Fantastische Aussichten: Fantasy & Science Fiction bei Knaur #10 - Roseanne A. Brown - kostenlos E-Book

Fantastische Aussichten: Fantasy & Science Fiction bei Knaur #10 E-Book

Roseanne A. Brown

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Beschreibung

Bist du bereit für eine aufregende Reise in fremde Welten? Bist du bereit, dich von fantastischen Geschichten verzaubern zu lassen? Dann ist diese Leseproben-Sammlung genau das Richtige für dich!  Dich erwartet die Fortsetzung des von westafrikanischer Folklore inspirierten Fantasyromans »A Song of Wraiths and Ruin« von Roseanne A. Brown. In »A Psalm of Storms and Silence« ist die geflohene Prinzessin Karina auf der Suche nach ihrer Bestimmung, nachdem sie durch einen Verrat alles verloren hat. Malik hingegen findet Zuflucht im Palast Zirans. Doch die Welt versinkt im Chaos, und nur Karina kann das Gleichgewicht wiederherstellen. Aber wie kann man das Vertrauen von jemandem zurückgewinnen, den man einst töten wollte?  In »Das Herz der Zwerge« von Markus Heitz werden die Äxte erneut geschärft. Stell dich mit den Kleinsten den neuen, gefährlichen Herausforderungen: Goïmron wollte nach den aufregenden Abenteuern in Malleniaswacht Ruhe finden und seiner Liebe Rodana nahe sein. Doch eine gefährliche Sumpfhexe, der mysteriöse Zwerg Vraccimbur, der wie aus dem Nichts Anspruch auf den Thron des Großkönigs erhebt, und ein grausames Wesen, das den Fortbestand des Geborgenen Landes bedroht, machen ihm einen Strich durch die Rechnung.  Tauche ein in die magische Welt eines modernen Hexenzirkels, im Reihenauftakt »Der Hexenzirkel Ihrer Majestät« von Juno Dawson. Nach einem Bürgerkrieg unter den Hexen versuchen die Freundinnen Niamh, Leonie, Helena und Elle, in ihr »normales« Leben zurückzukehren. Doch als die Orakel das Ende aller Hexen vorhersagen, gerät ein magisch begabtes Kind in den Fokus der vier Freundinnen. Jetzt müssen die Hexen Entscheidungen treffen, die ihre Freundschaft für immer verändern werden … Diese und weitere fantastische Geschichten von den Autor:innen Oliver Plaschka und Diana Wynne Jones findest du in der Leseproben-Sammlung zu den Fantasy-Titeln des Knaur Verlages. Das kostenlose eBook enthält Leseproben zu: - Roseanne A. Brown, »A Psalm of Storms and Silence. Die Magie von Solstasia« - Markus Heitz, »Das Herz der Zwerge 1« - Juno Dawson, »Der Hexenzirkel Ihrer Majestät. Das begabte Kind« - Oliver Plaschka, »Der Wächter der Winde« - Diana Wynne Jones, »Die verborgene Geschichte des Tom Lynn«

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Seitenzahl: 182

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Roseanne A. Brown / Markus Heitz / Juno Dawson / Oliver Plaschka / Diana Wynne Jones

Fantastische Aussichten:Fantasy & Science Fiction bei Knaur

Ausgewählte Leseproben von Roseanne A. Brown, Markus Heitz, Juno Dawson u.v.m.

Knaur eBooks

Inhaltsübersicht

Vorwort

Roseanne A. Brown – A Psalm of Storms and Silence

Markus Heitz – Das Herz der Zwerge

Juno Dawson – Der Hexenzirkel Ihrer Majestät

Oliver Plaschka – Der Wächter der Winde

Diana Wynne Jones – Die verborgene Geschichte des Tom Lynn

Liebe Leser*innen,

 

im Herbst 2022 reisen wir mit dem Knaur-Fantasy-Programm wieder in die Welten der Hexen, Zwerge und Elfen. Tauche ein in unsere ausgewählten Leseproben und schließ dich unseren Heldinnen und Helden auf ihren Abenteuern an: Lass dich verzaubern, erforsche die Geheimnisse fremder Orte und Wesen, kämpfe an der Seite von Freunden – und Feinden?

Wohin die Neugier dich auch zieht, wir wünschen dir viel Spaß bei all deinen Wegen in fantastische Leseabenteuer!

 

Herzlich

Dein Droemer Knaur-Team

Roseanne A. Brown

A Psalm of Storms and Silence

aus dem Amerikanischen von Diana Bürgel
Anmerkung des Verlags

»A Psalm of Storms and Silence. Die Magie von Solstasia« ist der zweite Band einer Dilogie. Diese Leseprobe enthält daher Spoiler für Band 1 »A Song of Wraiths and Ruin. Die Spiele von Solstasia«. Eine Leseprobe für Band 1 findest du unter www.droemer-knaur.de.

Karina hat alles verloren, nachdem ein Putsch sie ohne Erbe zurückließ. Jetzt ist sie die meistgesuchte Person in Sonande. Ihre einzige Hoffnung, das zurückzuholen, was ihr rechtmäßig zusteht, liegt in einer göttlichen Macht, verborgen in der Stadt ihrer Vorfahren.

Malik findet Zuflucht im Palast Zirans, und zum ersten Mal auch so etwas wie Geborgenheit. Doch die Welt versinkt im Chaos, und nur Karina kann das Gleichgewicht wiederherstellen. Als die Magie Sonandes zu zerreißen droht, stehen sich Malik und Karina erneut gegenüber. Aber wie kann man das Vertrauen von jemandem zurückgewinnen, den man einst zu töten versuchte?

* * *

Ihr seid also zurückgekommen, weil ihr eine weitere Geschichte über den Jungen und das Mädchen hören möchtet. Über die Prinzessin und den Geflüchteten, über die Zawenji und den Ulraji – ja, ich weiß, wie es mit ihnen weitergeht. Wir werden uns den beiden zu gegebener Zeit wieder widmen, versprochen.

Doch erlaubt mir, euch zuvor in eine Nacht mitzunehmen, die zwar nichts mit diesen beiden zu tun hat, dafür aber eine ganze Menge mit einem anderen Jungen, der seine Adoptivmutter zum ersten Mal schreien hörte …

Die erste Wehe erfasste die Sultanin von Ziran inmitten einer Ratsversammlung, und die Wesire waren so in ihre Debatte darüber vertieft, wie man das Getreide für die nahende Jahreszeit der Stürme zuteilen sollte, dass sie die Bedrängnis ihrer Herrscherin erst erkannten, als diese über dem Tisch zusammensackte und ein nasser Fleck auf ihrem hellroten Kleid erblühte und es blutrot färbte.

Als die zweite Wehe kam, hatten die Hebammen des Palasts ihre Sultanin bereits sicher in den Geburtsraum gebracht. Bei der dritten waren alle sieben Hohepriesterinnen in Ksar Alahari eingetroffen und hielten ihre heiligen Kräuter und geweihten Öle bereit, um das neueste Mitglied der königlichen Familie mit dem Segen der Gottheiten salben zu können.

Bei der vierten Wehe begannen die Schreie.

»Muss es sich so anhören, wenn man ein Baby bekommt?«, flüsterte die Tochter der Königin, als ein weiterer Klagelaut ihrer Mutter die Luft erfüllte. Da es nicht viel gab, was eine Achtjährige tun konnte, um bei der Geburt zu helfen, hatte man Prinzessin Hanane angewiesen, die Tür zu bewachen. Eine Aufgabe, die sie sehr ernst nahm und die ihr die Soldaten, die eigentlich die Tür bewachten, großzügig zuzugestehen vorgaben. Doch nun, nach mehreren Stunden, wich ihre aufgeregte Vorfreude auf ein Geschwisterchen der harschen Erkenntnis, was es tatsächlich bedeutete, ein neues Leben in die Welt zu bringen.

Die Prinzessin erschauerte, als leises Stöhnen, gefolgt von hektischem Geflüster, durch die Tür an ihre Ohren drang. »Es hört sich an, als würde sie sterben.«

»So klingt niemand, der gerade stirbt«, antwortete der Gefährte der Prinzessin. Farid, das Mündel der Königin, folgte Hanane wie ihr zweiter Schatten überallhin, und er gab häufig solche unheilvoll klingenden Bemerkungen von sich. Er war so, seit er vor fast einem Jahr nach Ksar Alahari gekommen war, nachdem er als Einziger einen Straßenräuberangriff überlebt hatte, der seine Eltern, die Diplomaten gewesen waren, das Leben gekostet hatte. Selbst jetzt noch sprach er mit gedämpfter Stimme, in der fast keinerlei Gefühlsregungen mitschwangen, und seine Augen wirkten tiefer und dunkler, als sie es bei einem Zehnjährigen sein sollten.

Farids Blick wanderte von Hananes besorgter Miene zum Himmel jenseits des Balkons. Dicke schwarze Wolken, durch die weiße Blitze zuckten, ballten sich am Horizont zusammen, was ungewöhnlich für diese Jahreszeit war. »Ich weiß das.«

Ein weiterer Schrei zerriss die Stille, und Hananes Augen wurden groß. Nach mehreren quälend langen Minuten öffnete sich endlich die Tür. Doch nicht ihre silberhaarige Mutter mit einem kreischenden Baby erschien dort, sondern nur der König.

»Baba!« Hanane eilte zu ihrem Vater, wie immer dicht gefolgt von Farid. »Ist es geschafft? Ist mein kleiner Bruder da?«

»Noch nicht«, seufzte der König und rieb sich die rot geränderten Augen. »Außerdem wissen wir noch gar nicht, ob es ein Junge wird. Vielleicht bekommst du ja auch eine Schwester.«

»Es ist ein Junge, das weiß ich einfach«, verkündete sie, und angesichts ihrer kindlichen Prahlerei lachte der König zum ersten Mal seit Tagen. Allerdings verklang sein Lachen, als die Schreie der Sultanin wieder einsetzten. Hananes Unterlippe bebte, und ihr Blick huschte zwischen ihrem Vater und der Tür des Geburtsraums hin und her.

»E-es ist doch alles gut mit den beiden, oder?«, fragte sie. Die Geister jener Babys, die nicht überlebt hatten, schienen zwischen ihnen in der Luft zu schweben. Wenn auch dieses nicht leben durfte, dann wären es vier Geschwister, die es nie aus dem Mutterleib geschafft hatten. Nur Farid kannte die geheimen Namen, die Hanane jedem von ihnen gegeben hatte, denn für ihre Eltern war es zu schmerzhaft, darüber zu sprechen.

»Natürlich ist es das«, antwortete der König, und er meinte es auch so, denn das, was von seinem Herzen noch übrig war, weigerte sich, etwas anderes auch nur in Betracht zu ziehen. Ein greller Blitz zerriss den Himmel, gefolgt von tiefem Donnergrollen, das wie Trommelschläge klang. Zweifellos waren die Akolythen im Tempel des Windes völlig aufgelöst und versuchten in heller Panik zu enträtseln, was Santrofie, Sohn des Windes und Schutzgottheit der Windausgerichteten, ihnen damit sagen wollte.

Der König sah zu den Gewitterwolken auf und murmelte etwas, was zu leise war, als dass die Kinder es hätten verstehen können. Dann ließ er sich auf die Knie sinken, ohne auf die verwirrten Blicke der Wachsoldaten zu achten, die nicht fassen konnten, dass er sich so erniedrigte, und öffnete die Arme. Sowohl Farid als auch Hanane schmiegten sich dankbar an ihn, obwohl sie sich einem Alter näherten, in dem sie sich für solchen Trost schon zu erwachsen fühlten. »Deine Mutter hat schon viel Schlimmeres überlebt. Sie wird auch das hier überleben, und dann habt ihr beide ein neues kleines Baby zum Spielen.«

Farid mischte sich tröstend ein. »Und auch wenn du nicht mit dem Baby spielen kannst, wirst du immer mich haben.«

Hanane lächelte dem Jungen zu. »Das stimmt. Dich werde ich immer haben.«

Eine leise Unruhe erfasste den König, als er sah, wie sein Mündel bei diesen Worten zu strahlen begann, doch er schob sie fort. Als Farid nach Ksar Alahari gekommen war, hatte er mehr mit einem Gespenst gemein gehabt als mit einem Jungen. Er hatte sich so sehr in sich selbst zurückgezogen, dass man sich stundenlang mit ihm in einem Raum aufhalten konnte, ohne ihn auch nur zu bemerken. Die Tatsache, dass es Hanane gelungen war, ihn aus seinem Schneckenhaus zu locken, war ein Grund zum Feiern. Außerdem, war es nicht das, was sich alle Eltern wünschten? Dass sich ihre Kinder so nahestanden wie diese beiden?

Der König wollte etwas dazu sagen, doch die lauten Stimmen der Hebammen, die hektisch seinen Namen riefen, schnitten ihm das Wort ab. Er sprang auf und eilte in den Geburtsraum, und das Letzte, was die Prinzessin sah, bevor die Tür ins Schloss fiel, waren ein Wirbel aus Bewegung, das schweißbedeckte Gesicht ihrer Mutter und mehrere Haufen blutgetränkter Tücher. Hanane begann zu zittern, doch als Farid die Hand ausstreckte, um sie zu trösten, stieß sie ihn fort und faltete die Hände zum Gebet. Sie war eine Sonnenausgerichtete, also betete sie zu ihrer Schutzgottheit Gyata der Löwin. Sie betete darum, dass ihr neues Geschwisterchen – vorzugsweise ein Bruder – glücklich und gesund sein und immer mit ihr spielen wollen würde, auch wenn sie ihre Spielsachen oder Süßigkeiten nicht mit ihm teilen mochte.

Die Priesterinnen hatten ihr beigebracht, dass die Gottheiten jene belohnten, die für ihre Bitten auch Opfer zu bringen bereit waren, also fügte die Prinzessin noch an: »Ich werde alles tun, was du willst, einfach alles, wenn du das Kind nur leben lässt.«

Kaum hatte sie das letzte Wort ausgesprochen, als das bisher lauteste Donnerkrachen die Alabasterwände um sie herum erzittern ließ. Die Prinzessin riss die Augen auf, und da sah sie es: Für den Bruchteil eines Moments, kürzer, als ein Schmetterling braucht, um abzuheben, oder ein Todgeweihter, um seinen letzten Atem auszuhauchen, schwebten die Regentropfen wie Tausende kleine Perlen in der Luft.

Hanane rief nach Farid, damit er es sich ansah, doch als er aufblickte, prasselten die Tropfen schon wieder zu Boden.

Jahre später würde dieser Abend nur zu einer weiteren verschwommenen Erinnerung an die Kindheitstage der jungen Prinzessin werden. Doch in diesem Moment wusste sie mit einer Gewissheit, die so stark war wie ein Berg und so weit wie das Meer, dass sie mit den Gottheiten gesprochen hatte und dass diese ihr geantwortet hatten – denn nicht einmal eine Minute später erfüllte das unverwechselbare Schreien eines Neugeborenen den Palast, und alle Gedanken an Versprechungen und an Gottheiten, die sich irgendwann holen würden, was ihnen zustand, waren vergessen, als Hanane losrannte, um ihre Schwester kennenzulernen.

1
Malik

Es war einmal, inmitten eines schimmernden Palasts aus Alabaster und Silber, auf einem hohen Hügel im Herzen einer goldenen Wüste, ein Junge. Und inmitten dieses Jungen, da war ein Baum.

Von allen Bäumen im Hain war dieser der schönste. Seine Blätter reichten am weitesten hinauf, und die Zitronen an seinen Zweigen strahlten im schönsten Gelb. Weder der Baum noch der Hain, in dem er stand, waren echt, doch das kümmerte Malik nicht. Jahrelang war er davon überzeugt gewesen, dass sein Verstand ein zerstörter, ausgedörrter Ort war, an dem es nichts gab außer den Narben seiner Kindheit. Wenn er dazu fähig war, etwas so Warmes und Lebensstrotzendes zu erschaffen wie diesen Baum, dann bestand vielleicht die Chance, dass er doch nicht so zerrüttet war, wie man ihn hatte glauben lassen.

Ja, der Zitronenhain war perfekt. Oder er wäre es gewesen, wenn es da nicht die Schlange gegeben hätte.

»Dummer, törichter Junge«, brüllte der Gesichtslose König, und seine Stimme war aus zerrissenen Himmeln und donnernden Wellen gemacht, aus dunkler Magie und noch dunklerer Besessenheit. Er warf sich gegen die Fesseln, die ihn an den Baum im Herzen des Hains banden. »Du kannst mich nicht für immer hier festhalten.«

Malik erschauerte, als der geballte Zorn des Obosoms durch die Verbindung zwischen ihnen strahlte. Vor langer Zeit hatte man ihn in der gesamten Wüste Odjubai als Ɔwɔ gekannt, als Verkörperung des einst mächtigen Gonyama-Flusses. Auf der Höhe seiner Macht hatte er die Stärke besessen, ganze Imperien zu überfluten und neue Königreiche zu erschaffen.

Nun war er hier, gefangen im Kopf eines einfachen Menschenjungen, der kaum verstand, was Magie war, geschweige denn, wie man sie gebrauchte. Die Unwürdigkeit seiner Lage schien den Geist mehr zu erzürnen als alles andere.

Wieder warf sich der Gesichtslose König gegen seine Fesseln, und der Teil von Maliks Verstand, den der Geist vereinnahmte, krachte gegen sein Bewusstsein. Es fühlte sich an, als würde er von innen heraus in zwei Teile gerissen, und Malik fiel auf Hände und Knie, während er einen Schrei zu unterdrücken versuchte. Dies hier war nicht echt. Sobald er aufwachte, würde es vorbei sein.

Doch Maliks Kontrolle über seinen Verstand war am schwächsten, wenn er schlief, weshalb der Gesichtslose König genau diesen Zeitpunkt gewählt hatte, um einen Ausbruch zu versuchen. Eine weitere Schmerzwelle erschütterte Malik bis ins Mark, und er musste sich in Erinnerung rufen, was er alles verlieren würde, wenn sich der Obosom befreite. Der Flussgeist, der auch bekannt war als Idir, der Geliebte der vorzeitlichen Königin Bahia Alahari, hegte einen Hass gegen Ziran, den nur vollkommene Zerstörung würde stillen können. Wenn auch nur ein Funke seiner Macht den Fesseln entkam, würde er die gesamte Stadt in Schutt und Asche legen und ohne zu zögern jeden töten, den Malik liebte.

Vor über tausend Jahren hatte all der Zorn im Namen eines Unrechts seinen Ursprung genommen. Ein Unrecht, das infolge der Tyrannei von Maliks Vorfahren, den mächtigen Ulraji Tel-Ra, begangen worden war.

Malik bereute nicht, dass er den Geist in seinem Verstand gefangen gesetzt hatte – aber, möge die Große Mutter ihm helfen, es tat weh.

»Du wagst es, dich mit den Ulraji aus den alten Zeiten zu vergleichen?«, fragte Idir, und obwohl Malik seinen Kopf nun schon seit fünf Tagen mit dem Flussgeist teilte, schreckte er immer noch vor der Erkenntnis zurück, dass Idir seine Gedanken lesen konnte. »Du besitzt nicht einmal einen Bruchteil ihrer Macht, und selbst auf der Höhe ihrer Kraft hätten sie mich nicht lange gefangen halten können.«

Wieder drückte der Gesichtslose König gegen Maliks Schädel, ein scharfer Schmerz wie von einem glühenden Eisen. Was doch sicher ausreichen sollte, um ihn aufzuwecken. Doch Malik blieb gefangen in seinem Kampf, ohne um Hilfe rufen zu können. Falls ihn gerade jemand ansah, würde er dann Zeuge werden, wie sich Maliks Körper unter den Anstrengungen zusammenkrümmte, oder würde er nur in sein schlafendes Gesicht blicken? Falls Idir ihn umbrachte und seinen Körper übernahm, würde es dann überhaupt jemand merken?

»Mich hier gefangen zu setzen war klug, aber eines hast du dabei nicht bedacht«, zischte Idir. »Genauso wie mein ganzes Selbst dir offenbart wurde, so wurde auch dein ganzes Selbst vor mir entblößt – ich kenne jede Windung und Drehung deiner Gedanken sowie jene dunklen Winkel deines Verstands, denen du dich nicht einmal selbst stellen kannst.« Obwohl Malik den Obosom in seiner ausgemergelten menschlichen Form eingefangen hatte, waren seine Augen noch die seiner wahren Gestalt, und diese Schlangenaugen starrten Malik nun an. In ihnen lauerte der tausendjährige Hass. »Und genau deshalb weiß ich, dass du nicht stark genug bist, um mich für immer hier festzuhalten.«

Die vertrauten Tentakel der Panik wanden sich durch Maliks Eingeweide. Was, wenn Idir recht hatte? Was war Maliks dürftiges Verständnis von der Ulraji-Magie gegen einen Flussgeist, der wie ein Gott verehrt worden war? Trotz seiner Gabe des Geschichtenwebens – was war er schon außer einem schmerzlich erbärmlichen Menschen? Er konnte das nicht, er hätte es niemals versuchen dürfen, er zögerte damit nur das Unausweichliche hinaus, er war …

Nein. Nein.

Malik wusste, wenn er dieser Spirale der Angst folgte, dann würde er am Ende wie ein Feigling vor Idir um Gnade winseln. Das war es, was sein altes Ich getan hätte.

Doch sein altes Ich war in dem Moment gestorben, in dem er sich am letzten Tag von Solstasia einen Dolch ins eigene Herz gestoßen hatte. Der neue Malik mochte nie ein Gott gewesen sein, doch er war alles andere als machtlos.

»Ich muss nicht stark sein«, sagte Malik, und obwohl sein ganzer Körper protestierend aufzuschreien schien, zwang er sich dazu, aufzustehen. Das Mantra, das ihm seine Großmutter früher einmal beigebracht hatte, um sich zu erden, erfüllte seine Gedanken und drängte den aufbrandenden Schmerz und die Ungewissheit zurück.

Atme. Bleib im Jetzt. Bleib hier.

Malik hob den Kopf, um sich dem herausfordernden Blick des Gesichtslosen Königs zu stellen.

»Ich muss nur stärker sein als du.«

Der Flussgeist mochte schon zuvor zornig gewesen sein, doch das war nichts im Vergleich zu der Flut aus schierer Wut, die Maliks Worte hervorriefen. Der Zorn des Gesichtslosen Königs ließ den ganzen Zitronenhain erbeben, und als sich Malik an einem der Bäume abstützen wollte, verbrannte er sich die Hand so heftig daran, dass seine Haut Blasen schlug. Der Boden unter seinen Füßen wurde zu Asche, dann stürzte Malik in einen tiefen Abgrund seines Bewusstseins, aus dem es kein Entkommen geben würde. Er stieß sich mit allem, was er hatte, von der immer weiter wachsenden Leere unter sich ab, doch er konnte seinen Körper nicht dazu bringen, aufzuwachen.

Dann brach ein goldenes Licht durch das wirbelnde Chaos – ein einzelner Faden Nkra, das grundlegende Element, aus dem alle Magie floss. Obwohl er nicht wissen konnte, wohin ihn dies führen würde, griff Malik danach, denn etwas anderes hatte er nicht. Der warme Duft von Erde nach einem Frühlingsregen erfüllte seine Sinne.

Karinas Duft.

Kaum war ihm dieser Gedanke durch den Kopf gegangen, da fiel er schon wieder, fort vom Zitronenhain und dem Gesichtslosen König, in einen Winkel seines Bewusstseins, der von allen anderen abgetrennt war.

Das Gefühl verging. Langsam öffnete Malik die Augen, und vor ihm lag … eine grüne Welt.

Seine Umgebung war verschwommen, so wie es an Traumorten oft der Fall war, doch die üppige Vegetation um ihn herum war trotzdem deutlich zu erkennen. So etwas gab es in der Odjubai nicht. Die kehligen Rufe von Turakos und anderen Vögeln mischten sich mit Kinderlachen und schallten laut durch die Luft. Die wenigen, geduckten Lehmziegelhütten, die Malik erkennen konnte, waren mit wirbelnden geometrischen Mustern bemalt, deren kulturellen Ursprung Malik nicht kannte. Hier war er noch nie gewesen, und doch war da etwas in ihm, was diesen Ort kannte. Ein Teil im Zentrum von allem, was Malik über sich wusste.

Dann begriff er auch, woher das Kinderlachen kam, als zwei Mädchen an ihm vorbeirannten, die Gesichter verschwommen, als würden die Farben auf der Palette eines Künstlers ineinanderlaufen.

»Schneller, Khenu! Die Ältesten werden uns zum Feuerholzhacken verdonnern, wenn wir schon wieder zu spät kommen!«, rief das größere der beiden Mädchen, das an Malik vorbeirannte, ohne ihn zur Kenntnis zu nehmen.

»Ich komme ja schon!«, antwortete das kleinere Mädchen – vermutlich Khenu –, und ihre schnellen, vogelhaften Bewegungen erinnerten Malik an seine kleine Schwester Nadia. Nachdem Khenu die Hälfte des Wegs zu ihrer Freundin zurückgelegt hatte, stolperte sie über eine Baumwurzel und fiel bäuchlings in den Schlamm. Sofort brach sie in Tränen aus, woraufhin das ältere Mädchen kehrtmachte und ihr mit einem übertriebenen Seufzen wieder aufhalf.

»Was bist du denn für eine Ulraji, wenn du immer gleich anfängst zu heulen?«, neckte das größere Mädchen und nahm ihre kleine Freundin huckepack. Maliks Augen wurden groß – diese Kleine war eine Ulraji? Dann musste dies hier eine Erinnerung an die Vergangenheit sein, denn nur in uralten Zeiten hatte man so etwas so ungeniert aussprechen können. Doch wessen Erinnerungen waren es? Die des Gesichtslosen Königs?

Malik machte einen Schritt nach vorn, dann erstarrte er, als ihm wieder der Regenduft in die Nase stieg. Das Summen einer Energie, die nichts mit seiner Magie zu tun hatte, rauschte durch seine Adern, und als er über die Schulter zurückblickte, stand Karina neben ihm.

Ihr Blick war auf die beiden Mädchen gerichtet, die nun in den Dschungel liefen, was es Malik gestattete, sie einfach zu betrachten. Sie schien ihre verzweifelte, sturmbefeuerte Flucht aus Ziran vor ein paar Tagen unbeschadet überstanden zu haben. Ihre Bernsteinaugen strahlten hell und aufmerksam, ihre Silberlocken blieben unter einem grünen Tuch verborgen, das sie sich um den Kopf geschlungen hatte. Erst als die Mädchen fort waren, sah die Prinzessin in seine Richtung, und obwohl dies hier nur ein Traum war, schwoll das Summen der Energie in Malik weiter an, während sie den Blick über sein Gesicht schweifen ließ und einen Moment zu lange bei seinen Lippen verharrte, wodurch sie die Erinnerung an ihre letzte Begegnung wieder an die Oberfläche zwang.

Fünf Tage waren vergangen, seit sie auf dem Dach des Sonnentempels gestanden und sich geküsst hatten. Ein Kuss, in dem sich Malik vollkommen verloren hatte.

Fünf Tage, seit er versucht hatte, sie umzubringen, um seine kleine Schwester zu retten.

Fünf Tage, seit Karina in einem Strudel aus Wind und Blitzen aus Ziran verschwunden und ihre ältere Schwester vom Totenbett auferstanden war.

Eine so kurze Zeit, und doch hatte sich die Welt, die sie kannten, seither grundlegend verändert. Es gab so vieles, was Malik sagen wollte, Erklärungen und Entschuldigungen drängten sich auf seiner Zunge. Er ging einen Schritt auf die Prinzessin zu, dann, als sie nicht zurückwich, noch einen.

»Karina«, setzte er an, doch mehr brachte er nicht heraus, weil ihn in diesem Moment ihre Faust am Kinn traf.

 

»Malik? Malik!«

Malik riss die Augen auf, als der Schmerz explodierte, und jemand berührte ihn an der Schulter. Auf einmal setzten die Instinkte ein, die sich während der Jahre in ihm entwickelt hatten, in denen er seinen Vater hatte überleben müssen. Die tintenschwarze Geistertätowierung, die normalerweise um seinen Oberarm kreiste, huschte hinab in seine Handfläche, wo sie sich in einen Dolch mit schwarzer Klinge und goldenem Griff verwandelte. Malik packte seinen Angreifer am Hemd und drückte ihm den Dolch an die Kehle. Sein Gegenüber wehrte sich, konnte sich jedoch nicht befreien.

»Malik, ich bin’s nur! Nimm die Geisterklinge weg!« Da begriff Malik, dass es seine große Schwester Leila war, die sich in seinem Griff wand, und im selben Moment erkannte er, dass da noch eine zweite Klinge war, die sich gegen die weiche Haut seines eigenen Halses drückte.

»Lass sie los«, knurrte der Sentinel, und das Einzige, was Malik über das ohrenbetäubende Dröhnen seines Herzens noch wahrnehmen konnte, war das schrille Kreischen in seinen Ohren, das er immer hörte, wenn einer dieser Elitesoldaten in der Nähe war. Sofort ließ er Leila los, und der Dolch tauchte zurück in seine Haut, als er den Kopf in die Hände sinken ließ und nach Atem rang. Wo war er? Was passierte hier?

Atme. Bleib im Jetzt. Bleib hier.