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Ihre Jugendliebe Alex wiederzusehen ist das Letzte, was Cathrin Black jemals wollte. Doch das Versprechen, das sie Sky gegeben hat, lässt sie dennoch nach Deutschland reisen. Auch Alex ist alles andere als begeistert, sich mit Cat treffen zu müssen, doch für Ryan überwindet er seinen Stolz. Wut, Schmerz und tief verletzte Gefühle lassen die erste Begegnung zu einem Desaster werden. Die wieder aufgerissenen Wunden zwingen beide, sich der Vergangenheit zu stellen. Doch können so tief sitzende Narben im Herzen und jahrelange Verzweiflung überwunden werden, um eine Chance auf eine glückliche Zukunft zu haben? Vielleicht sogar eine gemeinsame Zukunft? Second Chance Romance / Brothers Best Friend
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Inhaltsverzeichnis
Bereits erschienen:
1 Wiedersehen
2 Gedankenstrudel
3 Wiedersehen 2.0
4 Immer besser
5 Getrennte Wege
6 Boston
7 Neubeginn
8 Familie
9 Immer mehr
10 Vergangenheit
11 Familie
12 Schmerz
13 Nur du
14 Abschiede
15 Zurück
16 Freunde
17 Zufälle
18 Entscheidungen
19 Erdulden
20 Epilog
Bonuskapitel
Leseprobe
1. Durchs Leben stolpern … kann ich
2. Der Morgen danach
Für C.
Rechtliches, oder was keiner lesen will und trotzdem drin stehen muss ...
Fire&Ice
Band 13
Alex Altera
Allie Kinsley
Fire&Ice 1 – Ryan Black
Fire&Ice 2 – Tyler Moreno
Fire&Ice 3 – Shane Carter
Fire&Ice 4 – Dario Benson
Fire&Ice 5 – Brandon Hill
Fire&Ice 5.5 – Jack Dessen
Fire&Ice 6 – Chris Turner
Fire&Ice 6.5 – Gregor Zadow
Fire&Ice 7 – Logan Hunter
Fire&Ice 7.5 – Jonas Harper
Fire&Ice 8 – Julien Fox
Fire&Ice 9 – Luce Suarez
Fire&Ice 10 – Joey Parker
Fire&Ice 11 – Matthew Fox
Fire&Ice 12 – Fabio Bellini
Fire&Ice 13 – Alex Altera
Fire&Ice 14 – Taylor Falk
Fire&Ice 15 – Dave Cooper
Fire&Ice 16 – Juan Garcia
Fire&Ice 17 – Alessio Lopez
Fire&Ice 18 – Jason Shaw
Fire&Ice – Bonuskapitelbände
Weil wir wir sind (Sweet like Candy)
Protect Me 1 – 8
Dangergous Love –Sammeband 1+2
Yearn for Adam
Yearn for Slade
Yearn for Deacon
Yearn for Liam
Yearn for Nick
Wir sind mehr als Liebe – Curley
Wir sind mehr als Liebe – Riaz
Wir sind mehr als Liebe – June
Wir sind mehr als Liebe – Elyas
Wir sind mehr als Liebe – Damien
Hollywood Badboys 1 – Dylan
Hollywood Badboys 1 – Nate
Hollywood Badboys 1 – Sean
Hollywood Badboys 1 – Lucas
Gemeinschaftsprojekte:
Cinderella 1&2
Single Bells – Ein Professor zum Verlieben
Big Four – Ein Anwalt zum Küssen
Alaska Love – Ein Arzt zum Verlieben
Philadelphia Pucks – Caden&Paris
Philadelphia Pucks – Orlando&Alice
Ein Touchdown für Emmi
Ein Center für Romy
Shelter Love – Big Boss im Welpenglück
Copyright © 2016 Allie Kinsley
All rights reserved.
www.doctor-lektor.de
Cover Foto: shutterstock.com, ID: 181429196, G. Georgescu
CAT
Mühsam schluckte Cathrin Black gegen die Übelkeit an, die beim Landeanflug des Flugzeugs in ihr aufstieg. Es war nicht so, dass ihr das Fliegen generell etwas ausmachte, es war mehr das Reiseziel, das dieses Unwohlsein in ihr auslöste.
Sie blickte hinunter auf ihre zitternden Finger und konnte noch immer nicht glauben, dass sie das wirklich tat. Wie zum Teufel hatte sie Sky Black, ihrer Schwägerin, nur versprechen können, diese Angelegenheit zu regeln.
Alexander Altera war der einzige Mann, den sie nie in ihrem Leben hatte wiedersehen wollen. Leider war er auch der älteste Freund ihres Bruders.
Ryan Black wünschte sich seit Jahren, dass Alex zurück nach Boston kam.
Bislang war Cat immer froh darüber gewesen, dass Alex sich so standhaft geweigert hatte. Genau genommen so lang, bis sie aus einem blödsinnigen Impuls heraus Sky versprochen hatte, dass sie Alex nach Boston bringen würde, damit Ryan zusammen mit seinem ältesten Freund die Geburt seines zweiten Babys feiern konnte.
Aus irgendeinem Grund war es ihrem Bruder verdammt wichtig und Cat würde alles dafür tun, ihren Bruder und seine Familie glücklich zu sehen.
Selbst wenn das hieß, ihre eigenen Gefühle zurückzudrängen und diesen Idioten Alex Altera nach Boston zu schleppen.
Mit etwas Anstrengung würde es ihr durchaus möglich sein, so zu tun, als belaste sie die ganze Situation nicht. Ihre Freunde nannten sie nicht ohne Grund die Eisprinzessin. Sie hatte das völlige Abstellen von Gefühlen perfektioniert.
Sie hatte nicht mitbekommen, wie die Maschine auf deutschem Grund gelandet war, bemerkte nun aber den Trubel um sich herum, den die aufstehenden Passagiere verursachten.
Cat rollte die Vogue, ein Magazin über die neusten Trends, zusammen und steckte sie in die Miu Miu-Handtasche.
Dann löste sie den Pferdeschwanz, der ihre langen schwarzen Haare zusammenhielt, und schüttelte die glatte Mähne aus.
Ein attraktiver Mann mittleren Alters lächelte sie an. Cat starrte ihrerseits nur ungerührt zurück und hob dabei eine Augenbraue, als missfiele ihr, was sie sah.
Schon vor langer Zeit hatte sie gelernt, dass das die effektivste Möglichkeit war, sich Männer vom Hals zu halten.
Gib ihnen das Gefühl, nicht gut genug zu sein, und sie verschwinden blitzschnell.
Sie schwang sich die schwarze Miu Miu-Tasche auf die Schulter und folgte ihrem Sitznachbar dann aus dem Flugzeug.
Während der Sicherheitskontrollen und des Abholens ihres Koffers überlegte sie, wann sie zum letzten Mal in Deutschland gewesen war.
Es musste mindestens fünfzehn Jahre her sein, da ihr Vater zu der Zeit noch gelebt hatte. Sie war gerade einmal zehn Jahre alt gewesen und hatte ehrfürchtig zu ihrem sieben Jahre älteren, großen Bruder aufgesehen.
Nur ein Jahr später war ihr gemeinsamer Vater plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben.
Cat schüttelte den Gedanken ab. Der Verlust ihrer damals einzigen Bezugsperson stimmte sie noch immer traurig und für Gefühle hatte sie im Moment absolut keine Zeit.
Sie war eine Frau auf Mission. Wahrscheinlich sogar der schwersten in ihrem Leben. Ab sofort musste sie die Zähne zusammenbeißen, ihre Gefühle ausschalten und ihre Familie glücklich machen.
Danach konnte sie sich in irgendeine stille Ecke zurückziehen und in Ruhe zusammenbrechen.
ALEX
Völlig entnervt suchte er nach seinem Handy, das seit einer gefühlten Stunde ununterbrochen klingelte. Es musste irgendwo in seinem Koffer sein, den er seit der Ankunft am Nachmittag noch nicht ausgeräumt hatte.
Als er es schließlich fand, starrte er ein wenig unschlüssig auf das Display. Er kannte die Nummer nicht und war sich nicht sicher, ob er zu einem Fremden nach diesem stressigen Tag noch höflich genug sein konnte.
Seufzend ließ er sich auf das ordentlich gemachte Bett fallen und zog das grüne Symbol auf dem Smartphone-Display von links nach rechts.
"Altera", brummte er und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel. Sein Kopf schmerzte und er brauchte dringend eine Pause, ehe sein Körper in den Streik trat.
"Alex?"
Die weiche, nur allzu bekannte Stimme ließ ihn sofort innehalten. Er erstarrte geradezu, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, dass sie es wirklich war, und der Wut, die noch immer tief in ihm schwelte.
"Hallo? Alex?"
Sie war es wirklich. Und er hatte absolut keine Ahnung, wie er ihr begegnen sollte. Er hatte ja noch nicht einmal eine Ahnung davon, was genau er fühlte.
Es war eindeutig zu viel Durcheinander in seinem Inneren. Zu viele Gedanken, zu viel Trauer, zu viel Wut.
"Cat." Seine Stimme klang selbst in seinen Ohren vollkommen emotionslos.
Stille am anderen Ende der Leitung. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er vermuten, dass Cat genauso durcheinander war wie er selbst.
Aber das war sie nicht, das war sie nie gewesen. Sie war schon mit 18 so verdammt abgeklärt gewesen, wie er es heute mit seinen 32 Jahren nicht war.
"Wir müssen uns treffen", sagte sie.
Die Worte waren wie eine Ohrfeige und kamen sieben verdammte Jahre zu spät.
"Ich habe keine Zeit", antwortete er deshalb.
Dass er im nächsten Monat Urlaub geplant hatte, musste sie nicht wissen. Niemand sollte es wissen, da er so einmal seine absolute Ruhe haben konnte, während er vorgab, auf Geschäftsreise zu sein.
"Ich denke, dass du dir eine halbe Stunde Zeit für deinen besten Freund nehmen kannst." Eiskalt, schneidend. Sie sagte es, als sei er ein Arschloch, das seine Freunde absichtlich verletze.
"Tja, leider bleibt es nicht bei einer halben Stunde, wenn zwei Mal neun Stunden Flug zwischen uns liegen." Und selbst wenn er die Zeit erübrigen könnte, er würde Ryan nie wieder besuchen, wollte Ryans kleine Schwester nie wieder sehen.
Vielleicht war es kindisch, oder kleinlich, aber diese Frau hatte es geschafft, ihm das Herz zu brechen. Damit war sie für ihn ein für alle Mal gestorben.
Ihr Schnauben klang mehr als nur abfällig.
"Du bist ein viel beschäftigter Mann, schon klar, wie schon immer."
Was zum Teufel sollte das denn bitte heißen? Cat schaffte es in wenigen Minuten, ihn die komplette Palette aller möglichen Gefühle durchlaufen zu lassen. Dieser Umstand war alles andere als angenehm und ließ seine Wut nur noch weiter anwachsen.
Bevor er zu einer geknurrten Erwiderung ansetzen konnte, fuhr sie bereits fort: "Weil ich das aber schon vorher gewusst habe, bin ich nach Deutschland geflogen. Willst du dir auch die Fahrtzeit in ein Restaurant ersparen? Dann komme ich zu dir."
Eher friert die Hölle zu!
Nie im Leben würde er Cat in sein Haus lassen. Nicht in einer Millionen Jahren.
"Restaurant", knurrte er.
Was zum Teufel wollte sie von ihm? Meinte sie ernsthaft, ein Gespräch könnte alles wieder in Ordnung bringen? Das hätte es damals vielleicht, aber nach all der Zeit, in der er seine Wut auf sie stetig genährt hatte, war dieses Unterfangen chancenlos.
"Im Schiffchen." Wenn möglich, war ihre Stimme noch kälter geworden.
"Morgen. 19 Uhr", erwiderte er.
Er brauchte einen Tag, um seine Gefühle einigermaßen in den Griff zu bekommen. Würde sie ihm jetzt über den Weg laufen, würde er sie einfach nur anschreien und alles rauslassen, das sich die letzten sieben Jahre in ihm angestaut hatte.
"Bis morgen."
Das monotone Tuten in der Telefonleitung hallte wie Kanonenschüsse durch seinen Kopf.
Cat. Cathrin Black, der grausame Geist seiner Vergangenheit, die erste und letzte Frau, die jemals sein Herz berührt hatte.
Wie zum Teufel sollte er es schaffen, ihr gegenüber zu treten? Wie sollte er sachlich mit ihr über einen Besuch bei seinem besten Freund sprechen, wenn er ihr ihren Verrat noch immer nicht vergeben hatte?
Nach all den Jahren hatte er es ja noch nicht einmal geschafft, selbst damit Frieden zu schließen. Er ließ niemanden mehr so nah an sich heran, hatte aus dieser bitteren Lektion mehr als nur gelernt.
Nie wieder würde er sich in eine Situation bringen, in der er sein Herz auf einem Silbertablett präsentierte, nur damit die Eisprinzessin es in Stücke reißen konnte.
Nie wieder!
CAT
Keuchend starrte sie auf das Telefon. Sie hätte nicht gedacht, dass ein einfaches Telefonat so viel Kraft kosten konnte.
Seine Stimme riss Wunden auf, von denen sie schon lange gedacht hatte, dass sie verheilt waren. Ihr Herz klopfte so kräftig gegen ihren Brustkorb, als würde es jeden Moment hervorbrechen wollen. Ihre Atmung ging viel zu schnell und die Tränen, die aus ihren Augen liefen, hatte sie schon während des Gesprächs nicht mehr zurückhalten können.
Wie zum Teufel sollte sie den morgigen Abend überstehen?
Cat legte das Telefon zur Seite und rollte sich auf dem Bett zu einem kleinen Ball zusammen. Sie schlang die Arme um die Knie und versuchte, körperlich zusammenzuhalten, was innerlich schon vor vielen Jahren zerbrochen war.
Leise weinte sie, wie sie es immer getan hatte. Still, damit niemand etwas von ihrem Schmerz und ihrer Verzweiflung mitbekam.
Nicht dass es ihre Mutter jemals interessiert hätte, aber Ryan hatte sich immer Sorgen um sie gemacht, obwohl er selbst mehr als genug zu tun gehabt hatte.
Sie hatte ihn niemals belasten wollen, nicht nach allem, was er nach dem Tod ihres Vaters für sie getan hatte.
Sie wollte nicht sehen, wie verzweifelt er war, weil er ihr in ihrem Schmerz nicht helfen konnte.
Deshalb hatte sie so viel wie möglich für sich behalten. Nachdem sie gesehen hatte, wie sehr Ryan mit ihr litt, hatte sie versucht zu lächeln, hatte versucht, weiterzuleben und ihm die kleine Cat zu zeigen, die er liebte.
Genauso würde es auch dieses Mal funktionieren. Sie brauchte nur einen Moment für sich, dann würde sie das alles hinbekommen.
Sie würde sich zusammenreißen, die Schultern strecken und der Welt beweisen, dass sie alles schaffen konnte. Dass sie keine Hilfe brauchte und völlig in Ordnung war.
Allein. Wie immer.
ALEX
Mit dem weißen Handtuch, mit dem er sich nach seiner Dusche abgetrocknet hatte, wischte er den Beschlag vom Spiegel seines Badezimmers.
Der Mann, der ihm daraus entgegensah, war ihm fremd.
Selten hatte er abgekämpfter ausgesehen. Nicht einmal nach schweren Verhandlungen oder einer durchzechten Nacht.
Dabei hatte er nichts anderes getan, als die halbe Nacht und den ganzen Tag über Cats Anruf nachzudenken.
Er konnte noch immer nicht verstehen, dass ihr das alles überhaupt nichts auszumachen schien.
Wie zum Teufel konnte es sein, dass er sein Herz an eine Frau verloren hatte, für die er niemals mehr als ein bisschen Spaß gewesen war?
In langsamen, gleichmäßigen Zügen rasierte er sich das Gesicht.
Eher aus Gewohnheit als um sich für Cat herauszuputzen. In den letzten sieben Jahren hatte er sich deutlich verändert. Sein Gesicht war härter geworden, maskuliner, sein Körper breiter und trainierter.
Auch Cat würde sich verändert haben.
Er hatte es immer bewusst vermieden, Bilder von ihr zu sehen. Er hätte es schlicht nicht verkraftet.
Cat war mit 18 schon unglaublich schön gewesen. Die langen schwarzen Haare und die katzenhaften Augen hatten sie exotisch wirken lassen. Um die vollen Lippen war stets ein weiches Lächeln gelegen, das so gar nicht zu der abgebrühten Kälte gepasst hatte, mit der sie ihn hintergangen hatte.
Schon damals hatten ihren schlanken Körper weiche Kurven umspielt.
Ob es heute noch genauso war, wusste er nicht. Er hoffte es nicht. Er hoffte, dass sie nicht mehr annähernd so perfekt war wie damals. Vielleicht würde es ihm dann leichter fallen, sie endlich zu vergessen.
Alex wusch sich das Gesicht und strich die wenige Zentimeter langen, schwarzen Haare zurück. Er beobachtete dabei den tätowierten Engel, der sich unter dem Spiel seiner Schultermuskeln bewegte. Die schöne Frau mit den schwarzen Flügeln erinnerte ihn täglich daran, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Dass keine noch so schöne Verpackung das Innere auf Dauer verbergen kann.
Nach all den Jahren war die Farbe noch kaum verblasst. Er hatte ihn sich noch in China stechen lassen, als er von Cats Verrat erfahren hatte.
Er warf das Handtuch in den Wäschekorb und ging ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Er hatte es bewusst klinisch kalt gehalten. Weißer Boden, weiße Wände, weiße Möbel.
Als er damals zusammen mit Cat Ryans Haus eingerichtet hatte, hatte sie gesagt: "Ein Schlafzimmer muss Wärme ausstrahlen. Es muss gemütlich sein, ein Rückzugsort."
Gott verdammt, er konnte kein einziges Schlafzimmer planen, ohne an ihre kleinen weichen Hände zu denken, die über seinen Oberkörper gestreichelt hatten.
Und genau aus diesem Grund wollte er sein eigenes Schlafzimmer ganz anders haben, als Cat es sich vorgestellt hätte.
Das Ergebnis war, dass er beinahe täglich daran dachte, wie sehr ihr Verrat ihn verletzt hatte, und er nur deshalb ein Schlafzimmer hatte, das vom Boden bis zur Decke nach Trotz schrie.
Wenn er es genau nahm, hatte Cat jeden einzelnen Winkel seines Lebens vergiftet. Alles, außer Talin. Talin gehörte noch immer ihm allein. Es war seine kleine Insel der Glückseligkeit, auf der er völlig ohne Erinnerungen an Cat leben konnte.
Aus Gewohnheit zog er sich ein schwarzes Hemd und eine graue Anzughose an.
Für Cat würde er sich keine Gedanken um seine Kleidung machen. Für sie würde er gar nichts mehr tun, er ging auch nur zu diesem Essen, weil es um seinen besten Freund ging.
Ryan war mehr als nur sauer gewesen, als Alex für die Hochzeit abgesagt hatte. So sauer, dass Ryan ihm dann noch nicht einmal erzählt hatte, dass Sky kurz vor der Geburt ihres zweiten Kindes stand.
Alex hatte es lediglich mitbekommen, weil er mit Dave und Tom telefoniert hatte.
Kopfschüttelnd schlüpfte er in seine Schuhe und legte die Bicolor Rolex an sein Handgelenk. Nachdem er sich das Jackett angezogen hatte, ging er durch die Verbindungstür in die Garage und setzte sich in den silbernen Porsche.
Julien, Mats kleiner Bruder, war ganz vernarrt in das Auto gewesen. Alex auch, vor allem deshalb, weil er nie mit Cat über Sportwagen gesprochen hatte. Der Wagen war eine weitere der kleinen Inseln, die er sich in den vergangenen sieben Jahren zusammengesucht hatte.
Das Restaurant, zu dem er nun fuhr, war eines seiner Lieblingsrestaurants. Das Im Schiffchen musste er also zukünftig leider auch von der Liste streichen. Er hätte darauf bestehen sollen, zu McDonald's zu gehen.
Der Gedanke zauberte ein kleines Lächeln auf sein Gesicht. Cat wäre es sicher egal gewesen.
Er schluckte krampfhaft und versuchte, sich auf die Straße zu konzentrieren. Es ging nicht darum, was Cat gefiel und was nicht. Es ging auch nicht darum, was ihm selbst gefiel.
Er musste lediglich dieses Essen irgendwie hinter sich bringen. Keine Sekunde gab er sich der Illusion hin, dass sie dieses Gespräch in einer halben Stunde abhandeln konnten.
Cat anscheinend auch nicht, sonst hätte sie ihn nicht in dieses Restaurant bestellt.
CAT
Mit zitternden Fingern kramte sie nach dem Geld in ihrer Clutch, um das Taxi zu bezahlen, das sie zu diesem Restaurant gefahren hatte.
Ihr war klar gewesen, dass Alex sie nicht bei sich haben wollte, daher hatte sie sich vorab an der Rezeption ihres Hotels nach einem guten Restaurant in der Nähe erkundigt.
Sie reichte dem Fahrer das Geld und stieg aus dem Wagen.
Tief durchatmend sah sie an der weißen Fassade hinauf und versuchte, sich innerlich zu sammeln.
Ich schaffe das. Ich bin stark und lasse mich nicht unterkriegen. Ich kann da reingehen, ihm meine Meinung sagen und, ohne ein Quäntchen Stolz zu verlieren, wieder hinausgehen, wiederholte sie ihre Gedanken wie ein Mantra.
Sie straffte die Schultern und machte den ersten Schritt auf das Gebäude zu, während sie sich innerlich weiter motivierte.
Ich werde nicht aufgeben, bis ich mein Versprechen gegenüber Sky eingelöst habe. Ich werde für meine Familie kämpfen und ich werde gewinnen. Und dann kannst du dich wieder ins Hotel verkriechen und dir die Seele aus dem Leib heulen, ätzte ihre innere Stimme, die sie schon den ganzen Nachmittag über verhöhnt hatte, während Cat verzweifelt versucht hatte, die Spuren ihrer Heul-Arie zu beseitigen.
Sie war erbärmlich. Das alles lag schon viel zu weit zurück und sollte sie nicht mehr annähernd so sehr belasten. Auch nicht, wenn sie ihn jetzt wiedersehen musste.
"Willst du noch lange hier draußen rumstehen?" Die Stimme ließ sie zusammenfahren. Es kostete sie all ihre Willenskraft, ein unbeteiligtes Gesicht aufzusetzen, als sie sich zu Alex umwandte.
Auf seinen Anblick, der ihr absolut den Atem verschlug, war sie nicht gefasst.
Der Anzug saß so perfekt an seinem breiten Körper, dass er aussah, als sei er direkt aus einer Werbetafel gestiegen.
Die dunklen Augen und die hohen Wangenknochen waren ihr noch immer im Gedächtnis. Nur sein Blick war härter geworden und seine früher schön geschwungenen Lippen hatte er zu einen dünnen Strich zusammengepresst.
Das krampfhafte Schlucken konnte sie nicht verhindern, so sehr schmerzte sein Anblick sie.
"Hallo Alex." Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren rau und voller Schmerz.
Er schien davon nichts mitzubekommen. Oder er wollte es nicht hören, wie damals, als er sie und ihr Leid ignoriert hatte.
Er nickte ihr nur knapp zu und wandte sich dann so abrupt ab, als hätte sie ihn geschlagen. Noch immer wollte er nichts von ihr hören, nicht mit ihren Problemen belastet werden.
Wut kochte in ihr hoch, während sie den breiten Rücken dabei beobachtete, wie er zum Eingang des Restaurants schlenderte. Er bewegte sich noch immer mit derselben Selbstsicherheit und Arroganz wie damals. Jeder einzelne Schritt machte klar, dass er sich allen anderen überlegen fühlte.
Er hatte es damals nicht für nötig empfunden, sich um die verletzten Gefühle anderer zu scheren, und tat es auch bis zu diesem Tag nicht.
So gut es ging streifte sie sämtliche Empfindungen ab und hüllte sich in die Eisschicht, die niemand durchdringen konnte.
Sie würde ihm nicht die Genugtuung gönnen, sich über ihre Gefühle lustig machen zu können.
Alex war es nicht wert, auch nur die kleinste Regung von ihr zu sehen zu bekommen.
Sie klemmte sich die Clutch unter den Arm und ging ihm mit sicheren Schritten nach, bis sie ihn am Eingang eingeholt hatte.
Das Klacken ihrer hohen Absätze gab ihr ein gutes Gefühl. Es klang genauso aggressiv wie die Wut, die in ihr schwelte.
Sie würdigte ihn keines Blickes, als er ihr die Tür zum Restaurant aufhielt und bremste erst ab, als sie am Empfang ankam.
"Guten Abend, ich habe reserviert. Cathrin Black", sagte sie in der Hoffnung, dass der Kellner englisch verstand, damit sie nicht auf Alex' Hilfe beim Übersetzen angewiesen war.
Er tat es und führte sie dann zu einem kleinen Tisch an der Fensterfront des Raumes.
Das Plätzchen war ihr ein wenig zu intim, zu gemütlich, zu sehr darauf aus, eine romantische Atmosphäre zu schaffen, die Cat überhaupt nicht haben wollte.
Da Alex ihr aber bereits auffordernd den Stuhl zurechtrückte, wollte sie nicht um einen anderen Tisch bitten.
Sie spürte seine Präsenz in ihrem Rücken, seinen Blick auf ihrer Haut. Die Empfindungen ihres Körpers glichen dabei so sehr jenen von vor sieben Jahren, dass sie für einen Moment die Augen schließen musste.
Er stand noch, als sie die Augen wieder öffnete, und musterte sie forschend. Sie wusste, dass sie den alten Schmerz in diesem Moment nicht verbergen konnte, deshalb wandte sie den Blick ab und beobachtete die vorbeifahrenden Autos auf dem Parkplatz vor dem Gebäude.
Erst als sie sich sicher war, dass nichts mehr in ihren Augen zu lesen war, wandte sie sich ihm wieder zu.
Sein Blick war nicht mehr ganz so kalt, eher neugierig, aber das machte es für Cat nur noch schlimmer. Sie wollte nicht über alte Zeiten reden, oder über ihre Gefühle, sie wollte das alles einfach hinter sich lassen.
"Du wolltest mich sprechen?", fragte er.
Cat konnte sich nicht davon abhalten, mit dem Stil ihres leeren Weinglases zu spielen. Seine Präsenz nahm ihr jegliche Selbstsicherheit, die sie sich in den vergangenen Jahren so hart erkämpft hatte.
Sie suchte nach Worten, aber alles, was sie sich zuvor mühsam zurechtgelegt hatte, war aus ihrem Kopf verschwunden.
Das unwillige Geräusch, das Alex auf ihr Zögern hin ausstieß, machte es nicht besser. Daher war sie mehr als dankbar, als der Kellner kam, um ihre Getränkewünsche aufzunehmen.
Alex bestellte einen Weißwein, Pichler Smaragd. Cat kannte den Wein, da sie ihn selbst auch in ihrem Hotel anbot.
Es war ein guter Wein und sie konnte sich ein anerkennendes Lächeln nicht verkneifen.
Seine Miene verfinsterte sich sofort. "Jetzt rück schon raus mit der Sprache, Cat. Was willst du von mir?"
Sie richtete sich auf und funkelte genauso wütend zurück.
"Ich will nichts von dir. Ich bin hier, um Ryan einen Gefallen zu tun, mehr nicht."
Alex hob eine Augenbraue. "Ich denke, Ryan ist durchaus in der Lage dazu, seine Kämpfe selbst auszutragen."
Beinahe hätte sie frustriert aufgestöhnt.
Wie zum Teufel konnte dieser Mann so arrogant und herablassend mit ihr reden?
Nach allem, was er ihr angetan hatte, müsste er doch zumindest so viel Anstand besitzen und eine geheuchelte Entschuldigung vorbringen.
Cat richtete sich auf und sah ihn kalt an. "Du weißt genauso gut wie ich, dass nicht Ryan das Problem ist. Ich will nur nicht länger dabei zusehen, wie mein Bruder leidet, weil du ein Arschloch bist."
Seine Kiefer spannten sich an. Es war deutlich sichtbar, wie sehr er versuchte, sich zu beherrschen.
"Weil ich ein Arschloch bin, also … nun ja, es sei mir verziehen, dass ich es einfach nicht mehr ertrage, dich anzusehen", knurrte er.
Der Schmerz, der sich bei seinen Worten in ihrem Herzen ausbreitete, war kaum mit etwas zu vergleichen. Sie war sich bewusst gewesen, dass er sie nicht mehr sehen wollte, aber nicht, wie sehr er sie verabscheute. Sie hatte keine Ahnung, womit sie das verdient hatte, aber sie war nicht hier, um sich mit ihm zu streiten. Sie hatte ein Versprechen einzulösen, mehr nicht.
Seufzend rieb sie sich über die Stirn. "Hör zu, Alex. Es ist mir egal. Ich habe dich aus meinem Leben gestrichen …"
"Ja, ist mir aufgefallen", unterbrach er sie und Cat konnte nicht anders, als ihn wütend anzufunkeln.
Nur leider ließ Alex sich davon überhaupt nicht aus der Ruhe bringen, er musterte sie nur durch die schmalen Schlitze, zu denen sich seine Augen verengt hatten.
Der Kellner kam und goss Alex einen Schluck des Weines ein.
Als Alex zustimmend nickte, befüllte er beide Gläser und überreichte ihnen die Speisekarten.
Aber Cat hatte keine Geduld, sich etwas auszusuchen und beobachtete lieber weiter den Mann ihr gegenüber. "Was ich sagen wollte, es geht hier um Ryan. Ich will dich nicht sehen und ich will mich auch nicht mit dir unterhalten. Wenn du kommst, um Ryan und Sky zu besuchen, werde ich mich nicht einmal blicken lassen."
Alex sah von seiner Speisekarte auf und fixierte sie mit seinem stählernen Blick.
"Ich will noch nicht einmal auf dem gleichen Kontinent sein wie du!"
ALEX
Er hatte es sich also nicht nur eingebildet. Cat war schon wieder zusammengezuckt. Warum zum Teufel machte es ihr etwas aus, ob er sie verabscheute oder nicht? Er hatte sie die vergangenen sieben Jahre verabscheut, was war also auf einmal anders?
Woher der Schmerz kam, der so tief in ihren Augen lag, konnte er ebenfalls nicht verstehen. Bereute sie etwa, wie sie damals mit ihm umgegangen war? Wie sehr sie ihn verarscht und verletzt hatte?
Gut so, er bereute nicht ein Wort, das er an diesem Abend zu ihr gesagt hatte.
Wieder kam der Kellner. Alex bestellte zweimal das Vier-Gänge-Menü, damit sie nicht öfter als nötig in ihrem Gespräch gestört wurden.
Er wollte das hier hinter sich bringen, diesen dunkelsten Teil seiner Vergangenheit abschließen und dieses kalte Miststück für immer loswerden.
Vor sieben Jahren hätte er alles für sie aufgegeben. Ein Wort von ihr und er hätte seinen Job hingeschmissen und wäre nach Boston gezogen.
Im Nachhinein gesehen, konnte er mehr als glücklich sein, dass sie ihn bei der nächstbesten Gelegenheit betrogen hatte.
So hatte er zumindest nicht seine Karriere verloren, sondern nur sein Herz und das Vertrauen in die Frauen dieser Welt.
Sie atmete tief ein und schloss die Augen. "Sei bitte vernünftig, Alex, ich …"
Er schlug so fest mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die Gläser zitterten.
"Wage es nicht, so von oben herab mit mir zu sprechen. Du hast kein Recht dazu!"
Sie sah ihn erschrocken an. Dann biss sie die Zähne fest aufeinander. "Es reicht. Ich habe nichts getan, um so eine Behandlung von dir zu verdienen. Ich …"
"Du hast nur die Beine für den Nächstbesten breitgemacht, ich weiß. Ich weiß alles!"
Die Tränen, die auf einmal in ihren Augen schwammen, brachten ihn aus dem Konzept.
"Du weißt nichts", zischte sie. Ihre Hände hatten sich so fest um die Serviette geballt, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. "Du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe."
Er schüttelte seine Verwirrung ab. "Und es ist mir verdammt nochmal egal. Du bist mir egal. Du bist ein Nichts. Eine kleine Schlampe, mehr nicht!"
Cat keuchte und ihre Hand zitterte stark, als sie die Serviette auf den Tisch legte. Langsam schob sie ihren Stuhl zurück und stand auf.
"Was hast du vor?", fragte Alex.
Sie war kreidebleich, als sie nach ihrer Handtasche griff, und Alex verstand, dass sie vorhatte, einfach zu gehen. Ihn hier sitzen zu lassen und so zu tun, als wäre das alles niemals geschehen.
"Ich gehe. Dieses Gespräch ist sinnlos", sagte sie mit zittriger Stimme.
Alex stand auf und hielt sie am Oberarm zurück, als sie sich zum Gehen wenden wollte.
"Ich bin noch nicht fertig." Alex versuchte zu verstehen, was in ihr vorging.
Hatte sie wirklich erwartet, dass er einfach so tat, als wäre nie etwas geschehen?
"Aber ich, Alex. Ich bin endgültig fertig mit dir. Ich habe meinem Bruder zuliebe versucht, über alles hinwegzusehen, was du mir angetan hast. Ich habe es versucht, aber ich bin nicht dein Fußabtreter."
Die Träne, die dabei über ihre Wange lief, passte genauso wenig zu Cat, wie ihre Worte zum Thema passten. Was er ihr angetan hatte? Sie war es doch. Sie hatte ihn betrogen, kaum dass er im Flugzeug gesessen hatte.
Sie entzog sich seinem Griff. Noch bevor er ihr folgen konnte, kam der Kellner an ihren Tisch und servierte den ersten Gang.
Alex versuchte noch, so schnell wie möglich die Rechnung zu bekommen, um ihr zu folgen, aber es war zu spät. Durch das Fenster beobachtete er, wie sie in das erstbeste Taxi stieg.
Er sollte keine Verzweiflung bei dem Gedanken spüren, dass das ihr letztes Aufeinandertreffen gewesen sein sollte. Eigentlich sollte er sich darüber freuen, dass er sie genauso verletzt hatte wie sie ihn.
Aber er tat es nicht.
Er war verwirrt und gekränkt. Er war wütend auf Cat und auch auf sich selbst.
Er war verzweifelt genug, um sie sich zurückzuwünschen, nur um sie noch ein wenig ansehen zu können, obwohl jede Minute in ihrer Gegenwart ihm in der Seele wehtat.
Kurz gesagt: Er war völlig am Arsch!
CAT
Niemals hätte sie erwartet, dass es etwas geben könnte, das sie mehr verletzen würde als ihr Absturz vor sieben Jahren. Sie hatte immer gedacht, dass sie den tiefsten Punkt in ihrem Leben bereits hinter sich hatte.
Falsch.
Niemals hatte sie sich so schlecht gefühlt wie in dem Moment, als sie nichts als Hass und Abscheu in Alex' Blick gesehen hatte.
Seine Abneigung brannte wie Feuer in ihrem Herzen. Einem Ort, von dem sie gedacht hatte, dass er nur noch aus Kälte und Stein bestehen würde.
Wie schon am Abend zuvor legte sie sich einfach aufs Bett, rollte sich zusammen und weinte leise Tränen. Tränen um sich selbst, um das Leben, das sie verloren hatte, um den Mann, der sie so sehr verabscheute.
Morgen würde sie sich dafür hassen, aber an diesem Abend war es einfach notwendig.
CAT
Die ganze Nacht über hatte sie kaum geschlafen. Sie hatte viel erwartet, aber mit Alex' herablassenden Verhalten hatte sie absolut nicht gerechnet.
Nichts war von dem Mann übrig geblieben, den sie vor all den Jahren geliebt hatte.
Sie war erst siebzehn gewesen, als Alex das erste Mal nach Boston gekommen war, um Ryans Haus zu planen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit hatte sie sich an Ryans Fersen geheftet, um die Gegenwart von Alex einen Moment länger genießen zu können.
Alex war damals 24 Jahre alt und hatte sie innerhalb kürzester Zeit um den kleinen Finger gewickelt.
Die ersten drei Wochen, in denen er bei Ryan übernachtet hatte, um dessen neues Haus zu planen, waren wie im Flug vergangen. Cat hatte sich fest vorgenommen, das nächste Mal alles auf eine Karte zu setzen.
Beinahe ein Jahr später war das Haus endlich fertig und Alex kam erneut nach Boston, um sich um die Innengestaltung der Räume zu kümmern.
Auf diesen Moment hatte sie gewartet.
Ein wehmütiges Lächeln erschien auf Cats Gesicht, als sie daran zurückdachte, wie sie Alex ihren ersten Kuss gestohlen hatte.
Sieben Jahre zuvor
"Ein wenig Farbe sollte aber schon in die Zimmer." Auf ihre Worte hin hob Alex sichtlich verwundert den Kopf.
"Hey Kätzchen, was machst du denn hier?", gab er lächelnd zurück und richtete sich auf dem Sofa auf.
Sie würde ihm bestimmt nicht sagen, dass sie nur hier war, um in seiner Nähe zu sein.
"Ich dachte, dass jemand aufpassen muss, dass Ryans grauenvolle Schwarz-Weiß-Vorstellung des Hauses nicht umgesetzt wird", sagte sie ebenfalls lächelnd und blieb dicht vor ihm stehen.
Alex musste den Kopf in den Nacken legen, um ihr in die Augen sehen zu können. Er hatte wunderschöne Augen, aber noch besser gefielen Cat seine Lippen, die immer so weich und einladend aussahen.
"Willst du dich als meine Assistentin anbieten?", fragte er neckend.
Er griff nach ihrer Hand und zog sie neben sich aufs Sofa.
Sie beobachtete ihn dabei, als er von den Plänen für den Innenausbau erzählte, bekam aber von seinen Worten nichts mit. Zu sehr war sie gefesselt von seinem Profil und seinem einzigartigen Duft.
Er roch immer nach frischer Luft und saurem Apfel. Ein wenig herber vielleicht, genau konnte sie es nicht benennen.
"Hörst du mir überhaupt zu?", fragte er in diesem Moment und drehte ihr sein Gesicht zu.
Seine Lippen waren nur noch wenige Millimeter von ihren entfernt und Cat konnte sich nicht mehr zurückhalten.
Sie lehnte sich nach vorn und presste ihre Lippen sanft auf seine. Fühlte ihn, schmeckte ihn und genoss es, ihn endlich zu spüren.
Im ersten Moment war er wie erstarrt, doch dann legte er eine Hand in ihren Nacken und vertiefte den Kuss. Seine Zunge teilte ihre Lippen, sein Mund war heiß und nass. Er schmeckte nach gutem Kaffee und ein bisschen scharf.
Noch bevor sie genug bekommen hatte, unterbrach er den Kuss.
Seine Augen blickten fragend und sein Brustkorb hob und senkte sich genauso schnell wie ihrer.
"Noch viel besser, als ich es mir vorgestellt habe", flüsterte er und Cats Herz schlug noch viel schneller.
***
Die Tränen, die von ihrer Wange auf ihre Hand tropften, rissen sie aus ihren Erinnerungen. Der Alex von damals war mit dem Alex von heute in keiner Weise zu vergleichen.
Es war, als wäre nur noch die Hülle des liebenswerten Mannes von einst zurückgeblieben.
Ihr Handy klingelte. Die Anruferkennung zeigte einen Anruf von Sky an. Cat schluckte krampfhaft und versuchte, so normal wie möglich zu klingen.
"Hey Sky", meldete Cat sich.
"Hi Cat. Na wie läuft es?"
Cat legte den Kopf in den Nacken, um die Tränen daran zu hindern, erneut aus ihren Augen zu treten.
"Leider nicht sehr gut."
Sky seufzte. "Immer noch stur?"
In einem Maß verändert, das mir den Boden unter den Füßen wegzieht, dachte Cat, antwortete aber: "Ich befürchte, ich habe keine Chance."
"Du klingst furchtbar, Cat. Alles in Ordnung?", fragte Sky besorgt.
"Klar, ich bin nur traurig, dass ich euch nicht helfen kann." Sie schluckte hart und verfluchte ihre zittrige Stimme.
Das Schweigen am anderen Ende der Leitung zeigte nur sehr deutlich, wie wenig Sky ihr glaubte, aber Cat war einfach im Moment nicht dazu in der Lage, eine bessere schauspielerische Leistung abzugeben.
"Okay … wann kommst du zurück?", fragte Sky und die Vorsicht in ihrer Stimme war kaum zu überhören.
"Mein Rückflug geht in nicht ganz einer Woche. Ich werde wohl ein wenig Urlaub machen."
Es noch einmal bei Alex zu versuchen, kam absolut nicht infrage.
Dieser eine Besuch hatte die alten Wunden tiefer aufgerissen, als Cat es für möglich gehalten hätte.
Sie verabschiedete sich von ihrer Schwägerin und ging dann in die Badewanne, um die verkrampften Muskeln in ihrem Körper zu entspannen.
ALEX
Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, lag er am nächsten Morgen in seinem Bett.
Es war erst kurz nach sieben Uhr, ungewöhnlich früh für einen Tag, an dem er eigentlich ausschlafen konnte. Dennoch war er hellwach und konnte seine Gedanken nicht davon abhalten, ununterbrochen um Cat zu kreisen.
Am Abend zuvor war er zu wütend, zu aufgebracht gewesen, um all die kleinen Ungereimtheiten in ihrem Gespräch zu entdecken.
Aber nachdem er sich das Gespräch immer und immer wieder durch den Kopf hatte gehen lassen, kamen ihm einige Dinge äußerst merkwürdig vor.
Aber ich, Alex. Ich bin endgültig fertig mit dir. Ich habe meinem Bruder zuliebe versucht, über alles hinwegzusehen, was du mir angetan hast. Ich habe es versucht, aber ich bin nicht dein Fußabtreter.
Was zum Teufel sollte er ihr angetan haben? Er hätte alles für sie gegeben, hätte alles für sie aufgegeben.
Doch mehr noch als ihre Worte irritierte ihn der verletzte Ausdruck auf ihrem Gesicht. Woher kam dieser Schmerz?
Warum hatte sie immer und immer wieder mit den Tränen gekämpft?
Stöhnend rieb er sich über das Gesicht. Eigentlich sollte es ihm egal sein.
Er sollte froh darüber sein, dass sie weg war und er ab sofort seinen Urlaub genießen konnte.
Leider kannte er sich gut genug, um zu wissen, dass er nicht zur Ruhe kommen würde, ehe er herausgefunden hatte, was zum Teufel sie meinte.
"Ich will dich nicht sehen und ich will mich auch nicht mit dir unterhalten. Wenn du kommst, um Ryan und Sky zu besuchen, werde ich mich nicht einmal blicken lassen."
Warum sollte sie einen Grund haben, ihm aus dem Weg zu gehen? Und leider Gottes hatte sie recht. Es war nicht fair seinem Freund gegenüber, sich so aus seinem Leben zurückzuziehen.
Er brauchte Cat nicht in seinem Leben, aber Ryan schon. Sie waren schon so lange miteinander befreundet, dass ihm eindeutig etwas fehlte, seit Ryan sich nicht mehr meldete.
Es war Alex' eigene Schuld, dessen war er sich bewusst. In Ryans Augen glich Alex' Weigerung, nach Boston zu kommen und an seinem Leben teilzuhaben, wahrscheinlich einer Ablehnung seiner gesamten Familie.
Und Alex war sich nur allzu bewusst, wie wichtig Ryan jedes einzelne Mitglied davon war.
Er hatte schon immer mit Zähnen und Klauen beschützt, was zu ihm gehörte.
Als er das zweite Mal nach Boston geflogen war, um das fertige Haus innen komplett fertig zu machen, hatte Ryan Cat das eine oder andere Mal mitgenommen, als sie ausgegangen waren.
Ryan hatte jeden einzelnen Mann, der auch nur gewagt hatte, Cat ein wenig zu lange anzusehen, dermaßen wütend angestarrt, dass sie alle schnellstmöglich das Weite gesucht hatten.
Alex musste beinahe lächeln. Ryan hatte jeden verscheucht und die Gefahr in seinem eigenen Haus überhaupt nicht mitbekommen.
Ryan hatte nicht bemerkt, wie sehr es zwischen Cat und Alex knisterte. Was ihnen viele Gelegenheiten geboten hatte.
Sieben Jahre zuvor
"Was machst du da, Kätzchen?", fragte Alex. Er hatte sich gegen den Türrahmen von Ryans neuem Schlafzimmer gelehnt und beobachtete Cat dabei, wie sie die Kissen laufend in einer anderen Reihenfolge auf dem Bett platzierte.
Ihr kleiner Hintern schwang in dem kurzen Rock dabei so verführerisch hin und her, dass er sich kaum noch beherrschen konnte, nicht einfach zu ihr zu gehen und sie auf dieses Bett zu werfen.
Cat lächelte ihm über die Schulter zu. "Ich will, dass es perfekt ist."
Er stieß sich vom Türrahmen ab und schlenderte zu ihr herüber. "Du bist perfekt."
Seit drei Wochen hatte er sie Tag für Tag um sich, konnte sie berühren, ihre weiche Haut unter seinen Händen fühlen.
Er schlang seine Arme um sie und zog sie an sich, verlor sich in dem Gefühl, ihren warmen, anschmiegsamen Körper an seinem zu spüren. Völlig automatisch legten sich seine Hände auf ihren Hintern, ehe er seine Lippen auf ihre presste.
Wann immer Cat in seiner Nähe war, fühlte er sich wie von einem Strudel mitgerissen, verlor sich in ihren Küssen und Berührungen.
Wie benebelt drängte er sie rückwärts, bis sie sich aufs Bett legte und er zwischen ihren Beinen zum Liegen kam. Ihre Hände glitten unaufhörlich über seinen Körper. Er rieb sich an ihr, konnte den Druck auf seinem Schwanz kaum noch ertragen.
Cat öffnete seine Hose, schob sie nach unten und umfing ihn mit ihrer kleinen Hand. Das Gefühl war genauso atemberaubend wie beim ersten Mal.
Wieder presste er seine Lippen auf ihre, küsste sie leidenschaftlich, bis ihrer beider Stöhnen den Kuss unterbrach und Cat ihn langsam in ihrer heißen, nassen Enge aufnahm.
Sie war so wunderschön, ihr Blick lustverhangen und ihre Wangen gerötet.
Sanft streichelte er über ihre Wangen, während er immer wieder in sie stieß, bis sie ihn schließlich ganz in sich aufgenommen hatte.
Dann hielt er inne, beobachtete sie dabei, wie sie über ihre vollen, leicht geöffneten Lippen leckte.
"Ich liebe dich, Kätzchen", flüsterte er. Die Erkenntnis hatte er selber gerade erst erlangt.
Er liebte sie, liebte diese wunderschöne, kluge Frau, die ihm das Gefühl gab, der wertvollste Mensch auf der ganzen Welt zu sein.
***
Der Schmerz in seinem Herzen riss ihn aus seinen Erinnerungen.
Er hatte sie geliebt, vielleicht war er auch niemals über sie hinweggekommen. Warum sonst sollten die alten Wunden immer noch so stark bluten?
Er rieb sich über die Brust und ging ins Badezimmer. Eine heiße Dusche würde vielleicht die elenden Gedanken vertreiben, die Cats Auftauchen wieder ausgegraben hatte.
CAT
Sieben Jahre zuvor
"Nun schau doch nicht so bekümmert, ich melde mich, sobald ich kann." Alex' Lächeln war aufrichtig und voller Zuneigung.
Sie hatten nur vier Wochen miteinander verbracht. Vier kurze Wochen, in denen sie ihre große Liebe tagtäglich um sich haben konnte.
Und schon stand er in ihrem Zimmer, um sich von ihr zu verabschieden.
Er hob ihren Kopf mit einem Finger unter ihrem Kinn an. "Sobald ich alles geregelt habe, komme ich zurück. Ich rede mit Ryan und dann haben wir unendlich viel Zeit für uns, okay?"
Sie nickte und genoss den Kuss, der daraufhin folgte. Küsse von Alex waren besser als alles, was sie bisher erlebt hatte.
Ihr ganzer Körper kribbelte und die Schmetterlinge in ihrem Bauch überschlugen sich beinahe.
Als er sich wieder von ihr löste, streichelte er sanft über ihre Wange.
"Nicht verzweifeln, Kätzchen. Ich liebe dich."
***
Cat presste sich eine Hand auf den Magen, um die Übelkeit zu vertreiben, die heiß und sauer in ihrer Kehle aufstieg.
Nachdem Alex damals zum Flughafen gefahren war, hatte sie sich die Seele aus dem Leib gekotzt.
Sie hatte sich so elend gefühlt und keine Ahnung gehabt, dass es von da an nur noch bergab gehen würde.
Ihr Handy klingelte erneut. Ryan. Sie ignorierte den Anruf, weil sie genau wusste, dass sie bei ihm nicht so einfach davonkommen würde.
Er schaffte es immer, ihr jedes Geheimnis zu entlocken.
Jedes. Bis auf dieses eine, von dem niemand die ganze Wahrheit kannte.
ALEX
Er unterbrach die Dusche, da das Klingeln seines Handys kein Ende nahm. Notdürftig trocknete er sich ab und ging dann zurück in sein Schlafzimmer, um sein Handy zu suchen.
Mehr als erstaunt, dass Ryan ihn anrief, ging er ans Telefon.
"Hey Ryan."
"Hey Alex, wie geht’s?"
Etwas an Ryans Ton stimmte nicht. Es war nicht die übliche Resignation darüber zu hören, dass Alex sich weigerte, nach Boston zu kommen.
Es war … Alex konnte es nicht genau deuten, konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, was nicht passte.
"Ganz okay … ist das Baby schon da?" Vielleicht stimmte mit dem Baby etwas nicht, oder vielleicht sogar mit Sky. Aber dann würde Ryan mit Sicherheit verzweifelter klingen.
Sky war für Ryan das, was Cat für … sofort verbat er sich den Gedanken.
Cat hatte nichts in seinem Kopf verloren. Zu viele Jahre hatte er darauf verwendet, die Gefühle für sie endgültig tief in sich zu begraben.
"Nein, aber ich hoffe bald, lange machen meine Nerven das nicht mehr mit."
Das konnte Alex sich gut vorstellen. Ryan wollte schon immer über alles die totale Kontrolle haben. Eine Schwangerschaft musste für ihn die Hölle sein.
"Aber deswegen rufe ich nicht an."
Ryans Stimme hatte diesen einen besonderen Klang angenommen, den Alex nur allzu gut kannte.
Er besagte: Es riecht nach Schwierigkeiten und ich will wissen, ob du daran schuld bist.
"Ach ja? Warum dann?", fragte Alex im Bemühen, so unschuldig wie möglich zu klingen.
Eigentlich war er das ja sogar. Immerhin war es nicht seine Schuld, dass Cat die Wahrheit nicht ertragen konnte und dann beleidigt abzog.
"Sky hat vorhin mit Cat telefoniert. Sie hat komisch geklungen."
"Aha …" Was zum Teufel sollte er darauf sagen?
"Warum ist Cat überhaupt zu dir geflogen?", fragte Ryan dann.
"Sie wollte mich überreden, dich zu besuchen."
"Und warum?"
Alex verstand Ryans Frage absichtlich falsch und antwortete: "Weil sie dich liebt."
"Und weil sie mich liebt, geht sie jetzt auch nicht ans Telefon?" Mittlerweile klang Ryan ernsthaft angepisst. Angepisst und auch ziemlich besorgt, wenn Alex ehrlich zu sich selbst war.
"Kann ich … dir irgendwie helfen?", fragte Alex schließlich widerstrebend.
Das Seufzen, das Ryan ausstieß, klang tatsächlich erleichtert.
"Könntest du nach ihr sehen? Ich weiß nicht, was sie sich bei all dem gedacht hat, aber ich glaube, sie hat deine Absage nicht so gut verkraftet."
Alex runzelte die Stirn, sagte dazu aber nichts.
"Sie kommt mit Zurückweisungen einfach nicht so gut klar. Hätte ich vorher gewusst, dass sie zu dir fliegen will, hätte ich ihr das ausgeredet. Ich weiß ja, wie stur du sein kannst. Aber Cat und Sky haben das alles ohne mein Wissen ausgetüftelt. Es tut mir leid, dass ich dich jetzt mit reinziehen muss."
Kommt mit Zurückweisungen nicht gut klar? Dass ich nicht lache, sie ist schließlich die Meisterin!
"Kein Problem."
Ein riesiges Problem, aber das darf Ryan nicht wissen.
"Danke, Mann. Auf dich kann man sich einfach verlassen."
Alles in Alex drängte ihn dazu, das Gespräch zu beenden, also ließ er sich nur den Namen des Hotels geben und versicherte Ryan, dass er sich später wieder melden würde.
Dann legte er auf und ließ sich mit einem erschöpften Seufzen auf das Bett fallen.
Wie zum Teufel war er schon wieder so tief in diese Scheiße gerutscht, die er seit sieben Jahren vergessen wollte?
Alles nur wegen dieser einen Frau, der er sein Herz geschenkt hatte und die es im nächsten Moment in Stücke gerissen hatte.
Doch die Frau, die er am Abend zuvor getroffen hatte, hatte nichts mit der Hexe in seinen Gedanken gemeinsam. Sie hatte nichts von der kalten, abgebrühten Frau, die ihn betrogen hatte, nur wenige Tage nachdem sie sich gegenseitig ihre Liebe gestanden hatten.
Überhaupt nicht.
Die Cat, die er vor wenigen Stunden gesehen hatte, war so, wie Ryan seine kleine Schwester immer beschrieb. Nach außen hin taff und kalt, aber eigentlich sehr zerbrechlich und leicht zu verletzen.
Und er hatte sie verletzt … außer sie war eine verdammt gute Schauspielerin.
Vielleicht hatte sie nur so getan, als hätten sie seine Worte getroffen, und freute sich jetzt diebisch, dass er auf ihre Spielchen hereinfiel, damit sie vor Ryan die perfekte kleine Schwester raushängen lassen konnte.
Vielleicht … aber er würde es nur herausfinden, wenn er zu ihr ging, egal wie sehr sein eigenes Herz dagegen rebellierte.
Seufzend stand er auf und ging zu seinem Kleiderschrank, statt eines Anzugs holte er aber seine Sportklamotten heraus.
Bevor er Cat unter die Augen trat, musste er laufen gehen, um seinen Kopf freizubekommen.
Was auch immer da vor sich ging, er brauchte seine volle Konzentration.
Er musste herausfinden, ob wirklich etwas nicht stimmte, oder ob Cat ihn und Ryan … und voraussichtlich die gesamte Männerwelt einfach nur manipulierte.
Letzteres würde eindeutig besser in sein Bild von Cat passen.
Die kalte, gefühllose Frau, die sein Herz in Stücke gerissen hatte.
CAT
Das Zimmertelefon klingelte und Cat hob, nachdem sie einige Sekunden verwirrt darauf gestarrt hatte, den Hörer ab.
"Black?", meldete sie sich. Nicht sicher, was sie erwartete. Wenn jemand sie zu erreichen versuchte, würde derjenige es doch auf ihrem Handy probieren.
"Susanne Friedrich von der Rezeption. Mr. Altera ist hier und möchte Sie sprechen."
Cats Magen krampfte sich zusammen. Woher wusste er, in welchem Hotel sie wohnte? Und vor allem, was wollte er von ihr?
Sie war noch nicht bereit, ihm schon wieder über den Weg zu laufen. Beim letzten Mal hatte sie sieben Jahre dafür gebraucht, sich stark genug für eine Auseinandersetzung zu fühlen … und war es dann doch nicht gewesen.
"Miss? Mr. Altera würde zu Ihnen kommen", sprach Frau Friedrich sie erneut an. Alex hier in diesem Zimmer? Niemals. Dann hatte sie keinen Ort mehr, an den sie sich notfalls zurückziehen konnte.
Seine hasserfüllten Worte hallten wieder und wieder durch ihren Kopf.
"Und es ist mir verdammt nochmal egal. Du bist mir egal. Du bist ein Nichts. Eine kleine Schlampe, mehr nicht!"
Gewaltsam riss sie sich von den Erinnerungen los und zwang sich zu antworten.
"Ich komme in die Bar. Er soll dort auf mich warten", antwortete sie der Empfangsdame.
"Ich werde es ausrichten."
Mit zitternden Händen legte sie das Telefon zurück in die Station.
Was wollte er von ihr? Konnte er es nicht einfach gut sein lassen? Er hatte seine Meinung doch deutlich genug kundgetan.
Sie war nichts für ihn. War nie mehr als die kleine, dumme Schlampe gewesen, die ihm den Aufenthalt in Boston versüßt hatte.
Sie zog sich den grauen Designer-Blazer, der zu ihrem Kostüm gehörte, über die weiße, enge Bluse und schlüpfte in die Valentinos.
Ein Business-Outfit. Ihre Rüstung im Kampf gegen ihre viel zu empfindlichen Gefühle.
Sie sah noch einmal in den Spiegel, betrachtete das mühsam aufgelegte Makeup, das sie extra sorgfältig für ihren Trip durch die Stadt aufgetragen hatte, damit man die Spuren ihrer durchweinten Nacht nicht sah.
Sie wollte gut aussehen, wenn sie sich schon nicht gut fühlte.
Kurzentschlossen steckte sie die langen, schwarzen Strähnen zu einem festen Knoten hoch.
Das ließ ihre Gesichtszüge noch strenger wirken und hielt ihn vielleicht davon ab, sie in aller Öffentlichkeit anzugreifen.
Dann hängte sie sich ihre Prada-Handtasche über die Schulter und verließ das Hotelzimmer.
Auf in den Kampf.
ALEX
Elf Uhr morgens. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie um diese Uhrzeit einen Drink zu sich genommen und doch saß er jetzt in der Bar des Marriott und trank einen Whisky, um seine Nerven zu beruhigen.
"Du weißt nichts. Du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe."
Cats Worte gingen ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf.
Es stimmte, er hatte keine Ahnung, was sie in den letzten sieben Jahren erlebt hatte. Es wäre ihm niemals in den Sinn gekommen, danach zu fragen. Sie hatte ihn so tief verletzt, dass er sie einfach nie hatte wiedersehen wollen.
Aber etwas hatte sie so sehr geprägt, dass aus der immer lächelnden jungen Frau eine eiskalte Diva geworden war.
Eine Frau, die jetzt in Designer-Klamotten und mit unbewegter Miene auf ihn zu gestöckelt kam. Ihre Züge wirkten so hart wie die einer Maske, nichts war von der Unsicherheit des letzten Abends zurückgeblieben.
Hatte er sich all das nur eingebildet?
"Du wolltest mich sprechen?", fragte sie, als sie sich ihm gegenüber auf dem Ledersofa niedergelassen hatte.
Selbst mit dieser strengen, kühlen Ausstrahlung sah sie noch immer unglaublich schön aus.
Das Funkeln in ihren ausdrucksstarken braunen Augen fehlte, aber der Rest war noch genauso perfekt wie vor sieben Jahren.
"Eigentlich wollte Ryan dich sprechen, hat dich aber nicht erreicht."
Sie presste die Kiefer zusammen. "Ich werde ihn später zurückrufen. Sonst noch was?"
Selbst mit zusammengepressten Lippen sah ihr Mund noch wunderschön und endlos weich aus.
CAT
Sein eindringlicher Blick machte ihr zu schaffen. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass jeder einzelne Zentimeter an ihm unerwünschte Erinnerungen in ihr weckte.
Sie spürte bereits, wie ihre Fassade zu bröckeln begann und dass sie dringend hier weg musste.
"Ich habe noch einen Termin, wenn du mich also bitte entschuldigen würdest", brachte sie in ihrem besten Geschäftston hervor.
Alex schnaubte.
"Was?", fragte sie und klang selbst in ihren eigenen Ohren ein wenig zu gereizt.
Alex' Verhalten zehrte an ihren Nerven. Jede einzelne Sekunde in seiner Nähe brachte mehr von der mühsam errichteten Schutzschicht zum Wanken.
Er nahm einen Schluck von seinem Whisky und funkelte sie dann wütend über den Rand des Glases hinweg an.
"Was wird das? Willst du mir all deine multiplen Persönlichkeiten zeigen? Ich kenne schon genug davon", sagte er.
Sie zog lediglich eine Augenbraue in die Höhe. "Du kennst mich nicht."
Harsch lachte er auf. "Natürlich kenne ich dich! Dein halbes Leben lang!"
Ruhig stand Cat auf und sah von oben auf ihn herab. "Die Cat, die du zu kennen glaubst, ist vor sieben Jahren gestorben. Du und Bastian …"
Sie schluckte, um den Schmerz in ihrer Stimme in den Griff zu bekommen.
"Ihr beide habt sie auf dem Gewissen. Damit werdet ihr leben müssen."
Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ das Hotel. Sie konnte ihm keine Sekunde länger in die Augen sehen. Sie war zu kurz davor zusammenzubrechen.
ALEX
Er konnte nichts anderes tun, als ihr hinterher zu sehen. Es war ihr voller Ernst. Aus irgendeinem Grund war sie der festen Überzeugung, dass er an allem schuld sei.
Dabei hatte er nichts getan, außer sie zu lieben.
Er erinnerte sich an jedes einzelne Wort, das sie in ihrem letzten Gespräch gewechselt hatten. Erinnerte sich daran, wie sie ihm gesagt hatte, dass sie ihn liebte, obwohl das von vorn bis hinten gelogen gewesen war.
Alex konnte sich noch an die Vorkommnisse danach erinnern, als wäre es gestern gewesen.
Sieben Jahre zuvor
Er war gerade für einen Auftrag in China und hatte zum ersten Mal die Gelegenheit gehabt, einen richtig großen Deal mit seinem Boss abzuwickeln.
An der Küste, an der er zusammen mit seinem damaligen Chef und Mentor das Projekt für einen millionenschweren Finanzmanager geplant hatte, gab es weder Handynetz noch Internet. Es war ein winziges, ruhiges und sehr rückständiges Dorf.
Wahrscheinlich hatte es sich der Manager genau deshalb ausgesucht. Ein Haus am Ende der Welt, wo alles noch etwas langsamer lief und man ganz zur Ruhe kommen konnte.
Für alle geschäftlichen Abwicklungen mussten sie in das nächstgrößere Dorf fahren.
Dort war von Zivilisation immer noch nichts zu sehen, aber zumindest gab es ein Kommunikationshäuschen, in dem es einen Festnetzapparat und einen Computer mit sehr trägem Internet gab.
Die ersten vier Wochen hatte sein Boss ihn nicht einmal mitgenommen.
Sie hatten sich voll und ganz auf das Projekt konzentriert, das schlussendlich Alex' Durchbruch in der Architektenbranche geworden war.
Das riesige Domizil hatte dafür gesorgt, dass sein Chef ausgesorgt hatte, und Alex die Möglichkeit gegeben, ein eigenes Architekturbüro zu eröffnen, mit dem er sofort in der Luxusklasse starten konnte.
Es war eine gute, aber verdammt stressige Zeit. Sie hatten nur sechs Wochen, um das gesamte Projekt zu planen, da es unbedingt vor dem Eintreten von örtlichen Gesetzesänderungen fertig werden musste.
In der fünften Woche hatte er schließlich Ryans knappe Mail gelesen, in der dieser sich darüber ausließ, dass Bastian, einer von Ryans engen Freunden, seine kleine Schwester geschwängert hätte und dass Ryan dem Mistkerl den Hals umdrehen würde.
***
Selbst in diesem Moment spürte Alex noch den Schmerz in seinem Herzen.
Der Unglaube und das Unverständnis hatten ihn wie benebelt vor dem Monitor zurückgelassen, bis sein Boss ihn dazu drängte, endlich in die Gänge zu kommen, damit sie zurückfahren konnten.
Er hatte Ryan nicht einmal auf seine E-Mail geantwortet. Weder ihm noch Cat irgendwelche Fragen gestellt.
Der Schmerz war allumfassend gewesen. Das Wissen, dass die Frau, die sein Herz besaß, ihn betrogen hatte, hatte sein Herz zerrissen.
Noch heute konnte er nicht verstehen, wie es sein konnte, dass er seine große Liebe in ihr gefunden hatte und sie ihn bereits nach wenigen Tagen gegen einen anderen ausgetauscht hatte.
Sein Herz fand dafür keine Erklärung.
CAT
Ein paar Straßen weiter hatte sie sich in ein kleines Café gesetzt und versuchte nun, ihren inneren Aufruhr unter Kontrolle zu bekommen.
Leichter gesagt als getan, weil ihr Körper ihr eindeutig mitteilte, dass sie lieber hyperventilieren sollte. Ihr Puls raste und ihre Atmung ging viel zu schnell.
Die wenigen Minuten mit Alex hatten ihr alles an Selbstbeherrschung und schauspielerischer Leistung abgerungen, was sie zu bieten hatte.
Mit zitternden Händen griff sie nach dem Wasserglas, das die Bedienung ihr auf ihre Bestellung hin gebracht hatte.
Als sie sich endlich wieder unter Kontrolle hatte, wählte sie Ryans Nummer. Sie lächelte, weil sie sich sicher war, dass er dieses Detail aus ihrer Stimme heraushören konnte.
"Cat?"
"Hey großer Bruder", sagte sie betont fröhlich.
"Na endlich! Ich hab dich nicht erreicht und mir Sorgen um dich gemacht!"
"Ich hatte nur das Handy lautlos, weil ich mich ein wenig entspannen wollte. Alex ist vorbeigekommen und hat mir gesagt, dass du auf einen Rückruf wartest."
Alex' Name schmeckte bitter wie Galle in ihrem Mund. Ihm zu vertrauen war damals schon ein riesiger Fehler gewesen, den sie bestimmt kein zweites Mal begehen würde. Auch wenn er heute viel ruhiger gewesen war als am Abend zuvor.
"Euer Gespräch … ist nicht so gut gelaufen?", hakte Ryan nach und die Vorsicht in seiner Stimme machte Cat misstrauisch.
"Naja, ich befürchte, er wird stur bleiben. Tut mir sehr leid, Ryan."
"Es ist nicht deine Schuld."
Ryan seufzte.
"Ich habe nie verstanden, was auf einmal sein Problem war. Diese ganze Geschichte mit seiner Arbeit kann nicht alles sein. Auch ich arbeite viel, schaffe es aber trotzdem, mal rauszukommen!"
"Seit Sky", sagte Cat. Diesmal war ihr Lächeln echt.
"Ja. Ich hoffe, du findest eines Tages auch so einen Menschen, Kleines."
"Bestimmt", antwortete sie, auch wenn sie eher vom Gegenteil überzeugt war.
Die Narben auf ihrer Seele waren zu groß, um noch Platz für eine große Liebe zu lassen.
Sie beendeten das Gespräch und Cat zog die Kopfhörer ihres Handys aus der Tasche, um ein wenig Musik zu hören.
Motivationsmusik, nur nichts mit Herzschmerz. Sie entschied sich für eine alte Playlist. Destiny's Child, Beyoncé, Pink. Powerfrauen, die alles völlig ohne fremde Hilfe schafften.
Geraume Zeit später spürte sie eine leichte Vibration des Tisches und öffnete die Augen. Ihr gegenüber saß Alex, der sich gerade für den Kaffee bei der Bedienung bedankte.
Cat richtete sich auf und riss sich die Kopfhörer aus den Ohren.
"Was machst du hier?", fragte sie und konnte mit dem Lächeln, das um seine Mundwinkel spielte, absolut nichts anfangen.
Vor allem weil es das erste Lächeln seit sieben Jahren war, das sie von ihm sah.
"Lass dich nur nicht bei deinem wichtigen Termin stören, ich trinke nur einen Kaffee auf dem Nachhauseweg."
"Sarkasmus steht dir nicht", antwortete Cat und hasste sich selbst, weil sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden.
Alex zuckte die Schultern. "Weglaufen steht dir nicht, und du machst es trotzdem."
Cat rieb sich emotional erschöpft über die Stirn. "Unser Gespräch gestern hat doch mehr als deutlich gezeigt, dass es keinen Sinn hat."
Er schwieg, was Cat dazu veranlasste aufzusehen. Unbewegt und durchdringend musterte er sie.
"Vielleicht bin ich jetzt geneigt, dir zuzuhören." Er beobachtete sie mit schräg gelegtem Kopf.
Diesmal war es an Cat zu schnauben. "Aus irgendeinem verrückten Grund scheinst du anzunehmen, dass ich hier die Böse bin!"
ALEX
Je länger er Cat um sich hatte, desto verwirrter war er. Ihre Art, ihre Aussagen, ihre Gefühlslagen … nichts passte so wirklich zusammen.
Aber das und die Tatsache, dass er sie seit sieben Jahren nicht aus seinem Kopf bekam, egal was er machte, veranlassten ihn dazu, sich mit ihr und diesem schmerzhaften Thema auseinanderzusetzen.
"Nachdem du es warst, die mich betrogen hat, gehe ich davon aus, dass du die Böse bist, ja."
Sie sah aus, als hätte er sie geschlagen, dabei hatte er einfach nur einmal ausgesprochen, was seit so langer Zeit zwischen ihnen stand.
Ganz langsam schüttelte sie den Kopf und wühlte dann in ihrer Handtasche.
Verwirrt und neugierig zugleich, beobachtete er sie schweigend dabei, wie sie ihren Geldbeutel hervorholte und fünf Euro unter ihr Wasserglas legte.
"Was hast du vor?", fragte er mit zusammengezogenen Augenbrauen.
"Ich gehe."
"Du kannst nicht jedes Mal abhauen, wenn es unangenehm wird, Cathrin!" In ihm brodelte es. Sie konnte ihn nicht einfach so anfüttern und dann im Regen stehen lassen.
"Alexander." Sie sprach seinen Namen aus wie ein Schimpfwort. "So lange du mir wahllos Beleidigungen an den Kopf wirfst, sehe ich keinen Grund, mich mit dir zu unterhalten."
Er lehnte sich nach vorn und stützte die Unterarme auf dem Tisch zwischen ihnen ab. "Was ist daran eine Beleidigung? Ich lege nur Fakten auf den Tisch. Du hast mit Bastian geschlafen, kaum dass ich ins Flugzeug gestiegen bin!"
Sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. "Wie zum Teufel kommst du nur auf diese Idee?"
Ihre Reaktion verwirrte ihn nur noch mehr. "Ryan hat es mir gesagt."
Sie schüttelte den Kopf und stand auf. "Wenn es das ist, was zwischen dir und einem Besuch bei deinem ältesten Freund steht, kann ich dich beruhigen. Es ist nicht wahr. Ich habe nie mit Bastian geschlafen … weder vor noch nach dir."
Alex fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. In ihrer Stimme lag kein Zögern, der Ausdruck in ihrem Gesicht war bitterernst.
Sie hatte keinen Grund, ihn jetzt noch zu belügen, oder? Sie würde nicht so reagieren, wenn es ihr nur um Ryan gehen würde.
Als er den Blick wieder hob, war sie schon am Ende der Straße angelangt. Sie ging einfach und ließ ihn mit seinen absolut chaotischen Gedanken zurück.
Er könnte ihr nachlaufen, aber er brauchte Zeit, um nachzudenken. Er wusste schließlich, wo er sie finden konnte, wenn er zu einem Entschluss gekommen war.
CAT
Ihre Gedanken rotierten, als sie sich auf den Rückweg zum Hotel machte.
Alex war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass sie ihn mit Bastian betrogen hatte.
Aber machte das einen Unterschied? Er hatte sich schließlich schon weit vor dem Gespräch von Ryan und ihr nicht mehr bei ihr gemeldet.
Über vier Wochen Funkstille und dann sollte ihn diese Halbwahrheit, die sie Ryan aufgetischt hatte, so verletzt haben, dass er sieben Jahre später immer noch mit diesem Thema anfing?
Daran glaubte sie nicht.
Sie schüttelte den Gedanken ab. Es ging hier schließlich nicht um eine Versöhnung zwischen ihr und Alex, dafür war einfach zu viel passiert. Es ging rein darum, dass Mr. Altera sich wohl genug fühlte, um Ryan zu besuchen. Damit wäre Cats Job erledigt.
In der Zwischenzeit musste sie nur ihre eigenen aufgewühlten Gefühle irgendwie in den Griff bekommen. Alex weckte so viele Emotionen auf einmal in ihr, dass sie diese kaum noch verarbeiten konnte.