwei Jahrzehnte andauernden kritischen Auseinandersetzung Chestertons mit eugenischen Thesen und Themen. Kaum jemand hat die logischen Widersprüche eugenischer Programme und deren gesellschaftliche Folgen schonungsloser und scharfsinniger analysiert als Chesterton. Ihm zufolge bedroht die Eugenik zugleich Freiheit und Demokratie. Sie ist für ihn integraler Bestandteil eines allgemeineren Entwicklungstrends, der die Bürgerinnen zugunsten einer Diktatur staatlich-medizinischer Experten entmündigt und schließlich zu einem Regime der Unfreiheit führt, in dem die einzelnen bis in ihr Alltagsleben und ihre intimsten Entscheidungen hinein überwacht und kontrolliert werden. Chesterton begreift die Eugenik daher als Element und Effekt »der modernen Manie für den wissenschaftlichen Staat und die straffe Organisation der Gesellschaft« (S. ).
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