Familie mit Herz 182 - Carolin von Campen - E-Book

Familie mit Herz 182 E-Book

Carolin von Campen

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Beschreibung

"Sie sind leider nicht schwanger!" Vanessa fällt immer wieder in ein tiefes Loch, wenn der Arzt der Kinderwunschklinik ihnen diese bittere Nachricht überbringt. Und trotzdem haben ihr Mann Richard und sie bisher nie die Hoffnung auf ein zweites Kind verloren - bis jetzt! Denn nach einer weiteren gescheiterten künstlichen Befruchtung rechnet auch der Arzt nicht mehr mit einer reellen Chance für eine Schwangerschaft.
Richard möchte nun mit dem Thema abschließen. Immerhin haben sie bereits den tollsten Sohn, den man sich vorstellen kann und dem sie nun ihre volle Aufmerksamkeit schenken können. Doch Vanessa will unbedingt eine kleine Schwester für den siebenjährigen Theo und denkt an eine Adoption. Da Richard sich damit nicht anfreunden kann, droht die Beziehung zu zerbrechen. Darunter leidet auch der kleine Theo. Ist der zweite Kinderwunsch das alles wirklich wert?

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Inhalt

Cover

Der zweite Kinderwunsch

Vorschau

Impressum

Der zweite Kinderwunsch

Der Gedanke an eine Adoption versetzt die ganze Familie in helle Aufregung

Von Carolin von Campen

»Sie sind leider nicht schwanger!« Vanessa fällt immer wieder in ein tiefes Loch, wenn der Arzt der Kinderwunschklinik ihnen diese bittere Nachricht überbringt. Und trotzdem haben ihr Mann Richard und sie bisher nie die Hoffnung auf ein zweites Kind verloren – bis jetzt! Denn nach einer weiteren gescheiterten künstlichen Befruchtung rechnet auch der Arzt nicht mehr mit einer reellen Chance für eine Schwangerschaft.

Richard möchte nun mit dem Thema abschließen. Immerhin haben sie bereits den tollsten Sohn, den man sich vorstellen kann und dem sie nun ihre volle Aufmerksamkeit schenken können. Doch Vanessa will unbedingt eine kleine Schwester für den siebenjährigen Theo und denkt an eine Adoption. Da Richard sich damit nicht anfreunden kann, droht die Beziehung zu zerbrechen. Darunter leidet auch der kleine Theo. Ist der zweite Kinderwunsch das alles wirklich wert?

Vanessa Blume lief leichtfüßig die elegant geschwungene Holztreppe des Einfamilienhauses hinunter, in dem sie seit zwei Jahren mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn wohnte.

Aus der Küche hörte sie die Morgennachrichten, das Klappern von Geschirr und das Geplapper des siebenjährigen Theos. Es duftete nach frischem Kaffee und geröstetem Toast und die Sonne schien warm durch die großen Fenster in die helle, mit warmen Steinfliesen ausgelegte Diele.

Normalerweise freute Vanessa sich jeden Morgen über ihr schönes Zuhause, denn sie wusste es zu schätzen, dass sie sich den Luxus eines Eigenheims mitten in der Großstadt leisten konnten. Doch heute musste die Fünfunddreißigjährige sich dazu regelrecht zwingen, denn sie war nervös wie schon lange nicht mehr.

Sie ließ die Hand leicht über das Holzgeländer gleiten und spürte die feine Maserung.

Richard und sie hatten viel Wert darauf gelegt, dass ihr Haus nicht nur modern, sondern auch gemütlich war. Deshalb gab es viel Holz, aber auch bunte Teppiche und einige Antiquitäten. Die Wände waren in hellen Farben gestrichen, gerahmte Schnappschüsse aus dem letzten Familienurlaub und bunte Kunstdrucke gaben dem Ganzen eine witzige, persönliche Note.

In der geräumigen Diele blieb Vanessa einen Moment vor dem großen goldenen Spiegel stehen, der ein Fundstück vom Flohmarkt war, und warf einen prüfenden Blick auf ihr Outfit.

Sie hatte sich für ein klassisches Ensemble, bestehend aus einer anthrazitfarbenen, eleganten Hose und einer enganliegenden, weißen Bluse, entschieden.

Es strahlte, wie sie fand, Klarheit und Entschlossenheit aus. Der kecke Pferdeschwanz, zu dem sie ihr kastanienbraunes Haar hochgebunden hatte, sorgte dabei für einen Hauch Coolness.

Heute würde sie vor dem Konzernchef eine wichtige Präsentation halten, und als Marketingleiterin musste sie dabei eine perfekte Figur abgeben.

Es war jedoch gar nicht die Präsentation, die sie nervös machte, es war etwas anderes.

Vanessa legte eine Hand auf ihren Bauch und atmete tief ein. Heute Abend haben wir Gewissheit, sagte sie sich und erinnerte sich daran, dass sie beschlossen hatte, positiv zu denken.

Dann ging sie in die Küche, um sich von Theo und Richard zu verabschieden. Sie würde sich das Frühstück sparen und einfach einen Apfel auf der Fahrt essen.

Als sie in die modern eingerichtete Wohnküche kam, saß der Siebenjährige mit baumelnden Beinen auf der Arbeitsfläche der Kochinsel und kaum sah er sie, leuchteten seine haselnussbraunen Augen auf.

»Mami, darf ich bitte, bitte ein Kaninchen?« Er legte den Kopf schief und sah sie flehend an.

»Liebe Güte«, lachte Vanessa und stemmte die Hände in die schmalen Hüften. »Das ist jetzt aber ein ganz schlechter Zeitpunkt.«

»Wieso?« Theo imitierte seine Mutter, kreuzte ebenfalls die Arme vor der Brust und zog eine niedliche Schnute.

»Weil du jetzt etwas essen und zur Schule musst«, erwiderte Vanessa lächelnd und sah hinüber zu Richard, der heute statt Jeans und Sweater in Anzughose, Hemd und Krawatte ein Pausenbrot schmierte.

Ihre Blicke trafen sich kurz.

»Papa hat heute kein Home-Office«, wandte Vanessa sich wieder an Theo. »Und ich bin auch in Eile.«

Sie tippte dem Jungen mit dem Zeigefinger auf die Nase.

»Um die Kaninchensache zu besprechen, brauchen wir Ruhe und einen vollen Magen.« Sie drückte ihm den Teller mit dem Toast in die Hand.

Theo überlegte einen Moment, und dann zuckte er die Schultern. »Dann eben nach der Schule.«

»Du bist heute bei Oma«, erinnerte Richard ihn. »Mama und ich haben einen Termin.«

Wieder tauschten sie einen kurzen Blick, und Vanessa schluckte. Das mulmige Gefühl im Bauch kehrte zurück.

»Müsst ihr wieder zu diesem Arzt?«, fragte Theo und sah seine Mutter forschend an. Seine Eltern hatten dann immer schlechte Laune.

Vanessa nickte knapp. »Ja. Wir holen dich heute Abend ab.«

Theo seufzte. Er konnte fühlen, dass seine Mutter angespannt war, und das drückte auch seine Stimmung.

»Ole hat sogar eine Katze«, beschwerte er sich. »Alle in meiner Klasse haben ein Haustier und ...«

»Theo, iss jetzt endlich«, unterbrach Richard den Jungen gereizt und sah ihn unter seinen dunklen Brauen streng an.

Theo verstummte, und seine Unterlippe begann gefährlich zu zittern.

Vanessa warf ihrem Mann automatisch einen vorwurfsvollen Blick zu, und Richard hob genervt die Brauen und deutete stumm auf die Uhr.

Vanessa wandte sich wieder dem Kind zu und strich Theo zärtlich übers Haar. Immer wenn Richard ungeduldig wurde, bekam sie ein schlechtes Gewissen.

»Wir überlegen es uns, Liebling, aber jetzt ist wirklich kein guter Moment. Iss bitte.«

»Ihr sagt das immer«, maulte Theo und sah missmutig auf seinen Teller.

Vanessa seufzte. Sie hatte gar nichts gegen ein Kaninchen, es war Richard, der sich vehement gegen Haustiere sträubte, und da er viel mehr Zeit zu Hause verbrachte als sie, war sein Veto entscheidend.

»Wie ist eigentlich die neue Lehrerin?«, versuchte sie ihren Sohn auf andere Gedanken zu bringen.

Sofort hellte sich seine Miene auf. »Die ist super! Sie sieht aus wie eine Sunflower!«

Vanessa hob beeindruckt die Brauen. »Wie eine Sonnenblume, na sieh mal an. Das klingt gut. Und ihr habt sogar schon etwas gelernt bei ihr.«

»Sie sagt ganz viel auf Englisch, weil sie aus Amerika kommt«, erzählte Theo nicht ohne Stolz, und Vanessa nahm erleichtert zur Kenntnis, dass er nun sogar von dem Toast abbiss.

»Oma war doch auch mal in Amerika, oder?«, fragte er kauend in Richards Richtung. Sein Vater nickte. »Das ist aber ewig her.«

»Kaninchen heißt auf Englisch rabbit«, sagte Theo und sah wieder seine Mutter an.

Vanessa grinste. »Du bist auch ein kleiner rabbit.«

Sie gab ihrem Sohn einen Kuss auf die Nasenspitze.

»So. Ich muss jetzt los, ihr Süßen.«

»Alles Gute.« Richard sah sie an. »Und bis später.«

Sie tauschten einen vielsagenden Blick.

Dann winkte Vanessa Theo noch einmal zu und ging hinaus.

In der Diele schnappte sie sich ihre Blazerjacke und verließ das Haus.

Die frische Morgenluft empfing sie, und sie blinzelte einen Moment in die Sonne. Sie war perfekt auf die Präsentation vorbereitet, und der Erfolg war ihr sicher.

Anders sah es mit dem Termin bei Dr. Westphal aus, durchfuhr es sie, und ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Hier war der Erfolg wie ein willkürlicher Handstreich des Schicksals.

Ob sie ein zweites Kind bekommen würden oder nicht, hing einzig von der Laune der Natur ab. Und heute war der Tag der Wahrheit. Wieder mal.

♥♥♥

An Nachmittag blickte Vanessa nervös zu ihrer Schublade.

Sie seufzte und sah auf die Uhr. Es war Viertel nach fünf. In einer Stunde würde sie sich mit ihrem Mann bei dem Fruchtbarkeitsspezialisten, bei dem sie seit zwei Jahren in Behandlung waren, treffen.

Ich habe so lange gewartet, jetzt schaffe ich es wohl noch eine Stunde, ermahnte sie sich und blickte wieder auf ihren Computerbildschirm.

Die Verkaufszahlen von Floralove, der Kosmetikfirma, für die Vanessa arbeitete, waren im letzten Monat glänzend gewesen. Doch die konnten sie ausnahmsweise nicht fesseln.

Sie presste die Lippen zusammen, öffnete das Schubfach, holte die Packung mit dem Schwangerschaftstest heraus und betrachtete sie.

Dann legte sie sie aufseufzend wieder weg. Nein. Sie würde den Test nicht machen. Das wäre Richard gegenüber unfair. Und was hätte sie auch davon?

Um ihren Entschluss zu bekräftigen, erhob sie sich und ging durch ihr geräumiges Büro zu der eleganten Sitzgruppe.

Sie nahm sich eine Praline aus einer Kristallschale und steckte sie gedankenverloren in den Mund. Sie hatte sich Süßigkeiten immer verkniffen, obwohl sie sehr schlank war, aber jetzt hatte sie das Gefühl, sich stärken zu müssen.

Vanessa legte zärtlich eine Hand auf ihren flachen Unterbauch, und ihre rehbraunen Augen bekamen einen träumerischen Blick.

Sie brauchte doch eigentlich gar keinen Test. Sie hatte dieses Mal ein so gutes Gefühl. Vielleicht klopfte schon ein kleines Herz unter ihrem eigenen.

Sie setzte sich, schlug die schlanken Beine übereinander und betrachtete die wunderbare Aussicht auf die Hamburger Speicherstadt.

Das machte sie eigentlich viel zu selten, seitdem sie den Job bekommen hatte. Aber sie war ja auch nicht zum Ausruhen eingestellt worden, sondern um der erfolgreichen Kosmetikmarke Floralove international zum Durchbruch zu verhelfen.

»Huhu!« Nach kurzem Klopfen hatte Vanessas neue Assistentin den Kopf zur Tür hinein gesteckt und betrat auf ein Zeichen ihrer Chefin den Raum.

Laura Winter war eine hübsche, sehr junge Frau, die frisch von der Uni kam. Ihr kupferfarbenes Haar trug sie in einem flotten, kurzen Schnitt.

Mit ehrfürchtigem Blick näherte sie sich ihrer Chefin.

Die zarte, fast zerbrechlich wirkende Vanessa hatte eine so mitreißende Präsentation vor dem Konzerninhaber gehalten, dass ihre Mitarbeiterin noch immer voller Bewunderung war.

»Soll ich deine Termine verschieben, wenn du in Paris bist?«, fragte sie und blieb vor der Sitzgruppe stehen.

Vanessa überlegte. Der Konzernchef war so begeistert von ihr gewesen, dass er sie gebeten hatte, sie in einigen Wochen nach Paris zur Eröffnung eines Flagshipstores zu begleiten. Das war eine große Ehre, und natürlich würde sie mitkommen. Sie sah ihre Assistentin an.

Vielleicht war das für Laura die Gelegenheit, ein bisschen mehr Verantwortung zu übernehmen.

»Ein paar Termine kannst du ruhig übernehmen«, sagte sie und sah mit Genugtuung, wie die junge Frau die Augen aufriss. »Schick mir deine Vorschläge per Mail.«

Lauras Wangen hatten sich gerötet. »Danke, Vanessa.«

»Keine Ursache.« Die Ältere lächelte. »Ich bin übrigens gleich weg. Ich treffe mich mit Richard.«

»Ein Rendezvous?«, fragte Laura mit leuchtenden Augen. Sie fand den Ehemann ihrer Chefin unglaublich attraktiv, und in ihren Augen waren die beiden ein Traumpaar.

Vanessa zögerte kurz. Laura erinnerte sie an sich selbst vor zehn Jahren. Doch es wäre nicht gut, sie einzuweihen. Davon abgesehen würde sie es sowieso nicht verstehen.

Daher nickte sie nur.

»Du hast aber auch ein Glück!«, rief Laura schwärmerisch. »Dann genieß es, und wir sehen uns morgen!«

Sie zwinkerte ihrer Chefin zu, verabschiedete sich und spazierte so flink wieder hinaus, wie sie hineingekommen war, sodass ihr hübscher Blümchenrock um ihre Beine schwang.

Vanessa seufzte. Von wegen Rendezvous. Vanessa konnte sich kaum daran erinnern, wann sie das letzte Mal eines gehabt hatten.

Es schmeichelte ihr, dass die junge Frau zu ihr aufsah. Es war allerdings kein Wunder, denn Vanessas Fassade war tatsächlich sehr nah an einem perfekten Leben.

Doch das war eben nur die Oberfläche.

Vanessa schloss die Augen.

Wenn sie nur an die Praxis von Prof. Dr. Westphal dachte, bekam sie schon feuchte Hände.

Sie sah wieder zur Schublade. Sie könnte den Test doch einfach machen, ohne Richard etwas zu sagen.

Vanessa stand auf, strich ihre Hose glatt und ging zielstrebig zum Schreibtisch.

Als sie die Hand ausstreckte, fiel ihr Blick auf das Familienfoto in dem schweren Silberrahmen, das sie zu dritt im Garten ihres Wochenendhäuschens am See zeigte.

Ein schlechtes Gewissen beschlich sie. War sie nicht schrecklich undankbar?

Aber sie konnte sich nicht helfen, so harmonisch sie auch in die Kamera lächelten. In ihrem Herzen wusste Vanessa – da fehlte noch jemand! Das Bild eines kleinen Mädchens formte sich vor ihrem inneren Auge, und eine Welle der Sehnsucht durchflutete die Sechsunddreißigjährige.

Sie ließ die Hand sinken. Sie war normalerweise nicht abergläubisch, aber plötzlich war ihr der Gedanke gekommen, dass es vielleicht Unglück bringen könnte, den Test zu machen.

Entschlossen riss Vanessa die Schublade auf, griff nach der Packung und warf sie in den Papierkorb.

♥♥♥

»Ihre Frau wartet schon«, sagte die Sprechstundenhilfe, als Richard eine Stunde später die elegante Praxis von Professor Westphal im feinen Hamburger Stadtteil Eppendorf betrat.

Die Information war sehr überflüssig. Er war zwanzig Minuten zu spät. Doch er verkniff sich einen Kommentar und folgte stattdessen der Dame ins Wartezimmer.

Die glänzenden, sandfarbenen Marmorböden, die dezente Musik und das Wasserspiel, das im Empfangsbereich des Fruchtbarkeitsspezialisten für Entspannung sorgen sollte, hatte heute nicht die gewünschte Wirkung auf den vierunddreißigjährigen Familienvater.

Im Gegenteil. Er verband die Praxis mittlerweile mit so vielen unangenehmen Erinnerungen, dass diese Details ihn eher beunruhigten.

Seit über zwei Jahren waren sie regelmäßig hier. Vanessa hatte sich sämtlichen Behandlungen, die die hochmoderne Praxis anbot, ausgesetzt. Vor allem die sogenannte IVF, die In-vitro-Fertilisation, war in Richards Augen eine Tortur.

Während er durch den hellen Flur ging, erinnerte er sich daran, was sie alles auf sich genommen hatte, und es ließ ihn jetzt noch innerlich aufseufzen.

Diese ständigen Eingriffe, die Injektionen und die Nebenwirkungen der Hormonbehandlungen waren schrecklich gewesen.

Abgesehen davon hatten sie ein Vermögen ausgegeben.

Dennoch war Vanessa noch immer nicht schwanger geworden. Und es kam Richard langsam vor, als würden sie einen aussichtslosen Kampf kämpfen. Aber er wusste, wie viel es Vanessa bedeutete.

Vielleicht war es ja heute anders, dachte er und atmete tief ein. Vielleicht würde sich ihr Traum erfüllen und die ganze Qual hätte sich letztendlich doch gelohnt.

Bevor er eintrat, strich er sich das dunkle Haar aus der Stirn und tupfte sich mit dem Handrücken die winzigen Schweißperlen ab, die sich dort gebildet hatten.

Zum Glück war das Wartezimmer bis auf seine Frau leer. Sie sah so klein und schmal aus in den großen weichen Ledersesseln, dass er sie am liebsten sofort in den Arm genommen hätte.

Sie hob den Blick von einer Zeitschrift und sah ihn beinah verzweifelt an.

»Wo warst du denn? Sie haben mir schon vor einer halben Ewigkeit Blut abgenommen. Die Ergebnisse sind längst da!«

»Es tut mir leid, Liebling«, sagte Richard.

»Das Meeting hat länger gedauert, als Thomas angekündigt hatte«, sagte er und verdrehte genervt die Augen. Sein Kompagnon Thomas Brunner war bekannt für Kreativität und Chaos. Er beugte sich zu ihr, um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken. »Und dann stand ich endlos im Stau.«

Vanessa nickte stumm und legte die Zeitschrift weg.

Die Sprechstundenhilfe war wieder herein gekommen.

»Professor Westphal ist für Sie bereit«, sagte sie mit ihrem professionellen Lächeln und begleitete Richard und Vanessa sogleich in das große Büro des Arztes.

Auch hier plätscherte ein Wasserspiel, und ein Ölbild, das einen Buddha darstellen sollte, beherrschte den eleganten Raum. Sie nahmen in den weichen Ledersesseln Platz.

Richard hätte gern die Gelassenheit eines Buddhas gehabt, vor allem, weil sich Vanessa neben ihm verspannte, seine Hand nur kurz drückte und dann ihre eigene in das Polster krallte.

Professor Westphal, ein hochgewachsener Mann in den Fünfzigern, mit der seiner Zunft üblichen Sonnenbräune, die er, wie Richard vermutete, entweder vom Segeln oder Golfspielen hatte, betrat durch eine Hintertür den Raum und begrüßte sie mit seiner einfühlsamen Stimme.

Richard entschuldigte sich für die Verspätung und tastete das Gesicht des Mediziners wie bei jedem dieser Gespräche automatisch nach einer Information ab.

Doch auch Dr. Westphal war ein Meister der Professionalität, und sein gebräuntes Gesicht verriet nichts.

Er setzte sich hinter seinen blankpolierten gläsernen Schreibtisch und faltete die Hände.