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Mittsommernacht auf einem schwedischen Landgut. Die junge Grafentochter Julie lässt sich mit dem Hausdiener Jean ein. Ungehemmt flirtet sie mit ihm, provoziert und beschimpft ihn, wird zudringlich -- bis der zögernde Jean nachgibt. Ein raffiniertes Spiel um Liebe und Macht beginnt – und im Licht des neuen Morgens sind die Rollen vertauscht: Jean ist Herr der Lage, Julie die Gefallene und Gedemütigte. Damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf …
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Seitenzahl: 84
Mittsommernacht auf einem schwedischen Landgut. Die junge Grafentochter Julie läßt sich mit dem Hausdiener Jean ein. Ungehemmt flirtet sie mit ihm, provoziert und beschimpft ihn, wird zudringlich – bis der zögernde Jean nachgibt. Ein raffiniertes Spiel um Liebe und Macht beginnt … und im Licht des neuen Morgens sind die Rollen vertauscht: Jean ist Herr der Lage, Julie die Gefallene und Gedemütigte. Damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf …
Das auf einer wahren Begebenheit beruhende und als Meisterwerk gefeierte Trauerspiel Fräulein Julie entstand 1888 und gehört heute zu den meistgespielten Dramen Strindbergs.
August Strindberg
FräuleinJulie
Drama
Aus dem Schwedischen übersetzt und
Aus dem Film »Fräulein Julie« nach dem Theaterstück vonAugust Strindberg. Regie: Liv Ullmann. Darsteller: Jessica Chastain (Foto), Colin Farrell und Samantha Morton. Norwegen/Großbritannien 2014.
eBook Insel Verlag Berlin 2014
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4397.
© Insel Verlag Berlin 2015
Deutsche Ausgabe: © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1961
Nachwort: © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1967
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Hinweise zu dieser Ausgabe am Schluß des Bandes
Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn
Personen
FRÄULEIN JULIE · 25 Jahre
JEAN, Bedienter · 30 Jahre
KRISTIN, Köchin · 35 Jahre
Ort der Handlung
Küche des Grafen. Mittsommernacht.
Szenerie
Eine große Küche, deren Decke und Seitenwände mit Draperien und Soffitten verhängt sind. Die Rückwand streckt sich von links schräg in die Bühnentiefe. Links an der Wand zwei Regale mit Kupfer-, Erz-, Eisen- und Zinngefäßen. Die Regale sind mit gemustertem Papier ausgelegt. Rechts drei Viertel des großen gewölbten Ausgangs mit zwei Glastüren, durch welche ein Springbrunnen mit einer Amorette, blühende Fliederbüsche und die Spitzen von Pyramidenpappeln zu sehen sind. Links im Vordergrund die Ecke eines großen Kachelherdes, mit vorstoßendem Rauchfang. Rechts das eine Ende des Gesindetischs, aus hellem Kiefernholz, mit einigen Stühlen. Der Herd ist mit Birkenlaub geschmückt, auf dem Boden liegen ausgestreute Wacholderzweige. Auf dem Tisch ein großer japanischer Gewürztopf mit blühendem Flieder. Ein Eisschrank, ein Spültisch, ein Waschbecken. Über der Tür eine große altmodische Klingel. Links an der Tür mündet ein Sprachrohr.
Kristin steht am Herd und brät etwas in einer Bratpfanne. Sie trägt ein helles Baumwollkleid und hat eine Küchenschürze umgebunden. Jean, in Livree, kommt herein. In der Hand trägt er ein paar große, mit Sporen versehene Reitstiefel, die er an einem sichtbaren Platz auf den Boden stellt. Er nimmt die Mütze ab, wischt sich den Schweiß aus der Stirn.
JEANHeut abend ist Fräulein Julie wieder verrückt, komplett verrückt!
KRISTINNa, da ist Er ja endlich.
JEANIch hab den Grafen zur Station gebracht, und wie ich auf dem Rückweg an der Scheune vorbeikam, ging ich rein, tanzen, und da seh ich, wie das Fräulein mit dem Waldhüter den Tanz anführt. Kaum hat sie mich entdeckt, stürzt sie auf mich los und fordert mich auf zum Damenwalzer. Und wie die gewalzt hat! Sowas hab ich noch nicht erlebt. Sie ist verrückt!
KRISTINVerrückt ist sie immer gewesen, aber nie so wie die letzten vierzehn Tage, nachdem es aus war mit der Verlobung.
JEANJa, was war denn das für 'ne Geschichte? Er war doch ein feiner Kerl, wenn er auch nicht reich war. Ach, die führen soviel Chosen auf. Setzt sich ans Tischende. Komisch jedenfalls, so ein Fräulein. Hm. Lieber zu Haus bei den Leuten zu bleiben, was? Anstatt mit ihrem Vater zu Verwandten zu fahren.
KRISTINSie geniert sich wohl nach dem Krach da mit dem Verlobten.
JEANWahrscheinlich. Er hielt jedenfalls was auf sich, der Kerl. Weißt du, wie's zuging, Kristin? Ich hab's gesehn, du, wenn ich mir auch nichts hab anmerken lassen.
KRISTINWas hat Er denn gesehn?
JEANAlso paß auf. An einem Abend waren sie hinterm Stall, und das Fräulein ließ ihn trainieren, wie sie's nannte. Und weißt du, wie? Über die Reitgerte ließ sie ihn springen, wie 'nen Hund. So, mach schön hopp! Er sprang zweimal, und jedesmal kriegte er einen Hieb über, aber das dritte Mal nahm er ihr die Gerte aus der Hand und brach sie in tausend Stücke. Dann ging er weg.
KRISTINNein so was. Und das hat Er mit angesehn?
JEANJa, so war das mit der Sache. Na, und was hast du denn da Gutes für mich, Kristin?
KRISTINlegt aus der Pfanne auf und setzt es Jean vor:
Ach nur ein bißchen Niere vom Kalbsbraten.
JEANriecht am Essen:
Ah! Deliziös! Befühlt den Teller. Hättest aber den Teller wärmen können.
KRISTINEr kann noch mehr quengeln als der Graf selbst, wenn Er mal anfängt. Zieht ihn liebkosend am Haar.
JEANböse:
Laß mein Haar sein! Du weißt, ich kann das nicht vertragen.
KRISTINNa, na, ich mein's doch nur lieb, weiß Er doch. Jean ißt. Kristin holt eine Flasche Bier.
JEANBier, am Mittsommerabend, nee dankeschön! Da hab ich selbst was Besseres. Öffnet eine Tischlade und nimmt eine Flasche Rotwein heraus. Der Kork ist gelb verlackt. Gelber Lack, fein, was! Gib mir mal ein Glas! Ein Kelchglas natürlich, wenn man pur trinkt.
KRISTINzum Herd zurück, setzt einen kleinen Topf auf:
Herrgott, wer so einen mal zum Mann kriegt! Sowas von Quengelei!
JEANRed nicht! Du wärst schon froh, wenn du so einen wie mich bekämst, und ich glaub nicht, daß es dir geschadet hat, daß man mich deinen Verlobten nennt. Kostet den Wein. Gut. Sehr gut. Nur ein bißchen zu wenig temperiert. Wärmt das Glas in der Hand. Den haben wir in Dijon gekauft. Kostete vier Francs der Liter, ohne Flasche. Dann kommt noch der Zoll dazu. Was kochst du denn da, das riecht ja infernalisch.
KRISTINAch, irgend so ein Teufelszeug, das Fräulein Julie für die Diana haben will.
JEANDu sollst dich gewählter ausdrücken, Kristin. Aber mußt du wirklich am Feiertagsabend dastehn und für das Vieh kochen? Ist es denn krank?
KRISTINDas kann man sagen. Sie hat's mit dem Mops vom Pförtnerhaus gehabt, und die Folgen sind nicht ausgeblieben, aber davon, da will das Fräulein nichts von wissen.
JEANDas Fräulein ist manchmal zu hochmütig, und manchmal ist sie zu wenig stolz, genau wie die Gräfin zu Lebzeiten. Der war's am wohlsten in der Küche und im Stall, aber nur einspännig ausfahren, das konnte sie nicht. Ihre Manschetten waren schmutzig, aber die Grafenkrone mußte sie auf den Knöpfen haben. Das Fräulein, um von ihr zu reden, gibt nicht acht auf sich und ihre Person. Ich möcht' sagen, sie hat keine Finesse. Vorhin, wie sie da in der Scheune tanzte, riß sie einfach den Waldhüter von Annas Seite weg und forderte ihn auf. So würden wir uns nicht benehmen. So ist es eben, wenn die Herrschaften sich unters gemeine Volk mischen, dann werden sie gemein. Aber ein Weibsbild ist das! Prachtvoll! Ah, diese Schultern, und dann, na und so weiter.
KRISTINO ja, prahl nicht so! Ich hab gehört, was die Clara sagt, und die hilft ihr beim Ankleiden.
JEANClara! Ihr müßt immer neidisch aufeinander sein! Ich kenn sie, ich bin ausgeritten mit ihr – und wie die tanzt – na!
KRISTINHör mal, Jean, will Er nicht mit mir tanzen, wenn ich fertig bin?
JEANKlar, wird gemacht.
KRISTINVerspricht Er's?
JEANVersprechen? Wenn ich sage, ich mach's, dann mach ich's! Na, und schönen Dank auch fürs Essen. War wirklich gut. Schlägt den Kork in die Flasche.
FRÄULEINin der Tür, spricht nach draußen:
Ich bin gleich zurück, geht nur!
Jean verbirgt die Flasche in der Schublade, erhebt sich respektvoll.
FRÄULEINtritt zu Kristin an den Herd:
Na, bist du fertig? Kristin macht ein Zeichen, daß Jean anwesend ist.
JEANgalant:
Haben die Damen Geheimnisse?
FRÄULEINschlägt mit dem Taschentuch nach seinem Gesicht:
Neugierig?
JEANAh, das riecht gut nach Veilchen!
FRÄULEINkokett:
Unverschämt! Versteht Er sich auch auf Parfüms? Tanzen, das kann Er! Nein, nicht hersehn. Weg mit ihm!
JEANspöttisch, höflich:
Ist das eine Zaubersuppe für die Mittsommernacht, die die Damen da kochen? Kann man damit in den Sternen lesen und den Zukünftigen sehn?
FRÄULEINscharf:
Kann Er den sehn, dann muß Er starke Augen haben! Zu Kristin: Gieß es in eine Flasche und korke gut zu. – Komm und tanz Er jetzt einen Schottischen mit mir, Jean!
JEANzögernd:
Ich möchte gegen niemanden unhöflich sein, aber diesen Tanz hab ich Kristin versprochen.
FRÄULEINNa, sie kann doch einen andern haben, nicht, Kristin? Willst du mir Jean nicht ausleihen?
KRISTINDa kann ich nichts dazu sagen. Wenn Fräulein so freundlich sind, mit ihm tanzen zu wollen, dann paßt es sich nicht, daß ich nein sage. Geh Er nur! Und bedank Er sich für die Ehre.
JEANEhrlich gesagt, ohne jemanden verletzen zu wollen, so möcht' ich doch wissen, ob Fräulein Julie klug dran tut, zweimal hintereinander mit demselben Kavalier zu tanzen, besonders, wo die Leute hier nicht faul sind, ihre Schlüsse zu ziehn.
FRÄULEINaufbrausend:
Was heißt das! Was für Schlüsse? Was will Er damit sagen?
JEANuntertänig: