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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Der Traktor bog von der Landstraße auf den Wirtschaftsweg zur Jenneralm ein. Alois Burghauser drosselte dabei die Geschwindigkeit, denn der Weg beschrieb enge Kurven, rechts ging es steil die Bergwiese hinunter. Während der Bauer langsam hinauffuhr, sah er von oben einen anderen Traktor herunterfahren. Loisl Miene verfinsterte sich, als er den Lenker des anderen landwirtschaftlichen Fahrzeugs erkannte – Vinzenz Wildinger! Sie waren höchstens noch knapp hundert Meter getrennt, und der Weg wurde hier besonders schmal. Eigentlich hätte der, welcher von unten heraufgefahren kam, anhalten und den anderen passieren lassen müssen, doch der Bergbauer dachte überhaupt nicht daran, sondern fuhr unverdrossen weiter. Vinzenz hatte ebenfalls den Traktor seines Nachbarn und Intimfeindes erkannt. Er sah, dass Loisl nicht anhalten würde. Na, wart', Bursche, dachte er, dir werd' ich schon zeigen, wo's lang geht! Der voll beladene Hänger hinter ihm kam bedrohlich ins Wanken, als der Wildingerbauer die Kurve mit viel zu hoher Geschwindigkeit nahm. Im letzten Moment verlangsamte er die Fahrt und blieb knapp kaum mehr als zwanzig Zentimeter, vor dem anderen Gefährt stehen. »Ach, da schau her, der Wildinger«, höhnte Alois Burghauser. »Bist zu blöd zum Traktorfahren, was?« Er schüttelte den Kopf. »Es ist net zu glauben, was für Deppen heutzutag' einen Führerschein haben. Bestimmt hast den Prüfer bestochen, gell? Sonst würd'st doch heut' noch zu Fuß laufen und über deine eig'ne Beine stolpern, blöd wie's bist!« Vinzenz schäumte vor Wut, aber noch beherrschte er sich. Die zwei Bauern waren im ungefähren gleichen Alter, etwas über fünfzig Jahre.
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Der Traktor bog von der Landstraße auf den Wirtschaftsweg zur Jenneralm ein. Alois Burghauser drosselte dabei die Geschwindigkeit, denn der Weg beschrieb enge Kurven, rechts ging es steil die Bergwiese hinunter. Während der Bauer langsam hinauffuhr, sah er von oben einen anderen Traktor herunterfahren. Loisl Miene verfinsterte sich, als er den Lenker des anderen landwirtschaftlichen Fahrzeugs erkannte – Vinzenz Wildinger!
Sie waren höchstens noch knapp hundert Meter getrennt, und der Weg wurde hier besonders schmal. Eigentlich hätte der, welcher von unten heraufgefahren kam, anhalten und den anderen passieren lassen müssen, doch der Bergbauer dachte überhaupt nicht daran, sondern fuhr unverdrossen weiter.
Vinzenz hatte ebenfalls den Traktor seines Nachbarn und Intimfeindes erkannt. Er sah, dass Loisl nicht anhalten würde. Na, wart’, Bursche, dachte er, dir werd’ ich schon zeigen, wo’s lang geht!
Der voll beladene Hänger hinter ihm kam bedrohlich ins Wanken, als der Wildingerbauer die Kurve mit viel zu hoher Geschwindigkeit nahm. Im letzten Moment verlangsamte er die Fahrt und blieb knapp kaum mehr als zwanzig Zentimeter, vor dem anderen Gefährt stehen.
»Ach, da schau her, der Wildinger«, höhnte Alois Burghauser. »Bist zu blöd zum Traktorfahren, was?«
Er schüttelte den Kopf. »Es ist net zu glauben, was für Deppen heutzutag’ einen Führerschein haben. Bestimmt hast den Prüfer bestochen, gell? Sonst würd’st doch heut’ noch zu Fuß laufen und über deine eig’ne Beine stolpern, blöd wie’s bist!«
Vinzenz schäumte vor Wut, aber noch beherrschte er sich. Die zwei Bauern waren im ungefähren gleichen Alter, etwas über fünfzig Jahre. Während der Burghauser groß und stämmig in dem Führerhaus seines Traktors sitzen blieb, war Vinzenz kleiner, aber von drahtiger Figur, erbost herab gesprungen und stapfte auf den Nachbarn zu.
»Du weißt genau, dass du derjenige bist, der anzuhalten hat«, sagte er mit unterdrückter Erregung. »Aber du hast dich ja noch nie an die Spielregeln gehalten. Also, ich will keinen Ärger. Setz’ ein Stück zurück und lass mich vorbei.« Alois Burghauser lehnte sich gemütlich zurück und grinste frech. »Soweit kommt noch, dass man Deppen Vorfahrt gewähren muss«, grinste er hämisch vor sich hin.
»Treib’s net zu weit!«, mahnte der andere ihn, eine dicke Zornesfalte auf der Stirn. »Ich kann auch anders!«
Sein Nachbar brach in schallendes Gelächter aus. »Du? Ausgerechnet du? Gib acht, Bürschchen, dass ich dich net umpust’, wie der Wind eine Bohnenstange, du Zwerg.«
Das war zu viel. Mit einer Bewegung sprang der Wildingerbauer zur Tür des Führerhauses empor, öffnete sie und riss den Burghauser von seinem Sitz. Dabei war es ihm egal, dass der Kopf gegen das große Rad schlug, als sie beide herunterstürzten und über die Bergwiese rollten. Eng umschlungen, als seien sie ein Liebespaar, das übermütig herumtollt, ging es nach unten. Allerdings waren die beiden alles andere als ein Liebespaar. Der Hass, der zwischen den Bauernfamilien herrschte, ging auf einen uralten Streit zurück, von dem heute niemand mehr zu sagen wusste, wie er eigentlich entstanden war. Seit Generationen bekriegten sich die beiden Parteien, und mal trug diese, mal jene den Sieg davon.
Heute sah es so aus, als würde Vinzenz der Gewinner sein. Er hatte seinen Gegner im Schwitzkasten und schien gegen die Schläge, die immer wieder auf seinen Rücken und die Schulter trommelten, immun zu sein.
»Hör’ auf, du bringst mich ja um!«, keuchte Alois Burghauser.
Eigentlich war er dem Kontrahenten an Stärke und Körperkraft überlegen, aber Vinzenz war auch kein Schwächling. Erbarmungslos drückte er Loisl die Luft ab, sodass der schon rote Sterne vor seinen Augen sah.
»Das ist das Beste, was man machen könnt’«, rief er. »Dann wär’ endlich Frieden im Wachnertal.«
»Ist ja schon gut«, keuchte der Burghauser. »Ich geb’ ja nach.«
Vorsichtig lockerte Vinzenz den Griff. Beim Burghauserbauer konnte man nie sicher sein, ob es sich nicht um eine Finte handelte, und der Kerl im nächsten Moment zu einem heimtückischen Schlag ausholte.
Doch diesmal schien er wirklich genug zu haben. Nach Luft ringend, kamen die beiden Männer auf die Beine. Loisl warf dem anderen einen bösen Blick zu, den Vinzenz erwiderte. Dann stapften sie schnaufend nebeneinander her, die Bergwiese hinauf.
»So, jetzt fahr’ deine Rostlaube beiseite, damit ich endlich weiterkomm’«, befahl der Wildingerbauer seinem Nachbarn.
Sich irgendetwas in seinen Bart murmelnd, stieg der in das Führerhaus seines Traktors, startete den Motor und setzte langsam zurück. Das zahl’ ich dir heim!, dachte er dabei mit grimmigem Gesicht.
Vor Aufregung zitternd, weil er mit diesem Sieg gar nicht gerechnet hatte, erklomm Vinzenz ebenfalls seinen Sitz und drehte den Zündschlüssel und wollte anfahren. Dabei verwechselte er die Gänge, und, zu seinem Entsetzen, schob sich der Anhänger über die Kante des Weges. An dieser Stelle ging es besonders tief hinab, und ehe er sich versah, hing das rechte Hinterrad in der Luft.
Vinzenz kurbelte wie wild und riss am Schaltknüppel. Sein Fuß rutschte von der Bremse, und der Traktor machte einen weiteren Satz nach hinten.
»Himmeldonnerwetter noch einmal!!«, schimpfte der Bauer. »Was ist denn da los?«
Er wollte den Schaltknüppel greifen, packte aber in seiner Aufregung den, der die Hydraulik des Hängers einschaltete, und im nächsten Moment kippte der voll beladene Anhänger, und das Heu rutschte über die Ladekante auf die Wiese.
Durch das Manöver war die Bergstraße ein gutes Stück frei geworden. Alois Burghauser, der das alles von seinem Traktor aus, mit ungläubigem Erstaunen, verfolgt hatte, lachte noch einmal aus vollem Hals, als er seinen verhassten Nachbarn wild gestikulierend um den halbgekippten Hänger laufen sah. Loisl startete den Motor, fuhr an dem anderen vorbei und grinste ihn an.
»Gell, Wildinger, es ist net einfach, ein Bauer zu sein«, brüllte er durch den Motorenlärm. »Besonders net, wenn man so blöd ist wie du.« Dann pfiff er ein fröhliches Lied und fuhr den Wirtschaftsweg hinauf.
*
Max Trenker sah verwundert auf, als Vinzenz Wildinger in die Revierstube stürmte.
»Jetzt reicht’s!«, brüllte er dabei und schlug mit der Faust auf den Tresen, hinter dem der Schreibtisch des Beamten stand.
Der Bruder des Bergpfarrers hob tadelnd eine Augenbraue. Max sah es überhaupt nicht gerne, wenn in seinem Amtszimmer gebrüllt wurde, und schon gar nicht mochte er, wenn jemand mit der Faust auf den Tresen hieb.
»Was gibts denn, Wildingerbauer?«, fragte er. »Ist was passiert?«
»Und ob was passiert ist«, schnaubte Vinzenz aufgebracht. »Eine Anzeige will ich erstatten.«
»So? Gegen wen denn?«
»Gegen den Burghauser, diesen nichtsnutzigen Tagedieb.«
Max Trenker seufzte. »Wieder mal, ja?«
Wenigstens einmal im Monat erschien einer der beiden Kontrahenten auf der Revierstube und erstattete Anzeige gegen den jeweils anderen. Meistens waren es Bagatellen, und der Polizist musste ihnen klarmachen, dass sich kein Gericht der Welt mit solch einem hanebüchenen Unsinn befassen würde. Allerdings war er natürlich gezwungen, sich erst einmal anzuhören, was der Anzeigenerstatter vorzutragen hatte.
Mit einem Blick zur Uhr schaltete Max den Computer ein. Eigentlich war gleich Mittagspause, und er hatte vorgehabt, zum Essen ins Pfarrhaus hinüber zu gehen.
»Also, was hats denn diesmal gegeben?«, fragte er. »Schuld ist er, der Kerl, dass mir die Ladung über die Bergwiese gekippt ist«, schäumte Vinzenz Wildinger. »Ich verlang’ Wiedergutmachung!«
»Nun mal langsam und ganz von vorn«, sagte Max.
»Was genau ist denn gescheh’n?«
Es dauerte eine Weile, ehe der Bauer den Hergang der Auseinandersetzung schildern konnte. Der junge Polizist hörte geduldig zu, verdrehte aber zwischendurch immer wieder die Augen, als er die Geschichte hörte. Dann schaltete er kopfschüttelnd den Computer wieder aus und lehnte sich vor.
»Ich denk’, den ganzen Aufwand können wir uns sparen«, meinte er zu Vinzenz Wildinger. »Der Burghauser kann net dafür, wenn du die Gänge verwechselst, und die Schaltung mit der Hydraulik. Damit kommst’ bei keinem Richter durch.«
Der Bauer sah ihn bestürzt an. »Ja aber, der Lumpenhund ist doch schuld an der ganzen Sache«, behauptete er. »Na ja, sagen wir mal, er hats provoziert, aber das langt net für eine Anzeige. Im Übrigen, Wildingerbauer, eure dumme Auseinandersetzung ist so überflüssig, wie ein Kropf. Warum rauft ihr euch net zusammen und lebt in Ruhe und Frieden?«
Er schüttelte den Kopf. »Herrgott noch einmal, wie viel Jahr’ geht das jetzt schon so mit euch? Allmählich müsst ihr doch einmal die Nase davon voll haben.«
Vinzenz schluckte. Mit einer Mordswut im Bauch war er hergekommen, um diesen Kerl anzuzeigen, und jetzt sollte eine Anzeige nichts bringen? Er kochte immer noch, wenn er daran dachte, wie er den Traktor und Hänger mühsam wieder auf den Wirtschaftsweg bugsiert hatte. Von der Arbeit, das Heu wieder aufzuladen, ganz zu schweigen. Wieder schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Das werden wir ja seh’n«, rief er. »Dann werd’ ich eben seh’n, dass ich woanders Gerechtigkeit bekomm’!«
Max erhob sich und kam nach vorne. »So, Wildingerbauer, das war das letzte Mal, dass du hier herumgebrüllt und auf den Tresen geschlagen hast. Noch einmal, und ich steck’ dich wegen einer Ordnungswidrigkeit ins Gefängnis!«
Dabei schaute er so, dass Vinzenz keinen Zweifel hatte, der Polizist würde seine Ankündigung in die Tat umsetzen. Er schluckte seinen Zorn hinunter und machte auf der Stelle kehrt. Max schüttelte wieder den Kopf. Es war einfach unglaublich, was sich zwischen den zwei befeindeten Familien schon alles abgespielt hatte. Er zog die Uniformjacke über, setzte seine Dienstmütze auf und verließ die Revierstube. Draußen herrschte strahlender Sonnenschein, und Max konnte überhaupt nicht verstehen, wie sich Menschen bei solch herrlichem Wetter in den Haaren liegen konnten.
Im Flur des Pfarrhauses duftete es verführerisch, und in der Küche stand Sophie Tappert und briet Fleischpflanzerl. Sebastian hatte sich schon an den Küchentisch gesetzt, wo die Woche über immer gegessen wurde. »Grüß dich«, nickte er dem Bruder zu. »Du schaust so grimmig drein. Hats Ärger gegeben?« Max setzte sich. »Net direkt«, antwortete er. »Der Wildinger war eben bei mir und wollt’ mal wieder Anzeige erstatten.«
»Du liebe Güte«, seufzte Sebastian. »Geht das schon wieder los?«
Der junge Polizist berichtete, was sich eben in der Revierstube zugetragen hatte. Der Bergpfarrer konnte es nicht glauben. »Da hilft’s wahrscheinlich auch net, wenn ich mit den beiden rede«, meinte er. »In der Angelegenheit sind sie stur wie zwei Maulesel.«
»Worum gehts denn eigentlich bei diesem Streit?«, wollte Max wissen.
»Wenn das noch jemand wüsst’!« Die Haushälterin hatte das Essen aufgetragen. Zu den Fleischpflanzerl gab es Gemüse aus dem Pfarrgarten und ein herrlich lockeres Kartoffelpüree. Max unterdrückte seinen Ärger über den Wildingerbauern und langte ordentlich zu.
»Die Ursache dieser Auseinandersetzung liegt im Dunkeln«, erzählte Sebastian Trenker. »Es gibt net einen, von allen, die ich darüber befragt hab’, der etwas davon weiß, worum es bei diesem Streit eigentlich geht.« Das Einzige, was er jemals erfahren hatte, war, dass schon die Großväter der jetzigen Bauern sich nicht grün waren. Aber warum? Darüber gab es nur hilfloses Kopfschütteln und wilde Vermutungen.
»Na ja, da werd’ ich heut’ Nachmittag wohl mal ein paar Höfe besuchen müssen«, meinte der Geistliche. »Aber ob’s wirklich hilft …?« Der Zweifel in seiner Stimme war deutlich zu hören.
*