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Sara Campell hat ihre High School Zeit in keiner guten Erinnerung. Außer einer. Nick J. Rivendale. Einstiger Captain des Footballteams und jetziger Quarterback bei den L.A. Punisher. Und zufällig war er ihr Nachbar. Als sie ihn wiedersieht, möchte sie nichts mit ihm zu tun haben, aber Nick ist hartnäckig, obwohl sie eine vorgefertigte Meinung über Sportler hat. Er gibt nicht auf, denn wenn einem etwas wichtig ist, dann kämpft man. Selbst wenn einem die Vergangenheit verfolgt. Oder? In diesem Sammelband sind alle Fake Game Bücher in einem: Fake Game: Don’t lose my love (Nick & Sara) Fake Game: Win or lose (Jason & Chloe) Fake Game: Lifeguard (J.R. & Caroline) Fake Game: Gay or not (Mike & Jess) Fake Game: Win back my love (Nick & Sara) und als Bonus: Fake Game: Christmas Es handelt sich um eine fünfteilige Sportromance, die eine Hintergrundgeschichte beinhaltet und in der nicht nur die Hauptcharaktere sondern auch die Nebencharaktere ihre eigene Geschichte bekommen.
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Leone Books Edition
Vollständige E-Book Version
09/2023 1.Auflage
Fake Game
Sammelband
© by Pia Cole
© by Leone Books Edition
Neubaug. 4
2490 Ebenfurth
Umschlaggestaltung: ©2023 by Leone Books Edition
Umschlagabbildung: Freepik/Depositphotos
Lektorat/Korrektorat: Claudia S. (LBE)
Alle Rechte vorbehalten!
Nachdruck, auch auszugsweise, nicht gestattet.
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
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Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung
und öffentlichen Zugänglichmachung.
Für all jene,
die schon einmal unsterblich verliebt waren.
Für all jene,
die sich in ihren ersten Schwarm verliebt haben.
Für all jene,
die an die einzig wahre Liebe glauben.
Nick.
Dieser eine Name ließ mich schon seit Tagen nicht mehr los. Keine Ahnung, warum ich jetzt gerade wieder an ihn dachte. Er, mein Jugendschwarm.
Natürlich heimlich!
Damals auf der High-School traute ich mich nicht, ihn anzusprechen. Warum? Nun, er war der Captain des Footballteams, Liebling der Cheerleader, mein Favorit und der Freund von Brittany.
Gott, wie ich diese Furie hasste. Sie hatte mir das Leben schon immer schwer gemacht. Zu jener Zeit wünschte ich ihr die Pest an den Hals. Heute … nun ja, eigentlich auch, aber ich empfand Mitleid mit ihr. Es war sicher sehr anstrengend, den Rang einer High-School-Ikone zu halten. Laufend Intrigen zu planen und dagegen selbst zu bestehen. Es wäre mir viel zu mühsam. Abgesehen davon, der ganze Glanz und Glamour. Was für eine schreckliche Vorstellung.
Ich starrte aus dem Fenster, trank meinen Cappuccino und ließ die Gedanken in meinem Lieblingscafé schweifen, während das Skript vor mir auf dem Tisch lag. Unberührt. Das unvollendete Werk musste ich noch überarbeiten, da es gerade von meiner Lektorin zurückgekommen war. Wie so oft machte sie Verbesserungen und mir blieb nichts anderes übrig, als sie auszubessern oder besser gesagt, mir zu überlegen, ob ich sie in den Text mit hineinnahm. Der ganze Text war teils mit roten Markierungen versehen oder kleine Post-it stachen heraus. Ich seufzte, als ich dieses Chaos, das einmal ein Buch werden sollte, betrachtete.
Nun gut. Jetzt musste ich wirklich einmal mit dem Skript beginnen, wenn ich wollte, dass es in ein paar Tagen ins Korrektorat und anschließend an den Start ging. Ich setzte meine Tasse ab und änderte die Vorschläge, die mir schreiend entgegensprangen.
Es war ruhig im Café, denn ich genoss die Stille, dadurch konnte ich um einiges besser arbeiten. Wie das Schicksal so spielte, wurde genau in dem Moment die Tür aufgerissen und eine Schar Typen kam herein. Ich weigerte mich aufzusehen. Ihr Gegröle hörte ich auch so.
»Nein, wenn ich es dir doch sage. Die Kleine wollte mich und natürlich habe ich nicht nein gesagt. Wieso sollte ich auch? Wir haben ja alle unsere Fans und ich habe jede einzelne Sekunde ausgekostet, wenn du verstehst, was ich meine«, gab der Eine zum Besten.
Ich rollte mit den Augen. Das war sicher so ein Angeber-Typ. Solche Arten von Typen kannte ich sehr gut. In der High-School hatte es diese Spezies zur Genüge gegeben und natürlich kamen sie auch meist in meinen Büchern vor.
Ich grinste, als ich daran dachte, durch welche Höllenqualen ich sie in den Geschichten schickte. Obwohl, manchmal entwickelten sie sich zum Guten und manchmal blieben sie die Arschlöcher, die sie nun einmal waren.
Ich hörte, wie einige ihn beglückwünschten. Gott, was für ein männlicher Ego-Trip.
»Mike, dass glaubst du doch wohl selbst nicht? Die Kleine wollte dich? Nie im Leben. Sie hat dir ganz klar eine Ansage gemacht, dass du sie in Ruhe lassen sollst. Also komm wieder von deinem Ego-Trip runter.« Diese eine Stimme, die ich unter hunderten erkennen würde.
Mir entglitten die Gesichtszüge. Das konnte unmöglich wahr sein. War er es? Ich schüttelte den Kopf. Nein, das war er sicher nicht. Das war gewiss meiner Einbildung geschuldet. Ein Trugschluss meiner Sinne.
»Komm schon, Nick. Das kannst du nicht bringen. Nicht vor den Jungs«, beklagte sich dieser maulend.
Nick?
Mein Nick? Na ja, nur in meinen Träumen. Dieser Nick?
Oh Gott!
Meine Augen hefteten sich felsenfest auf das Skript und ich traute mich nicht aufzusehen. Meine Ohren waren hingegen wie die eines Luchs gespitzt.
»Lass den Scheiß, Mike. Also, bestellt. Wir müssen dann zurück zum Feld. Los! Ich geh mal …«, sagte er zu ihnen.
Mein Herzschlag verdoppelte sich und meine Hände fingen zu schwitzen an. Er wollte doch nicht zu den Toiletten? Da musste er direkt an mir vorbei. Oh Mann.
Ich hoffte, dass er mich nicht beachtete. Zumindest hatte er dies in der High-School nie getan. Obwohl …
Ich bemerkte im Augenwinkel, wie er gerade an mir vorbeischlenderte. Einen kurzen Blick wagte ich, nicht das ich mich sonderlich auf das Skript konzentrierte. Von hinten sah er noch besser aus als damals. Seine Muskulatur war ausgeprägter und sein Hintern … Verdammt!
Unwillkürlich biss ich mir auf die Lippen und krallte meine Fingernägel in die Hand, sodass ich keinen Seufzer von mir gab. ›Sara denk nach … das kannst du nicht bringen. Konzentrier dich‹, hämmerte ich mir in Gedanken ein.
Eine meiner gelockten Strähnen fiel mir ins Gesicht. Ich streifte diese hinter mein Ohr, nahm den Stift, kaute darauf herum und starrte aus dem Fenster.
Meine Konzentration war futsch. Irgendwo im Nirwana versunken. Ich dachte seit Tagen an ihn und plötzlich stand er mitten in dem Café, in dem ich mich rein zufällig befand und an meinem Skript arbeitete. In meinem Lieblingscafé. War ich jetzt in einem meiner Romane gefangen? Hatte ich einen Unfall und wusste es nicht? Was ging hier vor?
Stopp!
›Beruhige dich‹, trichterte ich mir ein. Atmen. Das war das Patentrezept für alles.
Ich schaute auf die erste Seite des Skripts und las den ersten Satz.
Und ein weiteres Mal … und noch … verdammt … ich konnte nicht auf die Geschichte eingehen, die vor mir ausgebreitet lag, während seine Freunde weiterhin quatschten.
»Weiße Bohne?«, fragte plötzlich eine Stimme neben mir.
Augenblicklich schnürte es mir die Kehle zu. Was? So hatte er mich genannt, als wir uns das erste Mal begegneten. Ich war zutiefst beleidigt gewesen, nur nach und nach wurde mir klar, dass er mich necken wollte und es komplett nach hinten losgegangen war. Diese eine Situation bereute ich zutiefst. So wie vieles andere in meinem Leben.
Langsam hob ich meinen Blick. Er trug normale Klamotten, die hauteng jede Körperzone betonten, seine Hemdsärmel waren aufgekrempelt und der Bizeps sprang mich direkt an. Meine Kehle war jetzt nicht nur eng, nein, sie war staubtrocken, als ich in sein schmunzelndes Gesicht blickte.
Einzelne verirrte Strähnen hingen ihm ins Gesicht und ich war … verzaubert. Er hatte noch immer dieselbe anziehende Wirkung auf mich.
»Hi«, krächzte ich.
Er stützte sich mit seinen Händen auf den Tisch, sodass dieser ein wenig nachgab. »Dass ich dich wieder einmal sehe. Damit hätte ich nie gerechnet. Sag, wie geht’s dir? Was machst du in L.A? Bist du auf Urlaub? Verheiratet?«
Wow, was?
Ich runzelte die Stirn. Er tat so, als ob wir früher ständig geredet hätten. Ja, klar, wir waren als Kinder zusammen aufgewachsen, aber in der High-School hatte er mich keines Blickes gewürdigt.
»Ähm, Nick. Verzeih, aber wir sind keine Freunde. Dafür hast du damals gesorgt und auf Smalltalk steh ich wirklich nicht. Du solltest wieder zu deiner grölenden Bande zurückkehren«, sagte ich, auch wenn es mir ein wenig leidtat.
Wir lebten in ganz unterschiedlichen Welten und ich lernte früh, dass man Menschen, die ein fantastisches Aussehen gepachtet hatten, nicht vertrauen durfte. Selbst wenn sie Nick J. Rivendale hießen.
Er schmunzelte und etwas sagte mir, dass mir dieses Lächeln nicht behagte. Seinen Blick ließ er zu seinen Freunden gleiten und meinte nur: »Warte.«
Ich sah ihn skeptisch an, während er zu seinen Leuten ging und mit ihnen etwas beredete. Sie nickten, einer klopfte auf seine Schulter, ein anderer sah zu mir, während die anderen ihre Getränke nahmen und gingen.
Ich drehte mich sofort um und war gerade dabei den Laptop in der Tasche zu verstauen, trank den Rest des Kaffees in einem Zug aus, als …
»So, meine ›grölende Bande‹,«, dabei malte er Gänsefüßchen in die Luft, »wie du sie vorher nanntest, ist weg. Können wir uns jetzt unterhalten?«, fragte er. Nick setzte sich unaufgefordert auf die Bank, sodass ich nicht mehr aufstehen konnte.
Misstrauisch sah ich ihn an. »Nick, was soll das? Du hast sicher wichtigeres zu tun, und ich auch. Also … könntest du bitte aufstehen, so dass ich gehen kann«, sagte ich und versuchte ihn mit einer Geste aufzuscheuchen.
Er kniff kurz die Augen zusammen und musterte mich, dabei zuckte seine Lippe amüsiert. »So nervös, kleine Sara.«
»Tschuldige mal, aber checkst du mich gerade ab? Ehrlich, ich habe keine Ahnung, was in deinem Sportlerhirn abgeht, aber gesund kann es nicht sein. Lass mich jetzt raus und meiner Wege gehen«, sagte ich energischer, als ich mich fühlte.
Er gab seinen Ellbogen auf den Tisch und rutschte etwas näher.
Was sollte das denn jetzt?
»Hm, wie kommst du darauf, dass ich ein krankes Sportlerhirn habe? Mal abgesehen davon, dass ich Sportler bin.«
War das gerade sein Ernst?
»Vielleicht, weil du erstens die Statur hast, zweitens schon an unserer Schule der Captain des Footballteams warst und drittens, dein Super-Bowl Ring. Also, reicht dir das?«, fragte ich genervt.
Er betrachtete seinen Ring, spielte daran und setzte hinzu: »Du hast eine gute Auffassungsgabe und bist unglaublich süß, wenn du verlegen wirst. Weißt du das?«
Ich verdrehte die Augen. »Nick, lass dir eins gesagt sein. Ich bin nicht verlegen, nur genervt, und zwar von dir. Also, könntest du mich jetzt endlich gehen lassen?«
»Ganz wie Madame wünscht.« Er stand auf und machte eine galante Bewegung, sodass ich den Vortritt hatte.
»Danke.« Ich rutschte von der Bank und ging zur Kasse, um zu zahlen. Als ich die Geldbörse aus der Tasche heraus kramte, hielt er meine Hand zurück. Diese kurze Berührung, dessen Funke auf mich übersprang, ließ mich erzittern.
»Was macht das?«, fragte er die Kellnerin.
Hatte er gerade vor zu bezahlen? »Das musst du nicht. Ich kann das auch …«
»Ich möchte es aber«, unterbrach mich Nick.
Was passierte hier soeben? Das war nicht der Nick, denn ich von der Schule kannte. Aufgeblasen, arrogant, egoistisch … Gut, es waren auch schon einige Jahre vergangen, aber …
Er verabschiedete sich von der Kellnerin und ich sah ihn dabei mit großen Augen an. Ich machte es ihm gleich, sagte allerdings: »Bye Karen.«
Meine beste Freundin nickte mir zu, grinste und ich ging mit verwirrten Gedanken aus dem Laden. Gefolgt von ihm.
»Darf ich dich wiedersehen?«, fragte er plötzlich.
Was? Ich hatte ihn wie lange nicht gesehen. Jetzt durch Zufall und dann wollte er mich wiedersehen? »Wo ist der Haken?«, fragte ich skeptisch.
Er strich sich seine Haare nach hinten. »Wieso sollte da ein Haken sein? Darf ich dich denn nicht wiedersehen? Ich bin die nächsten sechs Wochen hier, bevor es zu den Auswärtsspielen geht. Also, was sagst du?« Er lehnte sich lässig gegen eine Straßenlaterne.
Ich sah ihn eine ganze Weile an und wägte ab. War ich wirklich dabei, es ihm zu erlauben? Er war mein Schwarm und ich …
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen.»Sorry Nick, aber ich passe! Es war nett dich wiederzusehen, allerdings weißt du nichts über mein Leben und ich nichts über deins. Wie es scheint, bist du bei deinen Träumen angelangt und das ist gut so. Ich werde nicht mit einer Person ausgehen, die in der Öffentlichkeit steht. Das ist mein letztes Wort.«
Ich ließ ihn stehen und ging meines Weges.
Natürlich fiel es mir schwer, aber … Nein, es war das Beste so. Für ihn und für mich.
Schon allein der Gedanke, dass er … ein angesehener Footballspieler und ich eine Autorin.
Den Gedanken belächelte ich. Es war zu lächerlich.
Ich wusste, als ich den Rasen in meiner Montur betrat, dass die blöden Sprüche nicht lange auf sich warten lassen würden. Und ich hatte recht. Ein Gebrüll, ähnlich einem Geheule, ging durch mein Team. Die blöden Pfiffe ignorierte ich. Mike hatte bereits beste Arbeit geleistet. Egal, was er ihnen gesagt hatte, es war übertrieben.
Mit dem Helm in der Hand ging ich zu den Jungs, die sich bereits aufwärmten.
»Und?« Mike kam zu mir und grinste saudämlich.
»Was und?« Ich versuchte ihn geflissentlich zu ignorieren, doch scheiterte kläglich.
»Ach komm schon. Wir wollen alle wissen, ob, wie und … hast du ihre Nummer? Sicher hast du die. Wann startest du den Angriff?«, bohrte er weiter und wackelte mit den Augenbrauen.
Ich sah ihn verständnislos an, legte die Stirn in Falten und schüttelte leicht den Kopf. Die anderen Jungs kamen näher und …
»Ein Gentleman genießt und schweigt. Das solltest du auch einmal versuchen, Mike. Würde dir nicht schaden«, sagte ich und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. In die Runde rief ich: »Und jetzt los. Trainieren wir … Aufstellung.«
Einige lachten, aber sie alle nahmen ihre Plätze ein, so, wie ich es von ihnen forderte. Auch wenn Noland, unser Head Coach Trainer, noch nicht anwesend war, so hörte das Team stetig auf mich.
Meine Gedanken wanderten zu einem blondgelockten Engel. Es wurmte mich, dass Sara mich einfach so abblitzen ließ. Vielleicht lag es auch daran, dass ich einen plumpen Versuch startete. Ich war begierig, mehr über sie herauszufinden. Sara war zu einer verführerischen Schönheit herangewachsen. Das mir das erst jetzt auffiel. Wieso hatte ich das damals nie wahrgenommen?
Eines war klar: Ich wollte sie wiedersehen. Vielleicht war es ungeschickt, aber ich hatte das Normalste der Welt getan. Als sie wie ein Wirbelwind abrauschte, ging ich nochmals zurück und fragte Karen nach Saras Nummer. Natürlich war mir erst beim zweiten Mal aufgefallen, dass ich Karen kannte. Sie war damals in der High-School im selben Jahrgang wie ich. Welch ein Zufall. Nach einigem hin und her, setzte sie sich doch darüber hinweg und gab mir Saras Nummer. Dass sie drohte mir alles abzuschneiden, falls ich Sara verletzte, ließ mich kurz zusammenzucken. Aber auch nur für einen kleinen Moment, den ich schnell in die hinterste Ecke meines Hirns verbannte. Schließlich wollte ich sie näher kennenlernen, was die Zukunft betraf, … darüber machte ich mir noch keinen Kopf.
Jetzt musste ich erstmal einen Weg finden, um sie wiederzusehen. Ganz sicher würde ich sie nicht anrufen, denn ich war mir zu neunzig Prozent sicher, dass Karen es ihr brühwarm erzählte.
Allerdings würde Sara auch nicht neben dem Telefon sehnsüchtig auf einen Anruf von mir warten, so wie es die meisten Weiber, die auf Ruhm und Glamour aus waren, in meiner Welt taten. Ich brauchte eine Idee. Eine gute.
Ein Schmunzeln huschte über meine Lippen, denn ich hatte schon einen Plan. Ich setzte den Helm auf, positionierte mich hinter dem Center und rief:
»Down. Set. Hut«
***
»Hast du uns heute so hart ran nehmen müssen?« Maulend schritt Mike neben mir, während Jason, unser Runningback, sich ein Lachen verkniff.
»Komm schon. So schlimm war es heute bei weitem nicht, wie du schon wieder tust. Das ist, wenn du nicht munter zum Training kommst. Das sollte sich ändern.« Ich ging an ihm vorbei, hörte hingegen, wie er in sich hinein murrte.
Kopfschüttelnd betrat ich die Umkleide der L.A. Punisher und die Jungs machten sich zum Teil fertig, um nach Hause zu fahren oder sich später in einer Bar zusammenzufinden.
Normal wäre ich auch für Letzteres gewesen, doch heute wollte ich dem Geheimnis Sara Campell auf die Spur gehen.
Ich schmiss die Sachen in den Spind, nahm mir ein Handtuch und ging zu den Duschräumen. Bevor ich zu meiner Schwester fuhr, wollte ich wieder vorzeigbar sein. Jason und Mike standen bereits in den Duschkabinen und unterhielten sich lautstark über irgendwelche Weiber, während das Wasser prasselte. Es war schwer, dem kein Gehör zu schenken.
» … hast du das gestern gesehen? Ihre Freundin hat mich mit ihren Augen verschlungen. Wenn sie heute wieder im Club ist, werde ich sie mir zu Gemüte führen. Du weißt, was ich meine«, gab Mike zum Besten. Dabei wackelte er anzüglich mit den Augenbrauen.
Ich sah ihn skeptisch an. Noch nie hatte er etwas gerissen und wenn, dann waren die Frauen am nächsten Tag stocksauer auf ihn. Weiß der Henker was er mit ihnen aufführte. Im Grunde interessierte es mich auch nicht. Solange er volle Leistung auf dem Spielfeld brachte, war es mir schlichtweg egal.
Als ich fertig geduscht hatte, wickelte ich mir das Handtuch um die Hüften und wollte aus dem Duschbereich hinaustreten, doch Jason hielt mich auf.
»Nick, kommst du mit? Wird sicher wieder lustig. Außerdem musst du dir anschauen, wie Mike auf die Schnauze fällt. Dieses Mal hat er kein Glück.«
Mike sah Jason abfällig an und knurrte: »Pah. Kein Glück? Das wirst du heute noch sehen. Ich werde einen Pitch machen. Ein Hole in One.« Er warf symbolisch einen Ball in den Korb.
»Willst du wetten? Du wirst die Kleine niemals abschleppen.«
Mike war mit Feuereifer dabei und schlug ein, dabei pfiff er eine Melodie und ging zu seinem Spind. Ich sah Jason verständnislos an.
»Was denn? Ich kenn die Kleine und sie will sich an Mike rächen, dabei darf ich doch auch ein wenig daran verdienen. Findest du nicht? Außerdem ist er dann vielleicht nicht mehr so großspurig«, gab er schmunzelnd von sich. »Also, was ist jetzt? Bist dabei?«
»Nein, lass mal. Für heute reicht es mir. Ich muss mich auch wieder bei meiner Schwester blicken lassen. Wenn, dann morgen, aber da sag ich euch noch rechtzeitig Bescheid.« Ich nahm meine Klamotten aus dem Spind und zog mich an.
»Du verpasst auf alle Fälle was. Sicher, dass du nicht dabei sein willst?«
Ich hob einen Mundwinkel an. »Ganz sicher. Du kannst, wenn du willst, das Spektakel auf Video festhalten.«
Verschwörerisch kam er näher und flüsterte: »Was dachtest du denn? Das mache ich ganz bestimmt.«
Ich schüttelte den Kopf, schnappte mir die Tasche und bevor ich ging, rief ich: »Wir sehen uns, Jungs. Bleibt anständig.«
Ein einstimmiges Gemurre war zu vernehmen und ich trat den Weg zu meinem Wagen an. Mein Team war eine Nummer für sich, aber ich konnte mich immer auf sie verlassen. Das war nun einmal in einer Familie so. Ja, wie unser Trainer stets zu sagen pflegte: »Ein Team, eine Familie.« Dass ein paar von ihnen durchgeknallt waren, damit musste ich wohl leben.
Ich stieg in den Rubicon, startete den Motor, drehte AC/DC lautstark auf und fuhr nach Hause. Als ich dort ankam, traute ich meinen Augen kaum. Zum größten Teil war ich geschockt, zum anderen erleichtert. Die Hütte stand zum Glück noch, doch es sah aus, als wäre ein Tornado durch das Anwesen gefegt.
Ich schlug die Tür des Jeeps zu, schulterte die Tasche und ging den steinernen Weg zur Tür. Auf dem gepflegten Rasen lagen alles Mögliche wie leere Becher, Servietten und war das …? Ich trat näher, kniff die Augen zusammen und sah es – ein Kondom.
Angewidert ging ich weiter und hörte, wie meine kleine Schwester fluchte. Langsam trat ich ein und ließ meine Tasche auf den Boden fallen. Mit verschränkten Armen stand ich in dem Haus, das wie ein Schweinestall aussah.
»Ist das dein Ernst, Chloe? Was war hier los?« Obwohl ich es bereits wusste, stellte ich die Frage.
Sie blickte ertappt drein, als sie den Kopf zu mir wandte und Röte ihr ins Gesicht schoss. »Oh, du bist wieder zurück?« Erschrocken wich sie zurück und umklammerte den Müllsack fest in Händen.
Ich schnaubte verächtlich. »Was denkst du dir? Ich bin nicht da und du gibst eine Party? Oder was war das hier?«
Chloe machte gerade den Mund auf, als Eve hereinkam. »Chloe, ich hab nichts anderes gefunden, aber wir sollten schnell sauber machen, bevor …«
Erst jetzt erkannte sie, dass ich anwesend war. Ich stemmte die Hände in die Hüften und starrte meine Schwester sowie unsere Haushälterin erbost an.
»Und? Ich warte«, gab ich säuerlich von mir.
»Mr. Rivendale, Sir. Ihre Schwester hatte nur …«
Ich ignorierte Eve und war nur auf Chloe fixiert. Unsere Haushälterin wollte erneut ansetzen, als ich sie unterbrach.
»Ich denke nicht, dass Sie hier eine Party gegeben haben, oder? Daher bitte ich Sie, dass Sie sich heute freinehmen. Gehen Sie. Sofort!« Das letzte Wort brüllte ich hinaus und ich erkannte zu meiner Freude, dass Chloe zusammenzuckte. Wie auch Eve. Letzteres war bestimmt nicht meine Absicht gewesen, doch es erfüllte seinen Zweck.
Eilig holte sie ihre Tasche, murmelte ein »Bis morgen« und verließ das Schlachtfeld. Denn nichts anderes war dies. Meinen Blick heftete ich weiterhin auf Chloe.
»Nick, es tut mir leid. Ich dachte …«
Ich schnaubte. »Du dachtest, ich komme morgen. Ist es nicht so?« Genervt schüttelte ich den Kopf. »Ich weiß wirklich nicht, was du dir dabei gedacht hast. Du bist eine Einser-Schülerin und fällst nie aus der Reihe. Was sollte das? Du hast eine tolle Zukunft vor dir. Ich ermögliche dir alles und das ist der Dank?«
Ich redete mich so in Rage, dass ich erst zu spät bemerkte, dass Chloe komplett durch den Wind war. Einzelne Tränen kullerten ihr von der Wange hinunter und sie setzte sich auf die Armlehne. Der Müllsack in ihrer Hand fiel zu Boden. Schuldgefühle überkamen mich. War ich zu streng? Ich wollte doch nur das Beste für sie.
Vorsichtig bahnte ich mir einen Weg durch den Müllhaufen, der kreuz und quer lag, um zu Chloe zu gelangen. Als ich bei ihr war, kniete ich mich vor sie. Es tat mir im Herzen weh, sie so traurig zu sehen. »Entschuldige Kleines. Vielleicht war ich zu streng zu dir. Es ist nicht so einfach, Bruder und Vater gleichzeitig zu sein.«
Sie schüttelte energisch den Kopf. »Das ist es nicht. Du bist als Bruder perfekt und eigentlich sollte ich nicht rebellieren, aber seit … Ich will nicht so sein. Nur ist es für mich nicht leicht in der Schule.«
Überrascht sah ich sie an. »Was genau meinst du? War jemand gemein zu dir? Hat dich jemand bedrängt? Wenn …«
Sie riss die Augen auf. »Nein, das ist es nicht. Aber weißt du, wenn man einen Bruder hat, der in der Schule der Größte war, dann ist das nicht so leicht in seine Fußstapfen zu treten. Um genau zu sein, es ist die Hölle.«
Ich versuchte meiner kleinen Schwester gedanklich zu folgen, doch es war mir nicht vergönnt. »Kleines, was willst du mir …«
Sie schniefte und rief aufgebracht: »Ich bin nicht beliebt. Keine Spur. Jeder hat Mitleid mit mir und es ist so schrecklich. Immer als die kleine Schwester von dem großen Football-Star zu gelten, ist furchtbar. Also wollte ich auch einmal zu den coolen Mädchen gehören und hab eine Party veranstaltet. Das Resultat siehst du ja.«
Und wie. Hoffentlich waren die Pubertierenden nicht an meine Trophäen gegangen. Ich knirschte mit den Zähnen. Dann würde es eindeutig nach Krieg riechen. »Wieso hast du nichts gesagt, Chloe? Wenn du Tipps benötigst, hättest du nur etwas sagen müssen. Ich kann mir vorstellen, dass es für dich nicht allzu leicht ist, aber ich bin für dich da.« Ich zog sie in meine Arme und bemerkte anhand meines Shirts, wie sie ihren Tränen freien Lauf ließ.
Natürlich war es mir im Ansatz kaum möglich, mir vorzustellen, was sie wirklich durchmachte. Solche Probleme hatte ich nie. Als Quarterback der Schule war ich der Star gewesen und im Nachhinein bereute ich, wie ich mich aufgeführt hatte. Doch so war es immer. Wie also konnte ich Chloe helfen?
Auf Anhieb fiel mir nur Eine ein und diese bestimmte Person wollte ich nie mehr sprechen. Überhaupt da ihre Schwester in die gleiche Schule ging wie Chloe. Wenn ich mich nicht irrte, sogar in die gleiche Schulstufe.
Soweit ich hörte, war Brittany‘s Schwester die Anführerin von dieser Clique, die vermutlich Chloe das Leben schwer machte. Glatt könnte man meinen, dass das ein Racheakt war. So tief würde sie niemals sinken. Schließlich hatte Brittany das erreicht, was sie schon immer wollte. Reporterin des Lokalsenders von L.A. Obwohl sie eher das Wetter moderierte.
Ich kratzte mich am Kinn und sah meine Schwester an. »Wir werden schon einen Weg finden, wie wir dein Image aufpolieren können. Aber zunächst sollten wir einmal den Sauhaufen hier beseitigen. Okay?«
Sie wischte sich die Tränen ab. »Du hilfst mir, obwohl ich …«
»Natürlich. Jeder macht mal Blödsinn. Los. Machen wir uns an die Arbeit. Danach bestell ich uns Pizza.«
»Bei Vitos?«, rief Chloe euphorisch.
Ich zwinkerte ihr zu. »Natürlich, wo sonst.«
Ich schloss hinter mir die Tür, lehnte mich für einen kurzen Moment dagegen, hielt inne, froh, in meinen eigenen vier Wänden zu sein. Die Tasche stellte ich auf den Boden, streifte mir die Schuhe ab und ging schnurstracks in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen.
Während ich hantierte, schweiften immer wieder meine Gedanken zu Nick. Wie gut er aussah. Er hatte sich kaum verändert, nur seine Statur. Sie wirkte muskulöser. Als er sich auf die Tischplatte stemmte … Ich musste wirklich aufpassen, dass ich nicht den ganzen Tisch voll sabberte. Wie er sich zu mir hinsetzte, so als ob er mich begehren würde. Das war absoluter Schwachsinn. Ein Kerl wie er … und ich? Niemals!
Ich schrak zusammen, als mein Handy lautstark klingelte. Allem Anschein nach war ich viel zu tief in meinen Grübeleien versunken. Ich ging zur Garderobe und kramte in der Tasche nach diesem unnützen Teil. Dieser penetrante Klingelton machte mich irre, da ich es nicht gleich fand. Als ich das Handy in der Hand hielt, hörte es zum Klingeln auf. War ja klar.
Ich schwor mir, dass ich demnächst diesen Klingelton ändern würde. Nur in was? Ich öffnete die Sperre und sah, dass Karen mich angerufen hatte. Was wollte sie denn jetzt? Ich runzelte die Stirn. Schließlich hatte ich mich vor einer halben Stunde von ihr verabschiedet, auch wenn nur kurz und flüchtig.
Ich drückte die Kurzwahltaste und rief sie zurück.
»Hi. Was gibt’s?«
Sie hyperventilierte fast, als sie ins Handy euphorisch hineinschrie: »Du glaubst nicht, was gerade passiert ist.«
Ich hielt das Handy etwas weiter von meinem Ohr weg und seufzte innerlich. »Was ist denn passiert?« So genau wollte ich es nicht wissen, denn bei Karen passierte immer schnell irgendetwas. Ich kannte sie bereits seit der Schulzeit, auch wenn sie eine Stufe über mir war. Sie war eine quirlige, leicht verrückte Person. Mit ihr war es immer lustig und sie zog mich immer überall mit hin. Sogar in den allergrößten Schlamassel.
»Okay, also, bevor du dich aufregst. Ich habe wirklich gekämpft«, sagte sie und mir schwante böses.
»Was hast du getan?« Dabei presste ich jedes einzelne Wort zwischen den Zähnen heraus.
Lautstark seufzte ich ins Telefon und Karen sagte, was ich wirklich niemals hören wollte. »Also. Nick ist vorher ins Café zurückgekommen und hat mit mir etwas gequatscht. Natürlich war er interessiert … an dir. Ich habe gekämpft, wie eine Löwin, das musst du mir glauben, aber er hatte bessere Argumente und …«
»Und was?« Mir gefiel nicht, in welche Richtung dieses Gespräch ging. Sie hatte doch nicht. Nein …
»Ich habe ihm deine Nummer gegeben.«
Ich schloss die Augen, strich mit dem Finger die Zornesfalten weg, die mich immer in solchen Situationen heimsuchten, und verstand nicht, warum sie das getan hatte. Ja, ich war damals verschossen in ihn. Er war attraktiv, der Quarterback unseres Schulteams und jetzt hatte er den Superbowl vor einiger Zeit gewonnen. Nicht, dass ich ihn gestalkt hätte. Gott behüte. Es stand nur irgendwann riesengroß in der Zeitung, als ich einen flüchtigen Blick hineinwarf. Wenn man auf so etwas stand, dann war Nick gewiss ein Lottogewinn, aber es interessierte mich nicht. Falls man den Gerüchten trauen konnte, war er kaum ein Mann mit dem längerfristig etwas lief. Ein Womanizer, wie es die Klatschspalten anpriesen.
Oh mein Gott.
Erst jetzt wurde mir das Ausmaß dessen bewusst, was dies bedeutete. »Du hast was?«, schrie ich ins Handy.
Ich fühlte mich, als ob ich in ein tiefes Loch fiel … ohne Boden. Wie stellte Karen sich das vor? Ein gefeierter Quarterback und eine Schriftstellerin? Das ging niemals gut aus. Doch, in Büchern, aber nicht im realen Leben.
»Jetzt beruhige dich, meine Süße«, sagte Karen.
Den Teufel wurde ich. »Hör auf, mich Süße zu nennen.« Wie ich das hasste! Ich war fuchsteufelswild, dass sie meine Nummer ihm …
»Hör zu. Du schwärmst bereits seit der High-School von ihm, bist seit mehreren Tagen völlig abwesend und bevor du etwas sagst, ja, ich habe es mitbekommen. Also sei froh, dass ich ihm deine Nummer gegeben hab.«
Ich schnaubte lauthals in das Telefon.
»Du weißt, dass ich Recht habe. Du sitzt stundenlang an deinen Büchern, während draußen, das wahre Leben auf dich wartet«, führte sie weiter aus.
Ich verdrehte die Augen. Das wahre Leben konnte meinen Romanen nicht einmal ansatzweise das Wasser reichen.
»Pfeif auf das wahre Leben. In meinen Büchern lebe ich alles viel besser aus. Apropos Bücher … Ich muss weiter.«
»Kleines, du weißt, dass ich Recht hab. Viel Spaß im nicht realen Leben.« Sie legte auf.
Pah…
Mein Leben war in einigen Sachen viel realer als bei anderen. Die letzten Jahre lernte ich interessante Menschen kennen und dazu brauchte ich keinen Footballspieler. Die waren doch sowieso alle hohl.
Ich pfefferte das Handy auf die Küchenablage. Die Gedanken wirbelten umher nur um jedes Mal wieder beim gleichen Punkt anzukommen. Unwillkürlich biss ich mir auf die Unterlippe. Das was Karen gesagt hatte … Er würde doch nicht? Oder doch?
Schnell schaltete ich das Handy aus. Nur für den Fall, dass er mich wirklich anrief. Ich wollte nicht mit ihm reden und auf keinen Fall ihn wiedersehen.
Innerlich spürte ich wie nervös ich wurde. Beinahe panisch. Ich nahm eine Tasse aus dem Schrank, nahm einen Melissen-Teebeutel aus der Schachtel und schaltete den Wasserkocher ein. Das würde meine Nerven sicher beruhigen. Während ich darauf wartete, dass das Wasser heiß wurde, nahm ich den Laptop aus der Tasche heraus. Ich musste, nein, ich wollte auf andere Gedanken kommen. Und mit Arbeit würde es viel leichter gehen.
Das schnappende Signal des Wasserkochers erklang, das untrügliche Zeichen, dass das Wasser heiß war, und ich dieses in die Tasse eingoss. Den Laptop fuhr ich hoch und machte mich an die Verbesserungen dran. Ich legte volle Konzentration an den Tag.
Meine Gedanken besaßen hingegen andere Pläne. Immer wieder schweiften diese zu Nick. Zu seinen muskulösen Armen, zu seinem charmanten Lächeln. Ich biss mir auf die Lippe und ein kalter Schauer rann mir den Rücken herunter.
Den Tee trank ich in kleinen Schlucken und hoffte, dass dieser bald seine Wirkung erzielte. Das Gegenteil war der Fall. Ich wurde zusehends nervöser und konnte mir keinen Reim darauf machen. Was hatte Nick für eine Wirkung auf mich? Das ging nicht mit rechten Dingen zu.
Ich ließ den Blick wandern, hin zum Kalender, fixierte diesen an der Wand, auf der ein riesengroßes X gekennzeichnet war. In ein paar Wochen sollte das Skript fertig und der Roman druckbereit sein. Ich seufzte. Nur so, wie es jetzt war, ging es nicht weiter.
Sauer klappte ich den Laptop zu, denn mir wurde schnell klar, dass meine Nerven für die Bearbeitung brach lagen. Ich stand auf und nahm frustriert aus einem der Regale eine Flasche Rotwein heraus. Noch nie oder besser gesagt selten trank ich etwas. Das vernebelte nur die Sinne. Heute jedoch war eine Ausnahmesituation.
Ich nahm aus dem Glasschrank ein Rotweinglas heraus, goss ein und nippte daran. Er schmeckte gar nicht schlecht, süßlich mit einem fruchtigen Abgang. Ich setzte mich auf die Couch mit dem Glas sowie der Flasche, schaltete den Fernseher ein und ließ mich berieseln.
Irgendein Tanzfilm lief gerade; meine Nervosität legte sich umgehend und meine Laune besserte sich. Immer wieder nippte ich an dem Rotwein. Ohne zu überlegen, schenkte ich mir auf ein Neues ein und lachte ab und an einmal, wenn eine witzige Szene vorkam. So saß ich die nächsten Stunden da, die Decke über meine Beine und zog mir einen Tanzfilm nach dem anderen hinein. Es war lustig und irgendwie überkam mich selbst die Lust tanzen zu gehen.
Spät am Abend stand ich auf und kramte in meinem Schrank nach etwas Passendem. Ich besaß viele schöne Kleider, aber für eine Party war nicht wirklich etwas dabei. Hosenanzüge, Cocktailkleider, Sommerkleider … doch für eine Party. Fehlanzeige!
Erneut trank ich einen Schluck von dem leckeren Rotwein, bis mir eine Eingebung kam. Karen hatte mir vor Jahren ein Partykleid geschenkt, da sie meinte, ich hätte zu wenig Spaß. Bei dem Gedanken schnaubte ich laut.
Ich stellte das Glas auf den Tisch ab, streckte mich beim Kleiderschrank, sodass ich die Schachtel erreichte. Mit den Fingerspitzen schob ich sie zu mir und fing sie auf, als diese mir entgegensegelte. Beinahe wäre ich gestürzt, zum Glück blieb ich heil auf den Beinen stehen.
Ich setzte mich auf den Boden und öffnete Karens Geschenk, welches ich noch nie aufgemacht hatte. Mit zittrigen Fingern legte ich das Papier auf die Seite und sah überrascht auf das Kleid. Es war knallrot.
Hatte sie einen Knall? Mit sowas würde ich mich doch nie in die Öffentlichkeit trauen. Was würden die Leute denken?
Ach, was soll‘s. Anscheinend fühlte ich mich wagemutig, um nicht zu sagen, dass ich einen leichten Schwips inne hatte, sodass es mir gleichgültig war. Erneut trank ich einen kräftigen Schluck, zog mich aus und schlüpfte in das hautenge Kleid, das viel zu viel preisgab.
Ich trat vor den Spiegel, betrachtete mich von allen Seiten und ließ meine Locken über den Rücken fallen. Für einige Momente war ich sprachlos. Ich sah so … anders aus. Das Kleid betonte meine schlanke Taille und fast nahm man an, dass ich als Femme Fatale durchgehen könne. Aber nur fast. So wie ich wirkte, war ich ganz und gar nicht.
Entsetzt darüber, dass es schon lange dunkel war, fragte ich mich, wo die Zeit geblieben war. Meine Gedanken schweiften zu: ›Sollte ich mich ins Getümmel stürzen‹ oder ›es lieber verwerfen‹? Ich war im Zweifel. Fest entschlossen scheuchte ich das Gefühl weg. Ich wollte es allen beweisen und ganz vorweg: Karen. Natürlich konnte ich Spaß haben, wenn ich wollte, nur empfand ich meine Geschichten viel realer als das echte Leben. Zumindest gab es dort ein Happy End.
Ich betrachtete das Glas, das auf dem Abstelltisch stand und bereits leer war. Stattdessen ging ich in das Wohnzimmer zurück und nahm die Flasche. Als ich dieses in Händen hielt, erkannte ich, dass nur der Boden bedeckt war. Wo war denn der ganze gute Rotwein hin? Schulterzuckend setzte ich die Flasche an die Lippen und trank den letzten Rest. Ich hickste und grinste dümmlich. Ach ja, da war die Flüssigkeit hin.
Umständlich bückte ich mich, um zu meinen Schuhen zu gelangen, als ich umkippte und zu Boden fiel. Aus heiterem Himmel lachte ich. Und lachte und lachte, bis mir der Schädel schwirrte und mich fragte, warum ich eigentlich lachte. Daran war sicher der Alkohol schuld.
Da ich sowieso am Boden lag, setzte ich mich auf und kramte in dieser Position nach den einzigen Schuhen, die zu einem roten Kleid passten. Meinen heiß geliebten rotschwarzen Louboutins.
Ich zog sie an und hielt mich am Schrank fest, um aufzustehen. Das Kleid strich ich glatt, ehe ich mich im Spiegel erneut betrachtete. Ich sah gut aus. Nein, sensationell, um nicht zu sagen phänomenal. Wenn das nicht ein toller Abend werden würde, dann wusste ich auch nicht weiter.
Ich begab mich ins Bad, schminkte mich dezent, nahm meine Clutch, in die ich Schlüssel und Personalien hineingab, und machte mich auf den Weg in den angesagtesten Club der Stadt.
Nachdem wir die Sauerei beseitigten, was zum Teil echt ekelhaft war, hielt ich mein Versprechen und bestellte uns eine Riesenpizza mit Cola. Chloe machte es sich in der Zwischenzeit auf der Couch bequem und suchte die ihrer Meinung nach besten Filme – die ich auch sah – heraus.
Ich liebte meine kleine Schwester, die dreizehn Jahre jünger als ich war. Sie war bereits süße sechzehn. Wenn ich mich zurückerinnerte, war das ein tolles Alter gewesen, so unbeschwert. Nur für Chloe war es nicht so. Obwohl ich alles in meiner Macht stehende tat, dass es ihr an nichts mangelte. Die Eltern konnte ich ihr nicht ersetzen. Mir wurde das Herz schwer.
»Bereit, Schwesterherz?« Ich setzte mich neben sie.
»Natürlich. Ich hab genug Actionfilme auf Lager, sodass du nicht maulen kannst. Ich weiß ja, dass ich dich nicht mit Liebesfilmen foltern darf.« Dabei grinste sie wie ein Honigkuchenpferd.
Ich grinste ebenfalls und zwinkerte ihr zu. »Du bist die Einzige, mit der ich Liebesfilme anschauen würde.«
»Na gut, wenn du darauf bestehst, dann muss ich das Abendprogramm umändern. Kein Problem.«
Chloe griff soeben nach der Fernbedienung, als ich sie ihr vor der Nase wegschnappte. »Wag es ja nicht.«
»Spielverderber.« Chloe gluckste vor Lachen.
Ich wollte etwas drauf erwidern, als es an der Tür klingelte. Zu keiner Sekunde traute ich ihr, daher nahm ich die Fernbedienung mit als ich zum Eingang eilte. Der Pizzabote stand davor, ich gab ihm dreißig Dollar, er bedankte sich und ging. Hinter ihm schloss ich die Tür und kam mit der dampfenden Pizza und den Getränken zurück.
»So, dann kann es ja losgehen. Was schauen wir uns als erstes an?«
Sie nahm sich eine Pizzaecke, wobei sich der Käse in die Länge zog. »Robin Hood«, rief sie mampfend.
Ich schmunzelte. »Schon wieder? Wie oft hast du denn den Film mit Taron Egerton schon gesehen?« Es mussten sicher an die hundert Mal gewesen sein, wenn nicht bereits öfter, den ich mit Chloe zusammen sah, zumal ich den Namen des Schauspielers in und auswendig kannte.
»Noch nicht oft genug. Mach schon, ich will den Film sehen«, drängelte sie.
»Schon gut, schon gut. Ich mache, was Mylady von mir fordert.«
Ich schaltete den Beamer ein und der Vorspann des Films begann. Langsam lehnte ich mich zurück, nahm meinen Softdrink und ein Stück von der Pizza, während Chloe fieberhaft den Film verfolgte.
Wenn sie glücklich war, dann war ich es auch.
***
Ich wischte mir den Schlaf aus den Augen, während irgendein Film flimmerte. Keine Ahnung wie spät es war.
Die Pizza hatten Chloe und ich bis auf zwei Stücke vollkommen verputzt. Der Couchtisch sah chaotisch aus. Voll mit allem Möglichen, wie die leeren Behälter der Softdrinks und den ein, zwei Bier, die ich mir gegönnt hatte. Chloe hatte sich noch Knabberzeug hineingezogen. Meine Schwester verdrückte schon immer ziemlich viel und blieb auch noch schlank. Vermutlich dank unserer guten Gene.
Ich sah zu meiner Rechten und musste lächeln. Sie schlief tief und fest. Ein zaghaftes Schnarchen nahm ich wahr. Es war zuckersüß. Ich stand auf und hob sie hoch, um sie ins Zimmer zu tragen.
»Nein, ich bin noch wach. Was schauen wir denn gerade?«, murmelte sie verschlafen.
»Schhh, schlafe. Du kannst dir morgen den Film anschauen. Es rennt nicht davon.«
Anscheinend war sie mit der Antwort zufrieden und gab ein kleines »Okay« von sich.
Ich trug sie die Treppen in ihr Zimmer hinauf und bettete sie sanft auf ihr Bett. Dabei schob ich ihre Beine unter die Decke und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Sofort kuschelte sie sich in die Laken und schlief weiter. Von wegen ›sie ist wach‹.
Bevor ich aus dem Zimmer trat, schob ich den Vorhang zu. Hinter mir schloss ich die Tür und ging hinunter, um den größten Teil wegzuräumen. Auch wenn Eve unsere Putzfee war, so musste sie nicht den Dreck wegräumen, den wir am Vorabend hinterließen. Als ich die Bierflaschen in die Küche trug, vibrierte mein Handy. Ich sah, dass es Jason war.
»Hi, kö…«
»Nick, du solltest sofort in den Club kommen. Du glaubst nicht, wer hier ist.« Er brüllte ins Handy, während die Musik lautstark aus den Boxen dröhnte.
»Es interessiert mich nicht. Du kannst es mir morgen erzählen. Ich bleibe heute bei Chloe. Gute Nacht.«
Ich wollte auflegen, als Jason ansetzte: »Okay, wenn du willst, dass Mike sich an dein Mädchen ranmacht. Dann bleib zuhause.«
»Von wem redest du?«, knurrte ich. Schließlich hatte ich kein Mädchen an der Angel, außer … Nein, das war lächerlich.
»Na deine Kleine von heute Morgen, die die du im Café klargemacht hast. Nick, du solltest herkommen, denn sie sieht wirklich rattenscharf aus. Die bleibt heute ganz bestimmt nicht alleine und anscheinend hat sie schon genug intus«, fuhr er weiter aus.
Fuck.
Das hatte noch gefehlt.
»Gib mir zwanzig Minuten, ich bin gleich da. Und Jason, halte bitte so lange die Stellung, dass nichts passiert.«
Wie von der Tarantel gestochen, lief ich die Stufen hinauf und zog mich in Windeseile um, schnappte mir eine dunkle Jeans und ein weißes Hemd, wobei ich ein paar Knöpfe offen ließ. Das sollte genügen. Noch halbwegs elegante Schuhe und ich war auf dem Weg. Das Licht ließ ich an und tippte den Sicherheitscode ein. Nur für den Fall der Fälle.
Ich hetzte zu dem Jeep, startete und fuhr in die Stadt zum ›Tresmond‹, wo meine Jungs und ich schon seit Jahren ein und aus gingen. Eigentlich stand auf dem Plan einen ruhigen Abend zu verbringen und keine wilde Partynacht. Wenn es wirklich Sara war, dann … was ich dann tun würde, das musste ich mir noch überlegen. Im Grunde fragte ich mich, warum das so an mir nagte. Wieso sollte ich sie retten, wenn sie mir unmissverständlich klar machte, dass sie kein Interesse an mir hatte? Vielleicht war es mein ausgeprägter Beschützerinstinkt? Nein, den besaß ich nur für ein weibliches Wesen. Ich schüttelte den Gedanken beiseite.
Es war unglaublich, dass ich sie gleich zweimal am Tag traf. Was war das nur mit ihr?
Als ich am Ziel mit quietschenden Reifen anhielt, parkte ich in der Nähe des Clubs. Der Türsteher erkannte mich schon von weitem und gab mir ein Zeichen, dass ich gleich hineingehen könne.
Die Treppen eilte ich hinunter und bemerkte, dass der Club brechend voll war. Die Jungs fand ich nicht gleich. Doch Jason hatte mich bereits entdeckt und winkte mir zu. Als ich zu ihm kam, fragte ich sofort: »Wo ist sie?«
Mit einem Grinsen bedachte er mich. »Du hast es ganz schön eilig, aber schau einmal dort rüber.« Er zeigte in die Nähe der Bar, wo sie auf der Tanzfläche stand und tanzte.
Ich zog eine Augenbraue hoch und konnte kaum glauben, dass das Sara war. Keine Ahnung, ob ich Freude oder Zorn fühlte, doch sie hätte nicht so auf einer Party auftauchen sollen. Das Kleid, das sie anhatte, war hauteng, sodass man all ihre Kurven erkannte. Nicht einmal meiner Schwester würde ich so einen Auftritt erlauben. Ich spürte, wie sich Wut, aber auch Erregung anbahnte. Was war los mit mir? Als ich ansetzen wollte, um zu ihr zu gehen, hörte ich hinter mir eine weibliche Stimme.
»Nick? Wie schön, dass du dich auch wieder einmal blicken lässt. Wie lang ist das jetzt her, als wir uns das letzte Mal sahen?«
Diese nörgelnde Stimme würde ich überall erkennen. Ich drehte mich um und setzte gute Miene zum bösen Spiel auf. »Ashley, schön dich zu sehen. Ich weiß nicht, wann wir uns zuletzt gesehen haben. Wird sicher schon eine Weile her sein. Ich dachte, dass du die Welt bereist, wie du es vorhattest.«
Sie winkte ab. »Ach nein. Das ist doch Schnee von gestern. Ich war verheiratet, hab ihm zwei Kinder geschenkt und dann hab ich ihn verlassen. Er hatte keinen Ehevertrag aufgesetzt und jetzt habe ich ein halbes Vermögen. Die Kinder sind bei ihm. Ich denke, ich bin viel besser aus diesem Geschäft ausgestiegen. Jetzt bin ich solo, also wenn du …«
»Das ist sehr schön für dich. Entschuldige mich bitte«, unterbrach ich ihr Geschwafel, abgesehen davon, dass mich nicht interessierte, was sie sagte.
Ich bahnte mir einen Weg durch die Tanzwütigen zu Sara, als ich bemerkte, wie ein Kerl bei ihr stand, engumschlungen und sie ihn … küsste? Verdattert blieb ich stehen. Das war doch ein Scherz. Sicher, ich durfte keinen Anspruch auf sie erheben, doch dass sie einen wildfremden Typen abknutschte? Mitten auf der Tanzfläche?
Als sie sich von ihm löste, erkannte ich für den Bruchteil einer Sekunde ihre angeekelte Miene. Anscheinend gefiel es ihr nicht. Sie drehte sich von ihm weg. Jason hatte recht, sie war auf keinen Fall mehr nüchtern.
Sara tanzte mit dem Rücken gegen seine Brust. Das war meine Chance. Ich trat zu den beiden hin, sodass mich nur der Kerl sah und deutete ihm mit dem Kopf, dass er verschwinden sollte. Zum Glück trat er sogleich den Abflug an.
Ich nahm seinen Platz ein und legte meine Hände auf genau die gleiche Stelle ihrer Taille, wo der Typ seine Pfoten gehabt hatte. Das Kleid, das sie trug, war dünn und ich erfühlte wirklich alles. Ein wenig schob ich sie zu mir und spürte, wie sich meine Erregung vergrößerte. Ihr sinnlicher Duft nach Orangen und Vanille strömte in meine Nase und ich wollte sie noch näher zu mir ziehen. Dann jedoch würde sie meine Lust spüren. Ich tanzte mit ihr im Takt, so gut mein Feingefühl es ermöglichte, denn ich tanzte nie und ob ich gut war, diese Beurteilung ließ ich anderen übrig.
Unerwartet drehte sie sich um und ich erkannte an ihrer Nasenspitze, dass sie überrascht war, als sie diese kraus zog. Ob es positiv war? Das blieb abzuwarten. Zumindest stellte ich in ihrem wunderschönen Gesicht verschiedene Emotionen fest. Von Freude über Panik bis hin zu Schüchternheit. Sie war so süß.
Sie entfernte sich von mir. Das ließ ich mir unter keinen Umständen gefallen und folgte ihr. Als sie mit dem Rücken plötzlich mit einer anderen Person zusammenprallte, verlor Sara ihr Gleichgewicht. Ich war sofort zur Stelle, um sie vor dem Sturz zu bewahren. Sie fühlte sich in meinen Armen wahnsinnig gut an. Dass mir jetzt erst auffiel, wie schön sie war.
Ganz sanft teilten sich ihre Lippen und ich überlegte, wie sie wohl schmeckten. Süßlich? Oder waren sie weich? Süchtig machend?
Ich vertrieb für den Moment den Gedanken und hauchte in ihr Ohr: »Das Lied ist noch nicht zu Ende.«
Karen hatte recht. Etwas Spaß würde mir keineswegs schaden. Deshalb befand ich mich mitten auf der Tanzfläche und wiegte mich im Takt der Musik. Der Club war anscheinend neu, so wie es aussah, und was ich wahrnahm, gefiel mir. Wo man hinsah, fand man attraktive Kerle und einer fixierte mich mit seinem Blick. Blond, groß, muskulös … Ich lächelte ihn an, zumindest versuchte ich, dass es lasziv herüberkam.
Er stieß sich von der Bar weg und kam zu mir mit diesem bestimmten „Lust-auf-Spaß“-Ausdruck im Gesicht. »Hi hübsche Frau. Lust zu tanzen?«, brüllte er über die Musik hinweg.
War das ein Scherz? Was glaubte er, was ich hier tat? Zum Glück war er hübsch. Für eine schnelle Nummer würde es reichen.
Ich nickte und zog ihn näher zu mir. Er legte automatisch seine Hände auf meine Taille und hauchte Küsse auf meinen Hals. Nur waren die leider alles andere als trocken. Es fühlte sich an, als ob er mich abschlecken würde. War ich vielleicht ein Lolli, den er schnell vernaschen wollte? Wie eklig.
Ich ließ es gnädiger Weise über mich ergehen. Der Alkoholpegel, den ich bereits erreicht hatte, tat sein Übriges. Vermutlich hatte ich ihn mir nur schön gesoffen.
Herrjeh!
War es zu viel verlangt, dass ich an gutaussehende Kerle geriet, die auch küssen konnten?
Ich drehte mich um und tanzte mit dem Rücken an seiner Vorderansicht. Er schob meine Taille noch enger an sich, sodass ich alles spüren konnte. Auch wie sich sein bestes Stück regte. Na, auf das konnte ich doch glatt verzichten. Wenn er so küsste, konnte ich mir schon vorstellen, wie der Sex mit ihm war. No Way!
Mir musste auf die Schnelle etwas einfallen, wie ich ihn loswurde. Ich konzentrierte mich auf die Musik und ging völlig darin auf. Die Melodie sprach zu mir, auch wenn ich an einem meiner Manuskripte saß. Ohne Musik lief nichts.
Ich vergaß alles um mich herum, bis … der Kerl ließ mich abrupt los und als ich mich umdrehen wollte, spürte ich erneut Hände an meiner Taille, die mich kräftiger hielten. Das konnte unmöglich der Gleiche sein. Ich ließ ein paar Takte verstreichen, ehe ich mich geschmeidig zur Musik umdrehte und in sein Gesicht blickte. – Nick!
Das durfte nicht wahr sein. Wie … Warum … Was tat er hier?
Er sah mich mit einem Schmunzeln an und ich wich einige Schritte zurück, als ich hinter mir mit jemanden zusammenkrachte und beinahe zu Boden fiel.
Nick war flink zur Stelle und seine warmen Hände schmiegten sich um meinen Körper. Es fühlte sich viel zu gut an.
»Das Lied ist noch nicht zu Ende«, hauchte Nick in mein Ohr.
Wie in Zeitlupe entfernte er sich von meinem Gesicht und sein Blick heftete sich auf meine Lippen. Hatte er das vor, was ich dachte? Doch er tat nichts. Er betrachtete mich nur. Das machte mich wahnsinnig nervös und ich kaute auf meiner Unterlippe. Für den Bruchteil einiger Minuten standen wir mitten auf der Tanzfläche, während er mich noch immer an der Taille festhielt.
Als das Lied wechselte, hatte Nick nicht vor, mich loszulassen. Deshalb krächzte ich: »Das Lied ist vorbei. Könntest du mich bitte …«
Er grinste schamlos. »Hast du Angst vor mir?«
Ich riss die Augen auf und sah ihn überrascht an. »Wieso sollte ich? Du bist nichts Besonderes, Rivendale.«
Er schmunzelte und fuhr sich mit der freien Hand über den Mund. Während er das machte, fixierte er mich mit seinem Blick und der Duft nach Moschus drang in meine Nase. Nick verringerte den Abstand zu mir und raunte kurz vor meinen Lippen. »Wieso sind deine Wangen dann gerötet? Und sag mir nicht, dass es vom Tanzen ist. Wir haben nicht getanzt.«
So nah war er mir noch nie. Ich spürte, wie mein Herz wild pochte, als wolle es aus meiner Brust springen. Unsicher biss ich mir auf die Lippe, dabei glitten seine Augen wieder auf meinen Mund.
Die Flucht nach vorne, war die einzige Möglichkeit, die mich noch retten würde. »Danke, dass du mich aufgefangen hast. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.«
Mit einem Schmunzeln bedachte er mich. Verwirrt entfernte ich mich von ihm und stöckelte zur Bar, um mir einen Drink zu bestellen. Mir schien, dass ich schon wieder viel zu nüchtern war. Zumindest für eine Begegnung mit Rivendale.
Was machte er hier? Hatte er mein Handy geortet? Ich vertrieb den Gedanken sofort, denn das lag ja noch immer ausgeschaltet bei mir zuhause. Von daher …
»Hast du denn noch nicht genug? Ich denke, für heute reicht es. Meinst du nicht?«
Erschrocken schlug ich mir mit der Hand auf die Brust, da ich nicht damit gerechnet hatte, dass Nick mir folgte. Allem Anschein nach würde er mir heute nicht mehr von der Seite weichen. Da konnte ich auch gleich nach Hause fahren.
»Bist du jetzt mein Babysitter, Rivendale? Ich denke nicht. Also husch, zurück zu deinen Jungs, denn du bist sicher nicht ohne dein Rudel hier.« Dabei wedelte ich mit der Hand, dass er einen Abgang machen sollte.
Er unterdrückte ein Schmunzeln und ich wurde aus ihm nicht schlau. Bevor ich mich von ihm abwandte, wirbelte er mich herum und keilte mich zwischen sich und der Theke ein.
»W-was s-soll das?«
»Du bist ganz schön frech, weißt du das? Eigentlich sollte ich dich übers Knie legen, damit du wieder zu Sinnen kommst. Was meinst du?«
Dabei sah ich in seine blauen Iriden, die mich aufmerksam musterten. Ein anzügliches Grinsen huschte über seine Lippen.
»Das würdest du nicht wagen«, brachte ich aufgeregt hervor.
»Denkst du? Du kannst es gerne ausprobieren.« Er grinste siegessicher.
»Was bildest du dir eigentlich ein, wer du bist?«
Für ein paar Momente sah er mich amüsiert an und seine Lippen verzogen sich zu einem süffisanten Lächeln. Nick kam mir unglaublich nah und raunte in mein Ohr: »Ich bin der, der dich vor dir selbst schützt.«
Ich stemmte meine Hand gegen seine muskulöse Brust. »Überschätz dich nicht, Rivendale.« Er verfolgte meine Hand, die noch immer an derselben Stelle verweilte. Schnell, als ob ich mich verbrannt hätte, zog ich sie weg.
Sofort wurde mir bewusst, wie gefährlich es war, wenn ich weiterhin bei ihm blieb. Er war Footballer und sammelte sicher Frauen wie Trophäen. Ganz zu schweigen von dem kribbelnden Gefühl, welches zwischen uns herrschte. Ob ich es mir einbildete?
»Nick, bitte lass mich etwas trinken, dann gehe ich. Dann steh ich dir auch nicht mehr im Weg«, lenkte ich ein. Vielleicht ließ er so von mir ab.
Sanft legte er eine Hand an meine Wange und streichelte mit dem Daumen darüber. »Wer sagt dir, dass ich dich gehen lasse?«, flüsterte er an meinen Lippen.
Es war so laut um uns herum, dass ich für den Moment dachte, ich hätte es mir eingebildet. Nur wieso war dann mein Höschen feucht? Er lächelte sanft, ließ von mir ab und bestellte uns etwas.
Wie verdattert stand ich da, das Herz raste, zwischen meinen Beinen sammelte sich Feuchtigkeit und trotz allem beäugte ich ihn von der Seite. Ich war wieder frei, wie ein Vogel. Nur wollte ich das? Das zu beurteilen, war mir nicht vergönnt.
Er deutete dem Barkeeper zwei Drinks an. Ob ich ihm sagen sollte, was ich wollte? Ehe es dazu kam, trat der Typ hinter der Theke zu uns und stellte zwei Shots ab. Ich beäugte den Drink vor mir skeptisch.
»Keine Angst, er beißt nicht«, fügte er schmunzelnd hinzu.
Ungläubig betrachtete ich ihn, wie er ein wenig den Kopf schüttelte. Was er wohl über mich dachte?
Ich nahm den Shot und exte ihn. Die Flüssigkeit glitt geschmeidig meine Kehle herunter. Es war zumindest kein Tequila, wofür ich dankbar war. Den Rausch, den ich danach hatte … Mit Grauen erinnerte ich mich daran zurück. Die Nachwirkungen, die Black-Outs. Kein schönes Erlebnis.
Als ich mich zu Nick drehen und ihn fragen wollte, was das für ein Drink war, spürte ich etwas Hartes auf meinem Kopf abprallen.
Seine Miene verhärtete sich als ich das Gleichgewicht verlor und mich mit einem Mal kräftige Hände packten. Kurz bevor ich die Augen schloss, flüsterte ich: »Du riechst gut.« Danach griff die Dunkelheit nach mir und hüllte mich ein.
Sie war süß als sie den Drink vor sich beäugte. Als wäre der Shot eine Schlange oder giftig. Ich könnte sie durchaus mit anderen Mitteln von mir überzeugen, wenn sie mich ließ. Da brauchte ich keine anderen Hilfsmittel. Wozu auch?
Ich kippte den Drink herunter und sah schmunzelnd zu, wie Sara es mir gleichtat. Anscheinend schmeckte ihr der Kurze. Ich hatte mich für einen harmlosen Shot entschieden. Irgendetwas mit Baileys. Schließlich hatte Sara nicht erwähnt, was sie wollte und noch besoffener als sie schon war, wollte ich sie nicht haben.
Als sie den Mund öffnete, um vermutlich etwas zu sagen, kam es mir wie in Zeitlupe vor, wie ein Tablett durch die Gegend flog und ihren Hinterkopf traf. Welcher Honk war denn das jetzt? Erkennen konnte ich in den flackernden Lichtern nichts, denn sie kippte nach hinten und ich fing sie auf. Bevor Sara die Augen schloss, gab sie noch von sich, dass ich gut roch. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Wie viel hatte sie bereits intus? Es musste eine ordentliche Menge sein. Ich hievte sie auf meine Arme und schlängelte mich durch die Menge, das gar nicht so einfach war.
»Was ist passiert? Hast du sie mit deinem Charme umgehauen?«, fragte eine amüsierte Stimme hinter mir.
Ich brauchte mich gar nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Jason mich ansprach. Vermutlich konnte er nicht glauben, dass ich Sara trug. Obwohl, warum auch nicht.
»Nein, irgendein Vollhonk hat ein Tablett benutzt, um Frisbee zu spielen«, knurrte ich wütend.
»Oh, das ist nicht gut. Warte, ich rufe euch ein Taxi.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Lass gut sein. Ich bin mit dem Jeep hier. Das geht schon. Wir sehen uns morgen. Achte darauf, dass Mike nicht wieder zu tief ins Glas schaut. Er sollte morgen fit sein. Noland ist vor Ort.«
»Mach dir keinen Kopf. Ich bring ihn in ein paar Minuten weg. Er hat sowieso heute keinen guten Lauf bei den Ladies. Du hast ja Ashley gesehen. Sie hat bereits alle um ihn herum gewarnt. Also geh ruhig. Bis morgen.«
Er verschwand in der Menge und ging zur Lounge hinüber, wo sie alle saßen. Einen kurzen Blick warf ich hinüber als Ashley mich wütend anfunkelte. Was bedeutete denn das? Ich zuckte mit den Schultern. Wer wusste schon, was sie sich wieder einbildete.
Ich verwarf den Gedanken und trug Sara zu meinem Jeep. Sie schmiegte sich an mich, wie ein kleines Kätzchen und mein Beschützerinstinkt erwachte. Eigenartig. Bis jetzt hatte ich den nur für Chloe.
Ich versuchte sie aufzustellen, damit ich die Wagentür öffnete. Doch sie sackte in sich zusammen. Daher kam nur eine Methode in Frage. Ich lehnte sie gegen den Jeep, fixierte sie mit meinem Körper und öffnete die Beifahrertür.
Auch wenn es nur für einen kurzen Moment war, so war es auf alle Fälle elektrisierend. Was hatte sie nur an sich? Außer diesem unwiderstehlichen Duft, der mich vieles vergessen ließ.
Ich kickte die Tür noch weiter auf und platzierte Sara auf den Sitz. Als ich ihr den Gurt umlegte, flüsterte sie schlaftrunken: »Nick.«
Für einen Moment hielt ich inne und betrachtete sie genauer. Die sanften Locken, die sich um ihr Gesicht schmeichelten, die feinen Züge, die dichten Wimpern und ihre schwungvollen Lippen. Verdammt, ich sollte nicht zu lange darauf starren, wenn ich nicht wollte, dass etwas geschah. Sofort besann ich mich auf das Wesentliche und fragte mich insgeheim, ob sie wach war. Nein, mit Sicherheit nicht. So wie es aussah, schlief sie tief und fest.
Ich schloss die Tür und umrundete den Wagen. Als ich mich in das Innere hineinsetzte, blickte ich kurz zu ihr. Sara war vollkommen weggetreten. Kurz überlegte ich, ob ich sie ins Krankenhaus bringen sollte, doch es war vermutlich nur eine kleine Gehirnerschütterung. Meine Jungs und ich hatten schon deutlich mehr einstecken müssen.
Ich schaltete den Motor ein und fuhr nach Hause. Nach gut zwanzig Minuten hielt ich davor an. Das Licht brannte noch immer.
Einige Augenblicke blieb ich im Rubicon sitzen und atmete tief durch. Ich überlegte, wie ich Sara am besten ins Haus schleuste, ohne dass Chloe etwas davon mitbekam. Sicher, sie hatte schon einige Frauen kommen und gehen gesehen, aber ich wusste nicht, warum es mich jetzt störte.
Sara war eine alte Schulkameradin und Freundin, auch wenn sie das bestritt. Ich würde ihr nur helfen. Zumindest redete ich mir das ein, während ich ausstieg, die Tür leise zuschlug und auf die andere Seite des Jeeps ging. Leise öffnete ich die Tür, schnallte Sara ab und hob sie behutsam aus dem Wagen. Die Beifahrertür warf ich mit dem Ellbogen zu und ging mit ihr in meinen Armen zum Haus.
Als ich ins Innere trat, lag alles im Stillen. Anscheinend war Chloe nicht aufgewacht, das war gut. Langsam schlich ich mit der wertvollen Fracht ins obere Stockwerk und hoffte, dass ich kein Geräusch verursachte.
Vorsichtig ging ich den Flur entlang und stand sogleich vor einem weiteren Problem. Ich konnte sie unmöglich in mein Bett legen, doch das Gästezimmer war weder hergerichtet, noch war die Tür geöffnet. Ich stand vor einer unlösbaren Herausforderung und ein Sturm von Vorschlägen brach in meinem Hirn aus. Sollte ich oder sollte ich nicht. Nichtsdestotrotz öffnete ich das Gästezimmer und trat ein. Der ganze Raum lag im Dunkeln und ich wagte es nicht, das Licht einzuschalten. Als ich ein paar Schritte hineinging, stieß ich prompt gegen einen Kasten. Ein leiser Fluch entwich meinen Lippen und Sara regte sich. Innerlich betete ich, dass sie nicht aufwachte, obwohl das einiges erleichtern würde.
Vorsichtig trat ich einen Schritt nach dem anderen in das Zimmer und wollte sie soeben auf die weiche Matratze legen, als sie augenblicklich die Augen aufschlug, mich wegstieß und sich übergab. Ein stiller Fluch trat über meine Lippen und Sara murmelte »Sorry«, bevor sie wieder in einen komatösen Zustand zurücksank.
Ich legte sie auf das nicht überzogene Bett, zog ihr die Schuhe aus und überlegte. Was konnte ich ihr ohne Gefahr ausziehen? Schließlich hatte sie sich nicht nur über den Boden, sondern auch über ihr Kleid hinweg übergeben.