Frau Mönninghoff - Stephanie Ermke - E-Book

Frau Mönninghoff E-Book

Stephanie Ermke

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Beschreibung

Wenn dein Leben plötzlich kopfsteht ... Während ihrer Aussprache lüftet Richard sein Geheimnis um seine Ex-Frau und um seine Vergangenheit als Chefarzt an der Berliner Charité. Rebekka gibt ihm eine zweite Chance, fühlt sie sich doch nach wie vor zu diesem Mann hingezogen. Noch ahnt sie nicht, welch folgenschweren Entschluss der Immobilieninvestor getroffen hat. Schon bald stellt sich heraus: Der anfangs drohende Verlust ihres Zuhauses war eine Lappalie, der verletzende Seitensprung mit Johanna nur eine Bagatelle. Rebekkas Leben gerät dank Richard komplett aus den Fugen. Kann sie ihm DAS vergeben?

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Seitenzahl: 283

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Frau Mönninghoff!
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10

Frau Mönninghoff!

Beinah hätte ich Dich verpasst

von Stephanie Ermke

ISBN 978-3-98211007-5-2

1. Auflage

Copyright © 2019 Stephanie Ermke

Einbandgestaltung S. Ermke Verlag

Fotos: © ImageFlow / shutterstock.com, © Kzenon / fotolia.com

Druck: WIRmachenDRUCK GmbH, printed in Germany

www.ermke-verlag.de

Kapitel 1

Es fällt mir sichtlich schwer, mich von Richard zu lösen, doch mein Verstand holt mich aus meinem Gefühlschaos zurück. Er dreht sich zu dem kleinen Metallkasten neben der Haustür und gibt den Code ein.

Wir betreten schweigend den Flur. Mein Blick fällt auf die Tür zu Tareks Einliegerwohnung. Richard senkt beschämt den Kopf und schiebt mich weiter zum Wohnzimmer.

Als wir hereinkommen, richtet sich meine Aufmerksamkeit auf das blutige Handtuch auf dem Tisch. Ich habe die Bilder vor Augen, wie er vorhin wütend, mit erhobener Faust über mir kniete und anschließend immer und immer wieder auf seinen am Boden liegenden Freund einschlug. Vor gut drei Stunden stand ich mit einem anderen, mir völlig fremden Mann in diesem Raum.

Er greift meine Hand, ich schaue ertappt zu ihm auf. Mit einem zurückhaltenden Lächeln deutet er zum Sofa. Ich nehme darauf Platz und sehe ihm zu, wie er sich vor mir auf dem Wohnzimmertisch niederlässt. Er beugt sich in meine Richtung und fährt sich besorgt durchs Haar. Seine Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben.

»Rebekka, ich kann im Augenblick nicht mehr tun, als mich für alles zu entschuldigen. Bitte glaub mir, dass ich das nicht wollte.«

Auch mein Gewissen quält mich erneut, wusste ich doch von seiner extremen Eifersucht. Und dennoch habe ich ihn bis aufs Äußerste provoziert. Ich gestehe mir ein, nicht ganz unschuldig an der Eskalation gewesen zu sein, und halte seinem Blick stand.

»Du wolltest mir Antworten auf meine Fragen geben«, lenke ich auf das Wesentliche ein.

Er streckt beide Arme aus und greift zu meinen Händen.

»Vor etwa zehn Jahren ist zwischen mir und Magdalena etwas sehr Ähnliches passiert.«

Er stockt und dreht verlegen den Kopf zur Seite. Ich spüre, dass es ihm sehr schwerfällt, fordere ihn aber dennoch auf weiterzureden.

»Die Situation ist leider anders ausgegangen. Magdalena ist mit einem Schädel-Hirn-Trauma auf der Intensivstation gelandet und … .« Seine Stimme versagt.

Ich drücke seine Hand.

»Und was, Richard? Was ist passiert?«

»Sie hat ihr Kind verloren«, bringt er kühl über die Lippen.

Meine Augen werden schmal. Natürlich habe ich akustisch verstanden, was er gesagt hat, doch ich versuche, aus seiner Mimik und seiner Haltung mehr abzulesen. Ihr Kind verloren klingt für mich, als hätte er nie wirklichen Bezug zu dem ungeborenen Leben gehabt.

»IHR Kind?«, hake ich misstrauisch nach. »Du meinst wohl eher EUER Kind.«

»Mag schon sein«, stößt er wütend hervor. »Aber ich habe dir bereits gesagt, dass ich nie eigene Kinder haben wollte. Magdalena wusste das. Sie wollte dennoch unsere Ehe. Und irgendwann fing sie plötzlich an, auf mich einzureden. Zu versuchen, mich umzustimmen. Jeden Abend die gleichen Diskussionen. Ich wurde hellhörig und bekam mit einem Mal die Vermutung, dass sie bereits schwanger sein könnte. Sie hat es abgestritten, bis zu diesem Abend!« Er macht eine kurze Pause und seufzt: »Ich habe einen Test besorgt und wollte, dass sie ihn macht.«

Ich zucke neugierig mit den Schultern.

»Und dann?«

»Wir haben uns gestritten, die Situation ist eskaliert. Als ich sie nach oben ins Badezimmer ziehen wollte, damit sie diesen verdammten Test macht, hat sie sich losgerissen und ist die Treppe heruntergefallen.«

Ich schlucke und warte angespannt auf das, was folgt.

»Im Krankenhaus haben mir die Ärzte meine Vermutung bestätigt. Sie war schon im fünften Monat.«

Ich rutsche auf dem Sofa zurück und sehe verunsichert zu ihm auf. Er beugt sich weiter zu mir vor.

»Rebekka, das war ein Unfall! Das musst du mir glauben! Sie hat sich losgerissen. Ich, ich habe noch versucht, sie festzuhalten. Ich hätte ihr doch nie ernsthaft etwas antun können, genauso wenig wie dir.«

»Und warum hast du an der Charité aufgehört?«

Richard lächelt wehmütig und erhebt sich. Er vergräbt seine Hände in den Hosentaschen, läuft bis zu seinem Klavier und bleibt mit gesenktem Blick vor dem Flügel stehen.

»Wir hatten eine Abmachung. Ich habe Magdalena eine hohe Entschädigung gezahlt und musste ihr versprechen, unser Haus und Berlin sofort zu verlassen. Im Gegenzug hat sie die Sache auf sich beruhen lassen. Sie hätte im schlimmsten Fall dazu beitragen können, dass ich meine Zulassung als Arzt verliere.«

Ich gehe in mich. Richard verharrt ebenfalls in seiner Haltung. Dieser Vorfall muss schlimm für seine Ex-Frau gewesen sein. Doch sicherlich war es auch für ihn nicht einfach, sein bisheriges Leben komplett aufzugeben und irgendwo neu anzufangen. Ich möchte ihm so gerne Glauben schenken.

Auch ich erhebe mich vom Sofa und trete neben ihn. Er dreht den Kopf zur Seite und blickt verunsichert auf mich herab.

»Es bedeutet mir wirklich viel, dass du mich eingeweiht hast«, gestehe ich ehrlich.

Er lächelt vorsichtig.

Ich presse nachdenklich meine Lippen aufeinander und gebe nur Sekunden später meinen Gedanken preis: »Kannst du mir versprechen, dass so etwas wie vorhin nie wieder vorkommt?«

Er nimmt die Hände aus den Hosentaschen und zieht mich erleichtert in seinen Arm.

»Ja. Ich verspreche es dir hoch und heilig!«

Ich spüre seine Lippen auf meinem Haar. Eine ganze Weile hält er mich eng umschlungen fest. Mir gehen so viele Dinge durch den Kopf. Und plötzlich fällt mir Markus wieder ein! Was soll ich ihm denn bitte morgen sagen? Mit Blick auf die Wohnzimmeruhr stelle ich fest, dass der heutige Tag bereits in einer halben Stunde endet.

Ich löse mich aus Richards Umarmung und atme tief durch: »Ich muss los, es ist schon spät. Was bitte schön soll ich denn nun Markus erzählen?«

Er gibt vor zu überlegen, kann sich dabei ein euphorisches Schmunzeln jedoch nicht verkneifen.

»Du hast eine Idee«, enttarne ich sein Schauspiel und stoße ihm neckend gegen den Oberarm. »Also, schieß los!«

»Sag ihm, dass du kündigst. Weil du einen neuen Job hast.«

»Wie bitte?«, ringe ich um Fassung und trete entsetzt einen Schritt zurück.

Richard ist sich seiner Sache sicher: »Rebekka, ich meine es ernst. Ich wünsche mir, dass du in meinem Unternehmen arbeitest. An meiner Seite.«

Meine Augen werden groß.

»Das geht nicht«, stoße ich kopfschüttelnd hervor. »Ich mag meinen Job, ob du es glaubst oder nicht!«

Nicht nur, dass ich mich in der Kanzlei wirklich sehr wohl fühle. Im Leben würde ich mich nicht von seinen Launen abhängig machen. Ich stütze meine Hände in der Taille ab und sehe genervt zu ihm auf.

»Und? Hast du auch noch eine gescheite Ausrede auf

Lager?«

Er blickt enttäuscht auf mich herab und schweigt.

»Okay, dann habe ich ja jetzt noch exakt neun Stunden Zeit, um mir alleine etwas zu überlegen, na toll!«

Ich laufe zum Sofa und ziehe mir meinen Mantel über. Er folgt mir und versucht, mich aufzuhalten: »Kannst du nicht heute Nacht hierbleiben?«

Die Vorstellung, in seinem Arm einzuschlafen, klingt wirklich verlockend. Nach den heutigen Ereignissen verlasse ich mich jedoch lieber auf meinen Verstand und nicht auf meinen Bauch.

»Nein«, stoße ich frech hervor, »mir würde dann wohl kaum Zeit bleiben, über mein Problem mit meinem Chef nachdenken zu können.«

Ich gebe ihm einen Kuss und laufe zur Haustür.

Da die Kinder die Nacht bei Manuel verbracht haben, kann ich heute Morgen eine Stunde länger schlafen. Bei einer Tasse Kaffee tippe ich Markus eine Nachricht:

Hey, es tut mir so leid!!! Mir ist gestern Abend ein Notfall dazwischen gekommen. Ein guter Freund ist zusammengeschlagen worden. Ich habe ihn ins Krankenhaus gebracht und war die halbe Nacht bei ihm. Bitte sei nicht böse auf mich! Gruß Rebekka

Er muss wirklich sehr wütend auf mich sein. Mein Handy zeigt mir an, dass er die Nachricht zwar gelesen hat, jedoch erhalte ich keine Antwort von ihm.

Mit einem dicken Kloß im Hals betrete ich um kurz vor 9.00 Uhr die Kanzlei. Von meinem Chef ist noch keine Spur zu sehen. Ich hänge meinen Mantel an die Garderobe und beginne mit meiner Arbeit.

Carina tritt herein. Sie hat heute Morgen ausnahmsweise mal nicht so viel zu erzählen.

Nur fünfzehn Minuten später steht Markus vor mir. Er sieht mich böse an und geht schweigend in sein Büro.

Ich beschließe, die Sache persönlich mit ihm zu besprechen, und betrete mit einer Tasse Kaffee seinen Raum.

»Hör mal, es tut mir wirklich wahnsinnig leid. Aber was ich dir vorhin geschrieben habe, entspricht der Wahrheit. Du kannst gerne im Krankenhaus anrufen und nachfragen.«

Er würdigt mich keines Blickes. Stattdessen signalisiert er mir mit einem Handzeichen, dass er nicht mit mir sprechen möchte.

Ich seufze und verlasse mit gesenktem Kopf sein Büro. Dieser Vorfall hat unserem guten Verhältnis ganz offensichtlich einen derben Schlag verpasst.

Gegen 10.00 Uhr vernehme ich das Vibrieren meines Handys und öffne eine Nachricht von Richard:

Hey schöne Frau, wie ist es mit meinem Anwalt gelaufen?

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Großartig! Er spricht nicht mehr mit mir.

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Klingt gut, mein Tag hätte nicht besser beginnen können!!

Ich schüttle verärgert den Kopf. Wie kann ein Mann nur so eifersüchtig sein? Zumal auch noch ohne Grund!

Trotz meiner Wut erkundige ich mich nach unserem Sorgenkind:

Wie geht es Tarek?

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Besser, ich habe ihn vorhin abgeholt und nach Hause gebracht. Könntest du heute um 15.00 Uhr zu mir ins Büro kommen? Ich möchte etwas Wichtiges mit dir besprechen, es dauert auch nicht lange.

Nachdenklich schaue ich zum Fenster hinaus. Worum könnte es bei diesem Gespräch wohl gehen? Bislang steckte jeder Tag mit Richard voller Überraschungen. Wohlgemerkt, diese waren nicht immer positiv.

Ich rutsche beunruhigt auf meinem Stuhl zurück. Dennoch wähle ich meine Mutter an und erkundige mich, ob die Kinder sie heute für etwa zwei Stunden besuchen können. Da sie Hannah, Anton und Merle schon einige Tage nicht mehr gesehen hat, freut sie sich und sagt sofort zu.

Trotz schlechten Gewissens antworte ich Richard, dass ich es hinbekomme und um 15.00 Uhr da sein werde.

Auf die Minute genau erreiche ich den Flur der obersten Etage. Ich werde bereits erwartet. Mit dem üblichen Handzeichen deutet Richard an, dass ich in sein Büro vorlaufen soll.

Während ich im Sessel Platz nehme, lässt er sich hinter seinem Schreibtisch nieder. Er stützt seine Ellenbogen auf den Tisch, faltet die Hände vor sein Kinn und betrachtet mich schweigend. Sein Verhalten verunsichert mich. Ich zucke fragend mit den Schultern.

Ein Klopfen durchdringt den Raum und Frau Lorenz tritt herein. Sie stellt drei Tassen Kaffee vor mir auf dem Tisch ab.

Mein Blick wandert abermals zu Richard.

»Erwartest du noch jemanden?«, hake ich irritiert nach.

Sein Blick ist eindringlich, er wirkt besorgt: »Ich möchte, dass du jetzt gleich so souverän wie möglich bleibst und mir einfach nur vertraust. Bekommst du das hin?«

Ich werde misstrauisch. So souverän wie möglich? Was hat er jetzt schon wieder geplant? In mir schlagen alle Alarmglocken gleichzeitig. Ich spüre den aufkommenden Frust, der sich schlagartig in Zorn umwandelt, als die Tür ein weiteres Mal aufgeht. Johanna betritt das Büro. Das glaube ich jetzt nicht!

Richards Augen fixieren mich nach wie vor. Offensichtlich will er sich vergewissern, dass ich seiner Bitte nachkomme und nicht sofort wütend aufstehe und gehe.

Meine Vernunft meldet sich. Ich lasse ihn mit einem kaum sichtbaren Nicken erkennen, dass ich verstanden habe.

Prompt erhebt er sich. Er läuft um den Tisch herum und berührt Johanna zur Begrüßung am Oberarm. Sie scheint ihm die Taxinummer immer noch nicht ganz verziehen zu haben und nimmt sichtlich gekränkt auf dem Sofa Platz.

Richard lehnt sich mit dem Gesäß gegen seinen Schreibtisch und schaut abwechselnd auf uns beide herab.

Um mir meine innerliche Anspannung, nicht anmerken zu lassen, schlage ich ein Bein über und nehme eine bequeme Haltung ein. Mit emotionsloser Miene betrachte ich die beiden und bin gespannt auf das, was nun folgt.

Johanna wird ungeduldig: »Und was möchtest du nun von mir?«

Sie wirft mir einen abwertenden Blick zu, der in ein spöttisches Lächeln übergeht. Wie von mir erwartet zeige ich jedoch keinerlei Reaktion. Richard schmunzelt stolz.

»Nun, Johanna, ich möchte dir etwas geben.«

Er beugt sich zur Seite, greift zu einem Stück Papier auf dem Tisch und reicht es ihr.

»Ich möchte mich aufrichtig für die letzten Jahre bei dir

bedanken.«

Er hält inne und beobachtet sie. Johanna erkennt das Stück Papier und fängt prompt an zu strahlen. Ich realisiere, dass es sich bei dem Gegenstand in ihrer Hand um einen Scheck handelt. Die Summe kann ich aus meiner Position nicht erkennen.

Richard räuspert sich und erklärt sich entschlossen weiter: »Es wird ab sofort keine Treffen mehr zwischen uns geben.«

Ein gespieltes Lachen durchdringt den Raum.

»Glaubst du wirklich, dass Frau Mönninghoff mir auch nur annähernd das Wasser reichen kann?«, stößt sie überheblich hervor.

Mit finsterer Miene verfolge ich den Wortwechsel der beiden.

»Wohl kaum«, fährt Johanna fort. »Sonst hättest du mich nicht am Abend von Sonjas Hochzeit für einen Hausbesuch gebucht. Gib es zu! Da lief doch schon was zwischen euch beiden, nicht wahr?«

Richard bleibt regungslos. Er studiert sie, wie er es schon so oft bei mir getan hat. Ich könnte bei diesem Anblick platzen. Das alles klingt für mich nach mehr, als nur nach einer reinen Geschäftsbeziehung. Zumindest aus Johannas Sicht.

Sie kneift die Augen zusammen und wird hysterisch: »Das ist jetzt nicht dein Ernst!«

Er schenkt ihr ein ignorantes Lächeln und versucht, sie zu beruhigen: »Du hältst gerade 10.000 € in deinen Händen. Kauf dir etwas Schönes davon oder fahr in den Urlaub. Wie schon gesagt, wir werden uns nicht wiedersehen. Mehr habe ich dir nicht zu sagen.«

Er beugt sich abermals zur Seite und greift zu einem weiteren Scheck. Meine Augen werden groß, da seine Aufmerksamkeit nun mir gilt.

»Was ist das?«, hake ich ungläubig nach. »Bekomme ich jetzt

etwa auch eine Abfindung?«

Richard schüttelt amüsiert den Kopf.

»Nein, du hast dir eine Entschuldigung verdient.«

»Ich will dein Geld nicht!«, platzt es wütend aus mir heraus. »Ich dachte, du würdest mich mittlerweile besser kennen.«

Ich beuge mich entschlossen vor, greife zu dem Stück Papier in seiner Hand und werfe einen kurzen Blick darauf. Schließlich bin ich doch schon neugierig, ob ich ihm genauso viel Wert bin wie Johanna. Die doppelte Summe zu lesen, löst ein Schmunzeln bei mir aus.

»Sehr großzügig von dir«, gebe ich mich beeindruckt und zerreiße kurzerhand den Scheck in viele kleine Teile.

»Spinnt die etwa?«, kreischt Johanna entsetzt los.

Diese Frau widert mich einfach nur an, was ich mit einem Kopfschütteln zum Ausdruck bringe.

»Schluss jetzt! Johanna, ich wünsche dir von ganzem Herzen alles erdenklich Gute. Ich möchte, dass du jetzt gehst.«

Er erhebt sich, um sie hinauszubegleiten. Ihr böser Blick wandert von mir zu ihm und wieder zurück.

Sie richtet sich auf, steckt den Scheck in ihre Handtasche und läuft eingeschnappt zur Tür.

»Ich bin mir sicher, dass du dich bald wieder melden wirst!«

Richard begleitet sie zum Treppenflur. Ich nutze den kurzen Moment, um durchzuatmen.

Als er sein Büro wieder betritt, nehme ich im Sessel eine aufrechte Haltung ein. Er deutet zu dem Haufen Papierschnipsel auf dem Tisch und schüttelt belustigt den Kopf.

»Sag mal, was war das denn jetzt bitte?«, ringe ich um Fassung.

Er lässt sich auf dem Sofa nieder. Sichtlich zufrieden lehnt er sich zurück und streckt beide Arme auf der Lehne aus.

»Ich habe gerade meine Geschäftsbeziehung zu Johanna beendet«, grinst er verschmitzt.

»Geschäftsbeziehung?«, hake ich misstrauisch nach. »Für mich klang das eher nach einem Verhältnis.«

Er räuspert sich und klopft mit der Hand auf den Platz neben sich. Ich habe verstanden und setze mich mit etwas Abstand zu ihm. Er rückt näher und legt den Arm um mich.

»Sie hat überreagiert. Aber nicht, weil ich ihr menschlich fehlen werde, sondern weil sie nun keine weiteren Großzügigkeiten mehr von mir zu erwarten hat. Ich bin mir sicher, dass die 10.000 Euro fürs Erste ein guter Ersatz für mich sein werden.«

Die Vorstellung, Richard für eine Summe Geld nicht mehr sehen zu dürfen, würde mich alles andere als glücklich machen. Ganz gleich, wie dringend ich es benötigen würde.

Er streift mir liebevoll eine Haarsträhne hinters Ohr.

»Ich kann die Sache mit Johanna nicht rückgängig machen. Genauso wenig wie das, was gestern Abend passiert ist. Aber die Situation ist jetzt eine andere und ich verspreche dir bei meinem Leben, dass so etwas nicht noch einmal vorkommen wird. Ich hoffe, du kannst mir noch einmal dein vollstes Vertrauen schenken.«

Erneut durchdringt ein Klopfen den Raum.

»Ja bitte!«, erwidert Richard in hörbarer Lautstärke.

Frau Lorenz blickt durch die Tür: »Entschuldigung, aber Herr Dr. Gerling ist da. Er sagt, er war gerade in der Nähe und … .«

»Er soll hereinkommen«, fällt er ihr ins Wort.

Allem Anschein nach freut er sich über den spontanen Besuch seines Freundes.

Nur Sekunden später betritt Herr Dr. Gerling den Raum. Wir erheben uns beide.

»Reimund, das ist ja eine Überraschung«, begrüßt er strahlend seinen Freund und umarmt ihn prompt.

»Rebekka, schön Sie wieder zu sehen«, lächelt dieser mir über Richards Schulter hinweg zu.

»Freut mich auch.«

Ich wende mich ab und greife zu meiner Handtasche und zu meinem Mantel.

»Sie müssen schon gehen?«, erkundigt sich unser spontaner Gast enttäuscht.

»Ja.« Ich hebe entschuldigend die Schultern. »Die Pflicht ruft.«

Auch Richard ist nicht gerade begeistert über meinen plötzlichen Aufbruch.

»Warte mal«, stoppt er mein Vorhaben. Er läuft um seinen Schreibtisch herum und öffnet eine Schublade. »Könntest du Tarek noch schnell etwas aus der Apotheke besorgen. Er hat seine Schmerzmittel im Krankenhaus liegen lassen.«

Er holt ein Rezept hervor, füllt es aus und reicht es mir.

»Habt ihr zwei nicht Lust, uns am Sonntag besuchen zu kommen? Christiane und ich, wir würden uns sehr freuen.«

Richard sieht mich fragend an, seine Vorfreude steht ihm bereits ins Gesicht geschrieben.

»Okay«, stimme ich bei seinem Anblick zu. »Vielen Dank für die Einladung.«

Kapitel 2

Nachdem ich Tarek schnell seine Schmerzmittel gebracht habe, mache mich auf den Weg, die Kinder einzusammeln. Den Rest des Tages verbringen wir damit, unser Zuhause weihnachtlich zu dekorieren.

Ich lasse meine kurze Unterhaltung mit Richard gedanklich Revue passieren. Was genau meinte er nur damit, die Situation sei jetzt eine andere?

Gegen Abend kommt mir Tarek erneut in den Sinn. Da ich vorhin nicht wirklich viel Zeit für ihn hatte, wähle ich seine Nummer, während ich in der Küche das Abendbrot zubereite.

»Hey Rebekka, schön dich zu hören.«

»Hi, alles klar bei dir?«

Er beruhigt mich und sagt mir, dass ich mir um ihn absolut keine Sorgen zu machen brauche. Er sei bestens versorgt und Richard sei heute sogar extra früher aus dem Büro gekommen, um ihm etwas zu Essen zu bringen und sich um ihn zu kümmern.

Seitdem ich die beiden gestern zusammen auf dem Sofa habe sitzen sehen, lässt mich eine Frage nicht mehr los.

»Was genau läuft da eigentlich zwischen dir und Richard?«, platzt es ohne Vorwarnung aus mir heraus. »Du bist ihm überhaupt nicht böse, das ist doch völlig unnormal.«

Da ich keine direkte Antwort erhalte, spreche ich meine Befürchtung aus: »Hat er dich in der Hand? Ich meine, kann er dich mit irgendetwas unter Druck setzen? Ich weiß ja schließlich, wie er sein kann.«

Tarek bricht sein Schweigen: »Nein. Ich gebe dir recht, er ist manchmal alles andere als einfach. Aber er ist kein schlechter Mensch, das kannst du mir glauben. Ich habe ihm wirklich viel

zu verdanken.«

Ich höre ihn seufzen und lausche hellhörig seinen Worten.

»Vor gut zehn Jahren verkehrte ich in echt schlechten Kreisen. Ich bin da in eine sehr kriminelle Gang reingerutscht. Die Jungs und ich, wir haben uns damals in Münster in einer Taekwondo-Schule angemeldet. Wir wollten cool sein. Richard war dort für ein paar Wochen als Trainer eingesprungen. Warum er sich ausgerechnet mich ausgesucht hat, weiß ich nicht. Aber ich kann von Glück reden, dass er immer und immer wieder versucht hat, mich zur Vernunft zu bringen. Er hat einfach nicht locker gelassen und er hat mir die Möglichkeit gegeben, den richtigen Weg einzuschlagen. Ohne ihn würde ich heute garantiert im Knast sitzen.«

Wow, ich bin sprachlos. Richard hat also tatsächlich so etwas wie eine soziale Ader?

Tarek und ich quatschen noch einige Minuten weiter, bis ich die Kinder zu Tisch bitte und mich von ihm verabschiede.

»Ich melde mich morgen wieder, versprochen!«

Um kurz nach 20.00 Uhr schalte ich das Licht im Obergeschoss aus und laufe die Treppe hinunter. Obwohl ich noch einige Dinge für meinen Zweitjob zu erledigen habe, gönne ich mir ein paar Minuten Zeit. Ich setze mir die Kopfhörer auf und spiele zum Abschalten einige Stücke auf meinem E-Piano.

Mein Handydisplay leuchtet. Schon beim Lesen der Nachricht muss ich schmunzeln:

Na schöne Frau, lässt du mich herein?

Richard steht bereits vor meiner Tür. Aufgrund der Kopfhörer habe ich sein Klopfen nicht gehört. Ich freue mich wahnsinnig über seinen spontanen Besuch.

Er tritt ein und zieht hinter seinem Rücken schmunzelnd eine rote Rose hervor.

»Ich hoffe, ihr passiert nicht das Gleiche wie deinem Check vorhin.«

Ich schüttle belustigt den Kopf und bedanke mich bei ihm mit einem Kuss.

Er läuft ins Wohnzimmer und legt auf dem Tisch Bücher ab, die er bis gerade eben noch unter dem Arm trug. Beim Herantreten erkenne ich, dass es Fachbücher aus der Immobilienbranche sind. Ich deute zu dem Stapel und sehe fragend zu ihm auf.

Er nimmt auf dem Sofa Platz und lächelt mir zu: »Ehrlich gesagt bin ich noch voller Hoffnung, dass du mein Stellenangebot doch annimmst.«

Mit diesem Thema hatte ich eigentlich sofort wieder abgeschlossen. Dass es ihm so ernst ist, damit habe ich nicht gerechnet. Meine Verlegenheit entgeht ihm nicht.

»Was muss ich tun, um dich zu überzeugen?«

Da mich im Augenblick rein gar nichts überzeugen kann, halte ich nachdenklich seinem Blick stand. Wie kann ich ihm das bloß erklären?

Richard gibt nicht auf. Er atmet tief durch und beugt sich zu mir vor.

»Ich biete dir das Doppelte von deinem jetzigen Gehalt und du darfst dir deine Arbeitszeiten absolut flexibel gestalten.«

Er gibt sich wirklich verdammt große Mühe. Und es tut mir unendlich leid, ihn enttäuschen zu müssen. Sein Angebot klingt für eine alleinerziehende Mutter mehr als verlockend und gleichzeitig völlig absurd und irreal. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht loszulachen.

Mit zusammengepressten Lippen lasse ich mich neben ihm nieder und greife nach seiner Hand.

»Ich weiß dein Entgegenkommen wirklich sehr zu schätzen. Aber ich möchte im Augenblick einfach keine berufliche Veränderung.«

Er wendet sich frustriert von mir ab und blickt ratlos zur Terrassentür. Ihn so zu sehen, fällt mir nicht leicht. Vielleicht sollte ich ihm seine Hoffnung nicht ganz nehmen?

»Bitte gib mir dafür etwas mehr Zeit, okay?«

»Du brauchst wirklich nur etwas mehr Zeit?«, hakt er vorsichtig nach.

Ich nicke. Um ihn aufzumuntern und abzulenken, schmiege ich mich an ihn, öffne zwei seiner Hemdknöpfe und lasse meine Hand unter den Stoff wandern. Wie sehr ich seine Nähe vermisst habe!

»Auch wenn du dich in den letzten Wochen total daneben benommen hast, du hast mir gefehlt.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe und sehe zu ihm auf. Seine Anspannung verfliegt. Er schließt die Augen und lehnt sich zurück.

Nur Sekunden später schrecke ich lachend auf, denn er packt mich völlig unerwartet und zieht mich auf seinen Schoß. Es fühlt sich gut an, ihn so dicht bei mir zu haben. Der Duft seines Parfüms … sein Geruch … mein Körper reagiert unaufhaltsam.

Er öffnet die obersten Knöpfe meiner Bluse und stellt sich schmollend: »Würdest du denn mir zuliebe trotzdem in die Bücher reinschauen? Etwas mehr Fachwissen wird dir bestimmt nicht schaden. Zumal ich doch davon ausgehe, dass du mich ab sofort wieder zu meinen Terminen begleiten wirst.«

Ich zögere meine Antwort bewusst heraus. Mein Nicken lässt ihn siegessicher schmunzeln.

Nun, da ich ihm wenigsten den einen Wunsch erfülle, erhoffe ich mir, dass auch er mir entgegenkommt. Den ganzen Tag über ging mir der Konflikt zwischen mir und Markus nicht mehr aus dem Kopf – im Gegenteil. Die angespannte Stimmung in der Kanzlei verschafft mir wahnsinnige Bauchschmerzen. Nach stundenlangem Hin- und Herüberlegen gibt es für mich eigentlich nur eine Lösung.

»Darf ich dich etwas fragen?«

»Aber sicher doch, du darfst mich alles fragen.«

Da ich nicht weiß, wie er reagieren wird, hole ich noch einmal tief Luft.

»Hey«, er legt den Kopf zur Seite und streift mit seinem Finger über mein Dekolleté. »Schieß los! Was liegt dir auf dem Herzen?«

»Ich … ich habe mir schon den ganzen Tag den Kopf darüber zerbrochen, wie ich die Sache mit meinem Chef wieder in Ordnung bringen kann.«

Sein Lächeln verschwindet, seine Augen verdunkeln sich.

»Aha, bin gespannt.«

Oh, oh. Ob ich es wirklich wagen soll, fortzufahren? Ich nehme all meinen Mut zusammen.

»Ich kann absolut nachvollziehen, dass Markus stinksauer auf mich ist,«, bringe ich schuldbewusst über die Lippen. »Immerhin hat er fast eine Stunde lang vor meiner Tür gewartet und er hat sich wirklich große Sorgen gemacht.«

Richard hält schweigend meinem Blick stand. Es entgeht mir nicht, dass er sich gerade arg zusammenreißt.

»Ich finde, ich bin ihm etwas schuldig«, fahre ich kleinlaut fort und schließe vorsichtshalber die Augen. »Glaubst du, du könntest damit leben, wenn ich ein völlig harmloses Essen mit ihm nachhole?«

Da er nicht prompt antwortet, fehlt mir der Mut, meine Augen wieder zu öffnen und ihn anzusehen. Umso erleichterter bin ich, als er mir eine Haarsträhne hinters Ohr streift. Ich greife nach seiner Hand und halte sie an meine Wange.

»Nein!«

Seine Tonlage irritiert mich. Seine Antwort klang irgendwie … freundlich?

Nun wage ich doch einen Blick und schüttle fragend den Kopf.

»Wie darf ich das jetzt verstehen?«

Seine Mimik bleibt unverändert.

»NEIN, ich könnte NICHT damit leben!«

In ihm brodelt es, das sehe ich ihm an. Und er gibt sich die größte Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen. Ich möchte kein Risiko eingehen und gebe mich geschlagen.

»Okay.«

»Wie?«, hakt er misstrauisch nach. »Das war es schon? Keine Diskussion?«

Ich schüttle den Kopf und beuge mich vor.

»Wo waren wir gerade noch mal stehen geblieben?«

Er zieht mich entschlossen an sich. Ich schließe meine Augen und bekomme eine Gänsehaut. Seine Lippen wandern langsam von meinem Mund Hals abwärts. Er hat mir so gefehlt. Mit zunehmender Erregung kann ich kaum noch gleichmäßig atmen. Er schiebt seine Fingerspitzen unter meine BH-Träger und streift sie sanft über meine Schultern. Unsere Zungen umkreisen sich voller Leidenschaft. Ich vergrabe meine Hände in seinen Haaren und bin kurz davor, die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren.

Plötzlich halte ich erschrocken inne. Sind das etwa Schritte, die ich oben höre? Richard sieht irritiert zu mir auf.

Ich ziehe reflexartig meine Bluse zurück über meine Schultern. Merle steht nur Sekunden später in der Wohnzimmertür. Sie hält ihren Teddy im Arm und reibt sich durchs Gesicht.

»Mama, immer wenn ich die Augen zumache, träume ich schlechte Sachen.«

Ich rutsche von Richards Schoß und fahre mir nervös durch die Haare. Mir ist diese Situation ihm gegenüber äußerst unangenehm. Zumal ich auch nicht einschätzen kann, wie er darauf reagieren wird.

»Ich bringe dich nach oben und mache dir eine Geschichte an, okay?«

Sie hört nicht auf zu weinen: »Nein, kann ich bei dir schlafen?«

Unruhig werfe ich einen Blick zur Wohnzimmeruhr … es ist kurz vor 21.00 Uhr. Mir muss schnellstmöglich eine Lösung einfallen, mit der ich sowohl Richard als auch meinem Kind gerecht werde.

Merle umklammert heulend meinen Oberschenkel. Sie hat unseren Besucher überhaupt nicht wahrgenommen. Unter normalen Umständen hätte ich die zwei einander vorgestellt, aber in diesem Moment ist das schier unmöglich.

Meine Anspannung entgeht ihm nicht.

»Ist schon gut«, stößt er hervor.

Er hat bereits die Knöpfe seines Hemds geschlossen und richtet sich vom Sofa auf. Bevor ich einlenken kann, steht er auch schon vor mir. Sein Mantel hängt über seinem angewinkelten Arm vorm Bauch. Den Grund dafür kann ich mir denken. Ich spüre, dass meine Wangen rot anlaufen.

»Kümmere dich um deine Kleine. Wir sehen uns morgen.«

Er gibt mir einen Kuss und schenkt mir zu meiner Erleichterung ein verständnisvolles Lächeln.

Ich bringe meine Tochter nach oben und lege mich zu ihr ins Bett. Nach nur wenigen Minuten ist sie wieder eingeschlafen.

Um auf Nummer Sicher zu gehen, bleibe ich noch etwas neben ihr liegen. Mir kommt Richards Jobangebot in den Sinn. Ich stelle mir vor, wie es sein würde, seiner Bitte nachzukommen. Was würde mich in seiner Firma erwarten? Zweifelsohne würde ich ihn mehr zu Gesicht bekommen als jetzt.

Nein! Mein Entschluss steht fest! Ich werde mich definitiv nicht von ihm und seinen Launen abhängig machen, auch wenn sein Angebot sehr verlockend klingt.

Meine Gedanken wandern zu Markus. Die jetzige Situation ist für mich unerträglich. Und mir bleibt auch keine andere Wahl, als meine Schuld wieder auszugleichen. Dass Richard massiv dagegen ist, macht die Sache nicht einfacher. Jetzt muss ich das Ganze auch noch so anstellen, dass er davon nichts mitbekommt. Gleich morgen früh werde ich meinem Chef vorschlagen, unser Essen nachzuholen. Immerhin muss ich an meine berufliche Zukunft denken und im Gegensatz zu Richard habe ich mir bislang noch nichts zu Schulden kommen lassen. Mein Job bedeutet nun mal meine Existenz. Meine und die meiner Kinder, für die ich Verantwortung trage.

Als Markus mir am nächsten Morgen auf dem Kanzlei-Parkplatz über den Weg läuft, nutze ich die Gunst der Stunde und spreche ihn an: »Guten Morgen.«

»Guten Morgen«, kontert er nüchtern und nimmt Anlauf, um an mir vorbeizugehen.

Ich halte ihn jedoch am Arm zurück.

»Darf ich dich heute Abend zum Essen einladen? Ich könnte uns etwas kochen.«

»Tut mir leid, aber ich bin heute Abend zum Tennis verabredet.«

Trotz seiner Absage bemerke ich ein Lächeln auf seinem Gesicht. Eine Geste, an die gestern nicht zu denken gewesen wäre.

»Okay, dann ein anderes Mal. Aber wir holen es nach, versprochen?«

Meine Frage zeigt Wirkung. Aus seinem Lächeln wird ein verschmitztes Grinsen.

»Versprochen!«

Gemeinsam betreten wir die Kanzlei. Während Carina mit dem ersten wartenden Mandaten eine Unterhaltung führt, hänge ich meinen Mantel an die Garderobe und laufe in die Küche. In meiner Rocktasche vibriert mein Handy.

Guten Morgen, ich habe mir für heute Nachmittag freigenommen und würde mich freuen, wenn du vorbei kommst. Bring deine Kinder mit!

Ich strahle übers ganze Gesicht. Lese ich richtig? Hat Richard wirklich vor, einen ersten Schritt auf Hannah, Anton und Merle zuzugehen? Bis auf einen flüchtigen Wortwechsel mit meinem Sohn hatte er noch keinerlei Kontakt zu ihnen. Ich könnte gerade Bäume ausreißen vor Freude.

Sehr gerne! Ich freue mich.

Nur mit Mühe und Not kann ich mich auf meine Arbeit konzentrieren. In Gedanken bin ich schon bei heute Nachmittag. Ich bin so wahnsinnig aufgeregt. Wie werden meine Kinder auf Richard reagieren? Hoffentlich benehmen sie sich auch anständig.

Ich kann mein Glück kaum glauben, als mein Chef auf dem Weg zu einem Außentermin sein Büro verlässt und mir gut gelaunt gegenübersteht.

»Rebekka, kannst du dich darum kümmern?«

Er reicht mir eine Akte und schenkt mir dabei sein gewohntes Lächeln. Nun ist doch alles wieder gut.

Der Vormittag vergeht wie im Flug und ich schwebe auf Wolke Sieben. Noch am Mittagstisch bereite ich die Kinder auf unseren anstehenden Besuch vor.

»Mama, ist der Richard, zu dem wir gleich fahren, dein neuer Freund?«, bohrt Anton neugierig nach.

Ich schmunzle und suche gleichzeitig nach einer diplomatischen Antwort. Ihn gleich, als meinen neuen Freund vorzustellen, halte ich für etwas voreilig. Schließlich stehen wir ja gerade erst am Anfang von … ja von was eigentlich?

»Er ist EIN Freund«, antworte ich meinem Sohn und lenke vom Thema ab, damit er nicht weiter nachhakt.

»Ich habe übrigens noch eine Überraschung für euch. Ihr werdet nachher bestimmt auch Tarek wieder sehen. Er wohnt nämlich auch dort.«

Die Kinder jubeln vor Begeisterung. Damit sie sich später jedoch nicht vor seinen blauen Flecken erschrecken, erkläre ich ihnen, dass er am Wochenende einen Streit hatte und sich mit bösen Jungs geprügelt hat.

Mein Herz überschlägt sich fast vor Aufregung, als ich aus dem Auto steige und Merle beim Abschnallen helfe.

»Und benehmt euch bitte, hört ihr!«, ermahne ich meine Kinder ein letztes Mal.

Anton stürmt voreilig zur Tür und klingelt. Noch bevor ich mit meinen beiden Mädchen die Stufe zur Haustür erreiche, steht der Hausherr auch schon vor ihm. Er begrüßt ihn und streichelt ihm flüchtig über den Kopf.

Meine jüngste Tochter klammert sich schüchtern an mein Bein. Richard geht in die Hocke, um ihr Hallo zu sagen, doch sie reagiert nicht.

»Merle braucht meistens etwas, bis sie warm wird«, entschuldige ich mich für ihr Verhalten.

Hannah reicht ihm die Hand und stellt sich auf sein Nachfragen hin vor.

»Bor Mama, ist das cool hier!«, höre ich meinen Sohn begeistert rufen, der völlig ungehemmt bis ins Wohnzimmer vorstürmt.

Wir erreichen gerade rechtzeitig den Raum.

»Stopp!«, bremse ich Anton, der hastig auf den Flügel zuläuft. »Es wird nichts angefasst!«

Er bleibt stehen und sieht verunsichert zu mir herüber.

Wieso kommt mir ausgerechnet jetzt unsere Haftpflichtversicherung in den Sinn? Wie hoch ist noch mal die Deckungssumme? Mir fällt ein, dass unsere private Versicherung immer noch Teil von Manuels Betriebshaftpflicht ist. Ob sie im Ernstfall überhaupt aufkommen würde? Immerhin leben wir ja nicht mehr unter einem Dach. Das muss ich gleich morgen abklären!

Dass ich mich gerade in absoluter Alarmbereitschaft befinde, entgeht Richard nicht. Er legt den Arm um meine Taille und deutet in Richtung Küche.

»Kaffee?«

Ich nicke und bitte die Kinder, mitzukommen.

In der Küche angekommen bemerke ich, dass nur Hannah und Merle uns gefolgt sind. Von Anton ist nichts zu sehen. Dafür jedoch zu hören. Aus dem Wohnzimmer erklingen ganz leise Töne vom Klavier.

»Tut mir leid«, entschuldige ich mich mit großen Augen und mache auch gleich auf dem Absatz kehrt, um ihn zu holen.

Richard stoppt mich. Er legt seine Hände auf meine Schultern und schiebt mich den letzten Meter zum Tresen vor sich her.