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Der Anblick von Joey weckt in Kyle nichts als schlechte Erinnerungen an ihre furchtbare Vergangenheit. Wie die meisten seiner Freunde von Fire&Ice ist er zu groß, hat zu viel Tinte unter der Haut, aber vor allem hat er viel zu viele Muskeln. Auch wenn er absolut nichts unversucht lässt, um sie kennenzulernen, hält sie ihn lieber auf Abstand. Bis der riesige, tätowierte Badboy ihr dabei hilft, Kuchen für einen wohltätigen Zweck zu verkaufen. Von da an fällt es auch Kyle schwer, die Mauer, die sie um ihre Gefühle errichtet hat, aufrecht zu erhalten. Kann es wirklich sein, dass sie sich in ihm getäuscht hat und mehr in ihm steckt?
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Inhaltsverzeichnis
Bereits erschienen:
1 Prolog
2 Wiedersehen – 2 Monate später
3 Planänderungen
4 Kaffee-Date
5 Immer Näher
6 Freunde
7 Gespräche
8 Veränderungen
9 Ein Anfang
10 Geständnisse
11 Fragen
12 Ende in Sicht
13 Mehr
14 Antworten
15 Der Tag danach
16 Monatstreffen
17 Was jetzt?
18 Andenken
19 Zusammen
20 Wohltätigkeitsball
21 Eingeholt
22 Epilog
Bonuskapitel
Leseprobe
Für meine Mama
Rechtliches, oder was keiner lesen will und trotzdem drin stehen muss ...
Fire&Ice
Band 10
Joey Parker
Allie Kinsley
Fire&Ice 1 – Ryan Black
Fire&Ice 2 – Tyler Moreno
Fire&Ice 3 – Shane Carter
Fire&Ice 4 – Dario Benson
Fire&Ice 5 – Brandon Hill
Fire&Ice 5.5 – Jack Dessen
Fire&Ice 6 – Chris Turner
Fire&Ice 6.5 – Gregor Zadow
Fire&Ice 7 – Logan Hunter
Fire&Ice 7.5 – Jonas Harper
Fire&Ice 8 – Julien Fox
Fire&Ice 9 – Luce Suarez
Fire&Ice 10 – Joey Parker
Fire&Ice 11 – Matthew Fox
Fire&Ice 12 – Fabio Bellini
Fire&Ice 13 – Alex Altera
Fire&Ice 14 – Taylor Falk
Fire&Ice 15 – Dave Cooper
Fire&Ice 16 – Juan Garcia
Fire&Ice 17 – Alessio Lopez
Fire&Ice 18 – Jason Shaw
Fire&Ice – Bonuskapitelbände
Weil wir wir sind (Sweet like Candy)
Protect Me 1 – 8
Dangergous Love –Sammeband 1+2
Yearn for Adam
Yearn for Slade
Yearn for Deacon
Yearn for Liam
Yearn for Nick
Wir sind mehr als Liebe – Curley
Wir sind mehr als Liebe – Riaz
Wir sind mehr als Liebe – June
Wir sind mehr als Liebe – Elyas
Wir sind mehr als Liebe – Damien
Hollywood Badboys 1 – Dylan
Hollywood Badboys 1 – Nate
Hollywood Badboys 1 – Sean
Hollywood Badboys 1 – Lucas
Gemeinschaftsprojekte:
Cinderella 1&2
Single Bells – Ein Professor zum Verlieben
Big Four – Ein Anwalt zum Küssen
Alaska Love – Ein Arzt zum Verlieben
Philadelphia Pucks – Caden&Paris
Philadelphia Pucks – Orlando&Alice
Ein Touchdown für Emmi
Ein Center für Romy
Shelter Love – Big Boss im Welpenglück
Copyright © 2016 Allie Kinsley
All rights reserved.
www.doctor-lektor.de
Cover Foto: bigstockphoto.com, ID: 45741388, J. Sanchez Mingorance
JOEY
Nach dem Überfall auf Tia, unterhielt Joey sich mit Luce auf dem Flur des Massachusetts General Hospital. Joey bot ihm an, seine Werkstatt zu führen, bis Luces Frau wieder auf den Beinen war.
Luce war sichtlich überrumpelt von dem Angebot, schien sich aber aufrichtig zu freuen.
"Klar, gern. Wenn sonst noch was …", sagte Joey, unterbrach sich dann mitten im Satz und sah dann über Luces Schulter hinweg dieses anbetungswürdige Wesen auf sich zukommen.
Sie war ungefähr 1,70 Meter groß und gertenschlank. Ihre dunkelbraunen, beinahe schwarzen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der bei jedem ihrer kleinen Schritte von links nach rechts pendelte.
In dem kurzen Moment, als sie aufsah, scannte er ihr Gesicht. Hohe Wangenknochen, nicht allzu volle Lippen und katzenhafte, dunkle Augen.
Sie nickte Luce im Vorbeigehen zu, wurde aber weder langsamer noch sagte sie ein Wort. Sie schien sogar einen Bogen um sie zu machen.
"Wer ist das?", fragte Joey und reckte den Hals, um ihr noch ein wenig nachsehen zu können.
Doch dann verschwand sie in Tias Krankenzimmer.
"Kyle. Du kennst sie. Julies beste Freundin."
Kennen war eindeutig übertrieben, wenn überhaupt hatte er sie einmal oder zweimal gesehen. Meist aber nur durch die Scheibe einer Autotür. "Stimmt … genau … sah sie immer schon so heiß aus?"
"Falscher Zeitpunkt für blöde Sprüche, Joey. Ich habe sie mir nie genauer angesehen, aber ich kann keine Veränderung feststellen."
"Du hast recht. Tut mir leid … wahrscheinlich bin ich einfach nur zu sehr auf der Suche nach der perfekten Frau für mich", gab er zerknirscht zurück. Manchmal hatte er wirklich kein Taktgefühl.
"Das fällt dir erst jetzt auf? Das hätte ich dir auch bei deinem Faible für Candy und Destiny schon sagen können."
"Ich habe nie ein Faible für Destiny gehabt!" Das stimmte. Destiny war für ihn nie mehr als eine gute Freundin gewesen.
Sie war einfach nur eine einsame, verletzte, junge Frau, die dringend ein wenig Hilfe benötigt hatte. Hilfe, die er ihr nur allzu gern angeboten hatte.
"Nein? Was dann?"
"Destiny ist meine Freundin. Wenn überhaupt habe ich ein Faible für … wie hieß sie gleich?" Wie konnte er überhaupt ihren Namen vergessen?
"Kyle."
"Kyle! Genau, ich habe ein Faible für Kyle. Sobald sie aus diesem Raum kommt, werde ich sie um ein Date bitten", sagte er dann.
"Zum Einen glaube ich nicht, dass das der richtige Zeitpunkt ist …"
"Warum?", unterbrach Joey ihn sofort. Da sah er einmal eine Frau, die ihn wirklich interessierte, und dann das.
"Weil Frauen im Allgemeinen sehr empathisch sind und es ihr sicher schlecht geht wegen Tia."
Joey nickte und verzog den Mund. Verdammt, Luce hatte eindeutig recht. Auch er sollte ein wenig empathischer sein! Im Normalfall konnte er sich sehr gut in Menschen hineinversetzen. Leider fiel diese Fähigkeit in manchen Momenten einfach aus.
"Sorry. Du hast recht. Tut mir leid, Mann. Ich bin nicht ganz auf der Höhe."
"Das ist leicht untertrieben!"
"Ja, wie gesagt, tut mir leid."
"Willst du das zum Anderen noch hören?"
"Klar, immer raus damit", sagte Joey wenig motiviert, weil er sich für sein eigenes Verhalten schämte.
"Okay. Zum Anderen ist sie bereits wieder draußen und mit dem Fahrstuhl nach unten gefahren."
"Verdammt!"
Joey drehte sich blitzschnell um, aber er sah nicht mehr als eine geschlossene Fahrstuhltür.
"Wie hast du das verdammt nochmal mitbekommen?", fragte Joey, nachdem er sich ihm wieder zugewandt hatte.
"Glaubst du im Ernst, ich lasse Tias Tür auch nur eine Sekunde aus den Augen?"
"Nein. Würde ich auch nicht."
"Eben. Verschieb deine Avancen auf ein anderes Mal. Ich muss jetzt nach meinem Mädchen sehen", sagte Luce dann, der langsam ungeduldig wirkte.
"Melde dich, wenn du etwas brauchst."
"Klar, aber mit der Werkstatt helft ihr mir mehr als je erhofft."
"Gern." Joey klopfte ihm auf die Schulter und ging dann in Richtung der Aufzüge.
Mit etwas Glück würde er Kyle noch einholen und ein wenig mit ihr reden können.
Leider war weder in der Lobby noch auf dem Parkplatz etwas von ihr zu sehen.
Verdammt!
KYLE
Sie war mehr als froh, dass sie das Krankenhaus endlich wieder verlassen konnte. Sie hasste Krankenhäuser im Allgemeinen, auch wenn sie Teil ihrer freiwilligen Arbeit bei der Seelsorge waren.
Außerdem kam sie mit all den Fire&Ice Männern, die im Moment wegen Tia dort waren, nicht sonderlich gut zurecht.
Julie hatte ihr zwar ein ums andere Mal versichert, dass egal wie furchteinflößend sie aussahen, man nichts von ihnen zu befürchten hatte. Dennoch hielt sie sich aus Prinzip von ihnen fern.
Sicher ist sicher!
Dann machte sie sich auf den Weg nach Hause. Bei dem Gedanken verkrampfte sich ihr Magen.
Julie und ihr neuer Lebensgefährte Gregor hatten sie bei sich aufgenommen. Damals war ein Zimmer frei gewesen, doch jetzt war Julie erneut schwanger und die beiden würden ihr Zimmer bald als Kinderzimmer brauchen.
Also war es an der Zeit, sich etwas Eigenes zu suchen. Eine eigene, kleine Wohnung für sich ganz allein. Ihr schauderte es, als sie daran dachte.
Stell dich nicht so an!, schalt sie sich selbst. Sie biss die Zähne zusammen und stieg in den kleinen, blauen Ford. Sie würde auf dem Rückweg bei einem Zeitungsstand anhalten und sich ein Anzeigenblatt kaufen. Dann konnte die Wohnungssuche beginnen.
KYLE
Mit zitternden Fingern stellte sie den Motor des kleinen Ford Fiesta ab. Unsicher glitt ihr Blick über die neue, weiße Fassade des Gebäudes, in dem das Tattoostudio war.
Kyle träumte seit langem von einem Tattoo, hatte sich aber nie dazu überwinden können, jemanden nah genug an sich heranzulassen.
Bei einem Gespräch mit Tia hatte sie diese Information fahrlässiger Weise herausgerückt. Tia war sofort begeistert von der Idee und hatte ihr kurzerhand einen Termin in diesem Tattoostudio ausgemacht.
Sie kannte den Besitzer und hatte Kyle versprochen, dass sie sich hier absolut keine Sorgen zu machen brauchte.
Kurzfristig hatte Kyle sogar gedacht, es wäre eine gute Idee. Kurzfristig. Jetzt, so nah davor zu stehen, ließ ihren Puls in die Höhe schnellen.
Komm schon, Kyle! Versuch es einfach! Wenn es dir nicht gefällt, kannst du immer noch nein sagen! Sei tapfer, so wie du es Julie und Tia immer predigst!
Sie atmete noch einmal tief ein und streckte ihre Schultern durch.
Jetzt oder nie! Ein zweites Mal würde sie so eine Chance nicht bekommen.
Energisch stieg sie aus und ging auf den Laden zu.
Die Schaufenster waren groß und sauber. Sie konnte die Wände des Vorraums sehen, in dem jeder Zentimeter mit Fotos gepflastert zu sein schien.
Schritt für Schritt wurde sie langsamer und die neu gewonnene Motivation schwand.
Dann entdeckte sie Destiny durch das Schaufenster im Laden. Sie hatte Destiny schon das ein oder andere Mal in Netties Diner gesehen. Die junge Frau sprach mit einem großen, sehnigen Mann, der auf den ersten Blick sehr sympathisch wirkte.
Wenn Kyle das von einem Mann behauptete, dann musste das etwas heißen! War das ihr Tätowierer?
Destiny selbst hatte sie auch als eher zurückhaltend kennengelernt und auch sie schien sich in seiner Gegenwart wohlzufühlen.
Vielleicht konnte es doch noch etwas werden … mit allem ihr zur Verfügung stehenden Mut öffnete sie die Glastür zum Laden.
Ein kleines Glockenspiel ertönte und Kyle betrat zögerlich den Raum.
"Hi, willkommen bei Timeless Tattoos & Piercings", sagte der Mann und lächelte sie offen an.
"Hi … ähm … ich habe einen Termin", antwortete Kyle und sah sich unsicher um.
Destiny winkte ihr. "Hi, ich bin Destiny. Wie heißt du? Dann kann ich nachsehen."
Für Kyle war es nicht verwunderlich, dass Destiny sich nicht an sie erinnerte. Niemand erinnerte sich je an sie, darüber war Kyle mehr als froh.
Dieser Deckmantel der Unscheinbarkeit machte sie nahezu unsichtbar.
"Kyle Broke." Sie blieb neben der Tür stehen, zwang sich aber den Griff loszulassen.
Destiny blätterte einige Male hin und her.
"Hmm … ich habe hier nichts … oder doch. Bist du Tias Freundin?"
"Ja. Sie hat einen Termin für mich ausgemacht."
"Ah super. Die Tätowierung für elf Uhr also."
Der Mann seufzte. "Schade. Ich hatte mich schon fast gefreut heute noch ein bisschen Arbeit zu bekommen."
Kyle legte den Kopf schief. "Sind Sie kein Tätowierer?"
Gleich darauf zuckte sie innerlich zusammen. Wie kam sie nur dazu, einem wildfremden Mann eine Frage zu stellen?
"Nein. Ich pierce nur. Wenn Sie also lieber ein Piercing als Farbe unter die Haut wollen, sind Sie bei mir richtig", sagte er zwinkernd.
Kyle schüttelte stumm den Kopf. Der Mann wollte gerade noch etwas sagen, als die Tür zum Nebenraum heftig aufflog.
Ein ziemlich genervt aussehender Albtraum von einem Mann kam gefolgt von einer blonden Frau heraus.
Er war groß. Bestimmt 1,90 Meter. Sein Rücken war beinahe so breit wie die Tür. Die Arme in dem viel zu engen Shirt sahen eher aus wie Oberschenkel und waren über und über mit Tätowierungen bedeckt.
"Das macht 300 Dollar. Destiny, sie braucht einen 30-Minuten-Termin zum Nachstechen in zwei Wochen", brummte er und stapfte dann durch eine Tür am anderen Ende des Raumes.
Während die junge, glücklich wirkende Frau ihre Rechnung beglich, wandte Kyle sich langsam der Tür zu. Sie hatte sich dafür entschieden, besser kein Tattoo von Mr. Stiernacken zu wollen.
"Woher kennen Sie Tia?", fragte der andere Mann und lächelte freundlich.
Sie konnte ihm ja schlecht nicht antworten und einfach davonrennen … oder?
"Freunde." Naja, viel ausgefeilter war diese Antwort zwar nicht, aber ihr Gehirn war voll und ganz mit ihrem Fluchtplan beschäftigt.
In diesem Moment drückte sich die junge Frau an ihr vorbei und ging fröhlich pfeifend zu ihrem Wagen.
Immerhin scheint er seine Arbeit gut zu machen …, dachte sie und sah der Frau hinterher.
Natürlich machte er seine Arbeit gut, sonst hätte Tia ihn ihr nicht empfohlen!
"Ich schwöre, wenn ich diese Woche noch einen einzigen beschissenen Delfin tätowieren muss, mach ich den Laden dicht!", brummte Mr. Stiernacken, als er zurück in den Raum kam.
"Das kannst du nicht, es ist auch mein Laden und ich bin mir sicher, dass deine nächste Kundin hier keinen Delfin will. Stimmt doch, Kyle, oder?", fragte der Mann gut gelaunt.
Mr. Stiernacken drehte sich zu ihr um und erstarrte. Er sah sie einen Moment lang mit großen Augen an, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.
Vor ihrem inneren Auge spielten sich Bilder ab, wie sie wie Road-Runner beschleunigte und zu ihrem kleinen Ford rannte.
"Kyle! Wie schön dich hier zu sehen!", sagte er und hörte sich auf einmal gut gelaunt an.
Sie stutzte einen Moment. Woher zum Teufel kannte er sie?
Mit langen Schritten kam er auf sie zu.
Automatisch wich sie schnell rückwärts aus, erst dann fiel ihr auf, dass sie sich damit von der Eingangstür weg bewegte.
Verdammt!
Dann bemerkte sie, dass er mitten in der Bewegung innegehalten hatte und sie ganz und gar nicht mehr lächelnd musterte.
"Alles okay. Komm erst mal mit, dann können wir dein Tattoo besprechen", sagte er ruhig und deutete auf den Raum, aus dem er ursprünglich gekommen war.
Mittlerweile war es beinahe unheimlich ruhig im Raum. Alle Blicke lagen auf ihr, was ihr fast noch unangenehmer war als Mr. Stiernacken gegenüberzutreten.
Kurz wägte sie ab und erinnerte sich selbst daran, dass Tia und Destiny den Mann kannten. Wenn sie nicht alles täuschte, gehörte er zu Fire&Ice, von denen Julie immer behauptete, man könnte ihnen vertrauen.
Vertrauen!, höhnte ihre innere Stimme.
Kyle beschloss, diese zu ignorieren, und ging um das Sofa herum auf den Raum zu. Stiernacken folgte ihr. Seine Präsenz in ihrem Rücken war geradezu greifbar.
Sie stellte sich hinter eine blaue Liege, die mitten im Raum stand.
Auch er betrat das Zimmer, hielt dann mit der Klinke in der Hand inne. "Ich werde sie offen lassen, wenn es für dich okay ist?"
Kyle nickte. So viel Feingefühl hätte sie dem Muskelberg nicht zugetraut, aber sie fühlte sich tatsächlich besser, wenn Destiny noch in Sichtweite war.
Er setzte sich auf einen kleinen, schwarzen Hocker mit Rollen, wirkte aber im Sitzen nicht wesentlich weniger bedrohlich.
Reiß dich zusammen, Kyle!
"Okay, nochmal von vorn", sagte er und lächelte sanft. "Ich bin Joey. Du hast einen Beratungstermin mit mir, stimmts?"
Kyle nickte. Sie musste sich einfach nur anhören, was er zu sagen hatte, danach konnte sie wieder von hier verschwinden.
Kein Problem!
"Wo möchtest du dein Tattoo?"
"Beide Unterarme, Innenseiten."
"Gut. Nicht gerade klein. Da solltest du dir sicher sein", sagte er und lächelte schief.
"Ich will mich nur informieren."
"Schon über das Motiv nachgedacht?" Sie dachte an die Kopie einer Zeichnung von einer bunten Blumenwiese, die sie dabei hatte, war sich aber nicht sicher, ob sie sie Joey zeigen wollte.
"Die eine Seite, die rechte, soll voll schwarzer Tribals sein."
Joey nickte. "Die zweite?"
Sie zögerte. "Eine Zeichnung in Farbe."
"Kann ich sie sehen? Ich brauche sie, um den Aufwand abschätzen zu können."
Sie konnte sich zumindest mal einen Preis sagen lassen.
Also holte sie die Kopie hervor und legte sie auf die Liege.
Joey runzelte die Stirn. "Eine Kinderzeichnung als Tattoo?"
Kyle nickte.
"Von ihrem?"
"Von Ethan", sagte sie schnell.
"Julies Sohn?"
"Ja."
Er drehte und wendete das Papier ein paar Mal, ehe er die Stirn runzelte.
"Kann ich mir deinen Arm einmal ansehen? Ich denke wir werden die Zeichnung ein wenig zuschneiden oder verkleinern müssen, sonst bekommen wir sie nicht schön auf den Arm."
"Verkleinern ja, zuschneiden nein."
"Okay. Also deinen Arm bitte. Am besten setzt du dich auf den Hocker und legst ihn auf die Liege."
Einen Moment zögerte sie und schielte noch einmal zu Destiny, dann zog sie den zweiten Hocker heran und legte den Arm auf die Liege.
Joey rollte näher, griff so federleicht wie sie es niemals von so einem Muskelpaket erwartet hätte nach ihrem Arm und schob dann die weite Bluse nach oben.
Die Berührung seiner rauen Finger ließ ihre Haut kribbeln. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, aber sie war sich nicht sicher, ob aus Angst oder … oder was?
"Innenseite?", fragte er ruhig und noch bevor sie antworten oder reagieren konnte hatte er ihre Hand bereits gedreht.
Sie spürte den Moment, in dem er die lange, senkrechte Narbe sah, die sie mit den Tätowierungen überdecken wollte.
Dann wurde sein Griff plötzlich fester. "Verdammt!", knurrte er.
Kyle zerrte an ihrem Arm, wollte ihn freibekommen, doch sein Griff war unnachgiebig wie eine Handschelle.
"Was …?", begann er, ohne Anstalten zu machen, sie loszulassen.
Blanke Angst überkam sie.
Sein Gesicht war wütend, sein Griff unerbittlich. Kyle packte ihre Handtasche fester und schlug sie ihm mit voller Kraft auf das Handgelenk.
"Autsch!"
Da lockerte sich sein Griff endlich und sie konnte ihm ihre Hand entziehen.
Schnell stand sie auf und machte einige Schritte von der Liege weg.
Das Blut rauschte durch ihre Adern und sie spürte, wie sie am ganzen Körper zitterte.
"Ich … ich habe mich anders entschieden. Danke", stotterte sie und ging dann so schnell wie möglich zur Tür. Vor Zittern wäre sie dabei beinahe über ihre eigenen Füße gefallen.
"Kyle warte! Ich wollte …"
"Schon okay. Hat sich erledigt." Sie lächelte Destiny angestrengt an und verließ fluchtartig das Gebäude. Nur schnell weg hier!
JOEY
"Kyle!" Sie stieß bereits rückwärts aus der Parklücke, als er bei ihrem Wagen ankam.
"Scheiße!", fluchte er und ging zurück in den Laden.
"Was war das denn?", fragten Mike und Destiny gleichzeitig.
"Keine Ahnung. Gib mir bitte ihre Handynummer, De", sagte er dann und ging in die kleine Mitarbeiterküche, um sich einen Eisbeutel für sein Handgelenk zu holen.
Hatte diese Frau Steine in ihrer Handtasche? Es tat auf jeden Fall verdammt weh!
Er band sich den Beutel provisorisch mit einem Küchentuch an die rechte Hand.
"Ich hab sie nicht", sagte De, als er zurück in den Empfangsraum kam.
"Warum? Du brauchst sie doch immer für die Kartei, falls wir absagen müssen."
"Tia hat sie angemeldet und die Nummer nicht gewusst. Sorry."
"Scheiße! Wann habe ich meinen nächsten Termin?"
De sah ihn verwirrt an. "Das war der letzte für heute."
"Okay, ich bin weg. Macht ihr hier fertig?"
"Klar", antworteten beide sichtlich verwirrt, als er das Studio bereits verließ und zu seinem Auto ging.
Er hatte keine Zeit sich jetzt mit den beiden auseinander zu setzen. Er musste zu Tia und dann zu Kyle.
… vielleicht zwischendurch auch zu Dave, gestand er sich ein, als seine Hand beim Öffnen des Camaros höllisch schmerzte.
Zum Anlassen nahm er vorsichtshalber die linke Hand. Er verfluchte sich dafür, ein Auto mit Schaltung zu haben. Jedes Mal, wenn er hoch- oder runterschalten musste, knurrte er vor Schmerzen auf.
Gott sei Dank hatte er nur eine kurze Strecke bis zum Club zu fahren. Er parkte den Camaro auf dem Parkplatz vor dem Hintereingang und lief dann ohne zu zögern die Stufen zu Tias Wohnung hinauf.
Mit der linken Faust hämmerte er gegen die Tür.
"Was soll das?", knurrte Luce, als er die Tür öffnete.
"Wo ist Tia?"
"Warum?" Luce zog seine Augenbrauen zusammen, ohne Anstalten zu machen, nach ihr zu rufen.
"Weil ich mit ihr sprechen muss!", gab er ungeduldig zurück.
"Worüber?"
"Lass ihn schon rein, Luce. Ich bin angezogen." Tia schob Luce zur Seite und öffnete die Tür. "Sorry. Manchmal kann er wirklich anstrengend sein."
Joey konnte Luce normalerweise durchaus verstehen. Im Gegenteil, er war sogar froh, dass Tia jetzt so etwas wie einen Türsteher hatte.
Er war jedes Mal ein wenig peinlich berührt gewesen, wenn sie ihm halb nackt die Tür geöffnet hatte. Dieser Frau fehlte definitiv jedes Schamgefühl!
Nur eben jetzt hatte er keine Zeit zu warten.
"Ich brauche Kyles Handynummer!", platze er sofort heraus.
Tia zog ihre Augenbrauen nach oben.
"War sie heute nicht bei dir?" Luce ging zurück zum Sofa, setzte sich und beobachtete sie lächelnd.
"Doch, aber sie ist abgehauen."
"Warum?"
"Missverständnis. Ich hab jetzt keine Zeit das zu diskutieren, Tia!"
Sie legte den Kopf schief und musterte ihn eingehend. "Was ist mit deiner Hand?"
"Weiß ich noch nicht."
"Soll ich dir dann nicht lieber Daves Nummer geben?", fragte sie lächelnd und schien sich bestens zu amüsieren.
"Tia!", knurrte er, weil er genau wusste, dass sie ihn in den Wahnsinn treiben wollte.
"Ja, das ist mein Name", gab sie vergnügt zurück, ohne Anstalten zu machen, auf sein Anliegen einzugehen.
"Luce, pfeif deine Frau zurück, bevor ich sie erwürgen muss!"
Luce lachte aus vollem Hals. "Du kannst es versuchen, aber ich werde dich nicht retten, wenn du anfängst!"
Er atmete einige Male tief durch und sagte dann so ruhig wie möglich: "Ich wollte mir ihren Arm ansehen, daraufhin hat sie mir die Hand gebrochen und ist weggerannt. Kann ich bitte ihre Nummer haben?"
Er wusste zwar nicht, ob sie wirklich gebrochen war, aber das tat jetzt nichts zur Sache.
Tias Lächeln fiel schlagartig in sich zusammen. "Klar. Warte einen Moment." Sie ging in die Küche, schrieb eine Nummer auf einen Zettel und reichte ihn Joey dann. "Kyle ist … etwas zerbrechlicher …"
Luce schnaubte. "Etwas? Sie kommt nicht mal hier her, wenn ich da bin!"
Tia brachte ihn mit einem bösen Blick zum Schweigen. "Auf jeden Fall solltest du sie nicht zu sehr in die Ecke drängen."
Das hatte er bereits gemerkt. Es aber nochmal so bestätigt zu bekommen, war nicht gerade ermutigend.
"Okay. Danke dir."
"Kein Problem und viel Glück."
Das würde er definitiv brauchen. Da seine Hand aber mittlerweile heftig pulsierte, beschloss er erst einmal zu Dave zu fahren.
Weiter als jetzt konnte Kyle ihm sowieso nicht mehr davonlaufen, also kam es auf eine Stunde hin oder her nicht mehr an.
Er verabschiedete sich von den Beiden und machte sich dann, bei jedem Schalten fluchend, auf den Weg zu Dave.
JOEY
"Ich kann nichts machen, Joey. Ich bin mir zwar ziemlich sicher, dass es gebrochen ist, aber ohne röntgen keine definitive Diagnose."
Verdammt. Er hatte gehofft, um einen endlosen Besuch im Krankenhaus herumzukommen.
"Danke", sagte er wenig begeistert.
"Wie wärs damit: Ich rufe Dr. Totter an, wenn sie wenig zu tun haben, kann sie dich vielleicht dazwischenschieben."
"Das wäre klasse! Ich hab heute noch viel vor."
Dave verzog das Gesicht.
"Ich will dir deine Illusionen ja nicht rauben, aber wenn der Bruch nicht glatt ist, oder an der falschen Stelle, müssen sie es operieren und dann wirst du da für die Voruntersuchungen noch länger bleiben."
"Ich habe keine Zeit. Kannst du mir nicht einfach einen Verband darum machen?"
"Keine Chance. Geh zum Röntgen, dann schauen wir weiter!"
"Bei Luce bist du auch nie so zimperlich. Spritze rein und gut."
"Bei Luce war ich genauso zimperlich bis ich die genaue Diagnose mit Röntgenbild, CT und MRT hatte. Willst du noch länger mit mir diskutieren oder schon mal vorfahren, während ich versuche das Beste für dich zu erreichen?"
"Ich fahre. Danke, Dave!"
"Kein Thema. Raus hier, ich hab noch mehr Patienten, die jetzt bestimmt alle schlecht gelaunt sind, weil ich dich vorgezogen habe."
Unter den mörderischen Blicken alter Damen und Müttern mit kleinen Kindern verließ er Daves Praxis. Ohne Dave hätten sie alle ein ziemlich großes Problem!
Wieder verfluchte er bei jedem Schalten den Camaro. Kurzfristig überlegte er sogar ihn zu verkaufen, erinnerte sich aber gerade noch rechtzeitig, dass es einer seiner wichtigsten Schätze war. Er hatte ihn vor vielen Jahren zusammen mit Lisa ausgesucht.
Lisa … selbst nach dieser langen Zeit schmerzte der Gedanke an sie sehr.
Das Hupen, das hinter ihm ertönte, riss ihn aus seinen trüben Gedanken. Die Ampel hatte auf grün geschaltet und die Schalttortur begann von Neuem.
Er war mehr als erleichtert, als er das Krankenhaus endlich erspähte.
Am Empfang angekommen hielt er seine, diesmal ein wenig professioneller gekühlte und bandagierte Hand hoch.
"Hallo. Ich bin Joey Parker, ich müsste zum Röntgen", sagte er zu der älteren Frau.
"Ah Mr. Parker, Dr. Totter wartet bereits auf Sie. Mit dem Fahrstuhl in den zweiten Stock. Zimmer A2.97."
"Danke", gab er zurück, wieder einmal froh Dave zu haben.
Dr. Totter röntgte ihn und sah sich dann die Bilder auf einem großen Bildschirm an.
"Der Bruch ist glatt und in Köpfchennähe. Wir müssen also nicht operieren."
"Dem Himmel sei Dank!", murmelte er und stand auf, um den Raum zu verlassen. Er musste Kyle finden und diese Sache zwischen ihnen klären.
"Wohin wollen Sie? Das muss noch geschient werden!"
"Eine Schiene?"
"Ja. Die Hand muss für die Heilung ruhiggestellt werden."
"Und wie lange soll das dauern?"
"Je nach Patient drei bis sechs Wochen."
"Ich kann keine drei Wochen eine Schiene tragen!", rief er aufgebracht.
"Bis zu sechs Wochen, Mr. Parker und Ihnen wird nichts anderes übrig bleiben, wenn Sie Ihre Hand wieder schmerzfrei benutzen wollen!"
"So ein Quatsch!" Das war bestimmt wieder nur so ein Ärzte-Ding! Luce sollte auch nicht mehr kämpfen und konnte es doch bis zuletzt ohne Probleme, dank Daves Spritzen.
"Ich habe mir das nicht ausgedacht, Mr. Parker!"
Joey hörte schon nicht mehr zu. Er wählte Daves Nummer und wartete darauf, dass sein Freund ihm recht gab.
"Hey Joey, schon fertig?", fragte dieser gut gelaunt.
"Ich denke ja, aber Frau Doktor meint, ich brauche eine Schiene. Sag mir, dass das nicht nötig ist. Du gibst mir eine Spritze und fertig!"
"Gib sie mir." Dave klang ungewöhnlich ernst.
Joey reichte das Telefon weiter. "Hallo Dave … ja, gebrochen … nein, keine Op. Es ist ein glatter Bruch in Köpfchennähe." Sie hörte einen Moment lang zu, dann lachte sie. "Kannst du mir irgendwann eigentlich auch mal einsichtige Patienten schicken?" Wieder lachte sie. "Schon okay. Warte, ich reiche dich weiter", sagte sie dann und drückte Joey das Telefon in die Hand.
Bevor er auch nur einen Ton von sich geben konnte, sagte Dave: "Schiene. Drei bis sechs Wochen. Da führt kein Weg dran vorbei!"
"Wie soll ich mit einer Schiene arbeiten?", rief er frustriert.
"Gar nicht. Du kannst dir ja schon mal eine Lösung überlegen, während die Schiene angepasst wird."
"Dave, das ist nicht witzig!"
"War auch nicht als Spaß gemeint. Dir wird schon was einfallen. Ich muss jetzt weiter arbeiten."
Dann legte er einfach auf. Ein Danke hatte Dave darauf wohl gar nicht erst erwartet.
"Also gut … her mit der Schiene."
Dr. Totter hätte er für ihr Grinsen gern erwürgt.
KYLE
Eine ganze zeitlang war sie ziellos durch die Gegend gefahren, um ihren Kopf freizubekommen. Sie hatte gewusst, dass es eine schlechte Idee war, jemandem ihre Arme zu zeigen. Sie hatte aber nicht damit gerechnet, dass Joey Stiernacken sie so fest packen würde.
Dieser Griff um das Handgelenk war ihr nur allzu bekannt und löste immer eine Kurzschlussreaktion in ihrem Kopf aus.
Zuhause angekommen stellte sie ihre Handtasche auf den Glastisch im Wohnzimmer. Es klirrte extrem laut und Kyle hatte kurzfristig Angst um Julies neuen Tisch.
Dann erinnerte sie sich an die Spendendose, die sie noch immer in ihrer Tasche trug, um sie bei der Bank abzugeben.
Sie hatte zusammen mit einigen Frauen der Seelsorge den ganzen Vormittag über Kuchen vor einem Einkaufszentrum verkauft. Oder besser gesagt gegen eine Spende vergeben.
Sie hatten bestimmt mehrere Hundert Dollar eingenommen.
Erschrocken keuchte sie auf, als sie daran dachte, wie sie Joey die Handtasche mit voller Wucht auf die Hand geschlagen hatte. So schwer wie die Tasche war, würde der Arme bestimmt Schmerzen haben.
Sie schüttelte den Gedanken ab, sie sollte sich keine Sorgen um ihn machen, nur weil sie sich aus seinem völlig unpassenden Griff befreit hatte.
In diesem Moment klingelte ihr Handy. "Broke?"
"Hey Kyle, Tia hier."
Sofort bekam sie ein schlechtes Gewissen. Joey hatte seinen Frust bestimmt an Tia ausgelassen.
"Hi Tia."
"Geht’s dir gut?"
"Ja. Danke. Was ist los?"
"Ähm … naja … Joey war hier …"
Kyle stöhnte auf. Sie hatte es gewusst. Typen wie Joey suchten immer einen Schuldigen.
"Es tut mir leid, Tia. Ich wollte das nicht. Bei dir alles in Ordnung? Hat er dir was getan"?
"Was? Oh Gott nein! Joey doch nicht!" Sie klang wirklich verwundert.
"Was meinst du? Mr. Stiernacken hat bestimmt genug Testo gespritzt, um wegen der kleinsten Kleinigkeit auszurasten!"
"Meine Güte, Kyle! Denk doch nicht immer nur schlechtes! Glaubst du im Ernst, ich hätte dich zu ihm geschickt, wenn ich mir nicht absolut sicher wäre, dass er keiner Fliege was zu leide tun könnte? Joey ist ein überdimensionaler Kuschelbär, der Typ Ritter in strahlender Rüstung!"
Tia lachte laut auf.
"Was ist so lustig?", fragte Kyle.
Sie versuchte noch zu verarbeiten, was Tia ihr da vor die Füße geworfen hatte.
"Luce sagt, ich soll aufhören von Joey zu schwärmen, sonst muss er seine Füße in Beton gießen und ihn mafialike im Meer versenken", sagte Tia noch immer laut lachend.
Kyle fand diese Vorstellung alles andere als lustig. Luce war für sie ebenso furchteinflößend wie Joey … und Ty … und Chris … und …
Stopp!, ermahnte sie sich selbst.
Das führte schließlich zu nichts. "Tia! Hör auf zu lachen! Hinter jedem Spaß steckt ein bisschen Ernst!"
"Jetzt hör aber auf, Kyle! Du hast eindeutig wieder diesen Paranoia-Schub. Beruhige dich erst einmal. Luce versenkt niemandem im Meer und Joey lässt sich von dir lieber die Hand brechen als dir irgendwie weh zu tun."
"Ich hab ihm die Hand wirklich gebrochen?", fragte sie erschrocken.
Oh Gott, sie wollte doch nur, dass er losließ!
"Kyle, beruhige dich. Alles ist in Ordnung. Joey geht es gut, er macht sich nur Sorgen um dich. Mir geht es gut und Luce ebenso. Hast du Alkohol in der Nähe?"
"Ich trinke nicht, Tia", erinnerte sie ihre Freundin.
"Verdammt. Vielleicht wäre jetzt der richtige Moment damit anzufangen?"
"Oh Gott nein! Mein Leben ist auch so schon kompliziert genug!"
"Dann mach dir einen Kamillentee oder ein heißes Entspannungsbad oder was auch immer. Du musst dich beruhigen, Joey wird dich bald anrufen."
"Was? Warum? Woher hat er meine Nummer?"
Allein die Vorstellung, sich mit dem Muskelprotz auseinanderzusetzen, ließ ihren Puls höher schlagen.
"Weil er sich Sorgen macht. Von mir. Komm runter! Verdammt, Kyle. Du steigerst dich gerade in ein nicht existentes Problem hinein."
"Woher willst du das wissen?", zischte sie. Kyle kannte Typen wie Joey!
"Weil ich Joey wirklich kenne und ihn nicht nur nach seinem Äußeren beurteile. Nur weil jemand anders aussieht, muss er noch lange nicht anders sein!"
"Offizielle Statistiken beweisen eben das Gegenteil! Testosteronabhängige sind deutlich aggressiver!"
"Und woher willst du wissen, dass Joey Testo spritzt?"
"Das sieht man ihm doch sofort an!"
"Eben. Vorurteile. Ich weiß, dass er das nicht macht. Er geht sogar maximal zweimal die Woche trainieren. Er hat lediglich seine gesamte Jugend über Hochleistungssport betrieben. Er hat viele Preise im Bankdrücken und diesem Dings gewonnen, bei dem sie die Gewichte über den Kopf heben. Sowas verliert sich nicht einfach so … zum Glück!"
Kurz war sie still. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet.
"Was meinst du mit zum Glück?"
"Sonst hätte ich ja in wenigen Wochen einen Mann mit Bierbauch auf der Couch sitzen, jetzt wo er mit dem Kämpfen aufgehört hat."
Tia lachte und Kyle hörte Luces Schimpfen im Hintergrund.
"Ich weiß nicht …"
"Kyle bitte. Vertrau mir. Ich kenne ihn. Würdest du denn jeden Übergewichtigen als faul und verfressen verurteilen?"
"Natürlich nicht!"
"Würdest du jede dünne Frau als magersüchtig oder bulimiekrank betiteln?"
"Nein!"
"Warum dann er? Ich verspreche dir, er wird dir kein Haar krümmen. Sonst hätte ich dich niemals zu ihm geschickt! Lass dir diese Chance nicht entgehen, nur weil deine Vorurteile dir im Weg stehen, Kyle."
Tias Stimme war unglaublich sanft geworden. Sanfter als Kyle sie jemals gehört hatte.
"Sag mal … du suchst nicht etwa einen Nebenjob?", fragte Kyle spontan.
"Ich suche überhaupt einen Job. Ich lebe seit fast einem Jahr von meinen Ersparnissen."
"Ich könnte dir bei der Seelsorge etwas besorgen."
"Wirklich? Das wäre fantastisch!"
"Ja. Ich glaube, du könntest dem ein oder anderen wirklich gut tun."
"Das wäre genial! Danke, Kyle!"
JOEY
Mit einem geschienten Arm zu schalten war beinahe noch beschissener als mit einer gebrochenen Hand.
Joey war mehr als froh, endlich zu Hause anzukommen.
"Wow, was ist denn mit deiner Hand passiert?", fragte Mike, als Joey gerade durch die Tür kam.
"Gebrochen", brummte er.
"Verdammt! Wie sollen wir das machen? Was wird aus deinen Terminen?"
"Ich habe keine Ahnung."
"Aber wir brauchen jemanden!"
"Ich weiß. Ich versuche eine Freundin von mir zu erreichen. Soweit ich weiß, hat sie ihren Job gekündigt, um ein wenig zu reisen, vielleicht kann sie für mich einspringen."
Mike verzog zweifelnd das Gesicht. "Ist sie denn gut? Nicht, dass sie uns noch unsere Kundschaft vergrault!"
"Glaubst du im Ernst, ich würde sie vorschlagen, wenn ich nicht wüsste, dass sie die Beste ist?"
"Ich weiß nicht, vielleicht wollte Kyle ja einen Delfin und du hast beschlossen, dass das der beste Weg ist, um dich aus dem Geschäft zurückzuziehen."
Joey verzog das Gesicht bei dem Gedanken an Kyle. Sie war definitiv die nächste, um die er sich eingehend kümmern würde!
"Kein Delfin. Aber vielleicht hat sie gedacht, sie beugt dem vor, indem sie mir die Hand bricht."
"Diese zierliche Frau hat dir die Hand gebrochen?"
"Ich schwöre, da waren Ziegelsteine in ihrer Handtasche!"
"Weißt du, Joey, wenn du diese Glasknochenkrankheit hast, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, mir davon zu erzählen." Mike schien sich ganz und gar prächtig auf Joeys Kosten zu amüsieren.
"Ha … haha … haha. Siehst du wie unglaublich belustigt ich bin?", fragte er trocken.
"Auf jeden Fall. Du könntest fast Schauspieler werden. Halt mich auf dem Laufenden, ich geh erstmal duschen."
Nachdem Mike das Zimmer verlassen hatte, holte Joey sein Handy heraus und tippte die Nummer, die Tia ihm gegeben hatte.
Es dauerte einen Moment, dann hörte er Kyles zögerliche Stimme.
"Broke?"
"Hey Kyle. Ich bins Joey."
Die Stille, die daraufhin folgte, war drückend.
"Es tut mir leid", flüsterte sie dann.
"Ja, einfach die Zeche zu prellen ist nicht die feine Art", versuchte er zu scherzen.
"Ich bin dir auch noch Geld schuldig?", fragte sie deutlich schockiert.
"Ja. Für die Beratung und ungefähr 5000 Dollar fürs Krankenhaus." Zwar war er krankenversichert, aber das musste er ihr ja nicht auf die Nase binden. Sie sollte ruhig ein schlechtes Gewissen haben.
Wieder herrschte einen Moment lang absolute Stille.
"Ich … ich hab das nicht … ich kann dir jetzt 2000 Dollar geben und dann …", stotterte sie und klang dabei verdammt ängstlich.
Scheiße!
"Nein, nein, Gott Kyle, das war nur ein Spaß!"
"Du warst nicht im Krankenhaus?"
"Doch, das schon, aber ich bin krankenversichert. Alles in Ordnung."
Er hörte sie erleichtert aufatmen. "Und was ist mit deiner Hand?"
Verärgert sah er auf die verdammte Schiene. "Gebrochen."
"Verdammt!"
"Kannst du laut sagen. Ich kann drei bis sechs Wochen nicht arbeiten!"
Sie zog zischend die Luft ein. "Scheiße. Das sind mehr als 5000 Dollar."
"Hör auf dir darum Gedanken zu machen. Deshalb rufe ich nicht an. Ich finde schon eine Lösung."
"Warum rufst du sonst an?"
"Ich will mit dir reden. Mich entschuldigen."
"Du willst dich entschuldigen?"
"Ja. Es war nicht gerade sehr einfühlsam von mir, dich …", sagte er und es hörte sich selbst in seinen Ohren ziemlich lasch an.
"Es gibt nichts zu entschuldigen. Mir tut es unendlich leid, dass ich dir deine Hand gebrochen habe!" Sie klang wirklich bedrückt.
"Was hast du überhaupt in dieser Tasche?!"
"Da waren die Spendeneinnahmen für die Seelsorge drin, die ich zur Bank hätte bringen müssen."
"Du kannst doch nicht so viel Geld mit dir herumschleppen! Was ist, wenn du überfallen wirst!"
Sie sagte einen Moment lang nichts und Joey ärgerte sich bereits darüber, dass er sie so scharf angesprochen hatte, als sie antwortete: "Naja … wie du am eigenen Leib erfahren musstest, kann man sich mit viel Kleingeld ziemlich gut zur Wehr setzen …"
Er lachte laut auf. Wo sie recht hatte …
"Ich würde mich gern mit dir auf einen Kaffee treffen", sagte er dann.
"Nein."
Mehr nicht. Einfach nur Nein.
"Komm schon, Kyle. Glaubst du nicht, du bist mir für die Hand etwas schuldig?" Es tat ihm leid, dass er sie so unter Druck setzen musste, aber er wollte auf jeden Fall ein Date mit ihr.
"Ich will wirklich nicht."
"Was ist schon dabei? Nur einen Kaffee. In Netties Diner? Da ist immer viel los." Er hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was ihr Problem mit einem Date war. Viele Menschen würden ihr vielleicht die nötige Sicherheit geben.
"Warum?"
"Ich will dich treffen, mit dir reden, dich kennenlernen. Ist das zu viel verlangt?"
Beinahe rechnete er mit einem Ja, aber dann seufzte sie auf.
"Nein. Okay. Wann?"
"Nachdem ich jetzt sowieso nicht arbeiten kann, bin ich flexibel."
"Das musstest du mir nochmal unter die Nase reiben, oder?"
"Ja." Joey lachte auf. "Also wann?"
"Morgen gegen zehn Uhr?"
Frühstückszeit. Dann, wenn der Laden definitiv am vollsten war.
"Hört sich gut an. Danke, Kyle."
"Bis dann." Sie legte auf, ehe er ein weiteres Wort sagen konnte.
KYLE
Einige Minuten lang starrte sie auf ihr Handy. Irgendwie hatte es Mr. Stiernacken tatsächlich geschafft, sie zu einem Kaffee zu überreden.
Allein die Tatsache, dass sie so lange mit ihm telefoniert hatte, war ein Wunder und dann das?
Verwirrt schüttelte sie den Kopf, musste aber zugeben, dass es ein sehr angenehmes Gespräch gewesen war. Wenn sie nicht wüsste, wie er aussah, könnte sie ihn durchaus sympathisch finden.
Kyle zuckte bei ihrem eigenen Gedanken zusammen. Tia hatte recht. Sie war furchtbar oberflächlich! Keinen anderen Menschen hätte sie jemals so in eine Schublade gesteckt nur wegen seines Aussehens!
Peinlich berührt schwor sie sich, Joey eine gerechte Chance zu geben. Von mehreren Seiten war ihr jetzt versichert worden, dass an ihm nichts auszusetzen war, also warum nicht?
Er hatte ihr absolut nichts getan.
Kyle war froh über ihren eigenen Entschluss. Sie wollte niemanden aufgrund seines Aussehens abwerten.
Nach einer kurzen Dusche legte sie sich ins Bett. Ihr Kopf war voll mit Bildern des Tages. Voll mit Bildern von Joey, seinen Oberschenkel-Armen und der breiten Brust in dem zu kleinen Shirt.
Immer wieder waren da auch Bilder von Joey. Wie er versuchte es ihr recht zu machen. Wie er stehen geblieben war, um ihr den Vortritt in den Behandlungsraum zu lassen. Wie er die Klinke festhielt und sich dann dafür entschied, die Tür für sie offen zu lassen.
Konnte so jemand ein schlechter Mensch sein?
JOEY
"Was ist denn mit dir los?", fragte Mike, der mit seinem Kaffee wie jeden Morgen üblich auf dem Sofa saß.
"Ich treff mich gleich mit Kyle."
"Warum das?"
"Weil sie mir gefällt."
Mike sah ihn an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. "Sie hat dir die Hand gebrochen und ist dann davon gerannt. Wie deutlich brauchst du deinen Korb noch?"
"Das war ein Missverständnis."
"Du bist verrückt!"
"Das fällt dir erst jetzt auf?"
"Nein, aber das Ausmaß schockt mich jedes Mal aufs Neue."
Joey lachte. "Du wirst schon sehen. Kyle wird mich mögen, wenn sie mich erstmal kennt."
"Darauf würde ich nicht wetten!"
"Und seit wann bist du so allwissend? Wenn ich mich recht erinnere, bist du Single!"
"Nicht mehr lang!"
"Sagt wer?"
"Facebook. Noch 3 Tage und vier Stunden, dann habe ich meine Traumfrau."
"Sag du mir noch einmal, ich sei verrückt!"
Beide lachten laut auf.
"Hast du deine Kollegin erreicht?"
"Ja gerade eben. Übermorgen ist sie da."
"Perfekt. Ich sag De gleich Bescheid, dass sie die Kunden für die kommenden Wochen informiert."
"Danke dir."
"Wir müssen uns noch um die Anzeige für das WG Zimmer kümmern!"
"Mach ich. Ich muss los."
"Viel Glück!"
Das konnte er durchaus brauchen. Kyle war keine einfache Frau. Er würde alles Glück der Welt brauchen, um sie davon zu überzeugen, dass er mehr als dieses Kaffee-Date wert war!
KYLE
Wie erhofft war es zur Frühstückszeit in Netties Diner extrem voll. In weißen Ballerinas, Jeans und einer weiten Bluse fühlte sie sich wohl genug, um sich der Herausforderung zu stellen.
Vorurteile überwinden und allen Menschen die gleiche Chance geben. Das war der Plan.
Joey wartete vor der Tür auf sie. Das erste, was sie sah, war die große Schiene an seiner Hand. Sofort hatte sie wieder ein schlechtes Gewissen.
"Hey, schön, dass du gekommen bist", begrüßte er sie lächelnd. Er hatte ein wirklich nettes Lächeln. Offen, sympathisch und sehr freundlich. Es dürfte also nicht allzu schwer sein, ihn zu mögen … oder?
"Es tut mir so leid!"
Einen Moment sah er verwirrt aus, dann hob er lachend die Hand.
"Ach das? Quatsch. Einen Kaffee mit dir ist das auf jeden Fall wert."
Er schien es wirklich nicht so schlimm zu finden, also entspannte sie sich wieder ein bisschen.
Als nächstes fielen ihr erneut diese enormen Muskelberge auf.
Sie musste sich selbst ermahnen, ihn deshalb nicht wieder in eine Schublade zu stecken.
Er trug knielange Jeans und ein zu enges Shirt. Sie konzentrierte sich lieber wieder auf sein Lächeln.
"Gut. Wollen wir rein gehen?", fragte sie, nachdem die Stille zwischen ihnen unheimlich wurde.
"Es ist ziemlich voll … wir können auch woanders hingehen."
"Nein. Hier ist gut." Voll war genau das, was sie wollte. Ohne auf seine Antwort zu warten, ging sie hinein.
Er hatte recht. Es war verdammt voll. Alle Tische waren belegt und sogar an der Theke sah es wirklich schlecht aus.
Sie zuckte zusammen, als er ihr eine Hand auf den Rücken legte und sie vorwärts schob.
"Da hinten sind noch zwei Plätze", sagte er, nahm seine Hand aber nicht wieder weg.
Und eigentlich, wenn sie ehrlich zu sich selber war, störte es sie auch gar nicht allzu sehr. Sie war eher vor der plötzlichen Berührung erschrocken, als dass es ihr etwas ausmachte.
Er wartete bis sie sich auf einen der Hocker gesetzt hatte und ließ sich dann auf den anderen nieder.
Obwohl er sichtlich bemüht war, nicht allzu viel Platz zu brauchen, drückte seine Schulter gegen ihre.
"Sorry … die Plätze sind nicht für mich ausgelegt", sagte er zerknirscht.
Kyle lachte.
Es war ein ehrliches Lachen, das von Herzen kam, und sie selbst ein klein wenig verwunderte.
Immerhin war er sich seiner Überdimensionalität bewusst.
"Kein Problem. Ich habe schließlich darauf bestanden, hierzubleiben."
Er lächelte und wandte sich dann der Kellnerin zu. "Einmal das große Sonntag-für-Zwei Frühstück bitte, Candy."
Sie wollte sich gerade darüber ärgern, dass er einfach für sie mitentschied, da wandte er sich zu ihr um. "Für dich?"
Sie sah ihn mit großen Augen an.
"Du willst das allein essen?"
Mit der linken Hand kratzte er sich am Hinterkopf, was seinen Oberschenkel-Oberarm nur noch größer wirken ließ.
Das Lächeln, Kyle! Denk an sein Lächeln!
"Äh … ja. Ich hab immer viel Hunger." Candy lachte leise vor sich hin.
Viel Hunger okay, aber ein großes Frühstück für zwei Personen?
Vielleicht waren das alles gar keine Muskeln, sondern Speck … kurz war sie versucht einmal in seine Brust zu pieken, um ihre Theorie zu testen, wandte sich dann aber doch lieber der Bedienung zu.
"Okay … ich hätte gern das Classic bitte."
Candy nickte und ging dann zur Küche, um die Bestellung weiterzugeben.
Bis das Frühstück kam, unterhielten sie sich über Julie, Gregor und Fire&Ice. Er schien alle sehr zu mögen und hatte die ein oder andere Geschichte auf Lager, die ihr die Männer sogar fast etwas sympathischer machte.
Wieder und wieder ertappte sie sich dabei, wie sie lachte und sich tatsächlich mit ihm amüsierte.
Die Unterhaltung wurde etwas ruhiger, als das Frühstück kam. Sie beobachtete staunend, wie mehr und mehr von den Essensbergen in ihm verschwanden, während er von seiner Freundschaft zu Mike, Candy und Destiny erzählte.
Er schob sich das letzte Würstchen mit einem Happen in den Mund, als sie gerade ihren ersten Pancake beendete. Damit war sie eigentlich auch schon satt. Die beiden weiteren würde sie nicht mehr schaffen.
"Dann ist sie zu Julien gezogen und Mike und ich waren wieder allein."
Als er bemerkte, dass sie ihn anstarrte, fragte er: "Stimmt was nicht?", und wischte sich mit der Serviette übers Gesicht.
"Du hast das alles tatsächlich gegessen."
Er lachte über ihre fassungslose Miene.
"Klar. Hab ich doch gesagt. Ich bin mehr als das Doppelte von dir, ich brauche mehr zu essen."
Lachend schüttelte Kyle den Kopf. Das Doppelte war eigentlich noch untertrieben.
"Bestell dir doch noch einen Nachschlag", scherzte sie.
Er lächelte schief und sah damit trotz seiner Muskelberge irgendwie süß aus. "Eigentlich spekuliere ich auf deine Pancakes."
Sie sah ihn mit großen Augen an. "Ist das dein ernst?"
"Ich glaube, du wirst sie nicht aufessen."
"Werde ich auch nicht, aber du kannst doch nicht …"
"Was? Noch mehr essen?" Joey lachte auf.
Ja, noch mehr essen? Und vor allem ihr Essen auf essen, als würden sie sich wirklich kennen?
Sprachlos schob sie ihren Teller zu ihm. "Nur zu."
"Danke."
Es dauerte keine fünf Minuten, da war auch ihr Teller leer. Dann kam Candy und räumte ihre Teller ab. "Hast du genug, Joey?", fragte sie.
"Ich hör besser auf", sagte er und klopfte sich lächelnd auf den Bauch. "Bringst du uns noch Kaffee?"
Candy nickte und kam kurz darauf mit der Kanne zurück.
Kyle wunderte und freute sich noch immer über diesen gelungenen Vormittag, als Joeys Gesicht plötzlich ernst wurde.
"Weißt du, ich würde deine Arme wirklich gern tätowieren."
Sie stockte mitten in der Bewegung. Warum musste er gerade jetzt damit anfangen?
"Nein."
"Ich will nicht über die Narben sprechen. Ich weiß, woher sie stammen und dass es deine eigene Entscheidung ist, wem du deine Geschichte erzählen willst und wem nicht. Aber ich denke, dass es richtig ist, etwas Schönes daraus zu machen, wenn man die Vergangenheit nicht immer wieder vor der Nase haben will."
Er hatte recht. Genau deshalb wollte sie es so sehr. Und wenn er wirklich keine Antworten von ihr erwartete, war das eine einmalige Chance.
"Keine Fragen?"
"Keine Fragen."
"Okay."
"Du musst es nicht sofort entscheiden …"
"Doch ich will das!"
Er hob seine geschiente Hand hoch. "Ich kann sowieso frühestens in drei Wochen."
Kyle stieg das Blut in die Wagen. Was hatte sie ihm nur angetan!
"Mach nicht so ein Gesicht. Ein bisschen Urlaub tut mir ganz gut."
"Ihr wart doch gerade erst in Talin!"
"Ja, aber ich glaube dieser Urlaub wird um einiges besser!"
JOEY
Dieses Kaffee-Date lief eindeutig perfekt. Sie verstanden sich blendend und Kyle entspannte sich von Minute zu Minute mehr. Es war bereits gegen Mittag und das Lokal füllte sich mit einem neuen Schwung Menschen, als sie das erste Mal auf die schmale, goldene Uhr an ihrem Handgelenk schaute.