Fast ein Mord - Albert Frank - E-Book

Fast ein Mord E-Book

Albert Frank

0,0
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Cosy Crime vom Feinsten - eine verrückte Kriminalgeschichte Gruppeninspektorin Stefanie Ullrich hat die Leitung einer kleinen Polizeidienststelle in Wien übernommen. Bei der letzten Umstrukturierung der städtischen Polizeireviere war die Dienststelle allerdings übersehen worden, sodass sie auf dem Papier nicht mehr existierte. Ullrich leitet also eigentlich nur noch sich selbst. In schwierigen Fällen kann sie aber immer auf die Hilfe ihrer pensionierten Kollegen Inspektor Durben und Inspektor Kruppa zählen. Eines Morgens erreicht Ullrich ein telefonischer Hilferuf vom Bauernhof ihrer Mutter: Auf dem Hof wurde eine Leiche gefunden. Sofort eilt Ullrich zur Hilfe und stürzt sich in die Ermittlungen. Auch Kruppa und Durben sind mit von der Partie. Doch als sie dem Täter auf die Spur kommen, bringen sie damit den ganzen Bauernhof in Gefahr …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der AutorAlbert Frank, geboren 1959 in Wien, studierte Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte. Ab 1980 arbeitete er an verschiedenen Staats- und Stadttheatern als Schauspieler und Regisseur. Seit 1999 schreibt er Theaterstücke, die vom Theaterverlag Hofmann-Paul verlegt werden und bisher über 1000 Vorstellungen erlebt haben. Inzwischen lebt er in Berlin, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Schon als Jugendlicher entdeckte Albert Frank seine Leidenschaft für das geschriebene Wort. Heute liest er am liebsten Krimis mit Lokalkolorit und schrägen Typen. Beides brachte er nun in seinem ersten Roman aufs Papier.

Das BuchGruppeninspektorin Stefanie Ullrich hat die Leitung einer kleinen Polizeidienststelle in Wien übernommen. Bei der letzten Umstrukturierung der städtischen Polizeireviere war die Dienststelle allerding übersehen worden, sodass sie auf dem Papier nicht mehr existierte. Ullrich leitet also eigentlich nur noch sich selbst. In schwierigen Fällen kann sie aber immer auf die Hilfe ihrer pensionierten Kollegen Inspektor Durben und Inspektor Kruppa zählen. Eines Morgens erreicht Ullrich ein telefonischer Hilferuf vom Bauernhof ihrer Mutter: Auf dem Hof wurde eine Leiche gefunden. Sofort eilt Ullrich zur Hilfe und stürzt sich in die Ermittlungen. Auch Kruppa und Durben sind mit von der Partie. Doch als sie dem Täter auf die Spur kommen, bringen sie damit den ganzen Bauernhof in Gefahr …

Albert Frank

Fast ein Mord

Stefanie Ullrich ermittelt

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.  Originalausgabe bei Midnight Midnight ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Juni 2016 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016  Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95819-075-7  Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.

Erster Teil

Nach der Pensionierung hätte ich keine fünf Schilling auf den Kruppa gewettet. Man hatte sich einfach daran gewöhnt, aber Kruppa war wirklich in einem verheerenden Zustand. 130 Kilo auf knapp einen Meter achtzig. Bier und Cholesterin in beängstigendem Ausmaß. Nach 37 Jahren im Polizeidienst war er auf einen zivilen Ruhestand nicht im Mindesten vorbereitet. Er hat das gemacht, was die meisten Wiener perfekt beherrschen. Er hat das stetige Nahen seines letzten Arbeitstages schlichtweg verdrängt. Das muss man sich vorstellen. An seinem letzten Arbeitstag ist dem Noch-Gruppeninspektor Kruppa aufgefallen, dass er ja irgendwas Ziviles zum Anziehen brauchte. Die letzten zehn Jahre war Kruppa nämlich ausschließlich mit seiner Uniform bekleidet gewesen. Davon hatte er zwei Garnituren. Eine am Körper. Die andere in der Reinigung. An seinem letzten Arbeitstag waren neben Gruppeninspektorin Stefanie Ullrich auch Gerti und Wolfgang Durben auf der Wache Kaingasse in Wien zur Verabschiedung erschienen. Durben, Gruppeninspektor und ehemaliger Dienststellenleiter Kaingasse, war schon ein Jahr früher in Rente gegangen. Seine Frau Gerti, eine ehemalige Lehrerin im Vorruhestand, erbot sich dem Kruppa als Einkaufsberaterin, was dieser aus Mangel an Alternativen misslaunig annahm. Man einigte sich auf den »Kleiderbauer« in der Ignaz-Köck-Straße 1. Auch in Floridsdorf, wie die Kaingasse. Also nicht weit. Kruppa und Gerti fuhren noch während der improvisierten Abschiedsfeier los, weil der Kruppa ja um Punkt siebzehn Uhr seine Uniform für immer ausziehen musste. Das hätte zwar niemand kontrolliert, aber der Kruppa wollte sich da nichts nachsagen lassen. Außerdem brauchte er spätestens morgen sowieso eine Zivilkleidung. Leicht war diese Einkaufsmission nicht. Für Gerti nicht, weil der Kruppa wahnsinnig bockig sein konnte. Und für den Kruppa nicht, weil die Gerti als Exlehrerin genau wusste, wie man mit bockigen Kindern umzugehen hatte. Jetzt war der Kruppa zwar kein Kind mehr, aber für die Gerti machte das keinen Unterschied. Außerdem hatte sie Erfahrung mit ihrem Gatten Wolfgang Durben. Auch ein eher bockiger Typ. Kurzum, es war sehr, sehr anstrengend. Welchen Stil er denn bevorzuge, wollte die Gerti wissen.

»Uniform«, war die provozierend blöde Antwort vom Kruppa.

»Außer Uniform!«

»Vielleicht einen, nein, besser zwei Jogginganzüge in XXL und grün.«

»Johannes, du willst jetzt den Rest deines Lebens mit einem grünen Jogginganzug durch die Welt gehen?«

»Na ja, keine Ahnung, was weiß denn ich? Dann halt was anderes. Ich hab Hunger und Durst. Gibt’s hier eine Kantine?«

»Essen und Trinken gibt’s erst mit dem neuen Gwandl. Je schneller wir sind, desto früher gibt’s Happi Happi und Gluck Gluck.«

»Ja, von mir aus.«

Bei einem Kind hätte es Eis und Cola als Belohnung gegeben und für den Kruppa eben ein Bier und eine Eitrige. So nennt der Volksmund eine Bratwurst mit Käse, der oft unschön ausläuft. Man hatte sich auf eine olivgrüne Hose aus einem elastischen Stretch in XXL geeinigt. Für obenrum ein bügelfreies Hemd im gleichen Farbton. Das alles in dreifacher Ausfertigung, um immer eine saubere Garnitur vorrätig zu haben. Dazu kaufte der Kruppa noch eine Anglerweste mit ganz vielen Taschen sowie einen Parka, wie man ihn vom Götz George als Schimanski kennt. Gerti war nicht gerade begeistert, aber Geschmack ist eben Geschmackssache.

»Auftrag erfüllt.« So meldete sich die Gerti auf der Wache zurück, als sie mit dem Kruppa vom Kleiderbauer geschwächt und müde hereinschlurfte. Der Kruppa schritt wie ferngesteuert mit seinen prall gefüllten Einkaufstaschen durch den Wachraum Richtung Umkleide.

»Wie war’s?«, fragte Durben seine Gattin, als der Kruppa außer Hörweite war.

»Tragisch. Ohne Uniform. Nicht wiederzuerkennen. Ein völlig anderer Mensch. Wie ein Angler in der Lobau.«

Durben kannte die Vorliebe seiner Gattin für blöde Metaphern, aber in diesem Fall hatte er ihr Unrecht getan. Kruppa betrat die Bühne.

Ein sehr großer, grüner, deprimierter Medizinball.

»Grün, also«, sagte der Durben.

»Gewohnheit«, sagte der Kruppa.

»Ist ja auch eine neutrale Farbe. Grün geht immer«, sagte die Ullrich. »Und mit der Zeit kann man ja auch mal was anderes ausprobieren«, sagte die Gerti, obwohl sie wusste, dass sich der Kruppa stilistisch ein für alle Mal festgelegt hatte. Auch gut.

So etwas wie Fröhlichkeit wollte an Kruppas letztem Diensttag nicht aufkommen. Der Kruppa hatte Angst vor dem Ruhestand. Der Durben kannte das Pensionistenleben schon und hatte sich sowohl mit seiner vielen freien Zeit als auch mit seiner Gerti arrangiert. Ja, und die Ullrich? Einerseits war sie jetzt auch Gruppeninspektorin und ab morgen auch Dienststellenleiterin, aber von was für einer Dienststelle? Ab morgen konnte sich Gruppeninspektorin Ullrich nämlich selbst leiten. Die frei werdenden Stellen wurden in der Wachstube Kaingasse seit Jahren nicht mehr besetzt. Die Dienststelle Kaingasse starb aus. Todsicher. Kurzum, zum Feiern war hier niemand in der Stimmung. Trotzdem schüttete sich Kruppa völlig ungeniert, es war schließlich erst früher Nachmittag und damit eigentlich noch Dienstzeit, ein Bier nach dem anderen in seinen gierigen, frustrierten Schlund. Und so kam es, dass der Kruppa um drei so besoffen war, dass sich die Gerti und der Durben ein Herz nahmen, ein Taxi bestellten und den Kruppa nach Hause brachten. Mit vereinten Kräften schleppten sie den Neupensionär zu seiner Wohnung im zweiten Stock. Das war alles andere als einfach. Der Kruppa grölte Fußballschlachtgesänge. Die Gerti zog von vorne. Der Durben schob von hinten. Was für ein Entsetzen, als die Gerti die Wohnungstür aufschloss und die Wohnung betrat. Der Anblick, der sich ihr bot, war das Ergebnis jahrzehntelanger Sammlerwut, die Kruppa erst seine Ehe und dann seine Unabhängigkeit gekostet hatte. Das war jetzt über acht Jahre her. Da hatte ihn seine Gattin Inge vor die Alternative gestellt. Entweder das ganze Geraffel käme weg oder sie würde sich was Neues suchen. Allein erst mal. Sie verlangte Unmögliches und wusste das auch. Dieses Geraffel, wie Inge es nannte, war seine einzige Freude.

Seitdem lebte Kruppa allein mit seinen Devotionalien. Die erste Zeit nach der Trennung sammelte er noch entschlossener, noch exzessiver. Vielleicht auch um die Einsamkeit, die er manchmal empfand, zu kompensieren. Zwischen seinen zusammengekauften Lieblingen fühlte er sich geborgen. Sie umgaben ihn mit ihrer Patina wie ein flauschiges Flanellhemd. Inzwischen war aber aus dem Flanellhemd eine zu enge Rüstung geworden. In seiner Wohnung hatte er eigentlich nur noch Trampelpfade.

An der Wohnungstür muss Kruppa den Bauch einziehen, um überhaupt in seine Wohnung zu gelangen. Gleich hinter der Tür beginnen sich die ersten Kisten zu stapeln. Dieser Stapel geht etwa drei Meter nach rechts und genauso weit nach links. In den massiven Blechkisten befindet sich hauptsächlich Informationsmaterial der Gewerkschaft der Polizisten. Vollständig von 1960–2009. Für jemanden, den das interessiert, das reinste Schlaraffenland. Geradeaus über den schmalen Flur, der wegen der Kisten jetzt noch viel schmaler ist, geht’s in die Küche. Jedenfalls wurde der Raum einmal so bezeichnet. Das einzige, was noch frei zugänglich ist, ist der Kühlschrank. Es war nicht immer leicht, aber es ist Kruppa gelungen, ihn frei zu halten. Der Hohlweg zum Kühlschrank fordert volle Konzentration. Er ist etwa vier Meter lang und höchstens einen halben Meter breit. Nach dem dritten Bier nicht ganz ungefährlich. Ein falscher Schritt, eine unachtsame Bewegung, und eine Lawine könnten abgehen und unseren pensionierten Gruppeninspektor unter sich begraben. Dieses Schicksal könnte ihn aber auch in einem der beiden anderen Zimmer ereilen.

Während aber in der ehemaligen Küche polizeiliche Gebrauchsgegenstände aus dem 19. und 20. Jahrhundert abgehen würden, wären es im Wohnzimmer hauptsächlich Uniformteile aus denselben Jahrhunderten. Durch das Wohnzimmer gelangt man auf einem verschlungenen Pfad ins Schlafzimmer. Hier befinden sich, mehr oder weniger geschickt übereinander getürmt, technische Geräte, die im polizeilichen Einsatz waren. Es sind Funkgeräte, Signalpistolen, Warnblinker und solche Sachen eben. Und ein paar Kisten Schallplatten mit Aufnahmen von Polizeikapellen aus aller Welt. Die meisten aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Als vor ein paar Jahren zum ersten Mal eine Glühlampe ihren Geist aufgab und Kruppa nicht mehr bis zur Lampe vordringen konnte, war klar, dass er alternative Beleuchtungsmethoden in Betracht ziehen musste.

Kruppa hat, von Durben gegengezeichnet, bei der Materialabteilung sechs Stablampen beantragt und erhalten. Ebenso eine sehr üppige Zuweisung an Batterien. Diese stehen jetzt an den Weggabelungen und sorgen für Licht. Drei Oasen hat sich Kruppa bewahrt. Sie sichern seine nach außen unauffällige Existenz. Das Bett: Vom einstigen Doppelbett ist nur noch eine Hälfte beschlafbar. Das reicht. Geht man von hier zurück ins Wohnzimmer, gibt’s eine Abzweigung nach rechts. Auf der gelangt Kruppa zu seiner zweiten Oase. Ein Campingklapptisch mit einem Ohrensessel. Hier steht auch sein Laptop mit Internet. Geht er an dieser Abzweigung vorbei, kann er wenige Schritte weiter nach rechts durch den Hohlweg zum Kühlschrank gelangen. Geht er auch an dieser Abzweigung vorbei, muss er aufs Klo. Das ist ganz hinten und für Nichteingeweihte schwer zu finden. Aber Besuch hatte Kruppa, seit Inge ausgezogen ist, ohnehin keinen mehr. Viel zu gefährlich. Für einen Außenstehenden erscheint diese Wohnsituation auf Dauer nicht praktizierbar, aber Kruppa hat sich innerhalb seiner Möglichkeiten gut organisiert. Das Wichtigste ist, und das hat Kruppa sehr gut erkannt, dass keinerlei wie auch immer geartete organische Stoffe über die Schwelle seiner Wohnung geraten. Es wäre nicht auszudenken, welche Konsequenzen das nach sich ziehen könnte. Der unscheinbarste Pilz könnte eine Kettenreaktion auslösen, der unter diesen Umständen niemand mehr Herr werden könnte. Eine zufällig des Weges kommende Fliege, die ganz beiläufig ein paar Eier zwischen den Gewerkschaftsschriften ablegt. Ein unscheinbares Kakerlakenpärchen, das in der Hoffnung auf Nahrung vorbeischaut. Das alles würde aufgrund der speziellen Geländebeschaffenheit viel zu spät bemerkt werden, um noch dagegen steuern zu können. Es wäre schlicht nicht mehr kontrollierbar. In letzter Konsequenz müsste Kruppa der Übermacht an Ungeziefer weichen und das Feld räumen. Deshalb kein Essen in der Wohnung. Nichts. Nicht mal Kekse. Nicht mal Gummibärchen. Einzig Bier ist erlaubt. Im Kühlschrank. Und nur in Dosen. Die leeren trägt er diszipliniert jeden Morgen zum Müll. Wie die meisten Menschen ist auch der Kruppa ein Gewohnheitstier. Jede Veränderung, die den gewohnten Tagesablauf stört, wird als verheerend wahrgenommen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es bald ganz gravierende Veränderungen, erst in Kruppas Wohnung und dann bei ihm selbst geben wird. Und daran ist die Gerti nicht ganz unschuldig.

Der Durben hatte den Kruppa gegen den Türrahmen gelehnt und einigermaßen stabilisiert. Die Gerti hatte die Taschenlampen an den neuralgischen Punkten des Wohnungspfades gefunden und den Weg zum Bett auf etwaige Gefahren hin analysiert. Dann bediente man sich demselben Prinzip wie vorhin im Stiegenhaus. Gerti vorne fordernd ziehend. Durben hinten resolut schiebend. Der Weg von der Eingangstür bis zum Bett verlief erstaunlich problemlos. Der Kruppa schien, sobald die Wohnungsschwelle überschritten war, wie auf Schienen zu laufen. Mit Bauch einziehen, seitlich und so. Die Gerti hätte im Rückwärtsgang mit ihrem mickrigen Hinterteil fast einen Turm zum Einstürzen gebracht. Wie aus dem Nichts war der Kruppa da und hatte eine beruhigende Hand auf den wankenden Turm gelegt, der sich auch sofort wieder stabilisierte. Dann hatte er sich, ohne seine Besucher zur Kenntnis zu nehmen, langsam ausgezogen, seine neuen Kleidungsstücke eines nach dem anderen auf einen neben dem Bett stehenden Stuhl gelegt und war schlafen gegangen. Fassungslos waren die Gerti und der Wolfgang Durben noch dagestanden, bis sie das Schnarchen vom Kruppa aus ihren Gedanken riss. Leise und vorsichtig zogen gingen sie zurück und zogen die Wohnungstür zu. Im Stiegenhaus schauten sie sich erstmal an. In die Augen. Und schüttelten beide den Kopf.

»Da arbeitet man über dreißig Jahre in einer Dienststelle und weiß nichts«, meinte der Durben.

»Ihr habt’s scho alle euren eigenen Kopf in der Kaingasse«, meinte die Gerti.

Die Gerti war es dann auch, die erst mal frische Luft in Kruppas Leben brachte. Einen Monat nach Kruppas Pensionierung begann die Phase der Aufräumarbeiten. Gertis Minimalanspruch an diesen Katastropheneinsatz in Kruppas Wohnung war, wenigstens ein Fenster so weit zugänglich zu machen, dass es den Zugang zu frischer Luft gewährleistet. Dieser Einsatz erwies sich als äußerst schwierig, da Kruppa unter geradezu panischen Verlustängsten litt und sich partout von nix trennen konnte. Aber wie es sich für eine zivilisierte Gesellschaft gehört, hat man auch in dieser verquickten Situation einen Kompromiss gefunden. Durch Umschichten und Verkeilen konnte für Kruppa ein zusätzlicher Pfad in seiner Wohnung freigelegt werden. Der Pfad vom Bett zum Fenster. Ab sofort konnte Kruppa ein Fenster seiner Wohnung öffnen und auch wieder schließen. Das Erstaunliche war, dass die Wohnung vom Kruppa auch vorher nicht gestunken hat. Es hat gerochen wie in einem Antiquariat. Also nicht wie bei einem Trödler. Das riecht anders. Wie dem auch sei, die Gerti hat mit dieser Fensterfreiaktion das Leben vom Kruppa, wenn auch unbeabsichtigt, völlig umgekrempelt.

Es war Ende September. Noch immer recht warm. Der Kruppa war bei seinem Wirten zum Abendessen. Der kennt ihn schon seit Jahren. Dort wird der Kruppa ernährt und respektiert. Er hat hier Quasi eine Ess-Flat, die für den Kruppa günstig und für den Wirten eine sichere Einnahme ist. Kruppa bekommt ein Frühstück, ein Mittagessen und ein Abendessen. Die Getränke zahlt er extra. Nach einem Abendessen mit Wurstsalat und drei Krügerl ist der Kruppa nach Hause ins Bett gegangen und hat geschlafen. Bis ihn etwas geweckt hat. Es war fast finster im Schlafzimmer. Nur ein wenig Licht ist von der Straßenlaterne von draußen ins Zimmer gefallen. Da flattert was! Da fliegt was! Das ist nicht eines! Das sind viele! Der Kruppa hat sich die Decke als schützenden Baldachin über den Kopf gezogen und ist aus dem Schlafzimmer in den Flur. Hektisch hat er die Schlafzimmertür hinter sich zugeschmissen. Schwer atmend ist er erstmal dagestanden und hat nachgedacht, was das jetzt eigentlich war. Er vermutete Fledermäuse. Fledermäuse in Wien? In seinem Schlafzimmer? Das gibt’s doch nicht. Noch mal die Tür aufmachen und nachschauen hat er sich nicht getraut der Kruppa. Ja, vor ein paar Monaten noch Dienststellenleiter und heute ein Schisser vor dem Herrn. Erst mal ein Bier. Mit dem Bier hat sich der Kruppa dann vor seinen Laptop gesetzt und »Fledermäuse in Wiener Wohnungen« gegoogelt. Was er da fand, war zwar erhellend, aber nicht wirklich beruhigend:

Im Frühjahr kommt es nicht selten vor, dass eine Fledermaus auf der Suche nach einem Sommerquartier in eine Wohnung fliegt. Das Fenster offen zu lassen, in der Hoffnung, dass die Fledermaus wieder wegfliegt, kann zur Folge haben, dass die restliche Kolonie nachfolgt und sich auch in der Wohnung niederlässt. Das Gleiche kann auch im Herbst passieren, wenn die Fledermaus auf der Suche nach einem Winterquartier ist.

Das war dem Kruppa jetzt klar, dass er die erste Phase der Invasion verschlafen hatte. Er befand sich bereits in der nächsten. Die erste Zweifarbfledermaus hatte ihre restliche Kolonie bereits in sein Schlafzimmer eingeladen, wo sie sich für ihren Winterschlaf einzurichten gedachten. Ein Supergau. Kruppa hatte insgeheim damit gerechnet, dass ihm die Tierwelt irgendwann wohntechnisch zum Verhängnis werden könnte. Er hatte sich die düstersten Szenarien ausgemalt. Mit Kakerlaken, Fliegen, Spinnen, Mäusen, sogar an Ratten hatte er gedacht. Aber Fledermäuse?! Und jetzt? Was tun? Fest stand: Ins Schlafzimmer würde er heute sicher nicht mehr gehen. Es war jetzt zwei Uhr nachts. Bier war genug da. Er würde die Nacht Bier trinkend und daddelnd vor seinem Laptop verbringen. So war der Plan. Eine halbe Stunde später, am Boden der ersten Bierflasche angekommen, war Kruppa in seinem bequemen Sessel eingeschlafen.

Immerhin, bis halb acht am nächsten Morgen hat der Kruppa geschlafen. Erst hat er sich gewundert, warum er in seinem Fauteuil munter wird und nicht in seinem Bett, wie sich das eigentlich gehört. Die Fledermäuse! Richtig. Was jetzt? Unter Tag sieht ja alles nicht so gefährlich aus, wie abends nach fünf Bier. Fest stand, er hatte Hunger und wollte erst mal zu seinem Wirten frühstücken gehen. Aber er war in Unterwäsche und seine Klamotten lagen am Fußende seines Bettes. Er musste also, wohl oder übel, seinen Ekel und seine Angst überwinden, wenn er nicht elendiglich verhungern wollte. Vorsichtig öffnete er die Schlafzimmertür. Erst einen kleinen Spalt. Nix zu sehen. Nix zu hören. Vielleicht sind sie ja alle wieder weg, hoffte er. In den Süden gezogen oder zum Nachbarn. Egal. Hauptsache weg. Etwas zuversichtlicher betrat er das Zimmer und hielt schnurstracks auf sein Bett zu. Gut, einen anderen Weg gab es in dem Raum ohnehin nicht. Er wollte nur sein Gewand, damit er zum Wirten gehen konnte. Dort würde er nachdenken, wenn es denn etwas zum Denken gab. Noch hegte er die Hoffnung, dass der Spuk vorüber war. Zittrig war er heute Morgen, der Kruppa. Und das lag nicht nur an den gestrigen Bieren. Er war allein auf sein Hemd, die Jacke, die Hose und seine Schuhe konzentriert. Das andere versuchte er auszublenden. Wie er sich so langsam zu seinem Bett vorarbeitete, versuchte er nicht nach links oder rechts zu schauen. Nur auf sein Gewand. Klamotten nehmen und raus! Das war der Auftrag. Mission impossible. Die Schuhe, die Socken und die Hose hatte er bereits in der Hand. Bis jetzt war alles gut gegangen. Er schien wieder allein Herr über sein Schlafzimmer zu sein. Auch beim Hemd gab es keine besonderen Vorkommnisse, erst bei seiner Schimanski-Jacke brach die Hölle los. Sie hing über einem Bettpfosten und als er sie vorsichtig abnahm, flog eine kleine Fledermaus quasi aus der Jacke heraus. Sie hatte es sich wohl darin gemütlich gemacht. Jetzt bekam der kleine Flatterer aber voll die Panik und flog, seltsame Stakkatotöne ausstoßend, wild im Zimmer umher. Auf seinem fluchtartigen Rückzug, aber wenigstens mit Klamotten, nahm Kruppa aus dem Augenwinkel wahr, dass wohl die ganze Kompanie, ach was, ein Bataillon, eine Division von Fledermäusen, sein Schlafzimmer in einen Hexenkessel verwandelte. Wie schon in der Nacht endete auch diese Schlafzimmerflucht damit, dass der Kruppa zitternd mit einem Bier in seinem Fauteuil saß. Tausende … das müssen Tausende sein, dachte der Kruppa. Er übertrieb damit natürlich maßlos, aber das war nun mal seine subjektive Wahrnehmung. Ein alter, gebrochener Mann wankte mehr, als dass er ging, zum Wirten, um zu frühstücken. Selbst dem Wirten, dem seine Gäste wirklich herzlich Wurscht waren, bemerkte die offensichtliche Niedergeschlagenheit seines einzigen Flat-Essers. Aber seine Nachfragen wimmelte der Kruppa ab.

»Eh, alles paletti.« Der Kaffee, die Buttersemmerl mit Wurst, Käse und ein weiches Ei, das wie immer hart war, schmeckten wie immer gut, brachten aber keine Erleichterung. Genau genommen war der Kruppa jetzt obdachlos. Ein Penner, ein Sandler! Nein, so kampflos würde er diesen fliegenden Arschlöchern nicht seine Wohnung überlassen. Aber was war zu tun? Er brauchte Hilfe. Das war klar. Alleine würde er diesen Kampf nicht für sich entscheiden können. Ein Experte musste her. Der Durben, als ausgewiesener Taubenhasser, wüsste sicher Rat bei einer Taubenplage, aber bei Fledermäusen wäre auch er keine Hilfe.

Dr. Sribek! Der konnte eine Hilfe sein. Er war Wiens oberster Veterinärmediziner. Eine Kapazität auf seinem Gebiet. Der Kruppa hatte ihm mal aus der Patsche geholfen. Jetzt konnte sich Doktor Sribek revanchieren. Im Internet hatte der Kruppa natürlich einige Tierhilfsorganisationen gefunden, die auch das Fledermausproblem durchaus in den Griff bekommen hätten, wenn seine Wohnung eine normale Wohnung gewesen wäre. Das war sie aber nicht, sondern bis oben hin vollgestopft mit den Trophäen seiner Sammelleidenschaft. Es wäre ihm einfach zu peinlich gewesen, jemand Fremdes in seine Wohnung zu lassen. Die Aufräumaktion von Durben und Gerti war schon schlimm genug gewesen. Die beiden hatten zwar nichts gesagt, aber es war ihnen deutlich anzumerken gewesen, wie irritierend sie die Situation empfunden hatten. Das wollte der Kruppa nicht noch mal erleben. Warum er da bei der Vorstellung, dass Dr. Sribek seine Wohnung sah, weniger peinlich berührt war, kann man wohl nicht erklären. War ebenso. Da ihm der Weg zu seiner Wohnung emotional versperrt war, verzog er sich mit dem Telefon des Wirtes in die hinterste Ecke zurück und rief erst die Auskunft und dann das veterinärmedizinische Institut von Wien an. Dr. Sribek sei in einer Besprechung, werde aber gerne zurückrufen. Kruppa gab der freundlichen Dame die Telefonnummer vom Wirtshaus und richtete sich mit einem Krügerl auf eine längere Wartezeit ein. Doch eine schwache Viertelstunde später stand schon der Wirt mit dem Telefon an seinem Tisch. »Ein Doktor Sribek, für Sie, Herr Gruppeninspektor.« Ein kräftiger Schluck Bier und auf in den Kampf:

»Kruppa.«

»Sribek.«

»Danke, dass Sie zurückrufen.«

»Ist doch selbstverständlich.«

»Es ist wirklich wichtig.«

»Davon gehe ich aus, lieber Herr Kruppa.«

»Mein Schlafzimmer ist voller Fledermäuse. Ich bin am Ende.«

»Keine Angst, mein Lieber, das ist nicht so schlimm. Ich schick ihnen jemand vorbei. Ihre…«

»Nein!!«

»Was ist denn?«

»Es ist so furchtbar peinlich, aber ich …«

»Ja?«

»… ich bin ein Messie. Ich genier mich so. Alles ist voll. Kisten, Kartons, Körbe.«

»Was ist da drin?«

»Polizeidevotionalien aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Sammlerstücke.«

»Tja, mhmm, schwierig. Das muss alles raus. Die hängen in den kleinsten Ritzen.«

»Aber ich kann’s ja nirgends unterstellen. Ich kann doch nicht alles wegschmeißen. Das ist ja …« Der Rest ging in Kruppas Schluchzen unter.

»Jetzt beruhigen Sie sich erst mal, lieber Herr Kruppa. Ich lass mir was einfallen. In spätestens zwei Stunden melde ich mich wieder. Trinkens derweil ein Bier. Sie wissen ja, mir fällt immer was ein. Bis später.«

Jetzt war der Kruppa schon etwas erleichtert. Auf den Sribek kann man sich verlassen. Wie quasi befohlen, bestellte er sich noch ein Bier. Obwohl er sein erstes noch nicht mal zur Hälfte ausgetrunken hatte. Als nun der Wirt das eben georderte Bier brachte, war ihm das peinlich. Jetzt standen ein volles und ein halbes Bier vor Kruppa auf dem Tisch. Wie sah das denn aus. Um neun Uhr in der Früh. Er trank also das halbe Bier auf einen Zug aus und brachte das leere Glas zurück an den Tresen. Dort griff er sich die Kronen Zeitung und ging wieder an seinen Platz. Zwei Stunden können lang werden, wenn man so nervös und in einer Notsituation ist. »Österreich ist Gruppenerster in der Qualifikation zur EM« titelte die Krone. Es war dem Kruppa Wurscht. Er hatte jetzt wahrlich andere Probleme. Was sich der Sribek wohl ausdenkt? Eigentlich kenn ich den Menschen gar nicht. War das jetzt ein Fehler ihn anzurufen? Fledermäuse sind geschützte Lebewesen. Pensionisten auch? Was, wenn er selbst einfach diese ganze Bagage ausräuchert? Erlaubt ist das nicht, aber es muss ja keiner erfahren. Wenn die Fledermausleichen dann zu vergammeln beginnen, stinkt das? Zieht das womöglich andere Viecher an?

Solche und ähnliche Gedanken gingen dem Kruppa durch den Kopf, obwohl er versuchte, sich auf seine Zeitung zu konzentrieren. Aber das konnte er vergessen. In seinem Kopf schwirrten die Gedanken wie die Fledermäuse in seinem Schlafzimmer.

»I bin a Wirt und kein Telefonist, Herr Gruppeninspektor in Ruhe.«

Mit diesem deutlichen Hinweis auf seine eigentliche Profession legte der Wirt das Telefon auf Kruppas Tisch.

»Kruppa.«

»Sribek. Sie haben Glück, Herr Kruppa.«

»Wieso? Wird mein Schlafzimmer jetzt ein Naturreservat?«

»Ach, Ihr Humor, Herr Kruppa. Wo sind Sie denn? Es kann gleich losgehen.«

»Was? Was kann gleich losgehen?«

»Die Aktion: Rettet die Zweifarbfledermaus.«

»Die Aktion: Rettet dem Kruppa sein Schlafzimmer, wär mir lieber.«

»Das machen wir ja auch, aber ich habe meinen Studenten einen wissenschaftlichen Background bieten müssen. Schließlich räumen die Ihre komplette Wohnung aus.«

»Die machen was?! Die räumen meine Wohnung aus? Des, des geht doch net!«

»Tja, anders, mein lieber Kruppa, geht das auch nicht. Sie wollen doch in ihrer Wohnung wieder wohnen, nicht?«

»Ja, schon, aber das sind doch alles Werte! Pekuniär und seelisch, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Sicher verstehe ich das. Jetzt beruhigen Sie sich doch. Also, wir haben hier an der tiermedizinischen Universität am Veterinärplatz 1 drei alte Pferdeställe, die seit Jahren modernisiert werden sollen und genauso lang leer stehen. Da stellen wir ihr ganzes Geraffel …«

»Geraffel?! Das sind …«

»Ja, ja, Entschuldigung. Also wir stellen den Inhalt Ihrer Wohnung in den drei Pferdeboxen unter. Die sind verschließbar und nur ich hab einen Schlüssel. Dort stehen Ihre Sachen sicher bis wir die niedlichen Tierchen in Sicherheit gebracht haben. Dann können Sie ja alles wieder zurückräumen, wenn Sie das wollen. Das hat aber Zeit, weil etatmäßig ist an eine Modernisierung der Ställe nicht vor der nächsten Jahrtausendwende zu denken.«

Das Gespräch ging noch eine Weile so hin und her, aber abschließend hatte man sich auf folgendes Vorgehen geeinigt: Den Studenten wurde erzählt, dass der Inhaber der Wohnung vor kurzem verstorben sei und bis zu seinem überraschenden Ableben in friedlicher Koexistenz mit der Zweifarbfledermauskolonie gelebt hatte. Jetzt aber hätte der Vermieter die Tiere wegen Eigenbedarfs gekündigt, sodass diese quasi über Nacht obdachlos werden würden. Als geachteter Professor konnte der Sribek seinen Studenten so ziemlich alles erzählen. Die neue Studentengeneration neigte auch nicht zum Denken, geschweige denn zum Widerspruch.

Schon um elf Uhr, also eine Stunde nach dem Telefonat, stand Kruppa vor seiner Wohnungstür und ließ die Studenten, die in Zugstärke angerückt waren, in seine Wohnung. Mit ernsten Mienen, bewaffnet mit Stirnlampen, die auf Hüten und Basecaps befestigt waren, und einer Art Schmetterlingsnetz tauchten sie in seine heiligen Hallen ein wie in eine geheimnisvolle Höhle. Indiana Jones diente ihnen wohl als Vorbild zu ihrer aufregenden und auch aufgeregten Zweifarbfledermaus-Rettungsaktion. Die erstaunten Ausrufe der Expeditionsteilnehmer hörte er schon nicht mehr, da er seinen Schlüssel stecken gelassen und wieder zum Wirten gegangen war. Der Sribek würde ihm den Schlüssel nach Abschluss der Arbeiten wiederbringen.

Um Zeit zu schinden, er war schon sehr nervös an diesem Vormittag, ging er vorher noch zum Supermarkt und kaufte zehn Dosen Bier und ausnahmsweise eine Flasche Wodka. Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Mit harten Getränken hielt sich der Kruppa normalerweise zurück, aber die Vorstellung, dass ein Großteil seiner Sammlung eben aus der Wohnung befördert wurde, machte ihm schwer zu schaffen. Seine Blutdruckwerte waren sicher auch exorbitant hoch, was beim Einschlafen nicht hilfreich ist. Der Wodka war hier quasi als Prophylaxe gegen mögliche Schlafschwierigkeiten gedacht. Und wieder saß er beim Wirten vor einem Bier und wartete. Es waren zwar noch andere Gäste da, die er kannte und die sich sicher gerne mit ihm unterhalten hätten, aber das waren alles Trottel, wie Kruppa fand. Also glotzte er nur blöde in die Zeitung oder in die Luft, was aufs Gleiche rauskam. Endlich, um halb vier Uhr nachmittags, kam ein gut gelaunter Sribek an den Tisch und übergab Kruppa seinen Wohnungsschlüssel. Dann bestellte er ein Viertel Grünen Veltliner und ein Liptauerbrot. Als der Wirt serviert hatte und sich Sribek von der Qualität von Wein und Liptaueraufstrich überzeugt zeigte, kam die ersehnte Vollzugsmeldung.

»Herr Gruppeninspektor, ich melde: Auftrag erfüllt. Alle Ihre Schätze sind in den drei Pferdeboxen sechs A–C am Veterinärplatz eins in Sicherheit. Die Wohnung ist in besenreinem Zustand. Gefunden und vor Ort belassen: Ein Kleiderschrank und ein Bett im Schlafzimmer, eine Spüle, ein Herd und mehrere Küchenschränke in der Küche. Im Wohnzimmer fanden wir noch zwei Fernsehgeräte und einen Crosstrainer.«

»Ach ja, der Crosstrainer. Der ist noch von der Inge. Meiner Ex. Ich dachte, den hätte sie seinerzeit mitgenommen. Der ist noch da? Auch gut. Und wann kann ich meine Sammlerstücke besuchen? Ich meine, treffen? Sehen?«

Er war wirklich sehr aufgeregt, der Kruppa. Das fand der Sribek sympathisch, aber auch irgendwie lustig. Er zog einen Schlüssel aus seiner Jackentasche und hielt ihn Kruppa vor die Nase. »Ihr Schlüssel, Herr Gruppeninspektor. Davon gibt’s nur zwei. Einen haben Sie, einen ich. Da es sich bei unserem Institut auch um eine Tiernotfallklinik handelt, sind ihre Boxen Tag und Nacht für Sie zugänglich. Bitte schön.«