4,99 €
Wenn du die Hölle hinter dir hast, würdest du erneut vertrauen? Sandros Prioritäten sind klar: Loyalität zu seiner Familie, schnelle Autos und leichte Frauen … bis die Eine auf seinem Schoß landet und alles durcheinanderbringt. Seit er Emily das erste Mal gesehen hat, ist ihm klar, dass sie etwas ganz Besonderes ist. Ein Blick in ihre großen, verletzlichen Augen und er wusste, dass er sie will. Nur welche Dämonen in ihrer Vergangenheit schlummern, hat er nicht erwartet. Doch aufgeben ist für den Bad Boy aus Boston keine Option – er wird um ihr Herz kämpfen. Die Partyprinzessin Emily gibt alles, um ihr altes Leben hinter sich zu lassen und eine fröhliche Fassade aufrechtzuerhalten. Es kommt gar nicht infrage, Sandro an sich heranzulassen, und sie stößt ihn immer wieder weg. Wer wird siegen? Kopf oder Herz? Vergangenheit oder Zukunft? Boy falls first – Broken Hero Lovestory, die euch wieder einmal mit in die Clique von Fire&Ice entführt. Schlagfertige Protagonisten, Spannung, Humor und ein Schuss Drama runden den nächsten Fire&Ice-Band ab. Auch von euren Lieblingscharakteren werdet ihr die ein oder andere Neuigkeit erfahren.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Inhaltsverzeichnis
Fire&Ice
Vorwort zur Reihe
PROLOG
1 PARTY
2 TAG DANACH
3 NOCH MAL
4 MEHR
5 NEUES LEBEN
6 ZWISCHEN UNS
7 ZUSAMMEN
8 FAMILIE
9 EPILOG
10 Bonuskapitel
BOSTON FIREFIGHTERS
TRIGGERWARNUNG
Band 21
Sandro Costa
Allie Kinsley
Bereits erschienen:
Fire&Ice 1 – Ryan Black
Fire&Ice 2 – Tyler Moreno
Fire&Ice 3 – Shane Carter
Fire&Ice 4 – Dario Benson
Fire&Ice 5 – Brandon Hill
Fire&Ice 5.5 – Jack Dessen
Fire&Ice 6 – Chris Turner
Fire&Ice 6.5 – Gregor Zadow
Fire&Ice 7 – Logan Hunter
Fire&Ice 7.5 – Jonas Harper
Fire&Ice 8 – Julien Fox
Fire&Ice 9 – Luce Suarez
Fire&Ice 10 – Joey Parker
Fire&Ice 11 – Matthew Fox
Fire&Ice 12 – Fabio Bellini
Fire&Ice 13 – Alex Altera
Fire&Ice 14 – Taylor Falk
Fire&Ice 15 – Dave Cooper
Fire&Ice 16 – Juan Garcia
Fire&Ice 17 – Alessio Lopez
Fire&Ice 18 – Jason Shaw
Fire&Ice 19 – Bonuskapitelbände
Fire&Ice 20 – Tyson Blackwell
Fire&Ice 21 – Sandro Costa
Weil wir wir sind (Sweet like Candy)
Protect Me 1 – 8
Dangerous Love –Sammeband 1+2
New York Bad Boys – Yearn for Adam
New York Bad Boys – Yearn for Slade
New York Bad Boys – Yearn for Deacon
New York Bad Boys – Yearn for Liam
New York Bad Boys – Yearn for Nick
Wir sind mehr als Liebe – Curley
Wir sind mehr als Liebe – Riaz
Wir sind mehr als Liebe – June
Wir sind mehr als Liebe – Elyas
Wir sind mehr als Liebe – Damien
Hollywood Badboys 1 – Dylan
Hollywood Badboys 2 – Nate
Hollywood Badboys 3 – Sean
Hollywood Badboys 4 – Lucas
Hollywood Badboys 5 – Conner
Hollywood Badboys 6 – Davy
Boston Billionaires 1 – Boss Love
Boston Billionaires 2 – Nerd Love
Boston Billionaires 3 – Lost Love
Gemeinschaftsprojekte:
Cinderella 1&2
Snow White
Single Bells – Ein Professor zum Verlieben
Big Four – Ein Anwalt zum Küssen
Alaska Love – Ein Arzt zum Verlieben
Ein Milliardär zum Verlieben
Zweite Chance am ersten Advent
Philadelphia Pucks – Caden&Paris
Philadelphia Pucks – Orlando&Alice
Philadelphia Pucks – Lincoln&Page
Ein Touchdown für Emmi
Ein Center für Romy
Ein Cornerback für Stella
Ein Tight End für Jacy
Shelter Love – Big Boss im Welpenglück
Irish Guys – Irland, Träume und ein CEO
Texas Love
Kiss me in January
Boston Firefighters 1 – Vom Feind gerettet
Boston Firefighters 2 – Eine zweite Chance für den Feuerwehrmann
Boston Firefighters 3 – Eine Fakebeziehung mit dem MMA-Kämpfer
Copyright © 2024 Allie Kinsley
All rights reserved.
SW Korrekturen e.U., www.swkorrekturen.eu
Cover Foto: bigstockphoto.com, ID: 120349481, I T A L O
Mir ist es wichtig, dass all meine Fire&Ice-Bücher unabhängig voneinander gelesen werden können. Das ist eigentlich nicht schwer, da alle Geschichten weitestgehend in sich abgeschlossen sind. Die Figuren kommen natürlich in allen Bänden immer einmal wieder vor.
Also nicht erschrecken, wenn euch der ein oder andere Name nichts sagt. Gerade an großen Festivitäten erwähne ich viele Menschen aus den vorangegangenen Bänden, damit die Fans dieses Paars wissen, was es bei ihnen so Neues gibt. Wenn ihr wissen wollt, wohin diese Protagonisten gehörten und in welchem Band sie ihre große Liebe gefunden haben, dann schaut euch doch mal den kleinen Fire&Ice-Stammbaum an.
Nach mittlerweile zehn schönen Jahren mit Fire&Ice gibt es natürlich auch einige Kinder. Ob sie irgendwann ihre eigene kleine Spin-off-Reihe bekommen werden? Vielleicht.
Um bei allen Neuigkeiten immer auf dem aktuellsten Stand zu sein und regelmäßig kostenlose Fire&Ice-Bonuskapitel zu lesen, meldet euch am besten bei meinem Newsletter unter www.allie-kinsley.de an.
SANDRO
Tagelang war Emily einfach verschwunden. Untergetaucht und Sandro hatte sich verdammt noch mal Sorgen darum gemacht, wo zum Teufel sie abgeblieben war. Es hätte alles Mögliche passiert sein können … seit Piper glaubte er nicht mehr dran, dass irgendjemand vor Rafas Gang sicher war.
Schlussendlich war sie aber nur abgetaucht, ohne irgendjemandem ein Wort zu sagen. Dafür würde er sie eigenhändig erwürgen!
In den vergangenen beiden Jahren hatte er einiges mitgemacht. Zwischen ihm und Emily hatte sich eine Art Katz-und-Maus-Spiel entwickelt. Heiß und kalt, wie Fire&Ice.
Phasenweise hatte es ihn frustriert, manchmal belustigt und manchmal erst so richtig heiß gemacht … zumindest in den Phasen, in denen sie nicht mit einem anderen Kerl geflirtet hatte. Denn das hatte ihn von Anfang an in den Wahnsinn getrieben. So sehr, dass er sich sogar mit einem seiner besten Freunde geprügelt hatte.
Ebenjener saß nun neben ihm und war mit ihm zusammen auf der Suche nach Emily. Sie war in einem Kaff, ein wenig unterhalb von Philadelphia, wenn man Matthews Stalkingkünsten vertraute.
Bei Freunden … wenn man Emily glauben konnte. Aber um ehrlich zu sein, tat Sandro das nicht. Nicht diesmal … nicht nach dem, wie sich Emily in den letzten Wochen verhalten hatte.
Zuletzt hatte er sie mit einem Kerl in Chris Chase Club gesehen, bei dem Sandros Alarmglocken sofort angesprungen waren. Er kannte ihn nicht, aber etwas an ihm stank drei Meilen gegen den Wind nach Ärger. Als Emily sich kommentarlos vor ihm in den VIP-Bereich geflüchtet hatte, war Sandro klar gewesen, dass sie diesen Scheißkerl loswerden mussten.
Chris hatte dafür gesorgt, dass er vor die Tür gesetzt wurde. Gott sei Dank, denn sonst hätte Sandro es selbst getan und wahrscheinlich mit der Konsequenz, dass das Ganze in eine Schlägerei ausgeartet wäre.
In der Woche nach diesem Vorfall war Emily noch merkwürdiger als sonst.
Und schließlich … ganz abgetaucht.
Bis zum heutigen Tag. Heute würde er sie wiederfinden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten sie endlich dieses kleine unsägliche Kaff erreicht, in dem Amber und Matthew behauptet hatten, dass sie Emily finden würden.
Es war nicht riesig, aber groß genug, dass es eine Weile dauern würde, Emily dort aufzustöbern.
Amber hatte darauf hingewiesen, dass Emily nicht gefunden werden wollte, dass sie ihre Ruhe wollte, um mit sich selbst ins Reine zu kommen.
Von wegen. Fuck off! Das kam so was von überhaupt nicht infrage!
Es interessierte ihn einen Scheiß. Nach dem Abgang und allem, was davor passiert war, würde es keine Schonfrist mehr geben. Ende der Diskussion!
Eine Weile fuhren sie planlos umher, bis sie ein kleines Motel fanden. Er teilte sich ein Zimmer mit Sonny, der ihm bei diesem Trip Gesellschaft leistete.
"Lass uns mal die Pubs abgehen, unterwegs was essen und trinken, und dabei können wir gleich die erste Suchrunde starten", schlug Sandro vor. Er war nervös und konnte es kaum erwarten, sie endlich wiederzusehen.
So ging es ihm immer bei Emily. Etwas an ihr zog ihn einfach magisch an und nach den letzten Tagen war es schlimmer denn je.
Anstatt endlich loszufahren, tippte Sonny wieder einmal in seinem Handy herum. Die ständigen Nachrichten mit Eliza gingen ihm langsam auf die Nerven. Sie war doch gut aufgehoben dort oben in Philadelphia. Im Gegensatz zu Emily, die sie lieber suchen sollten.
"Also es gibt zwei Pubs, die sich vielversprechend anhören. Außerdem ein Diner und eine Bar", unterbrach Sonny seine Gedanken und zeigte ihm dann eine Karte des Ortes, die er wohl gerade auf dem Handy herausgesucht hatte.
"Lass uns in der Bar anfangen", murmelte Sandro.
Sonny nickte und steckte das Handy zurück in seine Tasche, machte aber keine Anstalten, sich zu bewegen.
Einige Sekunden hielt Sandro es aus, dann sprang er auf die Füße.
"Okay, los geht's", sagte er, zog sich seine Jacke über und eilte aus dem Zimmer.
Mit dem Auto fuhren sie die Straße hinunter zu dem Pub, das schon von Weitem total assi aussah. Eigentlich so gar nicht Emilys Geschmack … aber wer wusste im Moment schon, was in seinem Mädchen vor sich ging.
Und ja, sie war sein Mädchen. War es schon immer gewesen. Ganz egal, wo sie im Moment standen und wie oft er ihr gern den Hals umdrehen würde. Heute zum Beispiel würde er keine Garantie für seine Hände geben.
In dem dunklen Raum war es stickig. Es stank nach schalem Bier und altem Zigarettenrauch … und Dingen, über die Sandro lieber gar nicht nachdenken wollte.
Das Pub war gut besucht und sie mussten sich durch die Menge drängen, um zum Tresen zu kommen. Dort erhoffte er sich Antworten.
Schon auf dem Weg dorthin zog er sein Handy hervor und öffnete eines der Bilder von ihr, das er dort hütete wie einen Schatz.
Sie war bildschön. Alles an ihr. Von den langen, braunen Locken, die ihr ovales Gesicht umrandeten, zu den schräg stehenden dunkelbraunen Augen, die ihn stets so herausfordernd ansahen.
Er liebte die kleine gerade Nase und die hohen Wangenknochen, die sie ein klein wenig arrogant wirken ließen. Genauso die vollen Lippen, die sie immer zu einem spöttischen Lächeln verzog, wenn er mit ihr flirtete.
Mit über eins siebzig war sie eine große Frau, aber das störte ihn nicht im Geringsten. Er war knapp eins neunzig und durch ihre schlanke, fast schon dünne Figur wirkte sie noch immer klein neben ihm.
Alles an ihr war perfekt für ihn und er würde sie sich zurückholen, so viel war sicher.
Am Tresen angekommen, zeigte er Emilys Bild dem Typen neben sich. "Hast du diese Frau schon einmal gesehen?"
Der Typ musterte das Bild und schüttelte dann den Kopf, ehe er sich wortlos abwandte und einen Schluck von seinem Bier nahm.
"Kann ich euch helfen?", fragte der Barkeeper, ein junger Kerl Mitte zwanzig. Groß, kräftig, weiß. Die Sorte Mann, mit der Emily von Zeit zu Zeit flirtete. Allein der Gedanke ließ die Wut in Sandro hochkochen.
Sonny nickte. "Zwei Corona, bitte."
Nachdem der Typ die Flaschen aufgemacht und auf den Tresen gestellt hatte, zeigte Sandro beinahe widerwillig auch ihm das Foto von Emily.
"Haben Sie diese Frau schon mal gesehen?", fragte er.
Für eine Millisekunde weiteten sich die Pupillen des Typen.
Volltreffer!
Doch dann zögerte der Barkeeper einen Moment zu lange und schüttelte den Kopf.
"Neinnn", sagte er zögerlich.
Sandro hatte das Zögern sofort bemerkt. Er kannte sie! Fuck!
Blitzschnell griff er über den Tresen hinweg und packte den Kerl am Shirt und zog ihn näher zu sich. Er würde ihm den Schädel abreißen, wenn er nicht sofort mit den Informationen herausrückte.
"Du hast sie gesehen, Mann. Wo zum Teufel ist sie?", knurrte er mit einer Stimme.
Der Typ schluckte sichtlich und die Unsicherheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Alter, ich weiß nicht mal, wer ihr seid. Ich werde bestimmt niemanden verraten, der nicht gefunden werden will", stammelte der Kerl mutig, obwohl man die Panik in seinen weit aufgerissenen Augen nur allzu gut sah.
"Du wirst tun, was ich dir sage", knurrte Sandro, packte mit seiner zweiten Hand in den Nacken des Barkeepers, drückte zu. Notfalls würde er es auch aus ihm herausprügeln.
Der Kerl wimmerte leise. Was für ein verdammtes Weichei.
"Wo zum Teufel ist sie oder ich brech dir dein Scheiß-Genick", sagte Sandro so bedrohlich tief.
Die umstehenden Kerle nahmen ein wenig Abstand. Noch mehr Weicheier!
Schließlich nickte der Barkeeper zögerlich.
"Oben, Zimmer sieben", presste er hervor.
Für einen Moment setzte Sandros Herz aus, nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit wieder einzusetzen. Sie hatten es geschafft. Sie hatten sie gefunden.
"Herzlichen Dank", sagte Sandro, aber seine Stimme klang eher nach einer Warnung als nach einem Danke.
Sonny warf zwanzig Dollar auf den Tresen und schnappte sich die beiden Corona-Flaschen, dann gingen sie gemeinsam durch die Menge in Richtung Treppe, die nach oben führte.
Sandro nahm ihm eine Flasche ab und trank einen Schluck von dem Bier, ehe er die Treppen nach oben ging. Er konnte nicht mehr warten. Wollte sie endlich wiedersehen.
"Ich warte hier", sagte Sonny am Treppenabsatz und nahm Sandro die Flasche ab.
Dankbar nickte Sandro. Er wollte dieses Gespräch lieber unter vier Augen führen, denn er hatte keine Ahnung, wo es enden würde.
Er folgte den Türen bis zur Nummer sieben am Ende des schlecht beleuchteten Flurs. Sein Herz raste und seine Hände waren schweißnass. Er hatte keine Ahnung, was ihn dort erwarten würde. Ein anderer Kerl? Dann würde er ihn leider umbringen.
Energisch hämmerte er gegen das Türblatt, und als Emily schließlich öffnete, schob er sich sofort in den Raum, noch ehe sie ihm die Tür vor der Nase zuschlagen konnte.
"Was …?!", stieß sie erschrocken aus, doch Sandro achtete nicht auf sie. Er scannte den Raum mit seinem Blick, während er die Tür hinter sich ins Schloss warf.
Als er sich sicher war, dass sie allein waren, wandte er sich Emily zu.
Sie war so schön wie immer. Sah irgendwie fertig und abgekämpft aus. Aber sie war so unfassbar schön. Alles in ihm schrie danach, sie in seine Arme zu ziehen. Sie dann zu schütteln, nur um sie anschließend wieder festzuhalten.
Nachdem er sich mit einem weiteren Blick versichert hatte, dass es ihr gut ging, gab er dem Drang nach und zog sie an sich.
Er sagte nichts. Hielt sie einfach nur fest.
Sie roch falsch. Nicht nach ihren typischen teuren Shampoos und Parfüms, sondern nach billiger Seife und diesem unsäglichen Ort.
Einen Moment lang stand sie ganz steif da, dann versuchte sie auch schon, ihn von sich zu schieben. Ihre dünnen Arme quetschten sich zwischen ihre Leiber und ihre kleinen Hände drückten gegen seine massive Brust.
"Lass mich los, verdammt!", zischte sie, aber er dachte nicht daran, musste sie noch einen Moment lang spüren und sich sicher sein, dass alles okay war.
"Sandro … Mann!", motzte sie und wehrte sich weiter, also ließ er sie ein Stück los, nur um sie dann zu schütteln.
"Was zum Teufel denkst du dir dabei!", knurrte er. "Alle haben sich um dich Sorgen gemacht!"
"Ich bin ein großes Mädchen, niemand muss sich um mich Sorgen machen", zischte sie. "Und du erst recht nicht. Es geht dich einen Scheiß an, was ich tue, wann und wo!"
Sandros Augen verengten sich zu Schlitzen. Sie war so unfassbar stur. Oft liebte er diesen Zug an ihr, aber nach den letzten Tagen hatte er keinen Funken Geduld mehr übrig.
Er wirbelte sie herum, presste sie mit dem Rücken gegen die Tür.
Mit zu Schlitzen verengten Augen fixierte er sie dort und auch seine Arme hielten sie fest. Sie schien wohl verstanden zu haben, dass sie es zu weit getrieben hatte, denn sie starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an.
"Jetzt hör mir mal gut zu. Es ist mir scheißegal, was in deinem süßen Kopf so vor sich geht, aber es geht mich sehr wohl was an. Uns alle. Du hast Freunde in Boston, die dich wirklich mögen. Freunde, die sich in den letzten Tagen den Arsch aufgerissen haben, um dich zu finden, und du bist ihnen gegenüber einfach nur respektlos!"
Er hörte sich an wie Luce und im Moment war er sich nicht sicher, ob er das gut oder schlecht finden sollte.
Luce war sein Mentor, seit er ihn aus dem Dreck der Gang gezogen hatte. Aber so sein wie er, wollte Sandro nie.
Emilys Körper wurde auf eine andere Art steif, eine, die Sandro ein wenig aus dem Konzept brachte. Sie kämpfte nicht mehr, sondern schien fast schon Angst vor ihm zu haben.
Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen und bemerkte dann auch ihre flache Atmung. Einige Male blinzelte er und versuchte krampfhaft, seinen Ärger hinunterzuschlucken.
Dann beugte er sich einfach nach vorn und küsste federleicht ihre kalten Lippen. Keine Reaktion. Nichts. Wie eingefroren.
Fuck.
"Geh jetzt. Pack deine Sachen. Wir fahren nach Hause", murmelte er und ließ sie los.
Sie scheuerte ihm keine für den Kuss. Gab keine Widerworte. Nichts. Sie ging einfach mit steifen Bewegungen durchs Zimmer und Sandro beobachtete sie dabei, wie sie ihre Sachen packte.
Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Aber er konnte den Finger nicht darauf legen.
Wenn sie zu Hause waren, würde er es herausfinden und dann würde die Sachen zwischen ihnen endlich ins Reine kommen.
Es gab keine Alternative.
EMILY
"Okay, damit haben wir alle Unterlagen unterschrieben und du kannst am Montag deine neue Stelle antreten", sagte Shane Carter.
Der sympathische Mittdreißiger war eigentlich CEO bei JB-Industrials, der Firma, die Ryan Black gehörte. Wahrscheinlich würde er sich sonst nicht um diese banalen Personalthemen kümmern, aber er gehörte zu ihrem Freundeskreis und hatte wohl deshalb ihre Einführung übernommen.
Über ihre Freundin Fay und ihre gemeinsame Vorliebe für Mittelalterfestivals waren die beiden Cliquen ineinander verschmolzen. Und zwar im größeren Stil, als sie es sich jemals hätte ausmalen können, denn mittlerweile waren alle Freundinnen mit einem der Typen von Fire&Ice liiert. Alles hatte damals angefangen, als Fay verzweifelt und heulend in einem Drugstore in Taylor Falk gestolpert war.
Emily schmunzelte bei dem Gedanken, wie verzweifelt Fay an diesem Tag gewesen war und wohin das alles schlussendlich geführt hatte.
Fay war nun mit der Liebe ihres Lebens zusammen und mittlerweile sogar das zweite Mal schwanger von ihm.
Als wäre das der erste Dominostein in ihrer aller Leben gewesen, waren die Ereignisse ins Rollen gekommen. Mina war mit dem Arzt der Truppe, Dave Cooper, zusammen. Amber hatte sich den heißen Latino Juan geschnappt. Madlyn war wohl mit dem talentiertesten Tätowierer Bostons zusammen und Alessio hatte daraufhin nicht nur einen wirklich guten Job bei Joey ergattert, sondern mittlerweile sogar seine Freundschaft zu Tyson retten können.
Auch für ihn gab es da eine 360-Grad-Wende in seinem Leben. Vom Typen, der kurz vor dem Absturz stand, weil seine Freundin ermordet worden war, hin zu dem Kerl mit der neuen großen Liebe und einem Job bei der örtlichen Feuerwehr.
Dieser Gedanke ließ sie grinsen. Vom Feuerspucker zum Feuerwehrmann.
All ihre Leben waren so irgendwie in die richtigen Bahnen gelenkt worden. Alle außer ihr eigenes verkorkstes Dasein.
Sie war noch immer allein … nun auch ohne ihre Freundinnen, denn diese waren ja ständig mit ihrer großen Liebe zusammen. Der einzige Vorteil war, dass sie einen Platz in der Jungs-WG ihrer Clique gefunden hatte.
Am Anfang hatte es sich merkwürdig angefühlt, aber mittlerweile kam sie ganz hervorragend zurecht mit Davin und Mase. Also so hervorragend, wie sie nun mal zurechtkommen konnte nach ihrem letzten Absturz, aber darüber wollte sie im Moment nicht nachdenken, nicht über ihre Vergangenheit, nicht über ihren Ex-Freund und nicht darüber, was immer passierte, wenn sie in seinen Dunstkreis kam.
Sie wollte nach vorn schauen, das hier, dieser Job als Social-Media-Managerin bei JB-Industrials, war der erste Schritt in eine richtige Richtung. Sie wollte ihr Leben auf die Reihe bekommen, wollte sich selbst mit der Hilfe ihrer Freunde aus diesem Sumpf ziehen, der sie seit Jahren gefangen zu halten schien. Sie wollte es ebenfalls schaffen und hey, wenn ein Kerl wie Tyson das auf die Reihe bekommen konnte, dann musste es doch auch für sie möglich sein, oder? Sie musste sich nur von den falschen Leuten fernhalten und sich auf sich selbst konzentrieren.
"Vielen Dank für diese Chance", sagte sie lächelnd an Shane gewandt und streckte ihm eine Hand entgegen.
Dieser lächelte ebenfalls und nahm ihre Hand an. "Wir alle hatten mal jemanden, der uns eine Chance gegeben hat." Er zuckte mit den breiten Schultern und bedeutete ihr, in Richtung Tür zu gehen. "Hätte ich Ryan damals nicht getroffen, dann wäre ich heute auch nicht hier", antwortete er lächelnd und öffnete ihr die Tür.
Sie gingen den Gang entlang, in dem geschäftiges Treiben herrschte. In einem der nur durch Glas verkleideten Vorzimmer sah sie Tina sitzen, die gerade Unterlagen Brandon Hill überreichte. In einem anderen Büro mit Glaswänden saß Jason Shaw und unterzeichnete dort Unterlagen, die Amber ihm gerade reichte. Diese Firma war so unglaublich groß und trotzdem fühlte es sich an, als würde ihre halbe selbst gewählte Familie hier arbeiten. Shane drückte auf den Aufzugknopf und dieser öffnete sich nur Minuten später. Lächelnd entdeckte sie dort Ty, Nina, die beiden Mädchen Bella und Vanessa sowie Dario Benson. Der Iceman war phasenweise noch immer zuständig für die Sicherheit der Morenos. Auch wenn Nina sich mittlerweile ein wenig Freiheit bei ihrem übergroßen Beschützer erkämpfen konnte.
"Hey, ihr Süßen", sagte Shane, bückte sich und nahm die kleine Bella auf den Arm.
"Onkel Shane", sagten sie freudestrahlend und warfen ihre dünnen Ärmchen um seinen breiten Hals des CEOs. Die Mädchen plapperten sofort drauflos, ganz anders als ihre eher stillen Eltern.
Emily nickte allen freundlich zu und beobachtete die Konversation, sofern man das so nennen konnte. Eigentlich plapperten nur die kleinen Mädchen auf Shane ein und verlangten, dass er zusammen mit seinem Sohn Noa und seiner Tochter Aria auf ein Spieldate vorbeikam.
Ty legte nur stumm einen Arm um Nina und zog diese näher an sich, damit alle genügend Platz im Aufzug hatten. Der Hüne hatte stets etwas Grimmiges an sich, diese unterschwellige Kraft, die einem sagte, dass man sich nicht mit ihm anlegen sollte.
Er erinnerte sie ein Stück weit an Luce und an Sandro, den Kerl, an den sie überhaupt nicht denken sollte, denn er passte absolut nicht in ihr neues Leben. Eigentlich passte gar kein Mann in ihr neues Leben, aber wenn sie sich einen aussuchen sollte, der dort absolut nichts zu suchen hatte, dann wäre es wohl Sandro.
Der Aufzug hielt im Erdgeschoss und Shane übergab das kleine Mädchen an Tyler Moreno.
"Wir fahren in die Tiefgarage", sagte dieser dann und nickte Shane und Emily zu.
Nina winkte und auch Dario verabschiedete sich, als sie beide aus dem Aufzug traten. Gemeinsam durchquerten sie die Lobby hin zu den großen Glastüren, die hinaus in den dichten Bostoner Verkehr führten. Das war er also. Ihr neuer Arbeitsplatz. Sie konnte es noch immer nicht wirklich fassen.
"Danke", sagte sie erneut an Shane gewandt und reichte ihm zum Abschied die Hand.
Er nickte und sah auf einmal ernster aus als in der gesamten letzten Stunde.
"Wenn man gute Freunde hat, bekommt man gute Chancen", sagte er und musterte sie dabei. "Aber man muss sie auch nutzen, Emily, und das liegt nur in deiner Macht."
Sie nickte, obwohl eine Gänsehaut sie überlief bei seinen ernsten, eindringlichen Worten.
Nachdem sie sich verabschiedet hatte, entschied sie sich dafür, zu Fuß nach Hause zu gehen. Natürlich wäre es mit der Bahn schneller gegangen, aber sie wollte den Kopf freibekommen. Also lief sie durch das rege Treiben am Nachmittag und ließ ihre Gedanken Revue passieren, alles, was in den letzten Jahren passiert war.
Shane hatte recht, sie hatte einen tollen Freundeskreis, in dem sie so viel erreichen konnte. Das zeigten doch die ganzen Schicksale ihrer Freundinnen.
Ob sie es ebenfalls schaffen würde?
Sie wusste es nicht und dafür war alles zu chaotisch, zu verkorkst, zu kaputt.
Sie war kaputt.
Er hatte sie kaputt gemacht.
Schnell schüttelte sie den Gedanken ab und bog an der nächsten Kreuzung rechts ab, lief die Straße hinunter, noch drei Blocks, dann links, bis sie vor dem großen Apartmentkomplex ankam, in dem die WG lag, die sie mit Davin und Mase teilte. Es war keine ganz schlechte Gegend, aber nachts war es ihr schon das ein oder andere Mal gruselig.
Sie sperrte die Tür auf und ging die Stufen nach oben in den dritten Stock. Der Aufzug funktionierte leider seit Jahren nicht mehr, aber so hielt sie sich wenigstens fit und andere zahlten einen Haufen Geld dafür, im Fitnessstudio auf diesen Treppengeräten zu gehen, um einen Knackarsch zu bekommen. Sie bekam ihn gratis.
Schon im Flur, in dem die Tür zur WG lag, hörte sie die Stimmen von drinnen. Leise sperrte sie auf und drückte die Tür auf, entdeckte sofort die Luftballons und die riesige Congratulations-Girlande.
"Herzlichen Glückwunsch", rief Mina ihr zu, deren Kugelbauch so groß war, dass er bald zu platzen schien, und das schon mit dem zweiten Baby, das sie zusammen mit Dave bekommen würde.
Die beiden waren eindeutig fleißig in der Produktion oder sehr fruchtbar. Sie grinste bei dem Gedanken, denn Mina war genau die richtige Person, um die perfekte Mama zu sein – und wenn es sein musste, auch im großen Stil.
Davin kam zu ihr herüber, umarmte sie kurz, dann schlang Mase seine massiven Arme um sie und drehte sie im Kreis.
"Herzlichen Glückwunsch, Kleines", sagte er und sie taumelte, als er sie wieder abstellte.
Sie stolperte genau in Madlyns Arme. Ihre wohl beste Freundin, die sie leider viel zu wenig zu sehen bekam, seit diese mit Alessio zusammen war.
Es fühlte sich gut an, dieses Heimkommen und das Wissen, dass all diese Menschen hier waren, weil sie sie wirklich mochten. Sie mit all ihren Fehlern, ihren Ecken und ihren Kanten.
Die ebenfalls kugelbäuchige Fay nahm sie als Nächstes in den Arm, und dann kam Mina, die sie kaum noch umspannen konnte.
"Erzähl, wie wars?", forderte Fay sie auf, als sie sich alle zusammen auf dem Sofa niederließen und den Kuchen aßen, den Madlyn mitgebracht hatte.
Tias unverwechselbarer Cheesecake. Es war ein eindeutiger Vorteil, dass Madlyn mit Alessio zusammen war, denn so kamen sie an Tias unvergleichlichen Kuchen.
"Wir sollten das feiern", sagte Davin in diesem Moment.
Madlyn zog die Augenbrauen zusammen. "Tun wir das nicht gerade?"
Davin schnaubte. "Das ist Kaffee und Kuchen, ich würde das nicht gerade als eine Party bezeichnen."
"Außer für die Muttis", fügte Mase hinzu und deutete auf die beiden kugelbäuchigen Freundinnen, die sich den Zweisitzer teilten.
"Hey", gab Fay empört zurück und streichelte über ihre etwas kleinere Kugel.
Doch Mina zuckte mit den Schultern. "Ihr habt schon recht, eine Party ist das nicht gerade, aber im Moment ziehe ich eben Kuchen einer Party vor."
Alle lachten und auch Emily stimmte ein, obwohl es sie manchmal traurig machte, dass sich alles so verändert hatte. Es war nicht so, dass sie ein Problem mit Babys hätte, im Gegenteil, sie konnte sich gut vorstellen, irgendwann einmal selbst eine Familie zu haben. Oder sie hätte es sich vorstellen können, wenn dafür nicht ein Mann nötig gewesen wäre. Und ob sie so ein Individuum jemals wieder in ihrem Leben haben wollte, sie wusste es nicht. Vielleicht reichten ihr auch einfach Mase und Davin als männlicher Gegenpart und mehr war gar nicht nötig.
Aber es gab nun mal Tage wie diese oder Geburtstage und andere Anlässe, da störte es sie, dass sich ihre Leben so auseinanderentwickelt hatten. Ihre Freundinnen mit deren Beziehungen und ihren Kindern hatten ganz andere Prioritäten als das, was sie früher zusammen geteilt hatten.
Sie waren immer zusammen gewesen, von Party zu Party, aufgeblieben, bis die Wolken wieder lila geworden waren. Nur um dann zusammen auf ihrer Dachterrasse zu sitzen und dabei zuzuschauen, wie die Sonne die funkelnden Lichter Bostons verdrängte.
Nun ja, Dachterrasse konnte man es nicht gerade nennen, es war eigentlich ein Flachdach auf einem Hochhaus, das gar nicht betreten werden durfte.
Doch es war ihre inoffizielle Dachterrasse, ihr kleiner Rückzugsort. Das bisschen Ruhe, an dem man Sterne sehen konnte, und über ganz Boston hinwegblicken. Es war ihre kleine Oase mitten in diesem Chaos, ein rechtsfreier Raum, in dem sie tun konnte, was auch immer sie wollte. Niemand, der ihr auf die Finger sah, wenn sie sich mal einen Joint drehte oder das ein oder andere Gläschen zu viel trank.
"Ja, eine richtige Party wäre auf jeden Fall mal wieder fällig", stimmte Davin zu und schob sich dann eine weitere große Gabel von dem Kuchen in den Mund.
"Ich wäre für den Chase Club", sagte Mase und Emily nickte zustimmend.
Im Chase Club war eine gute Party eben einfach garantiert und das lag mit Sicherheit nicht nur daran, dass er einer der beliebtesten Clubs Bostons war mit seinen verschiedenen Räumen, in denen die unterschiedlichsten Musikrichtungen gespielt wurden, sondern es lag auch ein Stück weit daran, dass der Besitzer, Chris Turner, Teil der Fire&Ice-Clique war und sie dadurch natürlich einige Privilegien hatten.
Unter anderem, dass man nicht ewig in dieser Schlange stehen musste, um darauf zu warten, ob der Türsteher einen wohl reinlassen wollte oder nicht. Sondern auch der VIP-Bereich, der ihnen allen offen stand, seit ihre Cliquen sich so vermischt hatten.
Sie mochte dieses kleine Plateau, das in der Hip-Hop-Area ein bisschen erhöht am Ende der offiziellen Tanzfläche anschloss. Mit wenigen Stufen konnte man den oberen Teil erreichen, der eine separate kleine Tanzfläche, Ledersofas und eine eigene kleine Bar aufwies.
Zustimmend nickte sie. "Chase Club, ich bin dabei!"
Davin und Mase ebenso wie Madlyn stimmten zu. Und Emily war sich sicher, dass, wenn Madlyn in den Chase Club ging, auch ihr Freund Alessio kommen würde. Dass dieser an diesem Nachmittag nicht hier war, war schon merkwürdig genug. Wenn Alessio ebenfalls kam, dann war die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sandro sich ihm anschloss, aber den konnte sie sich ja einfach wegtrinken, nicht wahr?
Sie musste schließlich nichts mit Sandro Costa zu tun haben, diesem Kerl, der ihrem Ex so unfassbar ähnlich sah. Ein kleines Double fast.
Sie hatte es ihm nie gesagt und auch ihre Freundinnen wussten nichts davon, sie kannten Teile ihrer dunklen Vergangenheit, wussten, dass es mit ihrem Ex schiefgegangen war, aber sie kannten nicht die Details, wussten nicht die schmutzigen Geheimnisse und all den kranken Scheiß, der damals gelaufen war. Sie wussten nichts von all dem und das sollte auch so bleiben, denn Emily wollte diese schwarze Zeit nicht in ihrem neuen Leben.
Ihr Leben war so schon dunkel genug, wann immer sie die Schatten heimsuchten. Dabei wollte sie lieber hier auf der Sonnenseite sein, zusammen mit ihren Freundinnen lecker Cheesecake essen, Partys schmeißen und das Leben genießen. Das war es, was sie wollte, was sie schon immer wollte, und sie würde versuchen, genau das auch zu bekommen.
Hier, mitten in Boston in dieser WG und mit den Mädels um sich herum, die ihre kleinen perfekten Leben so sehr im Griff zu haben schienen.
SANDRO
Manchmal fühlte er sich ein wenig wie das fünfte Rad am Wagen. Aber das lag wahrscheinlich nur daran, dass er sich an die neue Situation noch nicht so richtig gewöhnt hatte.
Früher waren sie vier junge Wilde in Luces Werkstatt gewesen. Juan, Alessio, Tyson und er.
Und heute … nun Juan hatte Amber, Alessio hatte Madlyn und sogar Tyson, der immer am heftigsten und am tiefsten von ihnen allen abgestürzt war, hatte nun dieses kleine zerbrechliche Feenwesen Eliza, von der er niemals gedacht hätte, dass er zu Tyson passen könnte.
Aber um ehrlich zu sein, hatte Sandro sich auch nicht vorstellen können, dass Tyson mal der Typ Mann wäre, der bei der Feuerwehr arbeitete.
Nein, überhaupt nicht. Er passte dort nicht hin mit all den Tattoos und der dunklen Vergangenheit. Aber okay, er schien seinen Job so gut zu machen, dass er heute seinen festen Arbeitsvertrag bekommen hatte. Nichts mehr mit Probezeit und befristet, sondern einen Vertrag für die Ewigkeit, wenn er es nicht auf irgendeine Art und Weise verbocken sollte.
Und genau dieser Vertrag war der Grund, dass sie alle zusammen nun am Eingang des Chase Club standen und den Türsteher Hightower begrüßten.
Die Leute in der Schlange, die dort bestimmt schon eine Ewigkeit anstanden, waren natürlich unzufrieden, dass sie einfach an all ihnen vorbeigingen, sich mit dem Türsteher abklopften und dann ins Innere der beliebtesten Diskothek Bostons gingen.
Sandro hatte die Hände tief in den Hosentaschen seiner weiten Jeans vergraben und den Kopf ein wenig gesenkt, um nicht unbedingt gleich mit dem nächsten Idioten wieder zusammenzurasseln.
Er hatte das magische Talent, Probleme anzuziehen. Warum auch immer. Früher war er damit immerhin nicht allein gewesen, doch schon bereits die Anwesenheit der Freundinnen seiner Kumpels schien auszureichen, um ihnen Ärger vom Hals zu halten.
Okay, um ehrlich zu sein, er selbst war auch nicht gerade ein Kind von Traurigkeit und teilte gerne schneller aus, als es nötig wäre, aber das lernte man nun mal auf den Straßen Bostons, auf denen er fast ein Jahr lang gelebt hatte, bevor Luce ihn aufgegabelt hatte.
Das war mittlerweile fast sechs Jahre her.
Sechs Jahre, in denen Straßenschlägereien sowie Untergrundkämpfe und Drogen ticken für ihn gestrichen waren.
Luces Regeln waren streng, aber sie waren richtig und sie waren gut. Man sah es ja an den anderen, wie gut es funktionierte, wenn man einfach versuchte, ein bisschen auf dem richtigen Weg zu bleiben und sich aus dem Dunstkreis der Gangs fernzuhalten.
Eigentlich hätte er das auch schon vor Luce wissen können, denn immerhin saß sein eigener Vater im Gefängnis, weil er Teil dieser Maschinerie von Rafael gewesen war.
Es war noch nicht allzu viel los im Club, als sie sich durch die noch eher lose Menge schlängelten in Richtung des VIP-Bereichs. Sie stiegen die wenigen Stufen nach oben und dort warteten bereits die ein oder anderen Fire&Ice-Mitglieder auf sie. Unter anderem Jason und Jazz, die Tyson damals die Wohnung über dem Blumenladen überlassen hatten. Matt war da, allerdings ohne seine Schönheitskönigin, und auch Luce, Taylor und Chris selbst hatten sich auf die Ledersofas gefläzt und waren dort in hitzige Diskussionen vertieft.
Beim Näherkommen erkannte er allerdings, dass die Diskussionen nicht ganz so hitzig waren, sondern eher gut gelaunt.
"Hey", sagte Tyson in die Runde und sofort gingen die Gratulationen zum neuen Arbeitsvertrag los.
Chris winkte eine der leicht bekleideten Bedienungen heran und bestellte eine Runde Whisky für alle. Sandro ließ sich auf eines der Sofas im hinteren Teil sinken, denn er hatte keine Lust, in dem Spotlight zu stehen, das Tyson heute zu erleuchten schien.
Früher wäre Sonny der Typ gewesen, der mit ihm hier hinten in der Ecke gesessen hätte, der, der nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen wollte, aber an diesem Tag schien es ihm zu gefallen. Er hatte seinen muskulösen, tätowierten Arm um Eliza gelegt und strahlte in die Runde, als wäre er der Sonnyboy persönlich.
Mein Gott, was Liebe macht, dachte er und schüttelte den Kopf, während er das Glas exte.
Er beobachtete die Szenerie, seine glücklichen Freunde und überlegte, wann zum Teufel er von all dem abgeschnitten worden war.
Früher war er doch der Typ gewesen, der auf jeder Party tanzte, der immer mittendrin oder vorn dabei war. Heute, Jahre später, schien er fast schon griesgrämig und schlecht gelaunt, bedrückt von dem Glück der anderen.
Aber vielleicht kam einem das eigene Leben einfach nur beschissener vor, wenn das der anderen so zu glänzen schien.
Sie alle hatten diesen Raketenflug in die nächste Ebene gemacht, hatten bombastische Jobs, eine Karriere, eine Freundin, manche sogar eine Familie. Sie hatten alles und er hatte nichts.
Okay, nichts war übertrieben, er hatte einen wunderbaren Freundeskreis, einen tollen Job in Luces Werkstatt und dieses Zimmer darüber, das seit so vielen Jahren sein Zuhause war. Mittlerweile hatte er sogar die Bäder für sich allein, denn der Rest der Bande war ausgezogen und nur noch Luce und Tia wohnten ein weiteres Stockwerk über ihm, zusammen mit dem kleinen Maxime, bis die Renovierungen an ihrem Häuschen fertig waren.
Sandro hatte mehr Arbeit denn je und mehr Verantwortung, denn Luce hatte ihm einiges übertragen. Es machte ihn stolz, aber es zeigte ihm auch, wie armselig sein Leben vor Luce wirklich gewesen war.
Er schüttelte den Kopf und ließ sich von dem Mädchen ein weiteres Glas Whisky bringen. Sie war süß, aber eher Vorstadtmädchen-süß mit diesen blonden unechten Haaren und den gefakten Fingernägeln und diesem irgendwie zu breiten Grinsen. Sie hatte keine Klasse, nicht so wie eine andere Frau in seinem Leben, der er gefühlt seit einer Ewigkeit nachrannte und bei der er doch keine Chance zu haben schien.
Emily, nun ja, sie tat alles dafür, ihn von sich zu stoßen, und selbst zu der Zeit, in der sie noch mit ihm geflirtet hatte, hatte er immer das Gefühl gehabt, dass sie es nicht ernst meinte. Dass sie ihn eher als eine Art Spielzeug ansah. Und auch immer nur dann, wenn sie betrunken war. Kaum war sie nüchtern, stieß sie ihn wieder von sich und tat so, als wäre nie etwas gewesen.
Okay, gewesen war wirklich nichts zwischen ihnen beiden, ein Kuss und der Hauch von nichts, den er ihr im Hotel gestohlen hatte. Ein einziger richtiger Kuss in Talin, ein Kuss, der ihn völlig aus seiner Umlaufbahn katapultiert hatte.
Ein Kuss, der seine Welt ins Wanken gebracht hatte. Nur um ihn dann am nächsten Tag mit einem Eimer voll Eiswasser zu übergießen, als wäre es diese lustige Challenge aus YouTube und den sozialen Medien.
Statt der großen Liebe war ihm nichts geblieben außer dem Ärger darüber, sie mit anderen Typen flirten zu sehen oder sie unterhalb von Philadelphia abzuholen, wo sie völlig am Ende abgestürzt war.
Emily war anders und eigentlich sollte er sich von ihr fernhalten, weil er sich ziemlich sicher war, dass er sich wieder und wieder die Finger an ihr verbrennen würde. Aber dennoch wurde er einfach magisch von ihr angezogen, als wäre er eine verdammte Motte ohne Verstand und würde immer weiter in Richtung Licht fliegen, bis er sich an ihr verbrannte.
Seufzend schloss er die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Er hatte so verkackt, so was von verkackt und hatte sein eigenes Leben nicht im Griff. Und schon gar nicht, wenn sie in der Nähe war. Vielleicht war das seine Challenge in diesem Leben, diese Frau zu überstehen, ohne vollkommen den Verstand zu verlieren. Eigentlich müsste er sich ja nur von ihr fernhalten … also eigentlich, denn uneigentlich war sie einfach immer da, weil sie Teil dieser Clique war. Er konnte also entweder zukünftig von all seinen Freunden Abstand halten oder sich weiterhin mit ihr auseinandersetzen.
Er wollte seine Freunde nicht verlieren und um ehrlich zu sein, wollte er sich auch nicht von ihr fernhalten, was ein ziemlich großes Problem war, denn sie gab ihm in regelmäßigen Abständen Arschtritte.
Gewaltige Arschtritte.
Sie gab ihm immer das Gefühl, nicht gut genug für sie zu sein, und egal was er tat und wie sehr er sich anstrengte, für Emily war es nicht ausreichend.
Vielleicht würde es auch niemals genug sein, wer wusste das schon. Schlussendlich würde er es nicht herausfinden, wenn er es nicht versuchen würde. Und das kam nicht infrage, denn er war süchtig nach ihr seit diesem ersten verhexten Kuss.
Er trank einen weiteren Schluck Whisky und musterte die Runde. Alle waren so ausgelassen und glücklich. Sie unterhielten sich und lachten miteinander. Er kam sich vor, als würde er eine Sitcom im Fernsehen ansehen. So viel Glück und Zufriedenheit konnte doch nicht mehr real sein … oder?
Oder war er einfach nur griesgrämig und vollkommen untervögelt?
EMILY
Nach Betreten des Clubs waren sie zielstrebig auf den VIP-Bereich zugesteuert. Zwei Shots und einen Seven Heaven später stand sie bereits zusammen mit Amber auf der Tanzfläche.
"Ich finde es so genial, dass du jetzt auch bei JB-Industrials arbeitest", sagte Amber lachend und warf die Arme nach oben, während sie sich tanzend um sich selbst drehte. "Wir können die Mittagspausen zusammen verbringen."
Emily nickte, aber sie wollte jetzt eigentlich überhaupt nicht über die Arbeit sprechen, sondern einfach nur dieses herrliche Vergessen in dieser Partynacht finden. Das war schließlich das Ziel einer jeden Party, oder? Raus aus dem Alltag, raus aus den Gedankenspiralen und rein in diese Welt, in der alles gut zu sein scheint, in der die Musik und der Alkohol einen fortträgt an einen Ort ohne Sorgen, ohne Gedanken, ohne alles.
Als sie sich um sich selbst drehte, entdeckte sie Sandro in der hinteren Ecke auf einem der Ledersofas. Er beobachtete sie, wie er es immer tat, aus diesen dunklen, beinahe schwarzen Augen, die manchmal so sanft und manchmal so ernst dreinsahen.
Sie kannte diesen Anblick, aber nicht diese Sanftheit in Sandros Augen, ansonsten hätte es auch einfach ER sein können, der dort in der Ecke saß und sie weniger wohlwollend, sondern mehr kritisch betrachtete. Alles an ihr, ihren Körper, ihre Makel, die Art, wie sie sich bewegte und was sie tat. Es war immer falsch, es war alles falsch und die Erinnerung versetzte ihr wieder einmal einen Stich ins Herz.
Sie wandte sich ab und fing Ambers Blick auf.
"Ich hole mir noch einen Drink", sagte sie.
Ambers Augenbrauen zuckten ganz kurz zusammen, aber ihre Freundin wusste nur zu gut, dass sie sowieso keine Antworten von Emily bekommen würde.
An der Bar traf sie auf Mase und Davin, die dort ebenfalls mit Shots beschäftigt waren.
"Ich schließe mich euch an, Jungs", sagte sie und klopfte mit einer Hand auf den Tresen, bis der Barkeeper kam und eine Runde für sie alle brachte.
Ein Shot, dann noch einen. Sie spürte den brennenden Blick in ihrem Nacken, aber sie ignorierte es. Sie wollte nicht darüber nachdenken, wer sie da anstarrte und warum. Sie wollte nichts dergleichen, sondern einfach nur diese herrliche Ruhe in sich selbst finden.
"Und noch einen Seven Heaven", sagte sie zum Barkeeper.
Davin stupste sie leicht in die Seite. "Das ist heute ganz schön Druckbetankung, oder?"
Sie grinste ihn an. "Ich habe einen Grund zu feiern, nicht wahr!"
Er nickte. "Da hast du allerdings recht, Mädchen."
Sie spürte die Wärme, die sich in ihrem Magen ausbreitete. Eine Wärme, die vom Alkohol und nicht von guten Gefühlen kam, das war ihr absolut klar. Aber es war besser als nichts, es war alles, was sie im Moment hatte, und der letzte Ausweg vor all dem, was heute Nacht, wenn sie allein sein würde, mit Sicherheit auf sie einstürzt.
Im Augenwinkel bemerkte sie, dass Sandro ebenfalls an die Bar gekommen war, zusammen mit Tyson und Alessio. Das war ihr Stichwort, sie musste hier weg. Weg von ihm, diesem einen Mann, der ihr wirklich gefährlich werden konnte.
Also exte sie den Rest ihres noch fast vollen Havannas und ging dann zurück auf die kleine Tanzfläche, auf der Madlyn mittlerweile allein tanzte. Emily gesellte sich zu ihr, spürte den dröhnenden Bass unter ihren Füßen und dieser versetzte sie fast automatisch in Bewegung.
Ihre Gedanken umnebelten sich ganz langsam von all den Drinks, die sie sich in der letzten Stunde gegönnt hatte, und sie hieß diesen Nebel willkommen, mochte es, wie er alles ein wenig verwischte und verzerrte. Ein bisschen wie ein Weichzeichner, er machte alles schöner, alles entspannter. Sie bewegte sich zum Takt der Musik, wiegte ihre Hüften, warf die Hände über ihren Kopf in die Luft und drehte sich um die eigene Achse. Bis alles um sie herum verschwommen war, bis sie nichts mehr klarsehen konnte.
Sie konnte nur noch fühlen, die Wärme, die ihren Körper durchströmte, der Schweiß, der ihr auf die Stirn nach den endlosen Tänzen trat und nach dem x-ten Musikstück, die sie schon überhaupt nicht mehr auseinanderhalten konnte.
Sie spürte nur den treibenden Rhythmus der Hip-Hop-Beats, die sie immer weiter vorantrieben und ihr fast schon meditativ zusammen mit dem Alkohol in eine Form von innerer Ausgeglichenheit halfen.
Da war es endlich, dieses selige Vergessen, dieses Nicht-Denken, Nicht-Fühlen, sondern einfach nur sein. Diesen Zustand, den sie so gerne mochte, den sie am liebsten den ganzen Tag über festhalten würde, aber ihr war klar, dass er nicht länger als diese Nacht bleiben würde. Schon am nächsten Morgen wäre alles wieder vorbei und die Realität würde sie einholen.
Bis sie am Abend zurück in den Club ging oder am Mittag hinauf auf ihre Dachterrasse, diesen kleinen Rückzugsort, auf der ihr immer der Wind so herrlich um die Nase pfiff und sie Boston einmal aus einem ganz anderen Blickwinkel sehen konnte.
Hier unten im Club oder dort oben, frei wie ein Vogel, das waren die Orte, an denen sie ihre Träume fand, an denen sie wieder sie selbst sein konnte, ungehemmt, ohne Angst.
Frei.
Entspannt.
Sie wünschte sich in die Zeit zurück, in der das alles für sie normal gewesen war, aber das war es nicht. Das konnte es nicht mehr sein. Er hatte etwas in ihr kaputt gemacht, unwiderruflich.
Und jedes Mal, wenn sie in Sandros Gesicht sah, wurde ihr klarer, dass sie nie wieder zu diesem Punkt zurückkommen konnte.
SANDRO
Ihr dabei zuzusehen, wie sie sich so volllaufen ließ, fiel ihm verdammt schwer, aber es war ihm klar, dass er eigentlich nicht das Recht hatte, sich einzumischen.
Sie war schließlich nicht seine Freundin und wollte es auch gar nicht sein. Sie wollte nichts von ihm, das hatte sie ihm mehr als einmal deutlich gemacht. Und dennoch musste er sich beinahe am Tresen der Bar festhalten, um nicht hinüberzugehen und sie von der Tanzfläche zu ziehen.
Ihre Bewegungen waren nach all den Stunden schon verzögert, sie sah total erschöpft und wirklich betrunken aus. Und selbst in diesem Zustand war sie einfach hinreißend. Sie war so wunderschön. Er vergötterte diesen Körper, der für ihn die absolut perfekte Form hatte.
Sie war hochgewachsen und schlank mit kleinen Brüsten und einem kleinen Arsch, nicht diese übertriebene Kim-Kardashian-Form, sondern so, wie ein kleiner Apfelarsch in seinen Augen sein musste.
Ihre braunen, fast schwarzen Locken fielen ihr über die Schultern. Schwangen im Takt der Musik von links nach rechts, genau so, wie ihre Hüften das taten. Die großen dunkelbraunen, ausdrucksstarken Augen waren getrübt von Alkohol, aber nicht minder schön. Sie hatten diesen leicht asiatischen Touch – katzenartig schräg nach oben gestellt. Augen, die ihn, wann immer sie sich begegneten, aufmerksam beobachteten. Mit einer Mischung aus Furcht und Interesse, Begierde und Abscheu. Er konnte es nicht in Worte fassen.
Was er allerdings in Worte fassen konnte, war diese Eifersucht, die ihn in den Wahnsinn trieb, wann immer sie mit irgendeinem anderen Kerl sprach oder tanzte. Ja, selbst ihre Mitbewohner würde er gerne erwürgen. Und mal ernsthaft: Welche Frau in ihrem Alter lebte in einer WG mit zwei Männern? Es war nicht richtig, es war falsch und er wollte sie umbringen. Allesamt. Anschließend wollte er Emily über seine Schulter werfen und in seine eigene Neandertalerhöhle schleppen.
"Vielleicht solltest du sie nach Hause bringen", sagte Tyson, der neben ihm am Tresen lehnte.
Auch Eliza war auf der Tanzfläche, aber bei ihr sah es wirklich so aus, als hätte sie Spaß. Nicht so wie Emily, die nur vorgab, Spaß zu haben, aber eigentlich etwas ganz anderes suchte.
Sandro knurrte. "Das ist nicht mein Bier, oder?", sagte er, zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck von seinem Whisky.
"Ich glaube, es ist dein Bier, und das ist dir auch klar", gab Tyson zurück.
Sandro warf ihm einen Blick aus dem Augenwinkel zu. "Alter, ich kann sie nicht gegen ihren Willen hier rausschleifen."
"Ich weiß nicht, ob sie im Moment noch einen Willen hat."
Sandro kniff die Augen zusammen und musterte Tyson nun intensiver.
"Seit wann bist du denn Moralapostel geworden?"
Er lachte auf. "Seit mir jemand gezeigt hat, dass das Leben auch lebenswert ist."
Sein Blick fiel auf Eliza, und die Art, wie er sie ansah, versetzte Sandro einen Stich im Herzen.
Emily stolperte und prallte gegen irgendeinen Typen, der hier oben eigentlich gar nichts zu suchen hatte, oder? Das hier war der VIP-Bereich, hier kam niemand rein, der hier nicht rein sollte, also wer zum Teufel hatte diesen Kerl hierhergeschleppt?
Sie lächelte entschuldigend, sagte irgendetwas zu ihm, dann steuerte sie auf die Stufen zu, die nach unten in den allgemeinen Hip-Hop-Bereich führten.
Sandro stieß sich vom Tresen ab, noch ehe er darüber nachdenken konnte, und folgte ihr die Stufen nach unten. Sie schlängelte sich durch die Menge und er blieb ihr mit etwas Abstand auf den Fersen, einfach nur, um zu sehen, was sie vorhatte, und auf sie aufzupassen.
Ganz egal, was er zu Sonny gesagt hatte, er hatte das Gefühl, dass das seine Aufgabe war, und zwar schon ziemlich lange. Sie steuerte auf den Hinterausgang zu, der in einem kleinen Außenbereich mündete, der für Abkühlung und die Raucher vorgesehen war.
Sie schob sich an einer Gruppe junger Männer vorbei, die sie angrinsten und anzügliche Dinge nachriefen, zumindest so lange, bis sie Sandro bemerkten, der sie finster anstarrte. Dann stolperte sie nach draußen und lehnte sich direkt neben dem Ausgang an die Wand. Sie atmete schwer und wirkte etwas zittrig auf den Beinen.
Ob ihr die frische Luft wirklich guttun würde, konnte er nicht beurteilen. Innerlich war er hin- und hergerissen, ob er zu ihr gehen sollte oder sie in Ruhe lassen musste und sie einfach nur aus der Ferne beobachten, um darauf aufzupassen, dass keiner dieser Vollspacken sie ansprach.
Aber es dauerte nur wenige Sekunden, bis der erste schleimige Typ neben ihr auftauchte und in Sandro das Biest weckte. Er wollte ihm die Fresse polieren, hier und jetzt. Wie zum Teufel kam er auf die Idee, eine sichtlich betrunkene Frau in einem Club anzuquatschen. Er konnte nichts Gutes im Sinn haben und selbst wenn, er hatte nicht mit ihr zu reden. Emily gehörte ihm, ihm ganz allein und er würde jedem Einzelnen dieser Idioten die Finger abhacken, wenn sie sie auch nur nach ihr ausstreckten.
Als der Typ sich lächelnd mit dem Unterarm über ihrem Kopf an der Wand abstützte und sich zu ihr beugte, knallten bei Sandro endgültig die Sicherungen durch. Er ging hinüber, stieß den Typen zur Seite, bis dieser rückwärts taumelte und ihn fassungslos ansah.
"Verzieh dich!", knurrte Sandro und blickte ihn mit mörderischen Blicken an.
Erst wollte der Typ protestieren, das sah er ihm im Gesicht an, aber dann entdeckte er wohl, wie ernst Sandro es wirklich meinte, hob die Hände zu einer beschwichtigenden Geste und trat einen Schritt zurück.
"Schon klar, Alter. Ich wusste ja nicht …"
"Du weißt einen Scheiß", antwortete er, "und jetzt verzieh dich."
Als der Typ sich endlich umdrehte und abhaute, hörte er Emilys Lachen hinter sich. Mit nur mühsam gezügelter Wut drehte Sandro sich zu ihr um.
"Das ist nicht witzig, Emily."
Sie lachte. "Doch, du bist witzig, Alphajunge", sagte sie und pikte ihm dann in die Brust, als er näher trat. "Hier solltest du noch ein bisschen mit deinen Fäusten drauftrommeln."
Er fing ihre Hand in der Luft ab. "Du bist so sternhagelvoll."
Sie zuckte nur mit den schmalen Schultern. "Und das geht dich was an?"
"Das geht mich sehr wohl was an."
"Das geht dich einen Scheißdreck an!"
Er fing ihre zweite Hand ab, mit der sie ebenfalls auf seiner Brust rumpiksen wollte.
"Hör auf damit. Wir gehen jetzt."
"Wir gehen nirgendwohin", antwortete sie.
Da nahm er ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und starrte sie eindringlich an.
"Wir gehen jetzt und du kannst dich entscheiden, ob du auf deinen Füßen mit hier rausgehst oder ob ich dich über meine Schulter werfe und raustrage. Und glaub mir, Süße: Ich mache keine Witze."
Sie schnaubte und wollte einen Schritt zur Seite gehen, taumelte dabei aber so, dass sie beinahe hinfiel und Sandro sie gerade noch so mit einem Arm um die Taille auffangen konnte.
"Also sofern du zum Selberlaufen überhaupt noch fähig bist", gab er zurück.
"Ich bin zu allem fähig", lallte sie und im gleichen Moment kippte ihr Oberkörper so nach hinten, dass sie einhundertprozentig hingefallen wäre, wenn er sie nicht sowieso schon gehalten hätte.
"Mhm … zu allem", antwortete er, zog sie an seine Seite und dann mit nach drinnen.
Er würde noch einmal zum VIP-Bereich gehen müssen, um über dort zum Hinterausgang zu den Parkplätzen zu kommen.
Emily durch die Menge zu schieben, war gar nicht so einfach. Sie war wie eine dieser Schlenkerpuppen, aber leicht wie eine Feder. Hatte sie noch mehr abgenommen in den letzten Monaten? Es kam ihm so vor. Denn er spürte ihre Rippen an seinem Arm und er war sich nicht sicher, ob ihm das gefiel.
Doch wie sie schon gesagt hatte: Es ging ihn nichts an und er hatte kein Recht zu all dem. Aber was er im Moment tat, war auf jeden Fall so was wie erste Hilfe.
Er konnte sie nicht hierlassen, das würde nicht gut ausgehen. Nicht für sie, weil irgendeiner dieser ekelhaften Typen versuchen würde, ihre Situation auszunutzen, und nicht für ihn, weil er sich dann mit diesen Typen prügeln müsste und es im Nachgang in ziemlich viel Ärger münden würde.
Während er sie also durch die Menge schob, tippte er in seiner Taxi-App eine Nachricht an einen der Fahrer. Er selbst hatte viel zu viel getrunken und konnte nicht mehr fahren. Aber er würde dafür sorgen, dass sie beide sicher nach Hause kamen.
Als sie durch den VIP-Bereich wankten, traf er auf Davins Blick, der die Augenbrauen zusammenzog.
"Ich bringe sie nach Hause", sagte er ihm, auch wenn es ihm widerstrebte, einem anderen Mann zu sagen, was er mit seinem Mädchen vorhatte.
Doch ihm war durchaus bewusst, dass Davin und Mase sich Sorgen machen würden, wenn Emily nicht zu Hause auftauchte, denn mit nach Hause meinte er nicht ihr Zuhause, sondern sein Zuhause.
Er wollte sie bei sich haben, wollte auf sie aufpassen und dafür sorgen, dass es ihr gut ging. Es war verrückt und irrational, aber er würde sie heute Nacht nicht allein lassen. Nicht, wenn es ihr so schlecht ging.
Auf seinem Handy bekam er eine Nachricht, dass er nach draußen zur Hauptstraße kommen musste, weil der Parkplatz gesperrt war.
Verdammt, darüber hatte er überhaupt nicht nachgedacht. Die Alternative wäre aber der Hauptausgang gewesen und er hatte keine Lust, Emily durch den ganzen Club zu schieben und dann jeden in der Reihe der noch wartenden Personen sehen zu lassen, wie betrunken sie war.
Im Hinausgehen schnappte er sich seine Jacke und Emilys Handtasche, die auf einem der kleinen Beistelltische bei den Sitzgruppen lag. Er ignorierte die fragenden Blicke der anderen, wollte sich mit niemandem von ihnen auseinandersetzen, und außerdem hatte er genug damit zu tun, die wankende Emily aufrechtzuerhalten.
Er schob sie nach draußen. Dort angekommen fiel ihm auf, wie kalt es war und wie wenig sie eigentlich trug. Dieses winzige schwarze Kleid war ein Hauch von nichts und würde sie ganz bestimmt nicht gegen die kühle Abendluft schützen.
Also steckte er sie in seine viel zu große Lederjacke, die an ihr ein bisschen aussah wie ein lederner Bademantel.
Sie antwortete mittlerweile nicht mehr, sah ihn nur stumm an aus diesen riesigen fragenden Augen, die trüb vom Alkohol waren.
"Na komm, Babe", sagte er sanft und zog sie vorwärts.
Sie stolperte neben ihm her und immer wieder gaben ihre Knöchel auf den absurd hohen High Heels seitlich nach, sodass er fast schon Sorge hatte, dass sie sich die Bänder reißen würde.
Also nahm er sie kurzerhand auf den Arm und trug sie quer über den Parkplatz.