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Auf dem Weg zum royalen Happy End
Ein Jahr nach ihrer Hochzeit erwarten Tessa Sharpe und Prinz Arthur von Avonia Nachwuchs. Zu Tessas Leidwesen verläuft die Schwangerschaft allerdings nicht so glamourös wie erhofft, und obwohl sie sich am liebsten im Palast vor den Medien verstecken würde, versucht sie nach wie vor, das Volk von Avonia für sich zu gewinnen. Arthur hingegen ist durch ihre Schwangerschaft übervorsichtig geworden und lässt den ganzen Palast babysicher machen, während er gleichzeitig politische Krisen zu meistern hat. In all dem Stress müssen Tessa und Arthur sich darüber klar werden, wie sie ihr Kind - und zukünftigen Thronerben - erziehen wollen. Die wichtigste Frage dabei: Wird das glückliche Paar immer noch glücklich sein, wenn das Baby kommt?
"Eine moderne Liebesgeschichte, die süchtig macht. Ich habe laut gelacht und will mehr davon. Meine absolute Lieblingsserie!" Once Upon My Bookshelf
Abschlussband der unterhaltsamen und romantischen ROYAL-Reihe von Bestseller-Autorin Melanie Summers
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Seitenzahl: 477
Titel
Zu diesem Buch
Widmung
Bemerkung der Autorin
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Epilog
Noch ein Epilog
Anmerkung von Melanie
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Melanie Summers bei LYX
Impressum
MELANIE SUMMERS
Forever Your Royal
Roman
Ins Deutsche übertragen von Ralf Schmitz
Ein Jahr nach ihrer Hochzeit erwarten Tessa Sharpe und Prinz Arthur von Avonia Nachwuchs. Zu Tessas Leidwesen verläuft die Schwangerschaft allerdings nicht ganz so glamourös wie erhofft, und obwohl sie sich am liebsten im Palast vor den Medien verstecken würde, versucht sie nach wie vor, das Volk von Avonia für sich zu gewinnen. Arthur hingegen ist durch ihre Schwangerschaft übervorsichtig geworden und lässt den ganzen Palast babysicher machen, während er gleichzeitig politische Krisen zu meistern hat. In all dem Stress müssen Tessa und Arthur sich darüber klar werden, wie sie ihr Kind – und zukünftigen Thronerben – erziehen wollen. Die wichtigste Frage dabei: Wird das glückliche Paar immer noch glücklich sein, wenn das Baby kommt?
Für alle, die zum ersten Mal Mutter oder Vater werden. Entspannt euch! Ihr werdet es auch nicht schlimmer vergeigen als alle anderen Eltern.
Versprochen.
Melanie
Ihr Lieben,
Disclaimer: Wenn ihr Never Your Royal und Maybe Your Royal nicht gelesen habt, dann habt ihr die ersten beiden Gänge des Menüs der Crown-Jewels-Serie versäumt. Den vorliegenden Roman zu lesen, wäre, als würdet ihr das Dessert vor der Vorspeise und dem Hauptgang verputzen … was, wenn ich es mir recht überlege, eine famos schräge Vorstellung ist, deshalb sollte ich mir lieber einen besseren Vergleich einfallen lassen. Wofür mir allerdings keine Zeit bleibt, da dieses Buch in genau einer Woche erscheint und ich es vorher noch redigieren, meinen Korrektoren vorlegen und formatieren muss.
Gut, sagen wir also, ihr sitzt mit eurer rechthaberischen Feinschmecker-Freundin in einem Michelin besternten Restaurant, und sie gebietet euch, das Hummer-Süppchen zu schlürfen und euch die frischen Butterkekse auf der Zunge zergehen zu lassen (Never Your Royal), bevor ihr die Butternusskürbis-Ravioli mit Trüffelöl und Riesengarnelen genießt (Maybe Your Royal), damit ihr schließlich bereit seid für das Erlebnis des Schokoladensoufflés mit Vanilleeis und warmer Himbeersauce (dieses Buch).
Fangt ihr jedoch mit dem Dessert an, entgeht euch das »Wie«, »Was« und »Wer« der Buchreihe, und das wäre dann vielleicht kein besonders großes Vergnügen. Und wenn diese Reihe etwas erreichen will, dann, euch Vergnügen zu bereiten.
Arthur und Tessa, unser glückliches Paar, sehen ihrer Elternschaft nicht auf dieselbe Weise entgegen, wie wir es tun würden – mal abgesehen von den Nervenzusammenbrüchen (die die meisten erleiden, oder etwa nicht?). Und den Teil absolvieren sie definitiv auf die denkbar spektakulärste Weise. Also, anschnallen, Leute, denn euch steht eine holprige Fahrt bevor.
Ach ja, bevor ich weitere Haken an meine To-do-Liste vor Erscheinen des Buches mache, möchte ich meiner tief empfundenen Dankbarkeit für all diejenigen Ausdruck verleihen, die Tessa und Arthur und ihre wunderbar durchgeknallten Familien bis hierher begleitet haben. Danke an alle, die sie ebenso lieben wie ich selbst. Für euch haben sich meine Schreibsitzungen bis in die frühen Morgenstunden, wenn ich mal wieder eine Szene unbedingt fertigstellen musste, absolut gelohnt.
Ich muss gestehen, dass ich die Beendigung dieses Romans etwas verschleppt habe, weil ich ganz genau wusste, dass ich es sehr bedauern werde, meine Tage nicht mehr mit meinen Charakteren verbringen zu können. Eines Tages, wenn ich an der belgischen Küste nach Norden schaue, werde ich bestimmt ein wenig enttäuscht sein, weil ich Avonien dort nicht entdecke, auch wenn ich weiß, dass das Land in der wirklichen Welt gar nicht existiert. Gewissermaßen.
Aber vielleicht besteht ja darin die Magie des Schreibens und Lesens. In unserer Fantasie entstehen neue Welten, in denen wir verschwinden können, wann immer uns danach ist. Nun, blättert ohne weitere Umstände um und flieht nach Valcourt. (Es sei denn, ihr habt die ersten beiden Bände noch nicht gelesen. Dann wendet euch ihnen zu und lest sie zuerst.)
Euch und euren Lieben alles erdenklich Gute im Leben,
Melanie
6. Woche
Ich muss mich übergeben.
Glaube ich jedenfalls. Vielleicht aber auch nicht. Aber wenn, dann wird es sich als ziemlich unpassend erweisen, weil mein Schwiegervater, König Winston, einem Staatsbankett vorsitzt, um vierhundert Jahre Frieden zwischen Avonien und unseren Nachbarstaaten Belgien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich zu feiern. Und sich zu übergeben gilt bei derartigen Anlässen nicht eben als angemessen, dennoch halte ich es für einigermaßen wahrscheinlich, dass es trotzdem passieren wird. Zu meinem Unglück sitze ich nicht nur in der Mitte der für einhundertzweiundzwanzig Gäste gedeckten Tafel, sondern ich trage auch noch ein, offen gesagt, äußerst beengendes Dior-Kleid, das es mir definitiv nicht gestatten wird, schnell genug aus dem Speisesaal zu flüchten.
Zu allem Überfluss sitze ich neben dem König von Belgien – einem, wie es mein Schicksal will, passionierten Jäger –, der mich gerade mit einer überaus detaillierten Schilderung plagt, wie man auf belgische Art eine Ente ausnimmt, während mir mit jedem Wort übler wird.
»… öffnen Sie die Brusthöhle, bis Sie auf die Innereien stoßen. Es ist nie gut, sie nicht ganz zu entfernen …«
Innereien? Oh nein, bitte, kein Wort mehr über Innereien!
»… stecken Sie Herz und Leber in einen Plastikbeutel …«
Würg. Vielleich fühle ich mich besser, wenn ich es mit dieser speziellen Atemtechnik versuche. Ja, ich tue einfach so, als würde ich zuhören, während ich mich darauf konzentriere, die stille, frische Luft einzuatmen, zwei, drei … nee, Mist. Es ist absolut ausgeschlossen, mich zu erheben und aus dem Saal zu huschen, bevor –
Oh, das war’s! Jetzt habe ich in meinen fast leeren Suppenteller gekotzt.
Viermal.
Fuckity-fuck!
Etepetete tupfe ich mir die Mundwinkel ab, dann schiebe ich meinen Stuhl zurück. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, Eure Majestät«, wende ich mich an den König, der sich die zweite Portion Suppe von Schwarztrüffeln vom Revers wischt. »Oh je, das ist höher gespritzt, als ich gedacht hätte. Ich bitte um Verzeihung.«
Irgendwann zwischen dem zweiten und dritten Schwall ist der ganze Saal verstummt, und ich fühle einhundertzwanzig Augenpaare auf mich gerichtet, als ich aufstoßend und würgend hinauseile. Im Vorbeimarsch winke ich dem Streichquartett zu, das zu spielen aufgehört hat, ebenfalls Maulaffen feilhält und mich anstarrt.
»Schönes Stück. Bitte, spielen Sie weiter.«
Ich deute ein Nicken an und versuche zu lächeln, bin mir aber sicher, dass mein grün verfärbtes Gesicht es eher gruselig als freundlich wirken lässt. Da überrascht mich das Gefühl einer Hand an meinem Ellbogen. Ich schaue auf und sehe Arthur, meinem wahrhaft prinzlichen Gemahl.
»Gut gezielt. Diesmal ist fast alles im Suppenteller gelandet.«
Augenzwinkernd legt er einen Arm um meinen Rücken. Flankiert von unseren Leibwächtern Ollie und Xavier schaffen wir es in die Halle. Kaum haben sich hinter uns die Türflügel geschlossen, strecke ich Xavier meine Handgelenke entgegen. Er nimmt mir das diamantbesetzte Tennisarmband ab, ersetzt es durch ein Akupressurband und überzeugt sich, dass es genau über dem richtigen Druckpunkt anliegt, bevor er sich das andere Handgelenk vornimmt. Xavier schwört seit seiner Zeit bei der Marine auf Akupressurbänder, ich bin allerdings nicht recht überzeugt davon.
»Das wär’s, Hoheit«, sagt er. »In ein paar Minuten sind Sie wieder taufrisch.«
»Danke, Xavier.« Ich nehme Tiara und Halskette ab und gebe sie ihm. »Würden Sie die bitte in die Schatzkammer zurückbringen?«
»Natürlich. Aber bringen wir Sie erst einmal auf Ihr Zimmer.«
Arthur nickt ihm zu. »Ich mache das schon. Kümmern Sie sich um den Schmuck.« Sein Tonfall ist ein bisschen scharf, was, wie mir aufgefallen ist, häufiger vorkommt, seit wir wissen, dass wir ein Baby erwarten.
Xavier, den das nicht zu beunruhigen scheint, lächelt und nickt, bevor er sich in Richtung Schatzkammer begibt. Ollie, der, wie sich zeigt, für einen Mann seiner Größe und Profession einen sehr empfindlichen Magen hat, folgt uns in sicherer Entfernung. Als es mir gestern in der Limousine schlecht wurde, hat er sogar mehrmals trocken gewürgt.
Während mich ein plötzliches Schwindelgefühl überkommt, schließe ich einen Moment lang die Augen. »Warum habe ich nur geglaubt, ich bekomme dieses Festessen hin? Ich bin so eine Idiotin.«
»Unsinn. Du bist eine Optimistin. Und das liebe ich an dir.« Arthur drückt mir einen Kuss auf die Stirn. »Außerdem wäre es ein Riesenskandal gewesen, wenn du dich nicht hättest blicken lassen. Die Presse hätte uns noch vor der Nachspeise am Rande der Scheidung vermutet.«
»Ja, vermutlich, aber ich bin sicher, die Journalisten finden in jedem Fall einen Weg, etwas Unheilvolles aus meiner jüngsten Panne zu machen, also bin ich dem Ziel, eine ordentliche Prinzessin zu werden, so oder so kein Stück näher, oder?«
»Unsinn, du bist eine Vollblutprinzessin.«
»Ha, ich habe eben den belgischen König vollgekotzt. Ich bin weder perfekt noch ordentlich.«
»Ordentlich ist sowieso öde wie die Hölle. Und, schaffst du es bis zu unserer Wohnung, oder müssen wir einen Zwischenstopp in der Damentoilette einlegen?«
»Ich denke, ich schaffe es.« Ich lehne den Kopf an seine Schulter, während wir uns den Privatgemächern unseres Heims im Palast von Valcourt nähern.
Er lässt mich nur so lange los, wie er braucht, um eine Ming-Vase aus einer Wandnische mitgehen zu lassen. »Für alle Fälle.«
»Oh nein, Arthur, niemals. Diese Vase ist viel zu kostbar.«
Er zuckt nur die Achseln. »Du bist meine Prinzessin. Für dich ist mir nichts zu kostbar. Davon abgesehen kann man sie sehr viel leichter reinigen als meinen Smoking.« Er bezieht sich damit auf einen Zwischenfall vor drei Tagen, als ich auf der Fahrt zur Abschlussfeier der Akademie seine Marineuniform ruiniert habe.
Ich winde mich bei der Erinnerung daran, und mein Magen revoltiert aufs Neue. »Du gehst jetzt am besten zu dem Essen zurück. Ich komme schon klar.«
»Trotzdem bringe ich dich auf unser Zimmer, helfe dir beim Ausziehen und stecke dich ins Bett«, sagt er. »Aber nicht auf die vergnügliche Art.«
»Die vergnügliche Art hat schließlich dazu geführt, dass ich den belgischen König vollgekotzt habe.«
Arthur verbeißt sich das Lachen. »Ich weiß, ich dürfte das eigentlich nicht komisch finden, aber großer Gott, sein Gesichtsausdruck war einfach unnachahmlich. Ich vermute, er hat sich gerade darüber verbreitet, wie man eine Ente ausweidet.«
»Er hat die ganze Zeit von Innereien geredet«, sage ich und muss bei dem Gedanken aufstoßen.
Wir durchqueren die Große Halle und gehen zum Aufzug. Als sich die Tür öffnet, zögere ich ein wenig, weil mir klar wird, dass die Treppe womöglich sicherer ist.
»Denk gar nicht erst an die Treppe. Kommt nicht infrage, dass du in deinem Zustand drei Stockwerke hinaufsteigst. Außerdem haben wir ja die Vase dabei.« Er schiebt mich sanft in den Aufzug und drückt auf den Knopf.
Ollie steht mit entsetztem Gesicht in der Halle und sagt: »Also schön, wir treffen uns oben.«
Als zwölf Sekunden später die Türhälften auseinandergleiten, wartet Ollie bereits auf uns. Arthur hält die Vase – die inzwischen nicht mehr ganz unbefleckt ist – auf Armeslänge von sich. Worauf Ollie mit leisem Würgen aus dem Weg springt.
Ein bisschen wackelig schaue ich zu Arthur hoch. »Sorry.«
Arthur, der selbst ein wenig grün aussieht, nickt tapfer. »Du musst dich nicht entschuldigen, immerhin habe ich dich in diesen Schlamassel gebracht.«
»Ja, stimmt. Eigentlich solltest du dich bei mir entschuldigen.«
Schließlich erreichen wir unsere Wohnung, und fünf Minuten später hat Arthur mich in meinem Sponge-Bob-Pyjama, der, wie ich sehr wohl weiß, nicht recht zu einer zukünftigen Königin passt, sicher ins Bett verfrachtet. Aber anscheinend kann ich mich trotzdem nicht davon trennen.
Arthur stellt mir einen Putzeimer neben das Bett. Seit die »Morgen-Nachmittags- und Abendübelkeit« mich überfallen hat, habe ich eine seltsame Neigung zu »Eimerchen« entwickelt, die ich überallhin mitnehme (außer, natürlich, zu der heutigen Feier). Dankbar streichle ich den Eimer, während unser Hängebauchschwein Dexter sich neben Arthur niederlässt und mich aus traurigen Augen ansieht. Schweine sind klug, und dieses scheint zu begreifen, dass es mir wirklich nicht gut geht. Dexter folgt mir in letzter Zeit auf Schritt und Tritt, was wirklich eine Veränderung ist, denn früher war er durch und durch Arthurs Hängebauchschwein. Ich finde das ganz süß, nur dass er eben wie ein Schwein riecht, was mir nicht in allen Fällen dabei hilft, meinen Mageninhalt bei mir zu behalten.
Ich schaue Arthur an, der mit schwarzer Krawatte und Krone richtig gut aussieht. Wie kommt es nur, dass ich mit diesem Mann verheiratet bin? Ich bin eine gescheiterte Journalistin/Bloggerin und doch bin ich hier und liege im Bett des Thronanwärters.
»Ich schätze, jetzt, da ich es vor aller Augen getan habe, ist die Katze wohl aus dem Sack.«
Wir hatten vor, die Schwangerschaft bis nach dem dritten Monat geheim zu halten, aber wie es aussieht, ist der Zug nun abgefahren. Ganz nach Tessa-Art habe ich mich wieder einmal öffentlich blamiert.
»Ich kann mir vorstellen, was dein Vater dazu sagen wird. Ganz zu schweigen von dieser schrecklichen Dylan.«
Dylan Sinclair ist eine Medienberaterin, die der König engagiert hat, kurz nach einem kleinen Missgeschick, das Arthur und mich während der Flitterwochen am Strand von Maui ereilte, an einem Reiseziel, das wir für einen der einsamsten Orte auf der Insel hielten, an dem ich sogar oben ohne in der Sonne liegen könnte. Wir wollten uns damit beweisen, dass wir »wild, jung, frei und in den Flitterwochen« waren. Doch anscheinend steht diese Art Freiheit Mitgliedern der Königsfamilie nicht zu, denn wie sich herausstellte, waren wir längst nicht so allein wie angenommen, sodass inzwischen die ganze Welt meine Möpse kennt. Was für den Ruf der Gefährtin des zukünftigen Königs nicht eben zuträglich ist.
Egal, jedenfalls ist Dylan binnen Kurzem zum Fluch meines Daseins geworden. Sie liebt es geradezu, sich wöchentlich mit mir zu treffen, um über meine »Popularität« zu sprechen – oder genauer gesagt über deren Mangel –, wobei sie ihre Talente als Magierin der Google-Auswertung sowie ihre Marketing-Kenntnisse einsetzt, um an jedem Montagnachmittag mein Ego bis in seine Grundfesten zu erschüttern. Ein netter Start in die Woche, findet ihr nicht?
Die alteingesessenen Berater scheinen sie alle für ein PR-Genie zu halten, was, ehrlich gesagt, unfassbar ärgerlich ist, weil sie nämlich nichts weiter unternimmt, als das ohnehin beträchtliche Ego des Königs noch weiter aufzublasen und immer neue Mittel zu finden, um mich davon zu überzeugen, was für ein Totalausfall ich bin. In Dylans Büro steht eine Tafel, auf der sie meine »Tage ohne Zwischenfall« verzeichnet, was wirklich total erniedrigend ist. Als Arthur sie darauf ansprach, versicherte sie ihm, es ginge ihr darum, die Bewegungen des Palastpersonals und der gesamten Königsfamilie festzuhalten, aber wir wissen beide, dass es dabei nur um mich geht.
Seufzend blicke ich zu ihm auf. »Heute habe ich achtundsechzig Tage geschafft. Meine längste Strecke bisher.«
»Nach meiner Zählung sind es sogar vierundneunzig Tage. Es ist total unfair, mitzuzählen, dass du über einen Hund gestolpert bist.«
Oh ja, das war auf einem Ausflug nach London im vergangenen Winter, als ich über einen der geliebten Corgis der Königin von England stolperte und ihm eines seiner kurzen Beinchen brach, womit ich mich bei Hundeliebhabern auf der ganzen Welt ungemein beliebt gemacht habe.
Und natürlich bei den Briten.
Bei der Erinnerung daran zieht sich mein Magen zusammen. »Der kleine Kerl kam wirklich aus dem Nichts angerannt.«
»Ja, das hätte wirklich jedem passieren können.«
»Ist es aber nicht. Es ist mir passiert«, entgegne ich und bedecke mit einer Hand meine Augen. »So wie ich diejenige bin, die die Feier heute verdorben hat.«
»Du hast überhaupt nichts verdorben. Inzwischen haben das alle längst vergessen.«
Ich sehe ihn mit einer hochgezogenen Braue an.
»Ja, gut, dann eben nächste Woche.« Er nickt zuversichtlich, obwohl wir beide wissen, dass nur das nächste Fettnäpfchen das heutige vergessen lassen wird.
»Und bis es so weit ist, muss ich mich am Montag dem nächsten Gespräch mit Dylan stellen, wie ich ›mein Image verbessern‹ kann.«
»Das sage ich ab.« Arthur küsst mich auf die Stirn und lächelt. »Du solltest dich solchem Unsinn nicht aussetzen müssen, vor allem nicht, wenn du so krank bist.«
»Nein, nicht absagen. Wenn ich mir den Respekt der Angestellten verdienen will, darf ich mich nicht hinter dir verstecken, während du meine Schlachten für mich schlägst.«
»Aber es gefällt mir, deine Schlachten zu schlagen. Ich komme mir dann sehr männlich vor, als wäre ich gerade mit einem Säbelzahntiger über der Schulter zum Abendessen in die Steinzeithöhle zurückgekehrt«, sagt er, milde grinsend.
»Oh mein Gott, du bist wirklich ein sehr gut angezogener, wortgewandter Neandertaler.«
»Gib zu, genau das liebst du an mir.«
»Ich liebe es, dass du meine Schlachten für mich schlagen willst, und ich liebe es, dass du es trotzdem nicht tun wirst, weil du begreifst, dass du mich damit am Ende bloß verletzen würdest.«
Arthur blickt mich einen Moment lang an, dann sagt er: »Das war gerade aber so ein Jedi-Trick; mir etwas hoch anzurechnen, was ich nicht tun will, jetzt aber doch tue, weil es nicht bloß dir so gefällt, sondern mich auch noch clever aussehen lässt.«
»Meine Jedi-Tricks brauche ich, um die Menschen im Königreich dazu zu bewegen, mich zu mögen; vielleicht können wir dann Dylan vor die Tür setzen.«
»Dazu brauchst du keine Tricks. Wenn den Leuten erst mal klar wird, wer du wirklich bist, werden sie dich lieben.«
»Woher weißt du das?«
»Weil du mich rumgekriegt hast, und ich kann überhaupt niemanden leiden.«
Ich muss lächeln, und mein innerer Aufruhr weicht einer behaglichen, schläfrigen Stimmung. »Geh jetzt lieber. Ein paar der wichtigsten Menschen der Welt warten auf dich, damit sie mit dem Hauptgang weitermachen können.«
»Oh, ja, die …«, sagt er und verdreht die Augen. »Ich wünschte, ich müsste nicht. Nichts wäre mir lieber, als den ganzen Abend mit dir im Bett zu liegen.«
»Ein Vergnügen wäre das nicht«, sage ich gähnend. »Ich werde auf der Stelle einschlafen.«
»Möchtest du, dass jemand kommt und sich zu dir setzt? Für den Fall, dass …«
Kopfschüttelnd senke ich die schwer gewordenen Augenlider. »Nein. Da mir jetzt kein Essensgeruch mehr in die Nase steigt, ist alles in Ordnung.«
»Bestimmt? Ich freue mich, wenn –«
»Danke, aber es geht mir gut. Wirklich.« Ich streiche ihm über den Handrücken. »Du erweist dich wahrhaftig als leicht überdurchschnittlicher Ehemann.«
»Dann fahre ich das lieber ein wenig runter, sonst erwartest du diese Art Fürsorge noch die ganze Zeit«, sagt er grinsend. »Aber jetzt schlaf ein bisschen, Sponge-Tessa.«
»Es lebt sich besser in Bikini Bottom«, brumme ich und sinke in den Schlaf.
»Hier ist Veronica Platt mit den ABNC-Nachrichten. Zur vollen Stunde erreicht uns die Meldung, dass der Palast von Valcourt von einem Skandal erschüttert wurde, als die Herzogin von Wellingborne sich gestern Abend anlässlich des Staatsbanketts zur Feier des vierhundertjährigen Friedens über den regierenden Monarchen von Avoniens wichtigstem Handelspartner erbrach. Hat Prinzessin Tessa während ihrer kurzen Laufbahn als Prinzessin etwa ein ärgerliches Alkoholproblem entwickelt? Und welche Folgen hat der Zwischenfall für die Wirtschaftsbeziehungen mit Belgien? Nach einer kurzen Werbepause geben wir Antworten auf diese Fragen und gewähren Ihnen einen Ausblick auf die heißeste Bademode des kommenden Sommers.«
Textnachricht von Bram: Tessa, hast du dich wirklich bei dem Abendessen gestern volllaufen lassen und den belgischen König vollgekotzt? Bitte, sag mir, dass es so war! Das wäre nämlich das Allergrößte, was du jemals angestellt hast. Und was besorgst du Mum eigentlich zu ihrem Fünfundsechzigsten? Lars nervt mich schon die ganze Zeit, mich an einem neuen Kühlschrank für sie zu beteiligen. Bist du dabei?
Textnachricht von Mum: Tessa, ich bin es, deine Mutter. Ruf mich AUF DER STELLE an! Das Telefon steht nicht still, weil du angeblich ein Alkoholproblem hast. Ich gehe erst dran, wenn du mich zurückgerufen hast, aber ich bin ziemlich sicher, dass Grace von nebenan jeden Moment an die Tür klopft, und ich kann mich nicht in meinem Zimmer einschließen, weil ich ein Blech Zitronentörtchen im Backofen habe.
Textnachricht von Nikki: Mach dir wegen gestern Nacht keine Sorgen. Wenn du erst mal offiziell bekanntgibst, dass du schwanger bist, denkt kein Mensch mehr an »Vomitgate« (ja, es gibt schon einen Namen dafür). Ich bin bloß froh, dass nicht ich diejenige war, die versehentlich aus dem Nähkästchen geplaudert hat. Ruf mich an, sobald du kannst!
Mailbox-Nachricht von Mum in hektischem Flüsterton: Tessa, hier spricht Mum. Wie kannst du in solchen Zeiten deine Textnachrichten nicht lesen? Ich verstecke mich oben im Badezimmer, aber ich kann hören, wie Grace von nebenan unten ans Küchenfenster trommelt, und meine Zitronentörtchen sind auch jeden Augenblick fertig. Und Grace wird nicht weggehen. Sie weiß, dass ich hier bin, weil das Auto vor dem Haus parkt. Um Gottes willen, schreib mir, ja oder nein?
Textnachricht von mir an Mum:Nein, ich bin eindeutig keine Alkoholikerin. Ich fühle mich bloß nicht ganz wohl.
Mum: Danke, Twinkle. Dann sag ich das Grace. Gute Besserung! Lass dir von jemandem Ingwertee kochen.
6. Woche und 1 Tag
Es ist noch nicht acht Uhr morgens, und doch stecke ich bereits in einem Anzug, nippe an einer Tasse Kaffee und versuche wach zu bleiben, während unsere Medienberaterin Dylan uns durch ein »Vomitgate-Brainstorming« dirigiert. Tessa war allerdings erst damit einverstanden, nicht an der Besprechung teilzunehmen, nachdem sie heute Morgen gleich nach dem Aufstehen und noch vor dem Ankleiden eine dringende Unterredung mit der Kloschüssel hatte.
Bisher hat sie nichts verpasst, was sie hätte erfahren müssen. Dylan hat in den letzten zehn Minuten lediglich einen Thread #Vomitgate-Tweets vorgelesen und uns einen kurzen Überblick darüber präsentiert, was die Zeitungen über den letzten Abend zu melden hatten (Sagen wir einfach, nichts davon ist für meine Frau sonderlich schmeichelhaft). Für eine Frau über vierzig ist Dylan ein Energiebündel, das einfach nicht zu reden aufhören will. Niemals. Ich bin mir fast sicher, würden wir eine Urinprobe von ihr verlangen, würde sich zeigen, dass sie so mit Kokain abgefüllt ist, dass ihr Urin als weiße Paste aus ihr herauskäme. Entweder das, oder sie spritzt sich jeden Morgen Red Bull, bevor sie zur Arbeit fährt.
Ich wünschte, ich könnte mich noch im Bett an meine von Übelkeit geschüttelte Gattin kuscheln (na ja, mehr oder weniger, denn, um ehrlich zu sein, ist es schon ein wenig furchterregend, neben einer Frau zu schlafen, die sich ständig unkontrolliert und ohne Vorwarnung übergibt). Inzwischen habe ich mir angewöhnt, für den Fall, dass ich mich in Sicherheit bringen muss, auf meiner Seite ganz an der Kante unseres riesigen Doppelbetts zu liegen. Was tatsächlich sehr unbequem ist, sodass mir die rechte Schulter wehtut, wenn ich mich morgens zu meinem täglichen Frühsport erhebe (den ich, um hier sein zu können, heute ausfallen lasse). Es wäre daher wohl zutreffender, wenn ich sagen würde, ich wünschte, ich könnte im selben Zimmer wie meine Frau schlafen, statt im selben Bett. Hm, ich frage mich, ob sie sich darauf einlassen würde …
»Prinz Arthur, Sie sind dran …« Dylan lächelt mich erwartungsvoll an.
»Wie bitte?«
»Zeit für Ihre Gedächtniskarte.« Sie hält mir einen hellgrünen Marker hin und bedeutet mir mit einer Kopfbewegung, aufzustehen. Ich schaue auf das Whiteboard hinter ihr und lese, wie zufällig in unterschiedlichen Richtungen darauf gekritzelte Worthülsen wie »Magen-Darm-Infekt«, »Vergiftung« oder »Angebliche Auslandsreise, um Aufenthalt in einer Entzugsklinik zu verheimlichen«.
Ich erhebe mich, nehme ihr den Marker ab, greife nach dem Schwamm und mache mich an die Arbeit.
»Oh nein, Hoheit, wegwischen dürfen Sie nichts«, zwitschert Dylan. »Wir sind noch in der Kreativitätsphase, die Evaluation kommt später!«
Ungeachtet ihres munteren Einspruchs und ihrer Erläuterung der Vorgehensweise fahre ich fort. Als nichts mehr auf der Tafel steht, ziehe ich die Kappe vom Marker und schreibe die zwei Wörter »Morgendliche Übelkeit« an die Tafel, dann gebe ich ihr mit einem kleinen Nicken den Marker zurück.
Dylan klappt die Kinnlade herunter. »Sie ist … sie ist …«
»Ja, wenn alles gut geht, bekommen wir Anfang nächsten Jahres ein Baby.« Ich blicke zu meinem Vater, der aufsteht und … Was hat er vor? Ah, er schließt mich in seine Arme.
Also, damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Ich glaube, das letzte Mal, dass er mir seine Zuneigung auf diese Weise gezeigt hat, war … nun ja, vielleicht als ich noch klein war. Ich muss Großmama fragen, ob sie noch weiß, wann das war. Ich klopfe ihm nur ungelenk auf den Rücken, da ich mich zugleich unbehaglich und ihm auf merkwürdige Weise verbunden fühle. Dann lässt er mich los und schüttelt mir herzlich die Hand.
»Gut gemacht, Arthur.«
»Danke.«
Es erscheint ziemlich unpassend, mir zu gratulieren, weil ich in die richtige Öffnung ejakuliert habe, oder etwa nicht? Und doch umringt mich jetzt der Rest der Mannschaft und drückt mir einer nach dem anderen die Hand. Mein Chefberater Vincent, der mir regelmäßig den Hintern rettet, aber auch, wo er geht und steht, das durchdringende Aroma von Schimmelkäse verbreitet, ist der Erste in der Schlange.
»Glückwunsch, Prinz Arthur. Was auch immer Sie oder Prinzessin Tessa in dieser heiklen Zeit benötigen, ich stehe zu Ihrer Verfügung.«
»Danke, Vincent. Ich weiß, dass ich immer auf Sie zählen kann.«
Der Nächste ist Vaters neuer Chefberater, Phillip Crawford, der Damien alias Twitter.com/WeHateTessa ersetzt hat. Phillip ist von der griesgrämigen Sorte, geschäftsmäßig und förmlich, doch die Neuigkeit eines möglichen Erbens zaubert auch auf sein Gesicht die Andeutung eines Lächelns. Dann folgen, lächelnd ihrer Freude Ausdruck verleihend, die diversen Assistenten der Assistenten. Ja, ja, alle mal herhören, ich hatte ungeschützten Sex! Klopft mir ruhig alle auf den Rücken!
Da schlägt Dylan mit einer Hand dermaßen auf den Tisch, dass alle im Raum zusammenfahren. »Das gefällt mir. Das mit dem Baby GEFÄLLT mir! Das wird international unglaublich einschlagen. Ein Baby ist genau das, was wir gebraucht haben, um Avonien wieder ganz nach vorne zu bringen.«
»Avonien ist längst ganz vorne, so wie im Grunde seit über achthundert Jahren.« Ich nehme wieder Platz, und die anderen tun es mir gleich. »Aber wir wollen erst einmal nichts darüber verlauten lassen. Die frohe Botschaft bleibt also bis auf Weiteres unter Verschluss. Stattdessen können wir bekanntgeben, dass die Prinzessin gestern Mittag verdorbene Meeresfrüchte gegessen, sich aber bereits fast vollständig von der plötzlichen Übelkeit erholt hat und ihre üblichen Aktivitäten in Kürze wiederaufnehmen wird.«
Dylan schüttelt den Kopf. »Bei allem schuldigen Respekt, Eure Hoheit, aber die Menschen werden sehr verärgert sein, wenn sie herausfinden, dass wir gelogen haben.«
»Was nicht passieren wird, es sei denn, jemand in diesem Raum verrät es ihnen.« Ich lege absichtlich eine gewisse Schärfe in meine Stimme.
»Sie werden sich ihren Teil denken«, entgegnet Dylan, schmallippig lächelnd.
Einer von Phillips Assistenten meldet sich zu Wort. »Kann es nicht sein, dass sie schwanger ist und trotzdem eine Lebensmittelvergiftung hatte?«
»Ja, danke, äh …«
»… Randall.«
»Danke, Randall. Genau so machen wir es. Also, wenn jemand eine kurze Stellungnahme aufsetzt, würde ich jetzt gerne nach meiner Frau sehen.« Und damit meine ich, dass ich mich mal für eine Stunde hinlegen will, weil ich nämlich völlig erschöpft bin, nachdem ich die ganze Nacht mit meiner Frau auf den Beinen war. Ich stehe auf und nicke meinem Vater zu, bevor ich mich abwende.
»Oh, warten Sie bitte noch, Prinz Arthur«, sagt Dylan. »Ich würde wirklich gerne noch die offizielle Verlautbarung vorbereiten.«
»Ja, fein, nur zu, solange niemand dahinterkommt, ehe ich grünes Licht gebe.«
»Aber ich benötige den Geburtstermin.«
»Selbstverständlich. Ihrem Leibarzt zufolge wird es der siebte Januar sein, aber das könnte sich nach dem ersten Termin bei ihrem Gynäkologen noch ändern.« Als ich mich abermals zum Gehen wende, höre ich: »Oh-oh.«
»Oh-oh?« Seufzend drehe ich mich wieder um.
»Das wird nicht gehen, Sir«, sagt Phillips.
»Und wieso nicht?«
»Weil dann die Zeugung nach der Berechnung des Empfängnistermins am Todestag ihres Urgroßvaters König Edwards des Dritten stattgefunden hätte.« Phillip schüttelt mit einigermaßen empörter Miene den Kopf.
Ich halte einen Moment inne. »Das war ganz sicher nicht an dem Tag. Dieser Tag ist für alle Langdons, einschließlich Tessas, ein Tag der Ehrerbietung und des Gedenkens.«
Was für ein Haufen Bockmist. Natürlich haben wir es an dem Tag getrieben. Mindestens zweimal. Und um ehrlich zu sein, habe ich nicht die geringste Ahnung, an welchem Tag die Zeugung stattfand. Wir hatten im letzten Monat jede Menge Sex. Und im Monat davor auch. Und Sex ohne Kondom ist für uns beide so verführerisch, dass wir anscheinend kaum widerstehen konnten. Das ist so praktisch und, na ja, einfach besser. Wir haben es sogar auf dem Tisch hier getan, was ich diesen Leuten natürlich niemals verraten würde. Es könnte sogar dabei passiert sein. Oder an dem Abend unter der Dusche. Oder … oh, ich höre lieber auf, daran zu denken, sonst wecke ich am Ende noch Excalibur.
»Dann äußern wir uns eben nicht genau zum Geburtstermin, oder? Wir könnten einfach sagen, irgendwann nach Neujahr.«
»Ein offizielles Datum ist wichtig. Die Medien werden mindestens einen Monat vor dem genannten Datum und zwei Wochen danach Leute dafür abstellen wollen.«
»Dann suchen Sie sich einen Tag um die Zeit aus«, sage ich und gehe zur Tür. »Kinder kommen sowieso selten pünktlich zur Welt, das dürfte also wirklich keine Rolle spielen.«
So viel zu meinem Nickerchen. Als ich in unser Apartment zurückkehre, sehe ich Tessa auf dem Sofa sitzen und sich angeregt mit Xavier unterhalten, der so etwas wie ein nerviger Experte für Schwangerschaften geworden ist.
Er seufzt. »Wollen wir es noch einmal mit dem Ingwertee probieren?«
»Nein, den kann ich nicht bei mir behalten; mein letzter Ingwertee kam mir wieder hoch, kaum dass ich ihn im Magen hatte.«
Ich gehe zu Tessa und setze mich neben sie. »Ist dir immer noch so flau?«
»Ja«, antwortet sie seufzend.
Xavier schüttelt den Kopf und produziert mit der Zunge einen Schnalzlaut.
»Wir haben Salzige, Saures, Sport, Ruhe und Minze versucht. Nichts bringt irgendwas. So langsam fällt mir nichts mehr ein.«
Was für mich nachvollziehbar ist, denn schließlich ist er Leibwächter und keine Hebamme.
»Vielleicht eine Runde Schlaf?«, schlage ich vor.
Tessa nimmt lächelnd meine Hand. »Du bist der, der Schlaf braucht. Du siehst erschöpft aus.«
»Ich? Im Leben nicht. Ich strotze heute vor Energie.«
Xavier beugt sich vor, um mich zu betrachten. »Sind Sie sicher, Sir? Sie sind tatsächlich ziemlich blass, und Sie haben dunkle Ringe unter den Augen.«
»Trotzdem geht es mir gut.«
Etwas in meiner Stimme verrät Xavier, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, sich zu absentieren. Also steht er auf und sagt, er wolle die Flure in der Nachbarschaft unserer Wohnung auf ihre Sicherheit hin überprüfen. Als er fort ist, sehe ich mich nach etwas um, das mir als Beweis dafür dienen könnte, dass ich hellwach bin. Als mein Blick auf Chester, unseren Kampffisch, fällt, der im Goldfischglas seine Kreise zieht, springe ich auf und eile betont beschwingt durch den Raum, um zu demonstrieren, dass ich »kein bisschen müde« bin. Ich angle mir die Flasche mit seinem Fischfutter von der Anrichte, schraube sie auf und lasse ein wenig Granulat ins Wasser fallen.
»Willst du Chester etwa noch mal füttern?«, fragt Tessa.
»Ich kann den armen Burschen doch nicht im Kreis herumschwimmen lassen, ohne dass er dabei auf etwas zu essen stößt. Das wäre nicht gut für seine winzige Selbstachtung.«
»Arthur, im Ernst, er wird noch krank, wenn wir ihm zu viel geben. Und das ist buchstäblich das Schlimmste, was man einem Kampffisch antun kann.«
»Nun ja, buchstäblich wohl nicht. Ich würde sagen, es wäre schlimmer, wenn wir ihn aus dem Wasser holen und auf der Anrichte herumzappeln lassen würden.«
»Du weißt genau, was ich meine«, sagt sie gähnend. »Außerdem hat Xavier ihn heute Morgen schon gefüttert.«
Himmel, Xavier schon wieder. Warum kann der Mann nicht, wie andere Leibwächter auch, einfach still irgendwo stehen und nach Ärger Ausschau halten? Trotzig werfe ich noch mehr Granulat ins Wasser, dann sage ich: »Chester ist es in den letzten beiden Jahren bei mir sehr gut gegangen, deshalb verstehe ich nicht, warum ihm eine kleine Extramahlzeit am Tag schaden sollte.«
»Der Mann in der Zoohandlung meinte, höchstens vier Kügelchen pro Tag.«
»Der Mann in der Zoohandlung weiß aber nicht, wie sportlich Chester ist.«
»Sportlich?«
»Ja.« Ich nicke entrüstet. »Er schwimmt die ganze Zeit herum. Wenn es einen Iron-Fish-Wettbewerb gäbe, würde er ihn gewinnen.«
Tessa lacht mich aus und schüttelt den Kopf. »Oh, meinst du, ja? Und womit soll er das klitzekleine Fahrrad bewegen?«
Ich grinse sie von der Seite an. »Mit den Flossen. Aber jetzt komm, leg dich noch mal ein Weilchen hin. Ich lege mich auch zu dir, bis du eingeschlafen bist.«
Tessa hebt skeptisch eine Braue, nimmt dann aber meine Hand und lässt sich von mir ins Schlafzimmer führen.
»Ich habe dem PR-Team gesagt, was los ist, aber dass nichts davon durchsickern darf. Sie werden behaupten, dass du dir eine Lebensmittelvergiftung eingefangen hast.« Ich lege Jackett und Krawatte ab und hänge beides über den Stuhl neben dem Bett, dann schlüpfe ich aus den Schuhen.
»Okay. Hört sich gut an. Hoffen wir, die Leute kaufen uns das ab. Die Medien sind anscheinend der Meinung, ich hätte mir ein eher ernstes Alkoholproblem eingefangen.« Sie kriecht ins Bett, und ich lege mich in sicherer Entfernung neben sie.
»Keine Sorge. Sobald die Nachricht, dass du ein Kind bekommst, raus ist, wird Vomitgate vergessen sein.« Ich gähne und schließe die Augen, oh, wie wunderbar bequem dieses Bett doch ist.
»Ich frage mich, ob ich mich jemals an …« Ihre Stimme entfernt sich, während ich spüre, wie ich allmählich in den Schlaf sinke.
Das Umblättern von Seiten weckt mich. Als ich die Augen öffne, sehe ich Tessa aufrecht im Bett sitzen und das Healthy-Mum-and-Baby-Magazin lesen, das Xavier Anfang der Woche mitgebracht hat.
Sie grinst mich an und streicht über meine Wange. »Besser?«
»Mir geht es fantastisch. Wie spät ist es.«
»Fast eins. Du hast über vier Stunden geschlafen.«
Ich springe aus dem Bett. »Oh, fuck. Ich habe zwei Besprechungen und ein Mittagessen verschlafen.«
»Schon gut. Ich habe Vincent geschrieben, dass er sie absagen soll. Er wollte sich irgendeinen Notfall ausdenken. Ich dachte, es sei besser, dich schlafen zu lassen … auch wenn du es offensichtlich gar nicht nötig hattest.«
»Offensichtlich nicht«, sage ich und grinse nachgiebig.
»Weil Schlaf nur etwas für normale Menschen ist.«
»Genau. Was ich ja nicht bin.« Ich schlage den Hemdkragen hoch, um mir die Krawatte umbinden zu können. Dann küsse ich Tessa rasch auf den Mund und sage: »Ich muss los. Aber um fünf bin ich zurück.«
Ich drehe mich um und eile hinaus, auf dem Weg greife ich noch nach meinem Jackett.
»Vergiss Maske und Cape nicht«, ruft Tessa mir zu.
»Hab ich schon«, rufe ich zurück und stürze zur Tür hinaus.
6. Woche und 3 Tage
»Da sind sie!« Mein Vater breitet die Arme aus, um mich zu drücken, als Arthur mir aus dem Range Rover hilft.
Ich strecke meinerseits die Arme aus, doch er eilt stattdessen auf Xavier zu. »Wir haben Sie vermisst, Xav!«
»Ich Sie beide auch, Ruben. Ich wolle schon anrufen. Nicht zu fassen, wie Valcourt United in letzter Zeit untergegangen ist, oder?«
Ich warte, die Arme noch zur Umarmung ausgestreckt, die Lippen jedoch ärgerlich aufeinandergepresst. Ich werfe Arthur, den das Ganze viel zu sehr amüsiert, einen Blick zu.
Er beugt sich zu mir herunter und murmelt: »Alles in Ordnung, Schatz, meine Nummer eins bist du noch.«
Da unterbrechen meine Nichten und Neffen, ein Durcheinander aus schlenkernden Gliedmaßen, meine düstere Stimmung. »Onkel Arthur ist hier!«
»Es heißt Onkel Prinz Arthur, Holzkopf!«
»Nein, es ist total blöd, ihn so zu nennen!«
»Du bist blöd!«
»Nein du!«
»Ich werde dich so was von verpetzen!«
Arthur bricht in Gelächter aus, als ihm nicht weniger als drei Kinder auf einmal um den Hals fallen. »Na, wenn das mal nicht die Sharpe-Kids sind! Hallo Jungs!« Er verteilt Fauststöße an die Zwillinge Josh und Geoffrey, während der kleine Knox das Gesicht in seinem Hosenbein vergräbt und etwas über seinen Oberschenkel schmiert, das hoffentlich Mums selbst gemachter Schokoladenpudding ist.
Dann ringen sich die Jungs zu einem kurzen und unverhohlen wenig begeisterten »Hi, Tante Tessa« durch, bevor sie geschlossen zu Xavier rennen. Der bückt sich und hebt sie hoch, vier auf einmal, an seinen gewaltigen Unterarmen hängend, sodass ich mir denke, dass die Gummibärchen, die ich ihnen mitgebracht habe, nicht mehr ganz so gut ankommen wie dereinst.
Als mir der Duft von Geräuchertem in die Nase weht, überfällt mich wieder eine Welle der Übelkeit. Ich halte mir die Nase zu, damit der Geruch mir nicht den Magen umdreht. Da bleibt Poppy, meine acht Jahre alte Nichte, vor mir stehen. Ich sehe sie lächelnd an; wenigstens Poppy liebt mich noch.
»Du hast bestimmt keine Gummibärchen mitgebracht, oder?«, fragt sie, stemmt eine Hand in die Hüfte und sieht mich mit leichtem Abscheu im Blick an.
»Aber ja doch.«
Jetzt grinst sie breit und lässt die Hand sinken.
»Aber wie wäre es vorher mit einer Begrüßungsumarmung für deine Tante?«
»Hi Tante Tessa«, sagt sie und schlingt ihre Arme um mich.
Dann tritt sie zurück und blickt erwartungsvoll auf meine Jackentaschen. Ich ziehe eine Tüte heraus, die sie mir aus der Hand reißt und gierig an einer Ecke öffnet, wobei sie mich an eine winzige Drogensüchtige vor ihrem nächsten Schuss erinnert.
Sie stopft sich ein Gummibärchen in den Mund und sagt: »Dann ist es wahr?« Sie kaut, schluckt und schiebt sich noch zwei in den Mund. »Du hast ein ernsthaftes Alkoholproblem, weil der Stress, eine Prinzessin zu sein, zu mächtig geworden ist?«
Ich mache große Augen, und bevor ich irgendetwas abstreiten kann, erscheint meine dreizehnjährige Nichte Tabitha neben Poppy und sieht mich mit einem überaus ernsten Blick an. »Mein Dad sagt, er hat gewusst, du würdest unter dem Druck zusammenklappen, aber dass du mit dem Saufen anfängst, hätte er nicht gedacht. Er war überzeugt, du würdest dich an den leckeren Sachen aus der Palastbäckerei überfressen und total fett werden.«
»Ich bin keine … Ich trinke keine …«
Sie streckt eine Hand aus und tippt in die Handfläche. »Wenn du ein Glas Wein brauchst, kann ich die Gummibärchen verteilen.«
»Danke, aber das mache ich schon selbst.« Sie kassiert nicht alle Umarmungen, für die ich bezahlt habe. Diese Umarmungen gehören mir. »Und ich bin nicht süchtig, weder nach Alkohol noch nach Essen oder sonst irgendwas, vielen Dank auch. Ich war noch nie so glücklich.«
Wieder schlägt mir der Essengeruch entgegen, und ich öffne in der Hoffnung, dem zu entgehen, den Mund und hole tief Luft. Endlich bemerkt auch mein Vater, dass ich hier bin, und legt einen Arm um mich. »Ist sie nicht eine Schönheit?«
»Oh, Dad, danke –«
»Die Smoke-R-Ator 3000. Ich hab das Ding bei Barney’s im ›Sommervorverkauf‹ erstanden. Das Gerät hat vier abnehmbare Lagen, das Innenleben ist ganz aus Edelstahl, und obendrein kann ich damit die Rückseite einer Schweinehälfte rösten, während die Vorderseite geräuchert wird.«
Mein Blick fällt auf den Anlass seiner Bewunderung, der zugleich der Auslöser meiner augenblicklichen Übelkeit ist. Ein riesiger chromblitzender Barbecue-Smoker, etwa von der Größe eines Kühlschranks, den er im Garten vor dem Haus aufgebaut hat.
»Oh, du meine Güte, das ist … das ist echt ein Ding, Dad.«
»Aber ich rede lieber nicht davon, Schweine zu räuchern, da du und dein Mann doch mit einem Schwein in einem Bett schlaft.«
»Dexter schläft nicht mit uns im Bett. Er hat sein eigenes Körbchen.«
»In eurem Schlafzimmer.«
»Äh, ja, aber das macht nichts. Wir haben nichts gegen Schinken oder so.«
Arthur tritt hinter mich und fährt mir mit der Hand über den Rücken. Wärme und Dankbarkeit, mich meiner Familie nicht allein aussetzen zu müssen, durchströmen mich. Arthur stößt einen leisen Pfiff aus und sagt: »Du hast da wirklich einen fantastischen Barbecue-Smoker, Ruben. Wann hast du dir den besorgt?«
Ich muss innerlich grinsen, da ich weiß, dass Arthur jedes Wort meines Vaters zuvor mitbekommen hat. Sofort beginnen die beiden eine Unterhaltung über Smoker, während ich von einem lauten Kreischen abgelenkt werde – ein Geräusch, das mit Dexter konkurrieren könnte, wenn er sein Frühstück verlangt. Ich drehe mich um und sehe Mum die Stufen herunterstürmen, um uns zu begrüßen. Sie trägt noch die Küchenschürze, und mir ist klar, dass sie sich im nächsten Moment verfluchen wird, weil sie sie nicht abgenommen hat, bevor der »Prinz« sie entdeckt.
»Da seid ihr ja. Wir haben uns schon gefragt, ob ihr es überhaupt noch schaffen würdet!« Sie umarmt mich freudig und errötet, als Arthur sie auf die Wange küsst.
»Wir sind zehn Minuten später, als ich gesagt habe. Höchstens zwölf.«
»Ich dachte, euer Leben wäre auf die Minute durchgeplant.«
»Entschuldige bitte, Evi, mein Telefonat mit dem spanischen Premierminister hat etwas länger gedauert. Er musste mir noch von seiner Tochter erzählen, die jetzt auf die Uni geht.«
Mum droht Arthur mit dem Zeigefinger. »Du sollst doch ›Mum‹ zu mir sagen, weißt du noch?«
»Ich versuche es.«
Sie wirft mir einen Blick zu, dann zischt sie leise aus dem Mundwinkel, als könnte ich sie dann nicht hören: »Geht es ihr gut? Ich meine, wirklich gut?«
»Mum, ich stehe direkt vor dir. Du kannst mich selbst fragen«, sage ich. »Und übrigens, es geht mir prima. Alles ist vollkommen normal.« Als ich das sage, kommt das Wort »normal« mit einem unüberhörbaren Rülpser heraus, und mein Magen revoltiert.
Meine Mutter sieht mich mit einem seltsamen Blick an und will mir gerade erklären, wie »normal« ich offenbar nicht bin, als Arthur sie unterhakt und sagt: »Wollen wir uns nicht drinnen unterhalten?«
Ich folge den beiden die Stufen hinauf, erleichtert, aus den Fleischdünsten herauszukommen. An der Haustür höre ich meine Mutter ausrufen: »Oh, Mist, ich habe vergessen, die dumme Schürze abzubinden! Du musst ja denken, du isst mit dem Hausmädchen!«
»Ach, Evi, vergiss nicht, wenn ich hier bin, bin ich nur dein Schwiegersohn.«
»Ich versuche mich daran zu erinnern, wenn du daran denkst, ›Mum‹ zu mir zu sagen.«
Etwa eine halbe Stunde später setzen wir uns zum Essen hin; um den Tisch ist es jetzt, da Arthur, Irene und Xavier dazugekommen sind, noch enger geworden (ja, Mum hat ihn dazu genötigt, »sich ganz wie zu Hause« zu fühlen, damit sie und meine Schwägerin ihn, während wir essen, ungehindert angaffen können. Ben, Arthurs Fahrer, und sein Leibwächter Ollie konnten sich den Annäherungsversuchen meiner Mutter entziehen und warten draußen im Wagen. Glückspilze! Hm, ich frage mich, ob es irgendjemandem aus meiner Familie aufgefallen wäre, wenn ich bei ihnen geblieben wäre).
Jedenfalls sitzen wir dicht gedrängt um den Tisch herum, weil wir auch noch für Lars’ und Ninas Baby Eugenia Platz machen mussten, die ein Stückchen hinter ihren Eltern auf einem riesigen Kinderstuhl thront. Mit sieben zappelnden Kleinen am Kindertisch und zwölf Erwachsenen an dem für acht ausgelegten Esstisch ist es laut und stickig heiß im Raum.
Arthur und ich haben uns die frohe Botschaft bisher verkniffen. Wir wollten damit warten, bis alle an einem Ort versammelt sind.
Nina, die mir gegenübersitzt, sagt: »Wie geht es dir denn, Tessa? Das war ja neulich Abend eine wirklich unschöne Lebensmittelvergiftung.« Das Wort »Lebensmittelvergiftung« kleidet sie in luftig hingetupfte Anführungszeichen.
»Ja, nicht gerade mein schönster Moment. Aber es geht mir schon wieder viel besser, danke.«
Sie sieht mich mit einem Blick an, der mir sagt, dass sie mir kein Wort glaubt. »Du hast gar keinen Wein. Du trinkst doch sonst immer mindestens drei Gläser zum Essen. Soll ich dir ein Glas holen?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein danke, heute nicht.«
»Nina«, wirft Arthur ein, »wie ich sehe, hat Eugenia inzwischen einen fast vollkommen runden Kopf, das muss doch eine ziemliche Erleichterung für euch sein.«
Nina lächelt zuerst, dann zieht sie irritiert die Augenbrauen zusammen; ich kann sehen, dass sie dahinterzukommen versucht, ob er es ehrlich meint oder ob er sie verulkt. »Äh ja, alle Kinder bekommen runde Köpfe, das dauert bloß ein paar Tage.«
»Stimmt. Das ist wirklich spektakulär, weil ihrer anfangs ziemlich lang gezogen war, nicht? Und jetzt … alles perfekt.« Er schaut das Baby grinsend an, das sich gerade mit einer pummeligen Hand einen matschigen Fisch-Cracker in den Mund quetscht. »Hallo Eugenia«, gurrt er. »Gönnst du dir eine Handvoll komische Cracker?«
Die Kleine erwidert das Lächeln und zeigt uns allen, was sie in ihrem Mündchen zermanscht. Anscheinend können nicht einmal einjährige Mädchen der Aufmerksamkeit meines Gatten widerstehen. Ich schaue ihn an und sehe, dass er von ihr nicht weniger eingenommen ist; mein Herz macht daraufhin einen Satz, weil ich weiß, wie wundervoll er mit unserem eigenen Baby umgehen wird. Fast sehe ich es vor mir, wie er mit nacktem Oberkörper auf dem bequemen Fensterplatz in unserem Wohnzimmer sitzt und sie – oder ihn – zärtlich an seine Brust drückt. Oh, wie romantisch und traumhaft das sein wird, ganz wie auf den famosen Schwarz-Weiß-Plakaten mit heißen, halb nackten Kerlen und Kleinkindern auf dem Arm. Nur noch besser, weil es die Wirklichkeit sein wird.
Ich strecke die Hand aus, lege sie auf seine und drücke sie sanft. Arthur wendet sich mir rasch zu und sagt: »Wird dir schlecht? Soll ich dir einen Weg nach draußen bahnen?«
»Nein, ich liebe dich bloß, sonst nichts.«
Er lächelt und drückt mir rasch einen Kuss auf die Lippen, wie er einem Familienessen angemessen ist. »Sollen wir die Katze aus dem Sack lassen?«
Ich nicke. »Ja, lass es uns tun.«
»Das haben wir schon. Jetzt ist es nur noch an der Zeit, das Ergebnis allen mitzuteilen. Soll ich, oder willst du?«
»Mach du. Du bist der, der gut reden kann.«
Er steht auf, hebt sein Weinglas und bringt es mit seinem Messer zum Klingen. »Verzeihung, Sharpes, Tessa und ich haben etwas zu verkünden, und wir wollten, dass ihr die frohe Botschaft zuerst erfahrt.«
»Dann bekommt ihr ein Kind, wie?«, ertönt die Stimme meines Bruders Bram vom Ende des Tisches, den Mund voll Kartoffelpüree.
Arthur macht ein langes Gesicht. »Nun, ja, in der Tat …«
»Was habe ich gesagt?« Bram hält Finn die Hand hin, der die Augen verdreht, einen Zehner aus seiner Brieftasche fischt und ihm gibt. »Er war mit Lars einer Meinung, dass du ein Alkoholproblem hast. Aber ich nicht, Tessa. Ich habe gesagt, ›Tessa ist im Leben kein Alki, nein, nein, sie hat sich einen Braten in die Röhre schieben lassen‹.«
Ich nicke seufzend. »Tja, danke, Bram, dass du an mich geglaubt hast.«
Er hebt sein Bier und zwinkert mir zu, während meine Mutter in lautes, glückliches Schluchzen ausbricht. »Mein kleines Mädchen bringt den nächsten regierenden Monarchen zur Welt!«
Sie und Dad stehen auf und bedeuten uns, zur Umarmung anzutreten. Dad sieht selbst ein wenig so aus, als wollte er jeden Moment Tränen vergießen, als er Arthur die Hand schüttelt und mich in seine nach Räucherschinken riechenden Arme schließt, was mich vernehmlich würgen lässt.
Dann kommt Mum, die mich derart fest an sich drückt, dass es sich anfühlt, als wollten meine Rippen brechen. Anschließend werde ich aus allen Richtungen in so schneller Folge mit Fragen bestürmt, dass ich nicht mehr mitkomme.
»Also hast du dich deshalb übergeben. Wie weit bis du denn schon?«
»Erst in der sechsten Woche. Deshalb will ich es auch noch nicht an die große Glocke hängen. Das bleibt vorerst in der Familie.«
»Zu meiner Zeit hat man es selbst dem eigenen Mann erst nach dem sechsten Monat gesagt«, bemerkt meine Mutter. »Ihr jungen Frauen geht viel offener mit diesen Dingen um.«
»Danke Mum.«
»Oh, das war kein Kompliment. Ich halte das für einen Riesenfehler.«
»Genieße es zu schlafen, solange du noch kannst«, sagt Nina und greift nach Lars’ Arm. Worauf die beiden in Gelächter ausbrechen.
»Und zu niesen, ohne dass du dir in die Hose machst«, ergänzt Isa.
In die Hose machen? Ist das immer so, oder kann ich das irgendwie vermeiden?
»Oh, Isa, ich glaube, davon hat Tessa noch nichts gehört«, sagt Nina. »Am besten fängst du jetzt schon mit den Übungen gegen Inkontinenz an.«
Da lässt sich vom Kindertisch Poppy vernehmen: »Mum, was ist Inkontinenz, und womit soll Tessa anfangen?«
Vor Scham verfärbt sich mein Gesicht, während Lars seiner Frau einen zweideutigen Blick zuwirft. Dann wendet er sich an Poppy. »Mit etwas, das man machen muss, wenn man nicht genug Gemüse isst. Also, sei jetzt still und iss!«
»Hast du schon einen Termin bei Dr. Dropp?«
»Wann kommt das Baby?«
»Wer ist der Vater?«
»Sei kein Idiot, Finn!«
»Wird es ein Junge oder ein Mädchen?«
»Bitte, lass es ein Mädchen werden. Ich will nicht noch mehr blöde Jungs in der Familie.«
»Tabitha! Das ist aber nicht nett!«
»Aber du hast doch gesagt, ich soll immer ehrlich sein. Und Jungs sind Stinker, das ist die Wahrheit.«
»Tja, wenigstens kriegen wir keine Kopfläuse.«
»Wirst du das Kind im Palast bekommen oder im Krankenhaus?«
»Hast du schon Folsäure eingenommen? Weil, jetzt ist es schon zu spät, um noch damit anzufangen.«
»Nein, das kann immer noch helfen.«
»Das habe ich anders gelesen. Wenn man weiß, dass man schwanger ist, bringt es nichts mehr.«
»Oh Gott, wirklich? Weil ich die Pillen immer erst geschluckt habe, nachdem ich wusste, dass ich ein Kind bekommen würde.«
»Na ja, darum musst du dir jetzt keine Sorgen mehr machen. Alle deine Kinder sind wohlauf.«
Arthur legt einen Arm um meine Schulter und flüstert mir ins Ohr: »Gott, wie ich deine Familie liebe.«
»Immerhin einer von uns«, antworte ich leise.
Nach dem Essen räumen Mum, Arthur und ich die Küche auf, während Dad, Bram und Finn sich die Kricket-Höhepunkte anschauen. Lars und Nina sowie Isa und Noah sind mit ihrer Brut heimgefahren, damit die Größeren ihre Hausaufgaben machen und sich auf die neue Schulwoche vorbereiten können. Ich spüle einen Topf und denke, dass es mir vorkommt, als hätten Lars und Nina erst vor einem Monat erfahren, dass sie meine älteste Nichte Tabitha bekommen würden, und nun ist sie schon ein Teenager mit sehr dunklem Eyeliner und eingebildetem Gesichtsausdruck.
Arthur trocknet das Geschirr mit einem Tuch ab, auf dem das Gesicht seines Vaters prangt. Anscheinend bereitet es ihm ein besonderes Vergnügen, es mit dem Gesicht nach unten zu benutzen und damit jeden Teller abzureiben, als könnte er so das selbstgefällige Grinsen des Königs aus dem Gewebe scheuern. Bestimmt gibt es einen guten Grund für seine aufgestaute Wut auf den Mann, weshalb ich immer froh bin, wenn wir zu einer weiteren »Trockentuch-Therapie« vorbeikommen können.
Meine Mutter wischt mit einem gewaltigen »Ich-werde-die-Großmutter-des-zukünftigen-Königs-oder-der-zukünftigen-Königin«-Lächeln den Küchentresen sauber. »Ich kann es einfach nicht fassen, dass ihr zwei jetzt schon ein Baby erwartet.«
Arthur schaut zu ihr hin. »Ich arbeite schnell. Also, nicht wirklich schnell …«
Ich spritze Spülwasser in seine Richtung und werfe ihm einen genervten Blick zu.
»Effizient«, sagt er, um Schadensbegrenzung bemüht.
»Ich könnte mich nicht noch mehr freuen. Ruben auch. Ich muss Grace von nebenan sagen, sie soll mit einer Decke anfangen. Keine häkelt so schön wie sie.«
»Oh, Evi, wir hatten gedacht, wir halten es noch eine Weile geheim«, sagt Arthur.
»Sag ›Mum‹ zu mir, und mach dir keine Sorgen. Euer Geheimnis ist bei Ruben und mir gut aufgehoben.«
»Und was ist mit Grace von nebenan?«, frage ich mit mehr als nur einem Hauch Misstrauen in der Stimme.
»Grace kann schweigen wie ein Grab.«
Ich will gerade protestieren, als Mum das Thema wechselt.
»Brauchst du die Nummer von Dr. Dropps Praxis, Tessa?«
»Ja, bitte. Kannst du sie mir aufs Handy schicken? Ich habe keinen Stift parat.«
»Na klar, aber ruft sofort an. Es kann Wochen dauern, bist du einen Termin bekommst.«
»Machen wir.«
Als wir das Geschirr abgewaschen haben, zieht Mum die jüngste Ausgabe des Royal Commemorative Catalog aus der Tasche und stürzt sich, in der Hoffnung, dass sie einmal von unserem Baby geziert werden, in eine lange Liste unterschiedlich gestalteter Teller, Tassen und Untertassen. Natürlich erwartet sie nicht, dass Arthur alle zwölf ermöglichen kann, doch als leidenschaftliche Sammlerin hofft sie, dass ihr Blick den Auswahlprozess erleichtern wird, und wenn wichtige Entscheidungen zu treffen sind, hat es keinen Sinn, noch länger zu warten …
Kaum sitzen wir in der Limousine, um nach Hause zu fahren, da frage ich: »Wer ist Dr. Dropp?«
»Anita Dropp, die Ärztin, die mich zur Welt gebracht hat. Meine Brüder auch. Und meine Nichten und Neffen. Tatsächlich war sie eine der ersten Entbindungsärztinnen in Avonien.«
Ich ziehe eine Braue hoch. »Aber Lars wird doch dieses Jahr vierzig, nicht?«
»Ja«, antwortet Tessa kurz angebunden, da sie weiß, worauf ich hinauswill, und nicht das geringste Interesse hat, sich darauf einzulassen. »Und?«
»Dann muss sie steinalt sein. Ich meine, wie ruhig können ihre Hände in dem Alter noch sein?«
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Ihre einzige Aufgabe besteht darin, das Baby aufzufangen, aber dazu ist sie wahrscheinlich nicht in der Lage. Der arme Wurm fällt bestimmt auf den Kopf und endet deshalb in einer Förderklasse.
»Arthur!«
»Was ist denn? Das Mindeste, was man von einer Entbindungsärztin erwarten kann, ist doch wohl, dass sie das Baby nicht fallen lässt.«
»Sie wird das Baby nicht fallen lassen.« Sie sieht mich an und verdreht die Augen. »Sie ist vielleicht nicht mehr die jüngste, aber ich habe lieber jemanden wie sie, die schon alles gesehen und durchgemacht hat, als einen Arzt, auf dessen Approbation die Tinte noch nicht trocken ist.« Sie setzt sich auf und verschränkt die Arme vor der Brust.
»Das ist eine rein akademische Frage«, sage ich achselzuckend. »Wir haben einen offiziellen königlichen Entbindungsarzt, der unsere Kinder zur Welt bringen wird.«
»Ein offizieller königlicher Entbindungsarzt?«, fragt Tessa so patzig, wie es ihr möglich ist.
»Ja«, sage ich und öffne den kleinen Kühlschrank, um mir eine Flasche Wasser herauszunehmen. Als ich ihr auch eine anbiete, schüttelt sie den Kopf. »Er ist der Beste im Land. Locker. Er leitet die Entbindungsstation im Valcourt Memorial.«
»Ich kann nicht erkennen, wo der Vorteil liegen könnte. Vermutlich hat er viel zu viel zu tun, um sich anständig um seine Patientinnen kümmern zu können.«
»Na, für dich wird er nicht zu beschäftigt sein. Das kann ich dir versichern.«
»Das ist ein bisschen elitär, findest du nicht?«
Ich nicke. »Weil wir die Elite sind. Nun, normalerweise stimme ich mit dir überein, wenn es um Gleichheit für alle und so weiter geht, aber wenn es sich um die Sicherheit und das Wohlergehen unseres Babys dreht, denke ich, würde auch jeder Vater da draußen auf den Besten der Besten bestehen, wenn er es könnte.«
»Arthur, wie schrecklich, so etwas zu sagen. Alle Babys sind wichtig.«
Ich unterdrücke den Drang, die Nase zu rümpfen, da ich weiß, dass uns diese Diskussion nirgendwo hinführt. »Wie wäre es damit? Wir gehen zu beiden und schauen, wer uns mehr zusagt.«
»Wer mir mehr zusagt. Das betrifft mich schließlich viel mehr als dich, findest du nicht?«
»Selbstverständlich. Dein Körper, deine Entscheidung.« Ich beuge mich vor und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. »Jedenfalls solange du dich richtig entscheidest.«
Tessa verpasst mir einen Schlag gegen den Arm.
»Autsch! Seitdem du schwanger bist, bist du furchtbar gewalttätig.« Ich massiere die Stelle, wo sie mich getroffen hat. »Und ich glaube, deinen Sinn für Humor hast du auch verloren. Ich habe nur einen Witz gemacht.«
»Also gehen wir zu Dr. Dropp?«
»Um Himmels willen, nein!« Ich grinse sie an, damit sie erkennt, dass ich scherze, doch das Lächeln vergeht mir, als mir die Tragweite meines Entschlusses bewusst wird. »Aber ich meine es ernst, wenn ich sage, dass ich für dich und das Baby das Beste will. Ihr zwei seid nämlich, jetzt und immerdar, die bei Weitem wichtigsten Menschen in meinem Leben. Würdest du mir also einen Riesengefallen tun und dafür sorgen, dass wir jedes erdenkliche Risiko für euch beide so gering wie möglich halten?«
Tessa seufzt. »Na schön, dann sprechen wir auch mit deiner Alternative.«
»Danke.«
Nun sitze ich vor einem Stapel Papierkram, über den ich kaum hinausschauen kann, an meinem Schreibtisch. Zuerst greife ich nach dem Ordner mit Glückwunschschreiben, die mir zur Unterschrift vorliegen. Um mich vielleicht mit etwas einlullend Einfachem warmzumachen. Ich seufze, weil ich sauer auf meinen Vater bin, der sich mal wieder für einen ganzen Monat Gott weiß wohin verabschiedet und mich mit dem Löwenanteil seiner Regierungsarbeit allein zurückgelassen hat, während er selbst sich irgendwo amüsiert. Normalerweise bin ich froh, wenn er außer Landes weilt, weil ich mich dann nicht mit seinen Launen herumplagen muss, doch momentan bin ich selbst miserabel gelaunt.
Zurzeit zerrt die Kombination aus Schlafmangel und ausbleibendem Sex an meinem Geduldsfaden. Ich erwarte keineswegs von Tessa, dass sie sich in ihrem gegenwärtigen Zustand zum Horizontaltango bereitfindet, aber leider ist auch wahr, dass ich die regelmäßigen Tanzstunden während der vergangenen anderthalb Jahre lieb gewonnen habe, und da dergleichen inzwischen buchstäblich ungelegen kommt, sind Excalibur und ich eben ein wenig vergrätzt.
Was nicht heißt, dass einer von uns im Traum daran denken würde, Tessa davon in Kenntnis zu setzen. Dem armen Ding geht es so schlecht, dass ich mir tatsächlich Sorgen um sie mache. Mittlerweile glaube ich, dass sie in den letzten Wochen abgenommen hat, was ich einigermaßen erschreckend finde. Außerdem fühle ich mich in einem furchtbaren Ausmaß an ihrem gegenwärtigen Zustand schuldig. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, muss ich zugeben, dass ich mich sogar machtlos fühle, was durchaus nicht mein Normalzustand ist. Kein Mann ist gerne machtlos, und einer, dem bereits vor Jahren die Macht über ein ganzes Königreich verliehen wurde, schon gar nicht. Doch jetzt muss ich mich zurücklehnen und in Geduld üben.
Oder doch nicht? Vielleicht könnte ich den Entbindungsarzt ja überreden, uns schon heute dranzunehmen, und vielleicht kennt er sogar ein Wundermittel gegen Morgenübelkeit. Also beschließe ich, dass die Glückwünsche warten können, drücke die Taste der Gegensprechanlage und erkundige mich bei Vincent, ob er schon einen Termin mit Dr. Glastonbury vereinbaren konnte.
Vincent räuspert sich zweimal, ehe er antwortet. Was nie ein gutes Zeichen ist. »Ich fürchte, ich habe schlechte Neuigkeiten. Dr. Glastonbury geht in zwei Monaten in den vorzeitigen Ruhestand.«
»Er tut was?«
»Er geht in den Ruhestand. Genau genommen zieht er nach Costa Rica.«
»Kann er damit nicht bis Februar warten?«