Februar im Sand - Jo Hannssen - E-Book

Februar im Sand E-Book

Jo Hannssen

4,9

Beschreibung

Was tut ein Mann im besten Alter, wenn er einsam auf einer Wüstendüne thront? Er plaudert über die sexuelle Evolution und Niedertracht im TV. Er mokiert sich über Künstler und Fahrradfahrer. Er schwärmt von Frauen und Politikern. Er schmäht Kabarettisten und Hunde. Er spricht mit Wüstentieren und einem Dschinn. Er fabuliert vom Februar und Judith Tribon. Er spottet, flunkert und blödsinnt. Bizarre Geschichten und skurrile Grillen fügen sich zu einem satirischen Roman. Veredelt mit 66 schmissigen Kurzrezensionen! „Ein ungewöhnliches Buch. Amüsant, unverschämt, verwirrend, hochnäsig, grotesk, überdreht.“ (via Twitter)

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„Die Dame hat ein Alkoholproblem,

sie süffisanter Schleimvulkan!“

(Judith Tribon)

Für Jalf und Subi und das „ß“

Inhaltsverzeichnis

Die TV-Unterhaltungsdüne

Die Düne, auf der Zac an Höhlen und Bummelurin denkt

Die Düne, auf der Zac sachte gegen Hunde hetzt

Die Düne, auf der Zac verrät, wann er spenden würde

Die Düne, auf der Zac es dem Politkabarett mutig gibt

Die Humorbuch-Düne

Manuels Düne

Die Düne, auf der Zac Verlust beklagt

Die Düne, auf der Zac wuselwirr Foristen schmäht

Die Düne, auf der Zac den Schmerz bedenkt

Die Freud-Düne

Die Düne, auf der Caren M. und Bascha M. erwähnt werden

Die Düne, auf der Zac ein namenloser Glaube heimsucht

Die Düne mit der rollenden Bastion des Familienglücks

Die Düne mit den beiden Frauen und mit dem Pieselprinz

Die Düne, auf der Zac ein Fahrradfahrer-Geheimnis lüftet

Die Düne, auf der Zac durcheinander denkt

Zwischendüne

Die Düne, auf der Zac gerecht schreibt und schneidert

Die kleine Movie-Düne

Die Düne, auf der Zac den Veganpfennig erklärt

Die Düne, auf der Zac beleidigt (?)

Die Düne, auf der Zac Hemisphärengerechtigkeit imaginiert

Die Düne, auf der Zac bricht - eine Lanze für den Februar

Die Düne, auf der Zac wieder bricht - eine Lanze für die Politiker

Die Düne, auf der Zac ein Nutztier seziert

Die Düne mit der Vuvuzela

Die Düne, auf der Karel Gott und AKW vorkommen

Die Düne mit der Dackeldame

Die Düne, auf der Zac die Klimarettung verhindert

Die Auto-Düne

Die Düne, auf der Zac gegen Sport und Künstler wettert

Die Radio-Düne

Eine Fazit-Düne

Die Düne, auf der Zac dem Dschinn Djafar begegnet

Die Düne, auf der Zac tolle Vorschläge unterbreitet

Die Düne mit Frau Loder

Die Literaturpreis-Düne

Die Düne mit der Drei

Die Düne, auf der Zac den Sand beehrt

Die Kopfüber-Düne

Die Frankreich-Düne

Die Reportage-Düne

Die Düne, auf der Zac fast nicht Gevatter Tod denkt

Die Düne, auf der Zac an Kuba, Nordkorea und Japan denkt

Die Düne, auf der Zac die Musik desavouiert

Die Düne, auf der Zac Besuch erhält

Bonus: 66 feinste Luxus-Rezensionen

Die TV-Unterhaltungsdüne

Zac träumt. Zunächst wollte sein Traum 'TV-Tipp' heissen. TV-Tipp? TV-Tipp, das klingt wie eine Fernsehzeitschrift, in der die apathische Frau Programmverbraucherin und der bequeme Herr Fernsehkonsument wirre Empfehlungen für ihren Flat Screen finden: Die Nachrichtensendung des Tages, der Kultfilm nach acht, die tollste Primetime-Serie, die nostalgischste Wiederholung oder der jugendgefährdendste Nachmittagsfilm. Das klingt nach einer billigen TV-Zeitschrift, aufgeblasen mit doofen Insider-Bewertungen, gespickt mit güldenen Sternchen, grauen Daumen, ominösen Punkten und bluttriefenden Herzen als Empfehlkrücke für des Lesens unkundige TV-Verbraucher. Das klingt nach vielen bunten Seiten mit banalen Hinweisen, wie 'Gucker, die diese Sendung schauten, guckten auch ...!' Zacs Traum zeigt stattdessen, wie den ideenlosen TV-Machern höchstselbst geholfen werden kann. Der warme Wüstenwind weht wilde Wünsche in Richtung Hürth, Ossendorf, Babelsberg und Unterföhring! Nach dem schmählichen Rausschmiss von 'Wetten, dass?' und dem anstehenden Verbot der Kinderarbeit in den Strebershows 'Das Spiel beginnt' oder 'Klein gegen Gross', geht es hier um eine ganz neue, ganz grosse Samstagabend-Show. Um das Format, das den deutschen Fernsehfunk gegenüber Netflix, Amazon Instant Video, maxdome und all' den anderen Streaming-Gaunern wieder in Vorhand bringen wird. Es geht um megamodernes Event-TV, es geht um 'Das Böse!' (Arbeitstitel). Auf der TV-Unterhaltungsdüne rettet Zac das deutsche Fernsehen:

Diese Showidee, liebe Fernsehmacher, ist die premiere Melange aus Philosophie, Neugier, Moraltheorie, Strafrecht, Häme und Groove. Gespannt? Die nagelneue Show stellt sehr normale Menschen in den Mittelpunkt. So weit, so gähn. Diese Menschen liefern live vor eiseskalter Kamera und stark angeschickertem Studiopublikum Geständnisse ab. Doppelgähn. Doch nun kommt es. Es geht um das Eingeständnis echten Fehlverhaltens, um die Beichte, schauderhafte Dinge hart an der Grenze zum Verbrechen - in Special-Adult-Shows zu Weihnachten, zu Ostern und zum 3. Oktober gar knallhart von jenseits dieser Grenze stammend - getan zu haben. Da kommt eine Menge Verhaltensunrat in Betracht! Zutiefst trivial darf 'Die schlimme Tat' (Arbeitstitel) sein, verboten ist lediglich banale, plumpe körperliche Gewalt gegen Menschen. Auch die gute, alte Tierquälerei muss einem anderen Showformat vorbehalten bleiben, kämpft in 'The Pet Torture' (Arbeitstitel) um einen Bambi.

Zurück zur Show 'The Bad, the Bad and the Bad' (Arbeitstitel). Verboten ist dort obendrein Scheinheiligkeit. Ein Beispiel für diese alltägliche Heuchelei: 'Ich, die Sybylle, kümmere mich um meine schwer herzkranke, diabetische Mutti und meinen dementen, armamputierten Vater nicht. Kein bisschen. Weder mit Geld noch anders. Meine liebevollen Eltern haben mir ein tolles Leben ermöglicht, auf alles verzichtet, um mir die beste Ausbildung bezahlen zu können. Sie haben mich finanziell grosszügigst unterstützt, mich jeden Tag meiner 30 Monate im Entzug besucht und sich um meinen Sohn, den, ach ist doch egal, wie der heisst, gekümmert. Doch nun muss ich der Menschheit mein Wissen und meine Empathie geben, muss mich um AIDS-Waisen, Ebola-Infizierte, und Internet-Süchtige around the world sorgen. Das müssen meine Alten verstehen!' Noch ein Beispiel für diese vom Showkonzept strikt ausgeschlossene Bigotterie: 'Bernt mein Name. Ich habe eigentlich auf Lehramt studiert, in Marburg. Mathe und Latein im Haupt-, eigentlich Sport im Nebenfach. Für die Examensprüfung habe ich mir 59 Kilo angefressen. Dann habe ich mir Formeln und Definitionen auf meine extrem vergrösserte Bauchoberfläche geschrieben. In den Fettfalten musste ich den Edding nehmen. Ich hatte das Prinzip vorher an meinem Genital getestet. Sie verstehen sicher. Wegen meines so überraschenden wie extremen Übergewichts bekam ich dann Atemprobleme. Deswegen durfte ich stets länger an den Prüfungsarbeiten schreiben. So konnte ich immer wieder auf und in meinem Bauchspeck spicken. Habe dadurch sogar mit Prädikat bestanden. Ich habe die Uni nach Strich und Faden betrogen! So war ich schneller fertig und konnte meiner schwer herzkranken, diabetischen Mutti und meinem dementen, armamputierten Vater finanziell unter die Arme greifen. Soweit vorhanden.' Ein letztes Beispiel: 'Ich bin die Maximiliana, ich trieze und schurigele meine Kollegen und meine Familie, weil ich so grandios ungeduldig bin, total viel arbeite, mich bedingungslos aufreibe, um im Interesse von uns allen den Erfolg unserer Projekte zu generieren!' Das ist eine pharisäische Selbstbeweihräucherung und gehört nicht in dieses Format. 'Mein Name geht euch nichts an, ich piesacke und quäle meine Kollegen und Untergebenen und Kinder, weil es mir übelsten Spass macht!' Hier paart sich die schlechte Tat mit niedriger Gesinnung, so schafft es dieser Misthaufen auf jeden Fall in die Sendung! Damit ist eine Duftmarke gesetzt, der Rahmen vorgegeben und das Niveau ausreichend tief versenkt. Jetzt gehört flugs was Konkretes zum Kern der 'Arschloch-Show' (Arbeitstitel) auf den Tisch. Bevor die Rotzsäcke in der Show ihren 'Lohn der bösen Tat' (Arbeitstitel) erhalten, werden ihre Dreckstaten als circa halbstündiger, semidokumentarischer Einspielfilm aufgeführt. Die unsympathischen Typen dürfen ihre verdammungswürdigen Aktivitäten selber aus dem Off erzählen und die entscheidenden Passagen an den Original-Locations darstellen. Die Opfer dürfen sich ebenfalls selbst spielen. Soweit die dazu noch in der Lage sind. Es soll Unscripted Reality, die aber billig wie Scripted Reality ausschaut, um die TV-Gucker auf ihrem angestammten Niveau abzuholen, entstehen. Um das dem Thema angemessene niedrige Niveau zu garantieren und gleichzeitig die vernachlässigte Zuschauerkohorte der 31- bis 61-jährigen mit, na ja, prominenten Namen, zu locken, sollen die Filme von bekannten Filmemachern gedreht werden. Man hole sich postprominente Regisseure, bei denen die wenigen besseren Jahre viele schlechte Jahre zurück liegen. Oder Schauspieler, die es weg von den Rollen in billigen deutschen Beziehungskomödien, hin zum Regiestuhl für billige deutsche Beziehungskomödien zieht. Wer das sein soll? Das dürfen sich die künftigen Show-Produzenten - um Beleidigungsklagen vor dem Showstart zu vermeiden - aus dem folgenden Initialen-Gestöber puzzeln: S. B. S. W. L. S. D. W. T. W. H. M. und Q. Damit dürfte zugleich eine finanzgesunde Verbindung von niedrigem Niveau und niedriger Gage garantiert sein.

Als Auftaktkracher könnte dieser Reality Case zu einem 30-Minuten-Trash-Movie verwurstet werden: 'Ich bin Jenni, bin 49 Jahre jung, bin Hausfrau für und Mutter von drei Töchtern. Seit gut 25 Jahren bin ich verheiratet, mein nur wenig älterer Mann verdient als Selbständiger bei weitem ausreichend für unser Leben in bestem Mittelstand. Zwei Töchter hatte ich mit Anfang zwanzig zur Welt gebracht, die sind bereits vor Jahren ausgezogen, leben in Neuseeland und Chile. Die jüngste Tochter, die letzte, die noch zu Hause lebt, ist Elisabeth, genannt Betti. Sie ist - anders als ich - ein wenig pummelig, nicht fett, nur ein paar Gramm zu viel, typisch Nachzügler eben. Sie treibt keinen Sport. Ich schon, ich laufe, ich laufe sechs Tage die Woche, ich laufe immer dieselbe Strecke, seit meinem 45. laufe ich zusätzlich mit Gewichtssäcken an den Unterarmen. Bevor da diese ungustiösen Hautsäckchen hängen. Einen Hund haben wir nicht, noch sind nicht alle Kinder aus dem Haus. Nein, das ist nicht der Grund, ich mag Hunde, der könnte mit mir joggen. Als gut aussehende Frau zu laufen, das kann selbst in unserer gehobenen Wohngegend in Elbnähe gefährlich sein. Nein, ich schweife nicht ab, das gehört alles zu meiner Beichtgeschichte. Irgendwie. Tochter Betti ist auch extrem klug, noch klüger als ich attraktiv bin. Sozusagen. Sie hatte einen Freund. Ein extrem anziehender junger Mann, ein Russlanddeutscher aus ihrer Klasse, der 11c des Sigismund-Weltzell-Gymnasiums war das. Ihr erster richtiger Freund. Sie machten ständig Liebe - sagt man das noch so? - bei uns zu Hause. Betti war dabei von Anfang an sehr laut, das störte mich durchaus. Ich glaube, ich war ein wenig eifersüchtig. Bei meinem Mann und mir, da läuft seit Ewigkeiten nichts mehr mit Sex. Ich bringe Betti jeden Morgen mit dem Auto zur Schule. Irgendwann, ja, im letzten Frühjahr beschloss ich, ich erinnere, es war beim Joggen, beschloss ich also, dass something must happen, sich etwas ändern müsste in meinem Leben, irgendein Kick musste her. Vom Moment an wollte ich mich auf eine erotischlampige, meint erotische und schlampige, Art gehen lassen. Ich wusch und frisierte mich kaum, zum Gymnasium brachte ich Betti nun in ollen Gartenschlappen, in einer verwaschenen grauen Schlabberhose. Den BH liess ich weg, ich konnte - und kann - mir das trotz meiner drei gestillten Kinder erlauben. Betti mochte diese Auftritte ganz und gar nicht. Sie lehnte meine entspannte Sexyness vehement ab. Ihr Freund nicht, der zeigte von Anbeginn an ein recht männliches Interesse. Wenn ich mich morgens vor Bettis Schule nicht sogleich verabschiedete, sondern ausstieg und neben ihr auf den Schulhof stolzierte, dann stierte nicht nur, aber am meisten ihr Freund auf meine Brüste. Ich begann damit, meine Laufrunden bereits am frühen Morgen zu spulen, sagt man das so? So konnte ich Betti ohne Duschintermezzo, noch im verschwitzten Lauf-Outfit in ihr Gymnasium transportieren. Sicht- wie riechbar angeschwitzt, stellte ich mich nun zu Betti und so lange auf den Schulhof, bis die jungen Leute in ihre Klassen entschwanden. Ihren kleinen Freund schienen meine Auftritte ziemlich anzumachen. Zuletzt entsagte ich jeder Haarentfernung unter den Achseln und im Schritt, Bettis Freund hätte diesem Anblick, dank meiner frühsommerlich-luftigen Klamotten, selbst wenn er es gewollt hätte, nicht entgehen können. Er wollte allerdings gar nicht weg schauen, er glotzte auf mich, vergass Betti im Moment meiner Anwesenheit, und versuchte, die Zeit meiner Gegenwart zu dehnen. Der Freund Bettis verfiel mir zusehends. Wenn ihr Freund nun über Nacht bei uns in der Villa blieb, war Betti nicht mehr zu hören. Während der Sommerferien sah ich den jungen Mann nicht. Er verbrachte die Zeit alleine bei seinen Grosseltern in einem sibirischen Dorf. Diese anderthalb Monate durften alle meine Haare ungefärbt wachsen. Zum Start des neuen Schuljahres war Betti krank, ich fuhr trotzdem zu ihrer Schule, allein. Ihr Freund musste nicht gebeten werden, den Schultag zugunsten eines Ausfluges mit mir, der Milf mit den zur Hälfte grauen Haaren, sausen zu lassen. Unser Sex im Auto war dann nicht grottenschlecht, nicht überragend, nur gut, so okay eben. Ich hatte mir, nach so viel Anlauf, ein deutlich heisseres Feuer erhofft. Mit meinem iPhone filmte ich, wie wir uns im SUV liebten. Ob mein Mann dieses Sexfilmchen seiner Ehefrau mochte, weiss ich nicht. Gemailt hatte ich es ihm noch am selben Tage. Betti? Sie durfte die nächsten fünf Wochen nun mich hören, musste lauschen, wie es ihrer Mutter mit dem jungen Mann immer besser gefiel. Mitte Oktober hatte ich keine Lust mehr auf den jungen Schönen. Ob die beiden es in der Zeit oder danach noch miteinander trieben, weiss ich nicht. Betti wäre es zu wünschen gewesen. Sie starb Anfang November.'

Noch ein paar Synopsen gefällig? 'Ich heisse Stefiena - mein wahrer Name ist so ähnlich, aber anders und mir bekannt. Ich, 27, habe eine total hübsche, herzensgute Arbeitskollegin aus triefendem Neid angeschwärzt. Habe behauptet, sie schneidet sich in der Arbeitszeit die Fussnägel, zerbröselt die Halbmonde im Büroshredder, um das eigenartige Hornpulver als Potenzmittel (Japan-Style) für endlos Euro an den Vater unseres Chefs zu verticken, mit dem, also mit dem Vater vom Boss, sie hinterher in die Kiste springt. Das war alles erstunken und erlogen. Die doofe Kuh wurde deshalb gefeuert und marodiert seit dem als Tschetnitza, ähm, als Tschetnik-Frau durch das spärliche Unterholz der trockenen Kiefernwälder Brandenburgs.'

'Ich bin der Günther mit te-ha. Ich bin 63 Jahre alt, war früher Oberleutnant in der DDR-Armee. Bin seit der Wende arbeitslos, habe keine Familie, aber richtig viel Zeit. Ich veranstalte Nacktflohmärkte. Nicht Nacht- sondern Nacktflohmärkte. Bei denen berechne ich die Standmiete nach Grösse und Zustand der Geschlechtsorgane der Aussteller! Männer mit tief hängendem Skrotum zahlen mehr, meist das Doppelte vom Üblichen. Junge Frauen mit festen Brüsten dürften ihren Stand für Umme aufbauen. So Frauen kommen aber nie. Gibt nur die alten, labbrigen Säcke. Die knipse ich heimlich. All die antiken Gemächte zwischen all dem anderen funktionslosen Antikplunder. Beides will niemand mehr haben. Dann verkaufe ich die Fotos, nicht etwa auf meinem Flohmarkt, sondern über Delcampe. Als Onaniervorlage für gestörte Freaks. Die Adressdaten von diesen kranken Opfern poste ich. Hinterher. Poste ich zusammen mit den Fotos der alten Säcke vom Flohmarkt in meinem Blog 'Günther verpfeift Freaks!' Trieb schon einige der Geouteten ins Verderben. Auch letal. Ist mir scheissegal. Um mich alte Sau kümmert sich seit Egon Krenz' Verrat sowieso niemand. Warum das alles und warum so vertrackt? Irgendwie muss ich die Tage bis zu meinem Tod rumkriegen.'

'Mein Name ist Enno, ich bin das, was man einen Nerd nennt. Doch fehlt mir mit meinen 31 Lebensjahren jede Winzigkeit von der uns nachgesagten Herzensgüte. Jedenfalls, da war Fabian, mein fussballverrückter Banknachbar und bester Kumpel. War der einzige Freund, den ich je hatte. Der hatte mich im Alter von neun Jahren, drei Monaten und elf Tagen Schweinchen Schlau genannt. Daran musste ich denken, bevor ich vor drei Jahren, zwei Tagen und neun Stunden seine Online-Bankverbindungen hackte. Ich habe alle seine Depots aufgelöst, alle Konten abgeräumt, sogar die von seiner Ehefrau und das Kindersparkonto von seinem kleinen Töchterchen Marla, meinem Patenkind. Die Familie gibt es nicht mehr. Marla und ihre Mama starben an multiresistenten Keimen in einer zu billigen Sprühsahne. Fabian zittert als, von rötlicher Schuppenflechte bzw. Neurodermitis im Gesicht verunstalteter, krimineller Hütchenspieler-Lockvogel und ständig am Rande seiner Existenz dem Ende entgegen. Von wegen Schweinchen Schlau!'

'Ich bin die Christina, nee, Christiane, bin 24, nee, 42, und habe meinen Sohn aus blankem Desinteresse und von wegen meinem Hang zu Alkohol so schlecht erzogen, dass er seine Schule mit 13 abgebrochen. Hat. Vor wenigen Tagen wurder hingerichtet. In Texas. Das ist inner USA. Wegen Mord an einer Mutter von drei Blagen hingerichtet. Mit 'ner Giftspritze. Mit 19. Glaube ich. Ich würde gerne bald nach Amerika. Muss ein geiles Land sein. Disney und so.'

'Meine Mutter ruft mich Heidilein, obwohl ich schon 19 bin. Ich habe mir mit 14 ein heisses Bügeleisen so lange auf den Bauch gepresst, bis ich wegen der Verbrennungen wochenlang in einer Spezialklinik landete. Ich habe dann wegen dieser Misshandlung den Lebensgefährten meiner Mutter beschuldigt. Die verfuckte Sau hatte mir doch immer nur das Grafenwalder-Gesöff von Lidl, nie Becks oder Köpi geholt! Sonst war er aber total nett zu mir und Mama. Hatte sich seit meiner Geburt um mich gekümmert, war wie ein echter Vater, an nichts hatte es mir und Mama gefehlt. Nur diese billige Billigbier-Sache. Egal. Er starb im Knast, total uncool, an einer Blutvergiftung wegen einer explodierten Hämorrhoide.'

'Ich bin Patric, 51 Jahre alt, Unternehmensberater mit High-Level-Income, eigentlich nicht gay oder bi. Bin verheiratet, seit weit mehr als einem Vierteljahrhundert. Meine Frau? Die hasse ich abgrundtief. So. Wenn ich alle zwei Jahre ein neues Autos lease, muss nach dem Hamburg-Doppel-H ein Hinweis auf das aktuelle Modell auf das Nummernschild, TT oder Q 5 oder SLK oder so. Das ist schon leicht böse, aber für diese Show leider nicht evil genug. Ich kann mehr! Meine Frau erhält regelmässig, alle zwei Jahre einen neuen Wagen von mir, immer mit ihren Initialen und ihrem Geburtsjahr auf dem Nummernschild, HH - JK 65. Sie verflucht das jedes verdammte zweite Jahr, mehr und mehr. Ich habe vor zwei Jahren mit Männern geschlafen, von denen ich wusste, dass sie an Hepatitis B leiden, bloss, um mich zu infizieren. Zuletzt habe ich mit dem bisexuellen Liebhaber meiner Frau verkehrt, damit der meinen viralen Gruss zu ihr tragen kann. Hat er gemacht, der Ewald. Leider hat er auch seine Freundin Elisabeth infiziert, meine jüngste Tochter, Betti; erst musste sie mit chronischer Hepatitis B auf Isolier, dann erlag sie einem Organversagen.'

Hier wird auch er seine Bühne haben, der vormalige IM, der sich ohne irgendwelchen Druck als Stasi-Zuträger verdingt hatte, um anderen Menschen, der Geliebten, dem Kollegen, dem Kindergartenkumpel durch seine Spitzelei zu schaden. Hier bekennt der alte Denunziantensack, wie er seinen Postboten in den Siebzigern als schwulen DKP-Extremisten verpfiff und um dessen Existenz brachte. Hier dürfen schlechte Menschen performen, wie sie aus Jux und Dollerei ganze Familien ins Unglück stürzten. Hier in der Premiumshow 'Nur die Niedertracht zählt!' (Arbeitstitel) wird es weder Verzeihen noch Versöhnung geben. Schande und Scham sind viel zu moralisch aufgeladene Begriffe, sie gehören ebenfalls nicht zum Vokabular der 'DRECKSchAU!' (Arbeitstitel). Hier darf das sensationsgeile Primitivpublikum haltlos entgrenzt bestimmen, wer als grösster Scheisstyp den 'Arschlochjackpot' (Arbeitstitel) abräumt und mit welchen Züchtigungen die weniger Fiesen belohnt werden. Hier dürfen nach jedem Drecksfall willfährige Anwälte mit schief sitzenden Krawatten in schäbigen Kanzleiräumen sinnfrei in wahllos ausgesuchten Gesetzbüchern blättern, um danach ihr Urteils-Imitat in die Kamera zu stottern. Hier ist das deutsche Fernsehen wieder voll und ganz bei sich und seinem Bildungsauftrag. Hier darf das Feuilleton sich mit elitären Verrissen unter jedes Niveau quälenden Überschriften, wie 'Deutschland sucht den Supersack' oder 'Verbrechercamp' oder 'Germanys next Top-Asshole', blamieren!

'Danke Zac!' würde es aus 60 Millionen Gucker-Kehlen röcheln, sässe er daheim, nicht einsam im heissen Sand Arabiens.

Die Düne, auf der Zac an Höhlen und Bummelurin denkt

Was hatte er da eben geträumt, das war doch nichts weniger als brillant! Zac erwacht. Er ist allein und wird es lange bleiben (Rilke). Zac lässt seinen Blick in die Weite der Wüste schweifen. Ringsum ein Nichtort in absoluter Stille. Absolute, absichtslose Stille. Die Rub al-Chali, das Leere Viertel. Er hat Kopfschmerzen. Kopfschmerzen im Leeren Viertel. Wovon, das weiss er nicht. Will es auch nicht wissen, es ist ihm egal: Immerhin beweist das heftige Puckern zwischen seinen heissen Schläfen, dass dort überhaupt etwas passiert. Da ist sein Kopfweh fürwahr eine Erleichterung; besser Schmerzen im Schädel, als gar nichts unter dem Scheitel. Zac ist umgehend von sich angetan. Manchmal kommen ihm Ideen, ab und an hat er Vorstellungen von der Gegend dort, wo diese Ideen und Vorstellungen entstehen sollen: Hirnmasse, die sich selbst mal als nuancenlos grauen Klumpen mit Dellen und Löchern und Buckeln und Schrunden, dann als einen besonders klopsigen Computer sieht, rot und blau leuchtende Transparenz, durchwebt von schwarzen und grünen und weissen, ungleichmässigen Fäden. Eigentümliche Fäden, die an das erinnern, was sich zwischen Schuhsohle und Boden zieht, wenn man in einen Kaugummi getreten war, dann den Fuss nur ein klein wenig, lediglich so weit hebt, dass man sich am seltsamen Anblick dieses angenehm leicht zu überwindenden Widerstandes erfreuen kann. Was ist denn das für eine banale Dummidee? Ihn deprimiert die Abwesenheit von Originalität. Auch morgen und immerdar wird da kein Gedanke unter seine Kopfschwarte kriechen, der zuvor ungedacht gewesen wäre.

Zac würde jetzt, hier, in der wüsten Hitze gerne erneut einschlafen. Geht aber nicht, die Stirn droht zu platzen. Diese Kopfschmerzen. Die kommen von Entzündungen in den Nebenhöhlen, hatte seine HNO-Doktorfrau daheim gesagt und ihm zu warmer Luft geraten. Besonders feucht oder besonders unfeucht solle die Wärme sein, keinesfalls das entgegengesetzte Extrem. Doch noch in der Arztpraxis hatte er vergessen, welche Variante Erleichterung verspricht und welche Alternative zusätzlichen Schmerz beschert. Trockene Wärme jedenfalls ist nicht die heilende Hitze, das weiss er jetzt. Ein Erkenntnisgewinn, wenigstens etwas. Wenn Zac die Augen schliesst, um tief in sein Kopfweh zu tauchen, meinte er, knöcherne Höhlen zu sehen, schmale Hohlräume, neben der Nase, hinter der Stirn gelegen. Ganz kleine Urmenschenhöhlen sieht er, bis zur halben Höhe geflutet von Schmerzschleim. An den schlecht ausgeleuchteten Wänden seiner kleinen Schädelhöhlen sieht Zac Darstellungen wie auf den angegrauten ärztlichen Rolltafeln, die er daheim in fast jeder Arztpraxis bestaunt hatte. Den ‚Nasenhöhlenknochenlinksgang nach Müller-Bronnstädt‘ oder den ‚Stirnkehllochknopsell samt Nebengelass nach Professor Denzing jr.‘ Ja. Diese Vorstellung gefällt ihm sehr, doch wahrscheinlich wabert dort drinnen einzig grüner, phosphoreszierender Kopfschmerzschleim. Es ist freilich egal, wie etwas wirklich aussieht, hier, auf seiner Düne kann Zac sich alles erspinnen: Schädel, Zukunft, Übermorgen, Vorheute, Februar, Judith, Frauen.

Frauen. Warum denkt Zac hier, unrasiert, unfrisiert, ungewaschen, allein im fremden Sand, an Frauen? Darum. Er braucht Ablenkung von seinem Kopfweh, benötigt flugs ein unerschöpfliches Thema, das seine Gedanken feste fesselt. Wie immer lohnt es sich, über Frauen, über diese äusserst spezielle Form der menschlichen Existenz zu sinnen. Gerade wenn man massig Zeit hat. Zac findet Frauen durchweg toll. Toll aber nicht auf die Art, wie - wie er meint - schwule Mitbürger Frauen fluffig finden - Frauen als knuffige Mitteldinger zwischen den hetero- und den homosexuellen Männern, sondern eben als das passgenaue andere, das allermeist schönere Geschlecht. Gilt das Gedachte schon als Vorurteil gegen irgendwen? Nein? Super! Zac sendet seinen besten Dank an den weisesten aller Absolutionserteiler, an sein phantastisches, sein unbestechliches, sein reines eigenes Gewissen.

Frauen. Zac fragt sich, wo beginnen, was schreit danach, als Erstes von ihm beleuchtet zu werden? Ein alter Gedankentrick hilft - Augen zu! Was sieht Zac durch seinen Schmerz? Wedelnde Frauen! Zac ist stets fasziniert, wenn Frauen ihre Hände ganz flach, parallel, rechts wie links neben den Wangen wedeln, senkrecht, die Handflächen nach hinten gedreht, wie die Seitenflossen mancher Fische, Quastenflosser womöglich, wenn das überhaupt Fische waren. Oder sind, müsste er gelegentlich im Internet gucken, in Wikipedia oder im fetten Brehm oder ihm dicken Wahrig oder so. Also, Frauen - die flachen Hände links wie rechts neben den Wangen vor und zurück wedelnd, die Finger ein wenig gespreizt, mit vielen kurzen, schnellen Bewegungen, um auf diese Weise visuell zu kreischen. Im Jazz Dance gibt es für diese Geste, diesen move, diesen Quatsch vielleicht eine amerikanische Bezeichnung, so wie die Jazz Hands oder die Double Dream Hands. Falls nicht, dann schlägt Zac vor: Quastenflosser Hands! Klingt doof, klänge auf Amerikanisch aber noch doofer. Paralleles Quastenflosser-Wedeln zarter Damenhände. Zarte Hände sportlicher Frauen. Diese Vorstellung ist ihm extremhitzebedingt momentan: Frauen, junge Frauen, na ja, überwiegend nicht mehr ganz so jung, vorzugsweise mittelalt, man erkennt das Alter oft nicht, man verliert sich dann schnell in der Suche nach der Antwort auf die Frage, ob Mittevierzig das neue Mittelalter ist und wie beschränkt diese X-ist-das-neue-Y-Sache ist. Zurück zu den Inhaberinnen der prächtigsten Nabel der Welt, den Frauen. Diese sind in seinen Augen zumeist attraktiv, was, Zac kokettiert damit, auf seiner Zuneigung zu intelligenten Frauen beruhen mag, und kriegen, unerschütterlicher Volksglaube an akademisches Spätgebären, Kinder eher jenseits denn diesseits der 35. Diese Klug-Frauen in ihren Mittelaltern also, die einen, ganz bestimmt: ihren, Kinderwagen, schieben, und backbords wie steuerbords vom rollenden Nachwuchs jeweils einen, ebenfalls eigenen, Köter stolzieren lassen. Eine schrecklich-üble Parallele: Kampfhunde in Parallelformation neben einer Kinderkalesche. Eine Troika! Nein, doch nicht, keine Troika, denn in der Mitte der Familienformation zieht niemand, in der Mitte wird der edle Kindertransporter geschoben. Eine uneigentliche Troika ist das also, überlegt Zac angestrengt, während sich seine Stirn- und Schläfenschmerzen just wieder in den Vordergrund puckern. Er fragt sich das erste Mal in seinem durchaus nicht kurzen Leben, ob es korrekt Troi-ka, so wie er seit Jahrzehnten denkt, oder nun, wie er seit der schwierigen Griechenland-Begleitung vermutet, Tro-ika heisst. Troika - seine Denkpremiere, Applaus und Vorhang.

Silbentrennung im Denkprozess, wohl-oder-üble Notwendigkeit oder sein Tribut an den Eintopf, die Melange, das Letscho aus Trockenheit, Hitze, Kopfweh, Verwirrung und Durst? Durst müsste Zac eigentlich nicht haben, ausreichend bemessen, nicht üppig, aber bedarfsgerecht und bedürfnisadäquat bemessen ist sein Wasservorrat. Sogar eine Riesenflasche Limettonade mit fetter Zitronenpulpe hat er dabei. Allein, er will nicht trinken. Freiwillig bei Durst nicht zu trinken, das scheint ihm sehr reizvoll, etwa so, wie der gelegentliche Harnverhalt aus ganz freien Stücken, zu sein. Nein, Zac kichert in die Einsamkeit, er trinkt nicht nicht, weil er dann müssen müsste, sondern weil er die Flüssigkeitszufuhr dauernd vergisst. So geht es Zac ab und an auch mit dem Pinkeln, es gibt häufig Besseres zu tun, als sich zu berappeln und die Blase zu entleeren. Oft ist es schon besser, eben nicht zu gehen, schnöde sitzen zu bleiben. So lange den Harndrang ignorieren, bis man ihn vergessen hat. Wie macht der Körper das mit dem Pinkelverlangen-Vergessen? Parkt er das flüssige Zeug in einer geschickt getarnten Nebenblase, um es später unauffällig, durch kleinste Geheimkapillaren in ein aktuelles Wasserlassen rein zu schmuggeln? Oder folgt das da, das Abwasser da unten in ihm drinnen, eher dem klassischen Eisenbahnkonzept - eine Warteblase neben dem Hauptstrang, und wenn dann viele Stunden nach der Pinkelignoranz ein reguläres kleines Geschäft erledigt worden ist, dann darf im Anschluss, und ganz unauffällig, der längst vergessene Bummelurin in die Auslauf-Spur? Der Mensch wundert sich dann, kaum ist er weg vom Urinal, schon pressiert es erneut. Eine Blasenschwäche womöglich, aber inkontinent schon in diesem Alter, nein, das kann nicht sein. Verkühlt hat man sich, ganz bestimmt war es lediglich die Kälte, so enorm empfindlich sind sie, die Nieren, weiss man doch, gerade als Motorradfahrer, oder wenn man je einen Vorwand gesucht hat, um in aller Ruhe viel Bier trinken zu dürfen. Aber warmes Bier muss es sein, so fordern es die Mütter seit jeher für die heilende Nierenspülung: Warm, aber Bier! Und man könnte sich zusätzlich kasteien durch Bade- oder Duschfolter - die Nieren ziehen sich dann zusammen ob des Kühlwassers, der Drang wird stärker, aber der Hahn bleibt zu. Stunden später die grosse Erleichterung. Vielleicht des stimulierenden Effektes wegen wieder unter der Brause, warum denn nicht, wer sollte einen denn daran hindern. Ob das entspannte Wasserlassen unter der Dusche dereinst im Pflegeheim zur Tagesklimax wird? Freudstiftendes Laufenlassen ohne Gegendruck. Zac sollte dann auf tägliches Abendduschen umstellen, um einen kleinen Freudenstrahl für das fahle Dämmerlicht eines Erdentages und seiner Erdentage vorzuhalten.

Die Düne, auf der Zac sachte gegen Hunde hetzt

Zac mag weiterhin nicht trinken. Trocken entsinnt er sich seiner prachtvollen Zustände an Morgen nach Alkoholexzessen, an die, die Existenz des Paradieses verheissenden Morgen nach besonders gelungenen Saufabenden. 'Morgen' trifft es nicht exakt, Stunden sind es dann und denn schon, autokorrigiert Zac, ganze Tage von überragender Qualität, mit Gedärmbrand und Schrumpelschlund und Gastrogrollen sind es. Quality Time, zu dehnen, indem er auf die Zufuhr irgendeiner Feuchtigkeit verzichtete, um den Prozess des Verdorrens Stunde um Stunde zu geniessen. Jetzt, just im Moment, justament ist es anders, das heute passte mehr zur vorhin bedachten Pullereiabstinenz. Die Gedanken strömen zurück. Frauen, Kinderwagen, Hunde. Die Kinderwagenbegleithunde, so konfrontierte Zac seinen schmerzenden Schädel erneut absichtsvoll mit dem Teuflischen, gab es zudem in Versionen von gesteigerter Verabscheuungswürdigkeit. Dann tänzelten da zwei Biester gleicher Rasse, marschierten, gleichschritten, stolzierten mit erhobenem Schädel, abstossend in ihrer Überflüssigkeit, über alle Massen grosse, ressourcenverschleudernde Viecher, überflüssige Herausforderungen für Toleranz und Respekt vor dem Getier, wie Gott es am sechsten Tage geschaffen hatte. Dünkelhafte Ungeheuer, über denen immer, immer, immer, immer in riesigen Lettern die eine Frage schwebte, blinkte, leuchtete, brannte, schrillte, um von keinem Menschen mit Intellektmindestversorgung übersehen zu werden: Warum? Es war die schiere Rücksicht auf die unschuldigen Kinder in der Mitte der traurigen Paraden, sein Mitgefühl - oder müsste er statt dessen 'Empathie' denken, um sprachlich en vogue zu sein? - mit den Babys, die nicht haften sollten für das Irresein ihrer schreckliche Tölen anbetenden Eltern, welche Zac von der unbedingt gebotenen und gerne öffentlichen Soforthinrichtung des felligen Begleittrosses abhielten. Wer über Hunde redet, nicht allein redet, sondern schlecht redet, also gut redet, aber Schlechtes redet, der redet gerne über deren Lärm, Beiss- und Scheissgefährlichkeit. Doch muss Verachtung alle mindestens mässig Gebildeten in Anbetracht ausnahmslos sämtlicher Eigenschaften eines jeden mehr als dackelgrossen Hundes durchfluten. Hier, im Nahen Osten, wird ihm so Schreckliches nicht begegnen, denn hier gibt es keine Hunde, nicht diese nervenden Auch-Ursachen für den Verlust seines Glaubens an irgendeine Zukunft des Abendlandes. Arabien. Eine hundelose Idylle. Jamal Arabia!

Wie unreflektiert, schilt sich Zac, es sind nicht die Waffen, die schiessen, sondern der Abzugsbetätiger ist gut oder böse oder doof, und es sind nicht die Köter, die sich gross und hässlich gezüchtet haben. Schwer für ihn, an diesem Punkt nicht an besondere, hervorstechend peinliche Rassen zu denken. Zac schafft es dennoch, dank der Kraft seiner Verachtung. Verachtung: neben Arroganz und Trieb seine ergiebigste erneuerbare Energiequelle. Tierliebefreie Verachtung erlaubt es ihm also, Distanz zu den kläffenden Fellen zu halten. Die Köter sind es aber zum Schluss doch höchstselbst, sie sind fast durchweg viel zu gross und nur in bedenkenlos zu vernachlässigender Zahl nicht grässlich.

Zac schlägt die Idee aus, weiter in Richtung Verbot zu spinnen, womöglich den Nichtrauchzwang, diese Vorbildhure für den Erfolg der Erwachsenen-Erziehung, zu preisen. Er bewegt sich. Das erste Mal seit mehr als einer Stunde. Wobei bewegen sein Verhalten sehr unzutreffend beschreibt. Es bewegt sich seine Linke, insoweit sich die flache Hand auf dem sehr warmen, in seinem Körperschatten aber nicht heissen, Wüstensand schliesst, diese, nun zur Faust verwandelte, Hand sich langsam nach aussen dreht, sich ein ganz kleines bisschen, vielleicht drei, kaum mehr als fünf Zentimeter, nach oben bewegt, den kleinen Finger für einen, hier freilich nirgends vorhandenen, Anderen nicht wahrnehmbar, vom Handballen weg bewegt, und so ein zartes, temporäres Rinnsal feinsten Wüstensandes entstehen lässt. Sekunden später, unmittelbar nach dem durch Nachschublogistikprobleme herbei geführten Ende des Sandstromes, fällt seine Linke entspannt geöffnet auf den selbst erschaffenen, gelbbraunen Mikrohügel und zerstört diese Silikaterhebung.

Der rinnende Sand steht für nichts, allenfalls für die Schwerkraft; Zac kommt nicht im Traum darauf, schlichtestes Spiel zu einem Gleichnis aufzublasen. Unter seinem übertemperierten Skalp lechzen die Synapsen nach einer Pause. Also: Sieben Minuten Denkpause!

Die Düne, auf der Zac verrät, wann er spenden würde

Hunde. Nun will Zac nicht mehr über den besten Freund des Menschen nachdenken, mittels einer ideellen Wäscheklammer aus Holz, soviel deskriptive Detailtreue muss sein, verödet er den Nervenstrang, der zum Hundebashing-Hirnlappen führt. Einzig eine ganz kleine Eingabe schlüpft noch very geschmeidig durch, in Richtung Haupthirn: Um das Hundeproblem müsste sich eine der ungezählten Nichtregierungsorganisationen kümmern, spannt Zac den Bogen von den kläffenden Wolfserben zur schillernden, zur aufregenden, zur erhabenen Welt des zivilgesellschaftlichen Engagements. Ein Problem dürfte es indes sein, dass weite Teile der Schar der Grosshundbesitzer sich als Teil der vorbildlichen Bürgergesellschaft verstehen dürften. Dabei, so strauchelt Zacs Idee alsbald, weiss er gar nicht, wer genau denn die einen, also die Nichtregierungsorganisationen, oder die anderen, die Bürgergesellschaften, sind. Gehört jede NGO zur Zivilgesellschaft, ist Zivilgesellschaft haarexaktgenauestens dasselbe wie Bürgergesellschaft? Ist jede verschrobene Truppe von Besserwissern, wenn sie nur nicht regiert, umgehend eine Nichtregierungsorganisation? Dann müsste doch sogar die Zigarettenlobby (¡böse!) eine Nichtregierungsundsoweiter sein! Wer nur mag das so verwegen sehen, das kann nicht stimmen. Never ever, never ever, ever never. Never!

Die breit gestreute Annahme, dass 'die Zivilgesellschaft' stets den Ritterschlag reinster Menschlichkeit verdiene, ist von vergleichbar schlichter Einfalt, wie die einstweilen unwidersprochen bleibende Knalloballothese, wonach der gemeine Bürger 'vor Ort' am allerbesten wisse, was gut für ihn sei. Grundannahme für diese nie bekrittelte Denkweise: Je dichter dran am Problem, desto besser die Lösung - superschlicht und stets beklatscht vom willfährigen Studiopublikum in Sabine Christiansens blauem Gasometer oder in Günther Jauchs komischer Kugel oder umgekehrt oder in einem sonstwoigen Showroom des Polittalks. Doch schau, dort hinten, in der allerletzten Reihe der Studiobestuhlung, da behält ein unauffälliger Zuschauer, ein ganz Einsamer, ein einarmiger Narbenträger mit röchelnder Atemnot, seine verbliebene Hand in der Hosentasche. Er applaudiert nicht und lächelt erfahren, wissend, milde: Er war millimeterdicht dran gewesen am grünen Problem, hatte seine Nase schon in das riesige, flauschige Fell vor sich drücken und enthemmt losknuddeln können, doch Godzilla hatte nicht mit ihm schmusen, sondern von ihm abbeissen wollen. Etwas Distanz hätte ihm den Arm vor des Monsters Appetit gerettet. Später. Er war in den winterlichen Hochalpen sowas von vor Ort in der Schneewand, vor-orter ging es nimmer. Leidapopeida konnte er so nahe nicht erkennen, dass das glitzerprächtige Wunderweiss sich bereits vom Felsen gelöst hatte, um Sekunden später als Lawine bergab zu krachen. Etwas Abstand vom Problem hätte ihn vor einer minutenlangen Testbeerdigung unter Metern von Schnee und seine Lunge vor dem Verlust von 47 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit bewahrt. Ob sich hier der Slogan von der Tyrannei der Mikroperspektive (Evgeny Morozov) nicht nur klug anhört, sondern zudem passt, ist dem weisen Teilamputierten im Publikum freilich egal.

Zac mag ihn, diesen sympathischen Wissenden, diesen klugen Aufrechten, also, sich. Sich mag Zac, nicht etwa den namenlosen Talkshow-Follower, der ist ausgedacht. Er, Zac, gehört hingegen zum Real Life. Das beruhigt! Was beunruhigt? Diese Düne soll eigentlich verraten, wann Zac spenden würde. Davon war noch nichts zu lesen. Hat sein Gepetto zu viel versprochen? Hat er nicht. Just im Moment peinigt Zac der Gedanke an dieses grosse Spenden-Ding der wohlhabenden Wohlwollenden, piesackt ihn die Mär vom Segen spendenden Privateinsatz für dieses und jenes Bauwerk. Zac sieht vor sich die Frauenkirche zu Dresden. Sachsens Gloria, gefügt aus - von stolzen Elbflorentinern in Fingerhüten aus Meissner Porzellan heran geschaufeltem und mit Original-Dresdner-Christstollen-Teig zu Traditionsquadern gebackenem - Elbsandsteinsand. Er denkt an diesen pompösen AltNeubau, der ausschaut wie aus Beton gegossen, gespeist durch die zusammengekratzten Privat-Groschen der allertollsten Sachsen der Welt. Mit und ohne Trompete. Ist das so? Eher nein. Es gibt ziemlichfastimmer diese Spendenquittung. Für das Finanzamt. Um sich ein paar Binunnsen retour zu holen. Zac ist da anders, selbstlos, nobel, zacig. Allein dann, wenn ein Verein exakt mit dieser ungewöhnlich edlen Macke werben würde 'Wir dürften Ihnen Spendenquittungen geben, wir tun das aber ausnahmslos nie! Das wäre uns peinlich. Wer nun nicht spendet, der kann uns mal!', allein dann würde er spenden. Würde er? Es ist so heiss, Herr seiner Sinne ist Zac nicht. Nicht mehr. Mal drüber nachdenken. Zeit hat er, Zeit wie Sand im Getriebe.

Zivilgesellschaft also. Das moralische Gegenteil zu der Zivilgesellschaft ist nicht, wie einfache Gemüter vermuten könnten, das Militär, nein, es ist die Finanzindustrie. Die kommt im offiziellen deutschen Boshaftigkeitsranking noch übler weg als die irgendwo sogar ein bisschen gute, sogenannte Realwirtschaft. Ausgenommen vom Lob der Realwirtschaft sind die ihre Abgase manchmal manipulierende Autoindustrie und die Energiewirtschaft. Stromriesen sind ähnlich schrecklich wie Zockerbanken. Wiederum Ausnahme von der Ausnahme ist die Energieproduktion - dann, wenn sie streng dezentral, durch energisch energetisch Engagierte erfolgt. Ein simples Konzept, ähnlich den revolutionären Talgleuchten oder Fackeln in der Antike, vergleichbar mit Wind- und Wasserkraft für den Mühlenantrieb als Energiewende im frühen Mittelalter. Nun also überall Energieumwandlung aus regionaler Sonne, welche freilich allein in einem sowjetischen Kinderlied ihre Energie immerdar freizügig auf unsere schöne Welt ballert. Manchmal weht zur Abwechslung eine laue Brise, dann können grazile Grosswindräder jedes kommunale Lüftchen erhaschen und zu Watt verzaubern. Für die dunklen, windstillen Stunden gibt es neben jedem Viehstall grosse, grüne Biogasbrüste. Darin wabert Fäkalgas, um zu Kackstrom zu mutieren; egal, Strom stinkt nicht. Vergiss also die ganze Arbeitsteilung, ist sowieso eine Erfindung vom alten Karl M. mit seinem frühhippen Vollbart, denkt Zac. Die modernen Bürgergesellschafter machen sich ihre Energie flott daheim, denn dort, dort vor Ort, da wissen sie am besten, was gut ist.

Zac würde übrigens auch jedem Vereinswesen generös spenden, welches sich der aggressiven Popularisierung, rücksichtslosen Ansiedlung und liebevollen Hege von Sandwüsten in Mitteleuropa verschrieben hat.

Die Düne, auf der Zac es dem Politkabarett mutig gibt

Zacs Schädel leidet beharrlich fort. Es gibt kein Entrinnen, es ist ein urgewaltiger, ein schmerzhafter Sog, der ihn zwingt, die heimische Welt aus sicherer Entfernung, von dieser Düne im Oman aus zu erkennen und kompromisslos zu erklären. Seine Berufung, sein individueller Fluch, seine Gabe. Darin gleicht Zac leider den von ihm freundlich Geschmähten: Haben die Streitkräfte des Guten eine existentielle Bedrohung zur Strecke gebracht, kreieren sie flugs die nächste, den blinden Opfern bis dahin als Gefahr vollständig unbekannte, dieserhalb umso düstere Gefahr. Ist die Atomkraft erlegt, startet die Jagd auf Fracking und CCS-Technologie und Ölsande und schwefelgelbbraunen Kohleirrsinn. Interessieren sich die ignoranten, satten Lümmel (aka Volk) nicht mehr für das Duell von bärtigen Schlauchbootkämpen mit Wale angelnden Bohrinseln, dann gibt es bestimmt grössten Bedarf am Schutz der Verbraucher (Verbraucherschutzgerechtigkeit) vor verteufelt unrunden Lebensmittelpackungsgrössen, vor fremdwortlastigen Zutatenlisten, vor dem Fehlen von Nährwertampeln, vor US-Essmarotten, vor Nanopartikeln im Duschbad, vor 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin-Broilern, vor Dihydrogenmonoxid, vor Ernährung mit Fleisch, vor Tier in der Wurst. Und vor - Achtung! - Abzocke. Schlimm.

So kämpfen die Edelsten für das Wohl ihrer Mündel. Gegen die allwaltende Schlechtigkeit. Wem aber das Gefühl einer omnipräsenten, schlafraubenden Gefährdung fehlt, dem fehlt es an Hirn, oder an Bewusstsein, gar an Bewusstseinsbewusstsein. Der kauft Dosenbier und vegetiert politisch auf Stammtischniveau. Stammtische, im Kabarett überlebt habende Erinnerung an eine Zeit weit vor der grossen Rauchervergrämung, gerne bemüht von Polithumordarstellern, namentlich von Kabarettisten, diesen nichtamüsierenden Kostgängern deutscher und europäischer und überhaupt von Politik. Politkabarett! Neuerdings gar Zufluchtsort für Fips-Asmussen-Wiedergänger, deren altvorderen Witze über Flipper, Werbefernsehen der Achtziger und Nachmittags-Talkshows keiner mehr hören mag. Eine ganz eigene, bizarr-verstörende Welt, beherrscht von opalisierenden Erleuchteten. Politisches Kabarett in den Jahren unter Merkel. Hat Zac Zeit, über diesen grotesken Kosmos aus peinigender Besserwisserei und uninspirierter Fadkomik zu grübeln? Aber klar doch!

Während der, schnarchig oft bemühte, Spiesser bei einer nicht anders als tolldreist zu beschreibenden Avantgarde der politkritischen Heiterkeit mittlerweile Jack-Wolfskin-Einheitsklumpatsch statt Aktentasche mit Thermoskanne tragen darf, werden Rentner vermutlich noch im Jahre zwanzig-zwanzig durch plumpe Anspielungen auf den Zweiten Weltkrieg als ewiggestrig charakterisiert und - ja, diese Floskel schmerzt - entlarvt. Ebenfalls unvergänglich, mutmasslich durch das Deutsche Satiregesetz erzwungen: Die so-called Geiz-ist-geil-Mentalität samt Hinweis auf diesen einen teuflischen Elektromarkt und garniert mit dem Signalwort neoliberal. Man möchte auf die Bühne springen, um den Unlustigen zu würgen, um ihm ins Schlabberohr zu tätowieren 'Das ist als Gag völlig veraltet! Schreibe was Neues! Das Kabarettpublikum lacht dennoch und ausschliesslich deshalb, weil es struunzdooof ist! Wenigstens für den Oldiegag Kostenlosmentalitätdes-Internet sollte es doch mittlerweile reichen. Der ist gleichfalls leicht überaltert und von schlechtem Deutsch, also wie geschaffen für die anspruchsschwachen Satiretrollos hier im Sendersaal und draussen vor dem Flach-Screen!' Denkt Zac und behält es für sich. Wer weiss, nicht dass Dieter Hildebrandts linker Rachearm nun Gernot Hassknecht in die Wüste dirigiert, um ihm, dem Zac, mit Sand den Schädel schmirgeln zu lassen? Von innen! Angst essen Wahrheit auf.

Also sinnt Zac nur äusserst vorsichtig und flüsterleise über deutsches Kabarett: Auch andere Krachergags kleben zäh in den ewig gleichen Repertoires. Zac denkt spontan an die für Humoranden unvermeidliche Raider / Twix -Metamorphose. Die darf vielleicht in drei Jahren durch die PLUS / Netto -Verwandlung und in elf Jahren durch die Ablösung von Hakle-Feucht durch Cottonelle-Feuchtklopapier ersetzt werden. Wortgewandtere Spassmacher werden bereits Ende 2016 die bildungssprachliche Scheissdreck / Kackscheiss -Transformation auswerten und die Avantgarde der Vorhut der Gewitzten wird im Reformations- und Revolutions-Gedenkjahr 2017 die grundstürzende Sternchen / Herzchen -Fav-Revolution im Twitter-Reich auf deutsche Satirebühnen zerren. Doch der Stammtisch als Idee, als Bild bleibt bis in die tiefste Zukunftstiefe unverzichtbare Spassrevue-Ingredienz! Völlig egal, dass inzwischen semioffizielle Chatkreise, Facebook-Kollektive, Twitter-Blasen, Hashtag-Horden, Kommentarforen von taz, pi, zon oder spon und ähnliche Follower-Communities lichtscheuer Blogger als offizielle Online-Niveauhöhentiefen-Indikatoren dienen. Statt dessen darf man im Polithumorgenre immerdar messianische und mechanische Welterklärungsphysik, erwartbar wie die dicken Michael-Moore-Anklagedokus, dünn wie Stimmchen und Körperchen von Singer-Songwriter-Newcomerinnen, linear, monokausal, bar aller Brüche und Zwischentöne, vorhersehbar wie einst am linkslastigen Donnerstag 'Scheibenwischer, der', performen. Komplexe Zusammenhänge (Klimawandel) sehr einfach, aber sehr falsch erklären (die Deutsche Bank ist schuld) - warum denn nicht, die Lex Tucholsky gestattet es. Immerzu, immerfort, immerimmer die alte Leier (Heinrich Heine?) gegen Banken und Wirtschaft und erneut Banken und Stammtische und Politiker und selbstverständlich die Banken. Banken und Industrie, die aus Sicht der Kabarett-Heroen ausnahmslos aus männerbündischen Vorständen, FDP-wählenden Ausbeutern und Frauen-mordenden Aufsichtsräten bestehen. Nie vernahm man aus dem Munde der altklugen Possenreisser, dass in seltenen, pathologischen Ausnahmefällen ein-, zwei-, dreihundert unbedeutende Arbeitnehmer zu den beschimpften Unternehmen gehören, dort womöglich gerne arbeiten und ihren festen Job höher schätzen als drei verstaubte Wohlstandsbürgerpointen. Egal. Seit wenigen Monaten (Stefan Zweig) darf der geneigte Zuschauer (Nils Minkmar) allerdings ein Update (Bill Gates) des satirischen Standardsortiments (Aldi Nord) beobachten, den fantastischen (Stanisław Lem) Versuch eines Mannes (Michel Houellebecq) mit Eiern aus Stahl (Jan Böhmermann), mit den Mitteln der Kunst (Ai Weiwei) das Gesetz (Bundesrichter Fischer) zu testen, um das Feuer (John Updike, Aboud Saeed) der Freiheit (Marius Müller-Hasselhoff), der Meinungsfreiheit (Dieter Hallervorden), gar der Satirefreiheit (Oliver Kalkofe) im Hertzen (Christian Friedrich Hunold) der Finsternis (Joseph Conrad) zu entfachen (Jonas Navid Mehrabanian Al-Nemri). Zac lässt aus schierem Respekt vor der Urgewalt des Humors des Ungenannten den Ungenannten hier ungenannt. Fast.

Was bleibt hängen vom schnappatmenden Agitations-Brimbamborium? Alle Politiker von Bautzen über Berlin bis Brüssel sind olle Halunken, tun sklavisch das von ihnen Verlangte, weil sie Marionetten Washingtons, der Pharma.rüstungs.chemie.atom-Industrie und der Massentier.genmais.staatskirchen.leiharbeiterverleiher-Multis sind, als hilfloses Treibholz im Malstrom der Marktmechanismen strudeln, nicht ins Kabarett gehen, nicht ZDF und 3sat gucken, und so die total miesen Machenschaften der finanzmonopolistischen Ungeheuer nicht durchschauen können. Die fiesen Tricks der fiesen USA ebenfalls nicht. 'So isses!', tönt das befriedigte Anstaltspublikum. Dafür gibt es eine Breitseite Gesinnungsapplaus. Kabarett gehört zu den ganz wenigen Gelegenheiten, bei denen die Selbstbefriedigung durch den Mund anderer Personen erfolgt. Stopp.

Weiter. Wohlan, Satire ist Waffe! Satire darf in Deutschland alles! Wenn das Feindbild stimmt. Epheser 5, 11-13! Wer je mit wachem Verstand die ZDF-Anstalt, sah, der weiss, was Agitprop 3.0 bedeutet. Der wünscht sich, wenn er etwas bei Troste ist, sofort rigide Eingriffe in diese oder jene Freiheit der im Kabarett der Besserwisser lehrenden Dozenten und Agitatoren und Propagandisten. Oder Zwangsguckpflichtzwang für Satire-Apostaten. Darf er eigentlich so überüberkritisch denken? Ja, stammelt Zac couragiert, er ist nur ein kümmerliches Teelicht, unsichtbar flackernd zwischen den satirischen Flutlichtstrahlern. Ja, wispert Zac sich Schneid zu, wer meinungsstark austeilt muss auch einstecken können. Ja, spricht Zac sich Mut zu, kein Kabarettist wird ihn hier auf der Unterhaltungsdüne finden. Jetzt nicht den Schwanz (im generischen Maskulinum) einrollen oder einziehen, nichts mit Arsch-zu-Zäng-auseinander.

Arsch-huh-,-Zäng-ussenander. Ohje, das war so horribel gewesen, damals, in den Neunzigern, Zac hatte gedacht, Wolfgang Nie., der Kölner Weltoptimierer, habe 'Arsch-zu!' gebapelt - einen flotten, halbfreundlichen Männerspruch des unmissverständlichen Inhalts, dass die Schnauze zu halten sei. War aber nicht so. In der Quasisprache des Wolfgang N. bedeutet es das exakte Gegenteil. Hier aber täte es passen, und Zac bleibt dabei: Kein Versuch nirgends. Zumindest nicht diesseits der geheimen Höhlenwelten von Undergroundpolitwitzperformern, jenem obskuren Untergrund, der vermutlich, seiner Natur gemäss, weithin unbekannt vor sich hin widerständlert, und auf dessen Existenz - also in echt, jenseits von einschlägigen Blogs und von Internethumptata - Zac inständig hofft. Aber oben, im fahlen Lichte des deutschen Unterhaltungsalltags? Nichts da, kein Versuch, vom, gefühlten, Humormainstream in einen Nebenarm zu wechseln, einmal als Inspirationsheld abzuweichen vom dauerplumpen Schema der Politlacher-Fabrikation. Vielleicht mit einer weniger gefälligen These zu reüssieren, mit einer verstörenden Idee überraschen, die inhaltlich genau im gestreckten Winkel von den Standardpointen abweicht? Einmal subversiv sein, Angela Merkel nicht als Konkurrenzwegbeisserin und Internet-gleich-Neuland-Simpeline beleidigen, sich mal nicht an FIFA und DFB und AfD und EZB und IOC abarbeiten, nicht die Eurokraten für alle Übel südlich von Valletta verantwortlich machen. Nicht die Katholische Kirche putativmutig verteufeln, nicht wider die USA als tumbe Quelle des Bösen wettern, nicht die CSU als ultrareaktionärkonservativ schmähen, die Soziale Marktwirtschaft nicht als total unsozial bashen, N und S und A und V und D und S nicht als Signalbuchstaben in faden Ausspähschnerzchen verwenden. Oder, was Zac als besonders mutig erscheinen würde, hiesige Politiker als meist lautere, gar nicht so finstere Zeitgenossen darstellen. Ist bestimmt zu viel verlangt. Ist es zu strapaziös, Pointen jenseits des Politik-gleich-schlecht-plus-hörig-Zinnobers zu schreiben? Warum nur? Würden die ohne Frage hehren Absichten der Gagautoren unter einem Fitzelchen Differenzierung leiden? Wollen Querdenker auf der Bühne keine Querdenker im Saal? Warum also? Klaus 'Knacki' Jürgen 'Nightwash' Deuser ist doch einst, als noch nicht sein Schwippsohn Luke Mockridge den Waschsalon bespasste, mit einer Anleitung für Comedy-Kollegen niedergekommen. 'How to be lustig', oder? Mittlerweile scheint es für Satire-Werktätige einen fett aufregenden, fett angesagten, fett fetten Ratgeber auf dem Schwarzmarkt zu geben: 'Nur nichts Neues! - Wie ich mit reiner Gesinnung und drei Themen meinen Lebensunterhalt schnorre' heisst die drakonisch verbindliche, rigoros geheime, konspirativ kopierte, einzig bei Blutmond unter der - zittrigen - Hand zum Preis von drei genderphoben, demanzipierten, super-servilen Frauen verschacherte Kabarettenzyklopädie. Bestimmt finden sich dort für die grauen Politwitzreisser all' die unfassbar monotonen Geheimratschläge!

Ressentimentgeballer (Hans Mentz, anderweitig) auf Schritt und Tritt. Kein Versuch von Kabarettisten, jedenfalls nicht, dass ein solcher mit den gängigen Sinnen wahrnehmbar wäre, die Anti-US-amerikanische Befangenheit eines Mainstream-Satire-Publikums nicht, oder nur ein wenig weniger als vor zwei, elf, einunddreissig, dreiundvierzig, siebzig Jahren zu bedienen. Stattdessen: Die tumben Amis. Die mögen ihre Nationalflagge Tag für Tag, nicht allein während der Fussball-WM, ja, die spielen gar keinen richtigen Fussball und haben keine Grün-Partei. Die haben die Todesstrafe nicht geächtet und finden grosse Autos geil und spionieren deutsche Diesel-Erfolgstechnologie aus. Die burgerdicken Amis essen durch Fracking geerntetes Genfood, bevor sie den globalisierten Luftraum zudrohnen! Dazu Evangelikale (Christen) und Waffen (Lobby) und Trump (Melania) … Noch immer kein deutscharrogantüberlegener Lacher im geneigten Satirepublikum? Tipp: Die traditionelle BILD-Beschimpfung bleibt ein satirischer Selbstläufer. Entweder BILD ist nicht der Meinung der Kabarett-Dozenten: Schlimm! Oder BILD ist der Meinung dieser Rechtgläubigen: Sakrileg! Braucht es trotzdem noch einen Satire-Gigaböller 3.1? Ja! Ein selbstzündendes Feindbild haben alle Satiriker noch im Köcher: Wir wissen eigentlich gar nicht richtig, was Neoliberalismus bedeutet, was uns aber komplett egal ist. Denn es steht geschrieben in der Präambel der Grundordnung deutschen Polithumors: Der Neoliberalismus ist an allem Übel schuld! Dass es uns in Deutschland so viel schlechter geht, als vor elf, dreiundzwanzig, einunddreissig, dreiundvierzig Jahren, dass unsere Flüsse dreckig morasten, das Geld stündlich entwertet, die meisten Menschen bitterarm sind, die Lebenserwartung schrumpft, auf jedwede Demonstrationen pausenlos scharf geschossen wird - hat der Neoliberalismus verbrochen. Die Vorbildlichsten unter den Kabarett-Junkies haben sofort dechiffriert, dass Zac eben neben dem Neoliberalismus zugleich und vehement der Postneokolonialismus angeprangert wurde. So wie die Idee des Freihandels. Krieg der Triade aus TTIP, Neokolonialismus und Neoliberalismus! Friede den deutschen Kabarettisten und ihren Ewigen Gewissheiten! Politheiterkeit in Deutschland bedeutet: Tabubestätigung, nicht Tabubruch. Beachtung der Regeln politischer Wohlanständigkeit, nicht deren Verletzung. Dezente Überhöhung statt grotesker Verzerrung. Simplifizierung, auch wenn die Welt nicht simpel ist. Jeder Zuschauer mit einem Fünkchen Restanstand im flauen Magen, jeder, der diese Programme allein dem Gatten, der Gattin zu gefallen, aufsucht, muss seine Hände bis an die Grenze der Unanständigkeit in den - notfalls eigenen - Schoss pressen, um weder zu klatschen, noch die Hände um Erbarmen flehend gen Himmel zu recken. Zac spürt blasierte Arroganz in sich emporsteigen, ob der Schärfe seines apodiktischen Richterspruches.

"Oho", hechelt in diesem Moment ein Fenk aus der Dünendelle, "und warum kriegen diese lustigen Lustigen permanent Preise mit anspielungsfrohen Namen, 'Die wilde Zecke', Die scharfe Nessel', 'Der juckende Wundbrand', 'Die eitrige Analfistel', 'Der wuchernde Testikelabzess' oder 'Die quietschfidele Streubombe'?" Zac erklärt es dem Wüstenfuchs gerne: "Weil die Schriftführer und Kultursenatorinnen der die Preise verleihenden Kleinvereine und Mittelstädte monströse Nachtgeschirre mit Wortkacke von Alt68ern geerbt haben, die sie, bei Strafe ewiger Verdammnis, wie einst die Dünnsäure verklappen müssen. Wo könnte man diese Töpfe voller Sprachmist umweltverträglicher entsorgen, als in Elogen auf Nachwuchsschreiberlinge aus der Region (in schlechten Momenten) oder gestandene Satirepriester (ziemlich fast immer)? So klingt es dann in den Laudationes: Der aufstrebende oder verdiente Satirekünstler 'legt den sprichwörtlichen satirischen Finger in die schwärenden Wunden unserer prekären Verfasstheit', 'regt mit spitzer Zunge zum Nach- und Neu-Denken über uns und andere an, kämpft virtuos mit den Mitteln des Humors gegen rückwärtsgewandte Engstirnigkeit und ängstlichen Kleinmut', 'verlässt konsequent die ausgetretenen Pfade des althergebrachten Kabaretts in, mit Verlaub, bester Lach-und-Schiessgesellschafts-Tradition, um im strahlendsten, nämlich im Kant’schen Sinne aufklärerisch zu wirken', 'nimmt seine Protagonisten ernst, statt sie alliterativ zu desavouieren, sei es nun der dumme Dieter, die barkeepende Barbara oder - seine Paraderolle - der versehrte Afghanistan-Veteran Achim-Volker, mit dem er die Weltpolitik auf die heimatlichen Kabarettbühnen zitiert', 'ist ein didaktisch engagierter Frontmann im Kampf gegen das menschenverachtend herrschende, zum Untergang bestimmte System des globalen Kapitalismus', 'ein wirkmächtiger Dickschädel, ein beissender Querkopf, ein kompromisslos-kritischer Kritiker aller Alltagswidrigkeiten und Ungerechtigkeiten, der sich höchst elegant in die Köpfe seines Publikums imaginiert', 'diese schelmische Spassfeder versteht es auffallend meisterhaft, überkomplex-antagonistische Zusammenhänge des Spätkapitalismus ohne moralischen Zeigefinger sprachmagisch unters ambivalente Volk zu zaubern', 'agiert mit multipolarem Witz für oder gerade gegen den latenten Kolonialismus der westlichen Wohlstandsgesellschaft, deren Produkt zu sein zuzugeben er sich nicht zu schade ist', 'weckt in uns das unter Konsumzwängen verschüttete Bewusstsein, dass die Welt gerade unseres individuellen zivilgesellschaftlichen Engagements bedarf, um gerechter, um weniger neoliberal, weniger eurozentriert zu werden', 'ist als gestandener Satiriker nicht mehr Kanonenboot, sondern Kampfdrohne unserer bedrohten Demokratie, um als manischer Mahner blö bla krächz', 'ist ein unbestechlicher Seismograph gesellschaftlicher Befindlichkeiten, ist kluger Kies in unserem hektischen Zeitgetriebe; lotet die Toleranzgrenzen des hier und heute tief aus, um uns eine ideengeschichtliche Quadratur ...' Kapiert? Nun schleich dich, frecher Fenk!" Endlich schweigt des Schmähers Unhöflichkeit.

Wissen, zu so viel Selbstkritik ist Zac in der Lage, wissen tut er das alles nicht, meinen aber darf er das, meinen muss er das sogar. Kann schon sein, womöglich gibt es ausser dem frohgemuten Herrn Nuhr noch einen Grosskabarettisten, der zu etwas Differenzierung, zu einer, nur einer einzigen, einer allereinzigsten neuen, fluffigen Idee in der Lage ist. Zac kennt keinen. Selten, manchmaligst, in philosophischen Momenten, Christoph S. in 'extra3' oder Christian E. in 'quer' oder aber umgekehrt. Auch von Herrn Rebers vernahm Zac Gutes, Selbstironisches. Vor ungefähr 257 Wochen hatte sogar die präbiedere 'heute-show' noch Belachenswertes im Angebot. Inzwischen liefert diese, einst als 'RTL Samstag Nacht' auffallend frisch gestartete, Lustbarkeit pointenfreies Spammtischgerede (Ronja). Traurig. Hat Zac eben wirklich den Dieter Nuhr gelobt? Paah, Mainstream! Auch der ist fraglos einer von den Herrschenden mit GEZ-Billiarden gekaufter, willfahrender Apologet der neoliberalimperialistischenpräsozialistischen Schweinewelt (Anonym)! Immerhin sieht er gut aus (Thomas Hermanns). Da kennt er Rolf Miller nicht (Der Achim).

Doch wo die Not am grössten, da naht Rettung unverhofft: Zac hält als Universal-Initiator famose Tipps für mehr Kreativgerechtigkeit in der von der öffentlichen Hand getätschelten Polithumorszene parat. Sogleich glüht der Zunder, brennt die Lunte am Inspirationsfeuerwerk, und jetzt kracht es am düsteren Satirehimmel: Es könnten sich doch Männer als Frauen verkleiden, aber so, dass man noch merkt, dass es Männer sind, und dann Banales quatschen. Krasser Gedanke! Oder als Hausmeister bzw. Wischkraft mit Feudel bzw. blauem Multireinigungstruck ihre Fadigkeiten performen, denn diese Immobilienpfleger stehen für gewitzte Volksverbundenheit ohne falsche Rücksichten. Total sympathisch! Vielleicht mit deutscher Mundart, z. B. ostdeutsch (vulgo: sächsisch) versuchen, die ollen Scherze aus den Neunzigern zu pimpen. Brandheisse Idee! Und, und, und vielleicht Sprechweise, Gestik, Dialekt von Politikern imitieren. Am allersteilsten! Womöglich einen Kabarett-Tweet, etwa: #Satire #Comedy_funny 2: Lstg Sprchfhlr, zB #Lspln, vgl Pl Pnzr. or Dtr Hllrvrdn. Plm-plm! Damit ist jeder gesellschaftskritische 3sat-Spassvogel ganz vorne dabei! Oder, oder, oder man schimpft mal auf die Menschen, die die Frauen verachtenden Shows im PrivatTV, die keiner im elaborierten Publikum kennt, aber jeder wissend verachtet. Darauf wartet die Welt der anspruchsvollen Satire seit Menschengedenken! Oder hilflose Strassen-Normalos mit Fragen überrumpeln, die total beschämend oder/und doof und/oder schwer sind, die armen Würstchen reden dann Peinliches für lau ins bunte Mikro, und wir holen uns den DeutschFernsehPreis für, jawoll, Humorinnovation! Wie wäre es damit, Miniauszüge aus ge- oder misslungenen Politikerreden zu Minifilmchen zu verwurschten und lustig zu kommentieren, grim-me-no-mal! Wenn selbst das das Programm nicht füllt: Kindermund oder Kommentare im Sendung-mit-der-Maus-Stil oder Imitate fernöstliche Rituale laufen stets. Gong! Ohmm! Chacka! Die Sonne schlägt in Zacs Brain Geistesfunken sonder Zahl.

Aus Gründen der Gerechtigkeit, also wegen der durchschlagendsten aller Phrasen, drängt zum Sendeschluss noch eine kleine Publikumsbeschimpfung in Zacs Superhirn (David Niven). Genau gedacht ist es eine, nicht so seltene, Beschimpfung seitens der wortgewaltigsten Satirebühnen-Diktatoren. Wenn der ... oder ... oder gar ... (der Verlag bat hier um Leerstellen, um nicht selbst in das Visier der Helden der Kleinkunst zu geraten) … besonders provo-witzig sein wollen, verspotten diese zuvor Ungenannten ihre zahlenden Kundschaftler mit der Aussage, diese hätten sich mit dem Besuch der Veranstaltung nur ein güldenes Gewissen erkaufen wollen.

Ablasshandel von urban-progressiven Tetzels. Stimmt. Doch nie sprang ein solcherart geschmähter Gast auf, um aktive Teilhabegerechtigkeit im Kabarett zu fordern, um sein zivilgesellschaftliches Engagement zu demonstrieren. Nein, kritiklos belacht wird selbst dieser Witz des satirischen Heilsbringers. All die Lehrer, Pensionäre, Ehegatten und sonst kritisch Bewegten, sie wollen für ihr Geld nur wieder und wieder hören, wie schlecht der Kapitalismus ist. Dafür lassen sie sich sogar blossstellen.

Politkabarettbeschimpfung hat was von Rummelschiessen, jeder Schuss ein Treffer, zu langweilig, um Zacs Hirn längere Zeit in Beschlag zu nehmen. Er ist groggy, wollte freilich noch über die Klamaukpestilenz überhaupt, die sogenannte Comedy von Stand-up-Programmern, in seinem HeimatTV sinnen. Stand-up-Programmer? Ein einfaches Ein-Wort-Wortspiel-Spiel, lächelt Zac. Doch seine Kraft reicht nicht mehr, die müffelnden Sumpfblüten der seichten Stand-up-Heiterkeit bleiben unbesungen. Allein ein knappes Resümieren ist ihm möglich. Satire und Comedy, beides Ingredienzien einer grossen humorfreien Unterhaltungspampe. Satiriker rufen 'Huhu, ich will die Welt auf nervtötende Weise zu einer besseren schnattern!', Comedians verkünden gar nichts und sind sobieso überwiegend trist. Das b war Absicht. Zacs Intellekt wird von beiden Strömungen televisionären Humors beleidigt. Er ist müde. Heisser Sand und ein verlorenes Land, und ein Leben in Gefahr. Heisser Sand und die Erinnerung daran, dass es einmal schöner war (Mazzini, Anna Maria). Einst, als am Saum der Wüsten sich auftat die Hand des Herrn (Rilke, Rainer Maria). Es bleiben nur geistige Wüstenhaftigkeit und Hirnleere (Goetz, Rainald Maria).

Die Humorbuch-Düne

Zac ist wenige Stunden später wieder besser drauf. Was sähen seine Augen, würden sie nicht allein den gelblichen Naturstoff ringsum schauen? Bücher mit doofen Namen, verlässliche Bestandteile der Erwerbsbiografien der Heroen des Humors, stets von langen Titeln geziert, in denen gerne Schnipsel aus öden Textsegmenten verwurstet werden: 'Sport ohne Leistung meint Gammeln!', 'Als ob eine Sprech- und Fecht- und Intimszenenimitat-Ausbildung zu mehrdimensionalem Denken befähigt', 'Neues von der Unterhaltungsdüne', 'So lange den Harndrang ignorieren, bis man ihn vergessen hat.' Sätze lustigen Tiefsinns, mit Sicherheit in tagelangen Telefonkonferenzen und unter Nutzung der neuesten Erkenntnisse der Marktforschung zum Thema was-ist-witzig aus dem Text gefräst. Ein Konzept, das sich ein advertisement artist aus den ideentriefenden Fingern gesogen haben mag 'Wir machen das jetzt so wie bei Kinotrailern, wo doch die besten Szenen aus dem Film schon zu sehen sind; wir nehmen einfach den einzigen halbwegs amüsierenden Satz des Buches und haben damit, Simsala-Klimbim, einen Buchtitel! Das plempleme Leseopfer glaubt, im Buchinneren ginge es allweil so toll zu wie im Buchtitel!' Flugs, schon hat der Verlag Titel, denen man das bemühte Bemühen um originelle, anspruchsvolle Heiterkeit sofort ansieht. Titel, die dem Verlagsanzeigenkonsumenten in die Hornhaut lasern: 'Das Buch ist witzig auf gehobenem Niveau. Kaufe! Kaufe! Kaufe! Sonst verfällst du ohne Aussicht auf dies- oder jenseitige Errettung dem Wahnsinn, weil du nie erfährst, wie der lustige Autor auf den lustigen Buchnamen kam!' Darunter, daneben, darüber in den einschlägigen Anzeigen, so oft, so erwartbar, so platt die üblichen Lobpreisungsminiaturen bestellter Claqueure. Zumindest lesen die sich so, dank der Nutzung des hypermodernsten, ausgeklügeltsten, psychologischsten Tricks: Die guten, selbst geschriebenen Rezensionen zitieren, die schlechten, echten ignorieren. Diese Lobhudeleien finden sich auch als Klappentext im Buch und auf dessen Rücken, aber dort sind es nur dünne Soloauftritte, durch Max Goldt sowieso für alle Zeiten abschliessend gewürdigt. So. Die Anzeigen bieten gehörig mehr. Diese Kompositionen aus Werbetextchen, Witzigcover und Humor-mit-Niveau-Titel ergeben zumeist Gesamtkunstwerke von markerschütternder Penetranz und, leider ungewollter, Jeff-Koonscher Künstlichkeit. Oder doch gewollt? Nein.