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Erst ist ihr LEBEN in Gefahr.
Dann ihr HERZ.
--- Leichtathletin Ava Jennings entgeht nur um Haaresbreite einem Anschlag auf ihr Leben, und plötzlich ist nichts mehr so, wie es war. Wer steckt dahinter, und wird es einen weiteren Versuch geben?
Freunde empfehlen ihr Tyler Knight als Bodyguard. Der sexy Kerl ist einer der Besten. Doch je weniger ihr Leben in Gefahr ist, desto mehr ist es ihr Herz …
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Der Abschlussband der sinnlichen Liebesroman-Reihe "Time for Passion" von Philippa L. Andersson begeistert mit einem gefährlichen Auftakt, heftigen Gefühlen und Entscheidungen fürs Leben. Jeder Band ist in sich abgeschlossen.
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Über die Reihe "Time for Passion"
Heute, gestern, morgen - Liebe hat ihren eigenen Zeitplan. Lies, wie die drei Freundinnen Chloe, Lauren und Ava die Hürden des Lebens meistern, alte Probleme lösen, sich verlieben und ihrem Herzen und ihrer Leidenschaft folgen!
Band 1 - All We Have Is Today (Chloe & Jason)
Band 2 - You Were Mine Yesterday (Lauren & Wade)
Band 3 - Forever Yours Tomorrow (Ava & Tyler)
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Veröffentlichungsjahr: 2023
INHALT
Impressum
Über das Buch
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Epilog
Über die Reihe Time for Passion
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Über Philippa L. Andersson
Originalausgabe
November 2019
Forever Yours Tomorrow
Philippa L. Andersson
Copyright: © Philippa L. Andersson, 2019, Berlin, Deutschland
Umschlagfotos: © depositphotos.com (clearviewstock & kaisorn4)
Umschlaggestaltung: Philippa L. Andersson
Lektorat: Mona Gabriel, Leipzig, Deutschland
Korrektorat: Laura Gosemann, Berlin, Deutschland
Philippa L. Andersson vertreten durch:
Sowade, Plantagenstraße 13, 13347 Berlin, Deutschland
www.philippalandersson.de
Alle Rechte vorbehalten. Insbesondere behalte ich mir die Nutzung meiner Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet. Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.
Leichtathletin Ava Jennings entgeht nur um Haaresbreite einem Anschlag auf ihr Leben, und plötzlich ist nichts mehr so, wie es war. Wer steckt dahinter, und wird es einen weiteren Versuch geben?
Freunde empfehlen ihr Tyler Knight als Bodyguard. Der sexy Kerl ist einer der Besten. Doch je weniger ihr Leben in Gefahr ist, desto mehr ist es ihr Herz …
»Die Stunde ist um. Mehr haben wir vertraglich nicht vereinbart. Lass uns gehen!«, sagt meine Managerin Rebecca Woods.
Macht sie Witze? Ja, als erfolgreichste US-Sprinterin auf der Hundert-Meter-Distanz und als Markenbotschafterin für den größten Sportartikelhersteller der Welt habe ich meinen Teil der Vereinbarung erfüllt. Aber wie so oft will ich länger bleiben. Die Zuschauer im Stadion des Golden Gate Parks applaudieren den Läufern, die gerade die letzten drei Runden der Fünftausend-Meter-Distanz absolvieren. Die All City Finals, die jährlichen Leichtathletikwettkämpfe aller Highschools in San Francisco, sind in vollem Gange. Fernsehteams und Lokalpresse schwirren herum, und ich bin kurz davor, meinen Sonderplatz an der inneren Laufbahn aufzugeben und selbst mitzurennen.
»Los, los, los!«, feuere ich die Spitzenläuferin an, die nun ihre letzte Runde vor sich hat. Sie gibt noch mal alles und prescht durchs Ziel, und ich jubele ihr zu. Genau wie ihr Trainer, ein gut gebauter Typ mit wuscheligen blonden Haaren und lachenden Augen, der mir immer häufiger interessierte Blicke zuwirft.
Rebecca neben mir wird ungeduldig. »Ava, du weißt, dass du heute Abend noch zu CBS musst?«
»Ja, ja«, sage ich lahm. Um im Fernsehen über meinen Trainingsplan für die WM zu reden. Wie langweilig! Meine Managerin hat extra beide Termine auf einen Tag gelegt, damit ich möglichst wenig Trainingszeit verliere. »Aber es ist erst zwei! Ich kann locker noch eine Stunde bleiben.«
»Eine STUNDE!« Rebecca klingt, als stünde sie kurz davor, an Langeweile zu sterben.
»Wenn du willst, kannst du gehen. Ich komme auch ohne dich klar, stell mir einen Handyalarm, fahre dann brav nach Hause, absolviere mein Beauty-Programm und erscheine pünktlich um 18 Uhr im Studio. Wie klingt das?« Abwartend sehe ich sie an. Wenn ich nicht gerade vor Begeisterung für den Sport alles um mich herum vergesse, gelte ich als extrem zuverlässig. Und das weiß sie. »Bitte, bitte, bitte, Becs«, bearbeite ich sie, benutze ihren Spitznamen und werfe ihr meinen besten Hundeblick zu, weil ich mich ungern über sie hinwegsetze. Wir arbeiten eng zusammen, und ein Streit würde unser Verhältnis nur belasten. »Außerdem bin ich die schnellste Frau des Landes. Falls ich spät dran bin, steige ich einfach in meine Laufschuhe und flitze wie der Blitz zu CBS.«
»Um vor Schweiß triefend anzukommen? Wehe! Das wirst du nicht!«, ruft Rebecca nun lachend. »Hat das eventuell auch was mit dem Kerl dort drüben zu tun, der dir schöne Augen macht?«
»Möglich«, sage ich und tausche einen weiteren Blick mit dem sexy Trainer aus.
»Na gut, eine Stunde darfst du dich hier noch austoben, Ava. Aber nicht länger. Die Sendung ist wichtig für dich und deine Sponsoren.«
»Super! Danke dir.«
Erleichtert über die Einigung wechsele ich zu den Weitspringern und verfolge gebannt den Absprung der ersten Sportlerin, einer zierlichen Brünetten von der Lowell High School. Sie trifft das Absprungbrett perfekt, erreicht eine anständige Weite, und ich klatsche.
»Gut gemacht!«
In dem Moment stellt sich jemand neben mich. Ich sehe zur Seite und rechne mit Rebecca, doch es ist der Typ mit den wuscheligen Haaren. Um seinen Hals hängt ein Schlüsselband, daran ein Kärtchen, das ihn als Sportlehrer und Trainer ausweist. Und das ihm einen Namen gibt. Cole Rivers.
Einen ganzen Durchgang lang stehen wir Seite an Seite und applaudieren den Athleten, und mein Herz klopft immer hoffnungsvoller.
Eigentlich liebe ich mein Leben. Doch in letzter Zeit wurmt es mich, dass meine besten Freundinnen Chloe und Lauren plötzlich glücklich verliebt sind und ihre besseren Hälften zu nahezu jedem Treffen mitschleppen, ich jedoch niemanden habe. Ich tue dabei so, als würde es mir nichts ausmachen. Aber natürlich will ich mich auch verlieben. Und vielleicht passiert es gleich.
»Hi!«, spricht Cole mich schließlich an und stellt sich vor. »Noch hier?«
»Hi«, gebe ich lächelnd zurück und stelle mich auch vor, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass er weiß, wer ich bin. »Ich wollte noch ein paar Wettkämpfe sehen.«
»Die Leistungen sind kein Vergleich mit Landesmeisterschaften«, sagt er.
»Das stimmt. Aber jeder gibt sein Bestes. Ich mag das.«
Er lächelt. »Genau deshalb bin ich so gerne Trainer. Die Kids sind hoch motiviert, und es macht Spaß, sie zu Höchstleistungen zu animieren.«
»Pah!«, schnaube ich.
»Was?«, fragt er amüsiert nach.
»Ich glaube, es macht euch Trainer eher Spaß, uns zu quälen«, sage ich und denke an Coach Chapman, der bei mir immer wieder für Muskelkater und Schweißperlen sorgt.
Cole lacht laut. »Manchmal«, gesteht er.
Ich muss auch grinsen, denn das hier, das fühlt sich gut an.
»Lust auf einen Kaffee?«, fragt er. »Es gibt einen kleinen Tisch mit Snacks und Getränken für uns Lehrer.«
»Du hast Zeit?«, frage ich und bin immer mehr an ihm als an der Veranstaltung interessiert.
»Ja, ich hab Pause, bis ich nachher zum Stabhochsprung muss.«
»Dann gerne«, sage ich.
Wir schlängeln uns an den verschiedenen Stationen vorbei, die sich auf der Feldmitte befinden. Erst der Sandkasten für die Weitspringer, dann die Anlage zum Kugelstoßen und schließlich die Aufbauten für den Stabhochsprung.
Cole drückt Kaffee aus einer Thermoskanne in zwei Becher und reicht mir einen. Ich bediene mich und gebe Milch dazu, und wir stoßen an und setzen uns auf Klappstühle.
»Ist leider kein Latte macchiato. Und wir haben auch keine Mandelmilch oder Kaffeesahne.«
»Ist absolut perfekt«, versichere ich ihm und schlürfe den Kaffee.
»Echt?«, gibt er schmunzelnd zurück. »Ich kann das nämlich noch toppen. Wenn du mir die Chance dazu gibst.«
»Etwa mit einem zweiten Kaffee?«, flirte ich und leere meinen Becher.
»Auf jeden Fall«, sagt er und schenkt mir nach. Durchsagen schallen über den Platz, und auf der Tribüne applaudiert das Publikum gerade einem Kugelstoßer. »Und gerne auch an einem etwas ruhigeren Ort.«
»Nur wir zwei?«, frage ich nach.
»Nur wir zwei.«
»Sehr gerne«, sage ich und kann es gar nicht erwarten, diesen Mann näher kennenzulernen.
»Wie wär’s gleich mit heute Abend?«, fragt er.
»Geht nicht. Ich hab einen Fernsehauftritt. Morgen?«
»Elternabend.«
Mist! »Und danach?«, frage ich, weil mein Terminkalender nur wenig Freiräume lässt.
»Ab 19 Uhr bin ich frei«, sagt er zum Glück.
»Ich auch!«, rufe ich freudig. »Also haben wir ein Date?«
»Also haben wir ein Date«, bestätigt er.
Wir tauschen unsere Nummern aus. Dann muss er zu den Schiedsrichtern, um seinen Kollegen beim Stabhochsprung abzulösen, und ich schultere meinen Rucksack. Ich hab Rebecca versprochen, dass ich eine Stunde bleibe, und jetzt sind es fast zwei geworden. Ich muss echt spurten.
Als ich über das Mittelfeld eile, drehe ich mich ein letztes Mal zu Cole um, und er winkt mir zu. Jippieh, wir haben ein Date! Ich nehme die Atmosphäre noch mal in mich auf. Das volle Stadion, der Jubel der Zuschauer, die Konzentration der Athleten, die Kameras der Lokalpresse und das für San Francisco ungewöhnlich warme Maiwetter.
Verdammt, ich liebe mein Leben!
Es ist absolut perfekt.
Rums!
Ein lauter Knall erfüllt das Stadion, die Erde bebt, und Konfetti landet in meinen Haaren.
Verwirrt drehe ich mich um. Ich dachte, die Siegerehrung ist erst am Abend. Aber wenn sie jetzt schon stattfindet, dann bleibe ich auf jeden Fall. Das lasse ich mir nicht entgehen!
Ich schaue zum Himmel. Aber da fliegen keine Luftballons. Stattdessen ist dort Rauch.
Wie bitte?! Rauch?
Irritiert greife ich in meine Haare. Aber ich fühle kein Konfetti, sondern Sand und eine klebrige Substanz. Mein Herz rast.
Dann höre ich Menschen in Panik schreien.
Dann Stille.
Dann wieder Schreie.
Dann erneut Stille.
Mit meinen Ohren scheint etwas nicht zu stimmen. Aber ich kann mir keinen Reim darauf machen. Ich stehe immer noch wie angewurzelt da, und mein Blick gleitet von der Spitze der Rauchsäule tiefer und tiefer.
Dort, wo eben noch die Hochsprunganlage war, ist jetzt ein riesiger Krater. Leblose Körper liegen um die Einschlagstelle verteilt. In Panik flüchten Zuschauer von den Tribünen und Sportler vom Platz. Eine Frau mit Blut auf der Kleidung rennt geduckt an mir vorbei. Dann folgt ein Mann, dann zwei junge Mädchen.
Irritiert sehe ich zum Himmel. Dort kreist eine Drohne, so als würde sie den Platz absuchen. Sobald sie tiefer geht, rennen die Menschen erst in die eine, dann in die andere Richtung.
Und plötzlich kommt sie direkt auf mich zu.
Einen Atemzug lang bin ich weiter wie erstarrt. Dann laufe ich los, so schnell ich kann. Weg von hier. Bloß weg.
Mit der Schulter stoße ich die Ladentür zu meinem Stamm-Tattoostudio im Mission District auf. »Jemand da?«, rufe ich.
»Wirst du unachtsam, oder hast du Sehnsucht nach mir?«, begrüßt mich Ranger, ein rotblonder tätowierter Kerl mit schwarzen Klamotten, und legt Farbkartuschen beiseite, um mir die Hand zu geben.
»Sehnsucht, eindeutig«, gehe ich auf seinen lockeren Tonfall ein, greife mein Shirt im Nacken, ziehe es mir über den Kopf und enthülle einen komplett tätowierten linken Arm, tätowierte Schulterblätter und ein ganzes Areal von Motiven von der rechten Bauchseite hoch zur Brust.
»Was hast du dir diesmal vorgestellt?«, fragt er.
»Ich dachte an ein Schwert. Hier!« Ich zeige auf eine nun endlich verheilte Wunde am unteren linken Rippenbogen.
»Ein Schwert?«, wiederholt er skeptisch. »Wie wäre es mit einem Dolch?« Er schlägt sein Buch mit Artworks auf und zeigt mir, was er meint. »Der lässt sich später leichter in ein anderes Bild integrieren.« Er räuspert sich. »Falls es nötig sein sollte.«
»Gut«, sage ich knapp. Was Tattoos angeht, vertraue ich Ranger. Der Kerl ist nicht nur ein begnadeter Künstler, sondern kennt sich auch mit Narben aus, die ich mir tätowieren lasse.
Routiniert reinigt er die Stelle. »Wie ist es diesmal passiert?«, fragt er und legt los.
»Ich habe die Entführung eines Geschäftsmanns verhindert«, erkläre ich. Zusammen mit einer Gruppe von zehn Männern führe ich Personal Protection, einen Premium-Dienstleister für Personenschutz. Und egal, wie vorsichtig ich bin – meine besten Freunde Jason und Wade nennen mich auch gerne ihren Sicherheitsfreak –, manchmal geht was schief. So wie beim letzten Job. Leider.
»Tragt ihr keine Schutzwesten?«
»Doch, aber es gibt bestimmte Klingen …«, sage ich locker, als wäre es keine große Sache. Dabei haben wir den Einsatz bei Personal Protection im Nachgang so lange analysiert, bis wir einen Weg gefunden haben, diese spezielle Situation in Zukunft zu vermeiden.
Konzentriert arbeitet Ranger an der Kontur. Ich kenne die Prozedur, und die leichten Schmerzen stören mich nicht. Entspannt lese ich auf meinem Handy Mails.
»Zufrieden?«, fragt er, als er fertig ist.
»Wie immer«, sage ich. Das Motiv fügt sich nahtlos in die umgebenden Tattoos ein.
Mit einem Nicken legt Ranger die Nadel weg und bereitet die erste Farbe vor. Doch gerade als er ansetzen will, klingelt mein Handy. Ich sehe Jasons Nummer und gebe Ranger ein Zeichen, dass er kurz warten soll. »Was gibt‘s?«, melde ich mich und rechne damit, dass er sich zum Surfen verabreden will. Das machen wir meist zu dritt mit Wade.
»Hol Ava da raus!«, brüllt er jedoch und versetzt mich sofort in Alarmbereitschaft. Das ist nicht Ich-begrüße-den-Morgen-mit-einem-Dankbarkeitsgebet-Jason, sondern jemand, der will, dass ich augenblicklich meinen Hintern in Bewegung setze.
Mit ›Ava‹ meint er Ava Jennings, die Freundin seiner Freundin Chloe, die Teil meines Freundeskreises ist. Bis vor Kurzem gab es da nur Jason, Wade und mich, eine reine Männerrunde, aber jetzt gehören irgendwie auch ihre Frauen, Chloe und Lauren dazu – und eben Ava.
»Ein Notfall, wir müssen unterbrechen«, sage ich zu Ranger, der sein Equipment beiseitelegt und Folie über das halb fertige Tattoo klebt.
»Wo ist sie?«, frage ich Jason und ziehe mich an.
»Im Golden Gate Park, im Stadion.«
Ich steige in meinen Wagen, einen SUV mit getönten Scheiben und kugelsicherem Glas, gebe Gas und tippe im Navi die Adresse ein. Der Computer kommt auf zwölf Minuten. Das ist schnell für San Francisco. Aber keiner weiß so gut wie ich, dass in zwölf Minuten jede Menge Scheiße passieren kann. Verdammt!
»Und was ist dort los?«, frage ich weiter und kämpfe mich im typischen Verkehrschaos zur Siebzehnten durch.
»Es läuft auf sämtlichen News-Kanälen. Eine Drohne wirft Granaten ab.«
»Wie bitte?! Granaten?! In San Francisco?« Mich überrascht selten etwas, aber das ist krank.
»Sag ihm, dass er nie wieder mit dir surfen darf, wenn er das verbockt!«, höre ich seine Freundin Chloe im Hintergrund drohen, scherzhaft und doch ernst. Wenn ich nicht helfe, wird keiner der beiden mehr ein Wort mit mir sprechen.
»Keine Sorge, ich verbock es nicht«, sage ich nur, lege auf und hänge mich an eine Kolonne Rettungswagen, um vorwärtszukommen.
Mir geht durch den Kopf, was ich über Ava Jennings weiß. Sie ist Weltklassesprinterin und erst kürzlich zur Sportlerin des Jahres gekürt worden. Von den drei Frauen ist sie die Rationale. Sie macht keine verrückten Dinge, hält sich an Pläne, ist auf ihre Karriere fokussiert und bleibt dabei bescheiden. Was ich sympathisch finde.
Und sie sieht heiß aus, meldet sich eine Stimme in meinem Kopf, die ich zurückdränge. Nicht jetzt! Obwohl es stimmt, wie zig Plakate in der Stadt beweisen, auf denen sie sexy schwitzend in eng anliegenden Sportklamotten abgebildet ist. Und wie ich schon selbst flüchtig sehen konnte, wenn wir uns bei Jason oder Wade über den Weg gelaufen sind.
Über das Computersystem des Wagens melde ich mich bei Personal Protection und habe sofort Daeven in der Leitung, der zusammen mit Gabe, dem Senior im Team, alle Einsätze koordiniert.
»Ich brauch euren Support«, sage ich direkt.
»Wobei?«
»Der Anschlag im Kezar-Stadion.«
»Fuck! Gabe und ich haben es gerade in den Nachrichten gesehen. Womit können wir helfen?« Anscheinend bin ich der letzte Mensch, der erfahren hat, was passiert ist.
Ich sage ihnen, dass Ava Jennings dort ist, zähle auf, was ich benötige – den bisherigen Ablauf der Ereignisse und welche Einsatzkräfte wo an dem Fall arbeiten –, und wenig später habe ich die Infos auf meinem Handy.
»Sei vorsichtig«, sagt Daeven.
»Bin ich doch immer.«
Die Minuten bis zum Stadion fühlen sich wie eine Ewigkeit an, aber als ich endlich ankomme, weiß ich genau, was ich zu tun habe. Ich parke neben den Einsatzkräften am Osteingang, ziehe mir eine kugelsichere Weste über, verkabele mich, um mit Personal Protection in Verbindung zu bleiben, und stecke mir meine Waffe ein.
Sirenen jaulen vor Ort und in der Stadt. Fernsehteams haben sich an den Absperrungen aufgebaut. Augenzeugen berichten von Toten. Und wieder dringen Schreie aus dem Stadion.
Was für eine Scheiße ist das denn hier?
Ein Beamter will meine Papiere sehen.
Ich ziehe meinen Ausweis aus der Seitentasche meiner Cargopants, der mich als Berater der Polizei ausweist, und werde durchgelassen. Beim Einsatzteam entdecke ich ein vertrautes Gesicht. Bradley Campbell, ein FBI-Ermittler, mit dem Personal Protection schon oft zusammengearbeitet hat.
»Was habt ihr?«, frage ich ihn.
»Zu wenig. Die ersten Augenzeugen werden gerade befragt, und – runter!«, bellt er.
Wie eine Welle, die vom Stadion ausgeht und sich zu den Einsatzkräften hin ausbreitet, gehen Köpfe zwischen den Wagen in Deckung. Stirnrunzelnd sehe ich zu Bradley, der mir einen Wink gibt, nach oben zu schauen. Dort kreist eine Drohne. Kurz darauf ertönen Schüsse, und die Drohne dreht wieder ab.
»Mist!«, flucht Bradley. »Wir versuchen, das Teil abzuschießen, aber die Scharfschützen haben kein freies Schussfeld. Die Beamten am Boden geben ihr Bestes, aber bisher scheuchen wir das Teil nur von A nach B.«
Wir richten uns alle wieder auf. Bradley informiert seine Kollegen, die die anderen Seiten des Stadions sichern, und wendet sich wieder an mich. »Die Sanitäter kümmern sich um die Leichtverletzten.« Er nickt zu einer Insel aus Rettungswagen. »Und wir schicken in dieser Minute Teams rein, um die Schwerverletzten zu bergen.«
»Obwohl die Drohne noch fliegt?!«, sage ich.
»Sie hat ihre Munition verschossen. Es gab noch zwei Explosionen. Mehr Waffen hatte sie nicht an Bord. Jetzt versucht der Mistkerl, die Drohne aus dem Luftraum des Stadions wegzufliegen. Ich hoffe, wir können das verhindern.«
Weil der Attentäter sie sonst wieder einsetzen kann …
Ich lasse Bradley weiter seine Arbeit erledigen, jogge zu den Rettungskräften und suche nach Ava. Aber sie ist nicht hier. Und auch bei den Verletzten, die von den Sondereinheiten nach und nach aus dem Stadion getragen werden, ist sie nicht.
Fuck, wehe, sie ist tot! Mir wird kotzübel bei dem Gedanken.
Über mein Intercom schalte ich mich erneut zu Daeven.
»Brauchst du Verstärkung?«, fragt er.
»Nein«, knurre ich. »Ich muss eingrenzen, wo Ava steckt. Ich kann unmöglich das gesamte Gelände nach ihr absuchen. Kannst du mir Luftaufnahmen vom Stadion schicken, kurz bevor die Granate abgeworfen wurde?«
»Klar … Moment!«
Eine Minute später erhalte ich auf meinem Handybildschirm pixelige Satellitenaufnahmen. »Was Besseres habt ihr nicht?«, frage ich. Ich kneife die Augen zusammen. Auf diesem unscharfen Bild könnte Ava jeder der winzigen bunten Punkte sein! Dann fällt mir ein, dass sie mit den Reportern gesprochen hat, und mir kommt eine Idee. »Daeven, Planänderung! Schick mir das Fernsehinterview mit Ava.«
»Erledigt. Und jetzt?«
Ich rufe das Video auf, gleiche den Zeitstempel mit der Satellitenaufnahme ab und grinse. »Hab dich!«, murmele ich. »Jetzt wissen wir, dass sie der lilafarbene Punkt bei den Weitspringern ist.«
»Schon markiert«, mischt sich Gabe ein, analysiert die neuen Daten und verfolgt auf den Satellitenaufnahmen, wohin der lilafarbene Punkt verschwindet. »Sie hat die Anlage Richtung Westen verlassen.«
Sofort setze ich mich in Bewegung. »Ich bin beim Stadtgarten«, gebe ich nach einem kurzen Sprint meine neue Position durch.
»Du musst noch weiter«, übernimmt wieder Daeven. »Sie ist am Tor zum Stadion vorbeigegangen.«
»Sehe ich!«, rufe ich.
»Auch die Bäume?«
»Wenn du den kleinen Waldabschnitt meinst …«
»Dort muss sie laut den Satellitenbildern sein. Wegen der Bäume haben wir zwar keine freie Sicht, aber im Umkreis taucht kein weiterer bunter Punkt auf.«
»Danke euch.«
Ich verlangsame mein Tempo, suche die Umgebung nach lila Farbe ab und will gerade Daeven anrufen, damit er seine Infos noch mal überprüft, als ich Ava entdecke. Oder Ava mich.
»Tyler?! Schnell! Komm her!«, ruft sie, schaut ängstlich nach oben zum Himmel und winkt mich hektisch zu ihrem Versteck zwischen zwei Büschen. »Was tust du hier?«
»Dich nach Hause bringen«, sage ich und reiche ihr die Hand. »Die Gefahr ist vorbei. Bist du in Ordnung?«
Sie steht auf, und rein professionell wandert mein Blick ihren Körper entlang und sucht nach Anzeichen für Verletzungen. Dabei entgeht mir nicht, wie verdammt gut in Form diese Frau ist und wie unglaublich attraktiv sie ist. Bis ich in ihren Haaren Blätter, Sand und eine klebrige Substanz entdecke.
»Mir fehlt nichts«, sagt sie zu meiner Erleichterung.
»Und das da am Bein?« Ich zeige auf einen dunklen Fleck an ihrem Oberschenkel, der sich unter dem Stoff ihrer Shorts abzeichnet.
»Das ist nichts, ich –« Sie hebt vorsichtig das Hosenbein, wird blasser und muss sich wieder setzen. »Oh Mist!«
»Darf ich?«, frage ich und begutachte die kleine Wunde. »Du kannst kein Blut sehen?«
»Keinen einzigen Tropfen«, gibt sie erfrischend ehrlich zu.
»Dann schau mich an!«, sage ich, nicht weil ich mich für besonders bewundernswert halte, sondern weil ich ihr einen Punkt geben will, den sie fixieren kann.
»Das ist nicht hilfreich«, sagt sie, lässt ihren Blick aber dennoch auf mich gerichtet, was ich warm auf meiner Haut spüre.
»Warum nicht?«, frage ich, damit sie weiterredet, während ich die Stelle vorsichtig mit einem Taschentuch abtupfe, das ich immer dabeihabe, und erleichtert feststelle, dass es lediglich ein oberflächlicher Kratzer ist.
»Mit deinen Muskeln, den Tattoos und den kurzen Haaren siehst du total finster aus. Nicht unbedingt der Traum einer jeden Schwiegermutter«, erklärt sie.
Ist sie mir deshalb immer aus dem Weg gegangen, wenn sich unsere Wege bei Jason oder Wade gekreuzt haben? »Ein Glück, dass ich nicht auf Schwiegermütter stehe, sondern auf deren Töchter«, antworte ich mit einem Zwinkern.
»Ist das irgendeine Art Anmache?«, gibt sie zurück.
Ich bin gekränkt. »Das war bloß eine nette Unterhaltung«, sage ich und schiebe ihr Hosenbein vorsichtig wieder tiefer. »Ich stehe nicht auf Blondinen.« Beziehungsweise nicht auf Playmates mit künstlichen Brüsten und gefärbten Haaren. Aber ich gebe mir keine Mühe richtigzustellen, dass natürliche Schönheiten wie sie davon ausgenommen sind. Sie soll sich nicht von mir bedrängt fühlen.
»Mmh«, macht sie nur.
»Kannst du gehen?«, überspiele ich die plötzlich angespannte Stimmung.
»Ist es denn wirklich sicher?«, fragt sie.
Ein Hubschrauber kreist über uns, was bedeutet, dass der Luftraum frei und die Drohne weg sein muss. Ich nicke.
Ava rappelt sich auf, strauchelt jedoch bei den ersten Schritten.
»Langsam!«, sage ich, fange sie auf und nehme ihr den Rucksack ab.
»Das ist nicht unbedingt meine Königsdisziplin.«
»Ich kann dich auch tragen«, biete ich an, bin aber nicht sonderlich überrascht, als sie mit einem Augenrollen antwortet und den Abstand wahrt. »Gut, ich trag dich nicht.«
Gemeinsam gehen wir zurück zur Ostseite des Stadions, wo sich die Einsatzkräfte nach wie vor um die Opfer kümmern – und wo die Parkplätze sind. Und ich bin froh, dass sie den ersten Schock überwunden hat.
Gerade wird eine weitere Person zu den Sanitätern gebracht, mit einer Platzwunde am Kopf, die – wenn ich die Körpersprache der Helfer richtig deute – harmlos ist. Ava sieht es ebenfalls.
»Oh Gott«, keucht sie und wird wieder blasser.
»Nicht hingucken!«, sage ich ihr.
»Wo soll ich denn dann hinsehen? Wieder zu dir?«
Keine Spur gekränkt ziehe ich sie an mich, wobei mir der blumige Duft ihres Shampoos in die Nase steigt. Ich reibe über ihren Rücken, spüre ihre verschwitzte Haut, und eine tiefe Ruhe erfasst mich. Obwohl mir bis eben gar nicht klar war, wie aufgeputscht auch ich war.
»Ähm, Tyler, was tust du da?«, knurrt sie an meiner Brust.
Ich verstärke meinen Griff. »Dafür sorgen, dass dir nicht schlecht wird.«
»Und du bist dir sicher, dass du nicht auf mich stehst? Denn das hier, das fühlt sich irgendwie so an.«
»Bin ich«, sage ich. »Ich helf dir nur. So wie es Jason und die anderen wollten.«
»Na dann!« Zu meiner Überraschung legt sie ihre Arme nun umgekehrt auch um mich, und die Wärme unserer Körper verbindet sich. Um uns herum jaulen Sirenen und blinken Lichter. Durchsagen über Funk kommen von allen Seiten und vermischen sich mit den hektischen Berichten einer ganzen Wand aus Fernsehreportern. Und ich habe das Gefühl, dass hier etwas Großes passiert. Etwas, mit dem keiner von uns gerechnet hat. Etwas, das alles verändert.
Bis wir unterbrochen werden.
»Ava! Bin ich froh, dich zu sehen«, ruft ein Typ mit hellem, welligem Haar und kommt angejoggt. »Geht es dir gut?«
Als wäre ich toxisch, lässt Ava mich los, und mir gefällt nicht, wie sie den anderen Kerl anschaut. Ganz anders als mich. Glücklich.
Was ist nur los mit dir, Knight? Freu dich für sie!
Aber stattdessen ist da ein anderes Gefühl.
Eifersucht.
Cole!
Erleichterung durchflutet mich. Denn ihn zu sehen ist so, als würde das Leben, das ich kenne, wieder weitergehen. Ein Leben ohne Gewalt. Ohne Angst. Und ohne Tyler und diese verwirrenden Gefühle, die dieser Mann in mir ausgelöst hat.
Noch einmal mustere ich den besten Freund von Jason und Wade. Denjenigen, der darauf besteht, dass sie immer zusammen surfen gehen. Der Sicherheitsfanatiker. Dem ich bisher aus dem Weg gegangen bin und den ich nur im Vorbeigehen kenne.
Er ist groß und durchtrainiert. Als wäre sein Körper eine Waffe. Unter seinem Shirt zeichnen sich Tattoos ab. Und dieser kurze Haarschnitt schmeichelt ihm nicht unbedingt.
Ein finsterer Typ …
Ich bin nicht stolz darauf, ihn so genannt zu haben, aber es ist treffend. Das müsste er eigentlich wissen.
Doch dann ist da sein Blick! Aus warmen braunen Augen mit grauen Sprenkeln, die eine beruhigende Wirkung auf mich haben.
Außerdem riecht der Kerl gut. Obwohl er gerade richtig gesprintet ist und schwitzt. Keine Ahnung, wie er das anstellt. Ich bin ohne Deo verloren.
Und … ich würde es niemals vor ihm zugeben … ich fühle mich bei ihm sicher. Was verrückt ist, denn wir kennen uns kaum.
Aber er ist hier, weil Jason ihn darum gebeten hat, erinnere ich mich. Denn er steht nicht auf Blondinen.
Ich schüttele all diese seltsamen Gefühle ab und gehe Cole entgegen, der einen verbundenen Arm hat. Und plötzlich wird mir klar, wie knapp wir beide einem größeren Unglück entgangen sind, und alles bricht über mir zusammen.
»Du bist verletzt«, schluchze ich und falle ihm um den Hals. »Ich dachte, du wärst tot.«
»Mir geht es gut, Ava.« Er umarmt mich, aber es fühlt sich anders an als bei Tyler. »Und dir?«, fragt er.
»Mir auch«, sage ich mit zitternder Stimme. »Und die anderen?« Ich meine die Hochspringer, die gerade gestartet sind, als ich losmusste.
Cole schüttelt nur den Kopf.
Sie sind tot?
»Oh mein Gott!«, hauche ich.
Mein Herz rast wie verrückt, meine Hände kribbeln, und eine weitere Schockwelle macht meine Knie weich. Und dann küsse ich Cole. Ich muss einfach. Wir haben überlebt! Andere nicht. Der Tag ist schrecklich, aber wir hatten Glück!
Doch Cole geht nicht auf den Kuss ein, und ich weiche beschämt zurück. »Entschuldige. Das war unpassend von mir.«
»Unsinn!«, erwidert Cole. »Das war perfekt.«
Echt? »Also bleibt es bei morgen?« Ich würde verstehen, wenn wir unser Date verschieben. Eine Katastrophe ist nicht unbedingt der beste Ausgangspunkt für eine neue Beziehung.
»Auf jeden Fall«, sagt Cole jedoch. »Wenn du auch willst?«
»Will ich«, sage ich. Damit all das Chaos wenigstens etwas Gutes hat.
»Soll ich dich irgendwo hinbringen?«, fragt er nun ganz Gentleman.
»Ich übernehme das«, meldet sich in dem Augenblick die dunkle Stimme von einem Mann, den ich beinahe vergessen hätte. Und sie sorgt für einen wohligen Schauer auf meinem Rücken und ein Gefühl der Sicherheit.
Ich löse mich von Cole, drehe mich zu Tyler und ermahne mich, dass er nur hier ist, weil er sich dazu verpflichtet fühlt. »Du musst dich nicht länger um mich kümmern. Die Gefahr ist vorbei. Ich komme klar.« Irgendwie.
»Nichts für ungut, aber das kann ich besser einschätzen als du. Also: Wo steht dein Wagen?« Abwartend sieht er mich an. Und ich könnte schwören, er denkt so was wie: ›Blondinen! Machen einem das Leben schwerer, als es ist.‹
»Okay, ich verabschiede mich bloß noch«, gebe ich nach und wende mich an Cole, der etwas nervös lacht.
»Ich dachte, du hast keinen Freund«, sagt er.
»Hab ich auch nicht«, antworte ich. »Tyler ist der Freund vom Freund meiner besten Freundin. Keine Konkurrenz.«
»Du siehst nicht, wie er mich anschaut.«
Irritiert drehe ich mich zu Tyler um, der tut, als hätte er keine Ahnung, wovon Cole spricht. Also lasse ich es gut sein. »Wir sehen uns morgen«, sage ich zu Cole. »Pass auf dich auf!«
»Du auch auf dich, Ava. Bis dann!«
Auf dem Weg zu meinem Wagen kommen wir an Zelten vorbei, in denen immer noch Verletzte behandelt werden. Ein paar Meter entfernt wird gerade ein Leichensack verschlossen. Ein Forensikteam des FBI trifft ein. Als wären nicht genug Beamte vor Ort! Und ich bin froh, Tyler an meiner Seite zu haben, der meinen Rucksack trägt und mich wie ein stummer Wächter begleitet.
»Knight«, grüßt einer der Ermittler Tyler im Vorbeigehen.
»Campbell«, antwortet Tyler ebenso knapp.
»Haben sie denjenigen, der das getan hat?«, frage ich.
Tyler zögert, als würde er überlegen, welche Antwort am besten ist.
»Also nicht«, ziehe ich selbst meine Schlüsse.
»Nein«, sagt er und zeigt zum Himmel, wo die Hubschrauber kreisen. »Sie suchen im Fünf-Meilen-Radius. Parallel dazu sichert das Forensikteam die Einschlagstelle. Die Munition ist ein erster Schritt, um aufzuklären, was heute passiert ist.«
Ein plötzliches Geräusch über uns lässt mich heftig zusammenzucken.
»Nur Tauben«, beruhigt mich Tyler.
»Ich weiß«, antworte ich.
Keine fünf Sekunden später folgt ein zweiter Schwarm, und ich zucke erneut zusammen.
Verdammt!
Wortlos legt mir Tyler seine Hand auf den Rücken. Ich vermute, das macht er in seinem Job ständig. So kann er seine Schützlinge bei Gefahr blitzschnell aus der Schusslinie bringen. Nur Routine, das hat nichts zu bedeuten, ermahne ich mich. Aber diese kleine Geste stellt verrückte Dinge mit mir an. Und wieder fühle ich mich sicher.
Auf den Parkplätzen bleibe ich bei einem Ford stehen.
»Das ist mein Wagen«, sage ich, bediene die Zentralverriegelung, öffne die hintere Wagentür, nehme Tyler den Rucksack ab und werfe ihn achtlos auf den Rücksitz.
»Soll ich fahren?«, fragt er.
»Musst du nicht.« Die Gefahr ist vorbei, und ich will einen Mann, der bloß seine Pflicht erfüllt, nicht länger als nötig belagern.
»Hast du einen Therapeuten?«, fragt er, stützt sich auf die Fahrertür und verhindert, dass ich einsteigen kann.
»Nein, wieso?«, frage ich irritiert. »Wirke ich auf dich durchgeknallt?«
»Im Gegenteil. Du wirkst auf mich gefasst«, sagt er und lächelt, was mich völlig umhaut, denn sein sonst so ernster Blick wird plötzlich weich. »Trotzdem solltest du mit jemandem über den Tag reden.«
Alles in mir will ihm sagen, wohin er sich seinen Rat stecken kann. Ich will nicht über den Tag reden. Aber sein Lächeln verändert etwas in mir. »Wenn du einen Therapeuten weißt, der sich mit solchen Fällen auskennt, gib mir den Namen. Ich überleg es mir. Wie klingt das?«
»Wie die richtige Entscheidung.« Tyler fischt eine Visitenkarte aus seiner Hosentasche, ergänzt etwas auf der Rückseite und reicht sie mir. »Hier. Sag Dr. Moreno, dass ich sie empfohlen habe. Dann bekommst du ohne Probleme einen Termin. Sie ist Traumaexpertin. Und vorne hast du die Nummer von Personal Protection. Dort arbeite ich. Meld dich, wenn du was brauchst, okay? Entweder ich bin selbst dran, oder ein Mitarbeiter stellt dich durch.«
Einen Kuss, denke ich mir plötzlich völlig überrumpelt und lasse meinen Blick zu Tylers Lippen wandern. Ich brauche einen Kuss. Ja, ich hatte gerade mit Cole das Vergnügen. Aber das war aus irgendeinem Grund nicht genug. Ich brauche noch einen richtigen, der jede Faser meines Körpers spüren lässt, dass ich noch am Leben bin. Aber den wirst du nicht bekommen, Ava. Nicht von diesem Mann, für den du nur ein blondes Dummchen bist, das schnell laufen kann.
»Ich hab alles«, sage ich, nehme mit einem Räuspern die Karte und setze mich in meinen Wagen. »Danke noch mal.«
»Gern geschehen«, antwortet er und schlägt die Tür von außen zu.
Wow, was für ein Tag!
Mit zittrigen Fingern umfasse ich das Lenkrad, und ich gebe vorsichtig Gas. Es fühlt sich merkwürdig an wegzufahren. Als wäre nichts gewesen. Aber das Leben geht weiter. Und erst jetzt fällt mir wieder ein, dass ich Termine habe. Und dass ich Rebecca versprochen hatte, nur eine Stunde zu bleiben. Sie wird noch gar nicht wissen, dass ich beim Anschlag dabei war. Ich muss mit ihr reden und klären, ob der Fernsehtermin heute Abend überhaupt stattfindet. Vielleicht wurde die Talkshow für eine Sondersendung verschoben? Hoffentlich, denn unter diesen Umständen fühlt es sich falsch an, über etwas derart Belangloses wie meinen Trainingsplan zu sprechen.
Ich schaue in den Rückspiegel, wie um sicherzugehen, dass ich das alles wirklich hinter mir lasse, und muss plötzlich lächeln.
Tyler steht noch auf dem Parkplatz. Groß, breitschultrig, ein bisschen Furcht einflößend. Mit der schusssicheren Weste und der Waffe im Schulterhalfter. Er sieht meinem Wagen hinterher. Und was auch immer das zu bedeuten hat: Ich fühle mich augenblicklich besser.
Ich rede mir ein, dass ich Ava hinterherschaue, weil mir Jason sonst Stress macht. So fordernd wie vorhin hab ich ihn noch nie erlebt. Doch wenn ich ehrlich bin, dann tue ich das, weil ich das Bedürfnis habe, für sie da zu sein. Gerne würde ich mehr machen. Aber Ava war recht deutlich: Ich bin nicht der Typ Mann, auf den sie steht. Ihr Blick zu meinen Lippen hat das bestätigt. Sie hat mich angestarrt, als befürchtete sie, ich könnte sie beißen!
Hitze durchströmt mich.
Fuck! Wolltest du nicht genau das, Knight? Nur nicht, um ihr wehzutun, sondern um sie dazu zu bringen, nach mehr zu betteln!
Ich atme tief durch und verdränge die kleine Fantasie. Nein, Ava mag Männer wie Cole. Blonde, sportliche Schönlinge, die so zuckersüß zu einem sind, dass man Karies davon bekommen kann. Schade!
Sobald ihr Ford außer Sichtweite ist, gehe ich zu meinem Wagen und melde mich bei Personal Protection.
»Alles okay bei euch?«, fragt Daeven sofort.
»Alle gesund und munter«, vermelde ich.
»Freut mich. Kann ich sonst noch was tun?«
»Mir Bescheid geben, wenn sie den Mistkerl haben. Campbell war vor Ort, er wird dir Akteneinsicht gewähren.«
»Alles klar.«
Ich lege auf und melde mich als Nächstes bei Jason. Nüchtern, wie ich es in meinem Job gewohnt bin, berichte ich ihm, was vor Ort los war. Dass Ava sich versteckt und sie lediglich einen Kratzer hat. Etwas, das ich mehrmals wiederholen muss, als würde ich ›Kratzer‹ sagen, aber ›klaffende Wunde‹ meinen.
»Danke, Mann«, sagt er schließlich. »Ich geb das an die anderen weiter.«
»Jederzeit wieder. Wozu hat man Freunde?«
»Jederzeit?«, wiederholt er und hält dann inne.
Ich warte, doch er behält für sich, was ihm durch den Kopf geht. »Was ist noch los?«, hake ich nach. »Wenn ich helfen kann, mach ich das.«
»Also gut …« Er holt hörbar Luft. »Kannst du heute bei ihr bleiben?«
»Bei Ava?«, frage ich überrascht. »Sie wird das hassen.«
»Mir egal. Jemand sollte bei ihr sein. Chloe musste zu ihrem Yogakurs. Den konnte sie nicht ausfallen lassen. Und Lauren steckt bei Palo Alto im Stau. Es gab wohl einen Unfall.«
»Warum gehst du nicht?«, frage ich.
»Weil …« Er macht eine kleine Pause. »Ich würde Ava nur mit Wein abfüllen. Nicht besonders gewieft. Du bist von uns derjenige, der sich mit solchen krassen Sachen auskennt. Tu es einfach, Tyler!«
»Und da ist schon wieder dieser Befehlston«, kann ich mir nicht verkneifen.
»Sie ist wie Familie für mich.«
»Außerdem kriegst du Ärger mit Chloe, wenn du lockerlässt?