Frühlings Erwachen - Frank Wedekind - E-Book

Frühlings Erwachen E-Book

Frank Wedekind

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Die intime Begegnung der heranwachsenden Jugendlichen Wendla Bergmann und Melchior Gabor zieht Schlimmes nach sich: Das junge Mädchen wird zur Abtreibung gezwungen, Melchior wird von seiner Familie verstoßen und in eine Besserungsanstalt gesperrt. - Wedekinds Stück von 1891 ist weit mehr als eine makabere »Kindertragödie«. Es stellt eine verlogene Sexualmoral an den Pranger und lässt die Folgen unterlassener Aufklärung in einer tödlichen Katastrophe gipfeln. Ein bewegendes Stück über die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens und die Nöte der Pubertät hinter der Fassade der bürgerlichen Gesellschaft.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 109

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Frank Wedekind

Frühlings Erwachen

Eine Kindertragödie

Fischer e-books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Dem vermummten Herrn

  der Verfasser

Personen

MELCHIOR GABOR

HERR GABOR, sein Vater

FRAU GABOR, seine Mutter

WENDLA BERGMANN

FRAU BERGMANN, ihre Mutter

INA MÜLLER, Wendlas Schwester

MORITZ STIEFEL

RENTIER STIEFEL, sein Vater

OTTO, Gymnasiast

ROBERT, Gymnasiast

GEORG ZIRSCHNITZ, Gymnasiast

ERNST RÖBEL, Gymnasiast

HÄNSCHEN RILOW, Gymnasiast

LÄMMERMEIER, Gymnasiast

MARTHA BESSEL, Schülerin

THEA, Schülerin

ILSE, ein Modell

REKTOR SONNENSTICH

HUNGERGURT, Gymnasialprofessor

KNOCHENBRUCH, Gymnasialprofessor

AFFENSCHMALZ, Gymnasialprofessor

KNÜPPELDICK, Gymnasialprofessor

ZUNGENSCHLAG, Gymnasialprofessor

FLIEGENTOD, Gymnasialprofessor

HABEBALD, Pedell

PASTOR KAHLBAUCH

ZIEGENMELKER, Freund Rentier Stiefels

ONKEL PROBST

DIETHELM, Zöglin der Korrektionsanstalt

REINHOLD, Zöglin der Korrektionsanstalt

RUPRECHT, Zöglin der Korrektionsanstalt

HELMUTH, Zöglin der Korrektionsanstalt

GASTON, Zöglin der Korrektionsanstalt

DR. PROKRUSTES

EIN SCHLOSSERMEISTER

DR. VON BRAUSEPULVER, Medizinalrat

DER VERMUMMTE HERR

Gymnasiasten, Winzer, Winzerinnen

Erster Akt

Erste Szene

Wohnzimmer.

WENDLA

Warum hast du mir das Kleid so lang gemacht, Mutter?

FRAU BERGMANN

Du wirst vierzehn Jahr heute!

WENDLA

Hätt ich gewusst, dass du mir das Kleid so lang machen werdest, ich wäre lieber nicht vierzehn geworden.

FRAU BERGMANN

Das Kleid ist nicht zu lang, Wendla. Was willst du denn! Kann ich dafür, dass mein Kind mit jedem Frühjahr wieder zwei Zoll größer ist. Du darfst doch als ausgewachsenes Mädchen nicht in Prinzesskleidchen einhergehen.

WENDLA

Jedenfalls steht mir mein Prinzesskleidchen besser als diese Nachtschlumpe. – Lass mich’s noch einmal tragen, Mutter! Nur noch den Sommer lang. Ob ich nun vierzehn zähle oder fünfzehn, dies Bußgewand wird mir immer noch recht sein. – Heben wir’s auf bis zu meinem nächsten Geburtstag; jetzt würd ich doch nur die Litze heruntertreten.

FRAU BERGMANN

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich würde dich ja gerne so behalten, Kind, wie du gerade bist. Andere Mädchen sind stakig und plump in deinem Alter. Du bist das Gegenteil. – Wer weiß, wie du sein wirst, wenn sich die andern entwickelt haben.

WENDLA

Wer weiß – vielleicht werde ich nicht mehr sein.

FRAU BERGMANN

Kind, Kind, wie kommst du auf die Gedanken!

WENDLA

Nicht, liebe Mutter; nicht traurig sein!

FRAU BERGMANN (sie küssend)

Mein einziges Herzblatt!

WENDLA

Sie kommen mir so des Abends, wenn ich nicht einschlafe. Mir ist gar nicht traurig dabei, und ich weiß, dass ich dann umso besser schlafe. – Ist es sündhaft, Mutter, über derlei zu sinnen?

FRAU BERGMANN

Geh denn und häng das Bußgewand in den Schrank! Zieh in Gottes Namen dein Prinzesskleidchen wieder an! – Ich werde dir gelegentlich eine Handbreit Volants unten ansetzen.

WENDLA (das Kleid in den Schrank hängend)

Nein, da möcht ich schon lieber gleich vollends zwanzig sein …!

FRAU BERGMANN

Wenn du nur nicht zu kalt hast! – Das Kleidchen war dir ja seinerzeit reichlich lang; aber …

WENDLA

Jetzt, wo der Sommer kommt? – O Mutter, in den Kniekehlen bekommt man auch als Kind keine Diphtheritis! Wer wird so kleinmütig sein. In meinen Jahren friert man noch nicht – am wenigsten an die Beine. Wär’s etwa besser, wenn ich zu heiß hätte, Mutter? – Dank es dem lieben Gott, wenn sich dein Herzblatt nicht eines Morgens die Ärmel wegstutzt und dir so zwischen Licht abends ohne Schuhe und Strümpfe entgegentritt! – Wenn ich mein Bußgewand trage, kleide ich mich darunter wie eine Elfenkönigin … Nicht schelten, Mütterchen! Es sieht’s dann ja niemand mehr.

Zweite Szene

Sonntagabend.

MELCHIOR

Das ist mir zu langweilig. Ich mache nicht mehr mit.

OTTO

Dann können wir andern nur auch aufhören! – Hast du die Arbeiten, Melchior?

MELCHIOR

Spielt ihr nur weiter!

MORITZ

Wohin gehst du?

MELCHIOR

Spazieren.

GEORG

Es wird ja dunkel!

ROBERT

Hast du die Arbeiten schon?

MELCHIOR

Warum soll ich denn nicht im Dunkeln spazieren gehn?

ERNST

Zentralamerika! – Ludwig der Fünfzehnte! Sechzig Verse Homer! – Sieben Gleichungen!

MELCHIOR

Verdammte Arbeiten!

GEORG

Wenn nur wenigstens der lateinische Aufsatz nicht auf morgen wäre!

MORITZ

An nichts kann man denken, ohne dass einem Arbeiten dazwischen kommen!

OTTO

Ich gehe nach Hause.

GEORG

Ich auch, Arbeiten machen.

ERNST

Ich auch, ich auch.

ROBERT

Gute Nacht, Melchior.

MELCHIOR

Schlaft wohl!

(Alle entfernen sich bis auf Moritz und Melchior.)

MELCHIOR

Möchte doch wissen, wozu wir eigentlich auf der Welt sind!

MORITZ

Lieber wollt ich ein Droschkengaul sein um der Schule willen! – Wozu gehen wir in die Schule? – Wir gehen in die Schule, damit man uns examinieren kann! – Und wozu examiniert man uns? – Damit wir durchfallen. – Sieben müssen ja durchfallen, schon weil das Klassenzimmer oben nur sechzig fasst. – Mir ist so eigentümlich seit Weihnachten … hol mich der Teufel, wäre Papa nicht, heut noch schnürt ich mein Bündel und ginge nach Altona!

MELCHIOR

Reden wir von etwas anderem. –

(Sie gehen spazieren.)

MORITZ

Siehst du die schwarze Katze dort mit dem emporgereckten Schweif?

MELCHIOR

Glaubst du an Vorbedeutungen?

MORITZ

Ich weiß nicht recht. – – Sie kam von drüben her. Es hat nichts zu sagen.

MELCHIOR

Ich glaube, das ist eine Charybdis, in die jeder stürzt, der sich aus der Skylla religiösen Irrwahns emporgerungen. – – Lass uns hier unter der Buche Platz nehmen. Der Tauwind fegt über die Berge. Jetzt möchte ich droben im Wald eine junge Dryade sein, die sich die ganze lange Nacht in den höchsten Wipfeln wiegen und schaukeln lässt …

MORITZ

Knöpf dir die Weste auf, Melchior!

MELCHIOR

Ha – wie das einem die Kleider bläht!

MORITZ

Es wird weiß Gott so stockfinster, dass man die Hand nicht vor den Augen sieht. Wo bist du eigentlich? – – Glaubst du nicht auch, Melchior, dass das Schamgefühl im Menschen nur ein Produkt seiner Erziehung ist?

MELCHIOR

Darüber habe ich erst vorgestern noch nachgedacht. Es scheint mir immerhin tief eingewurzelt in der menschlichen Natur. Denke dir, du sollst dich vollständig entkleiden vor deinem besten Freund. Du wirst es nicht tun, wenn er es nicht zugleich auch tut. – Es ist eben auch mehr oder weniger Modesache.

MORITZ

Ich habe mir schon gedacht, wenn ich Kinder habe, Knaben und Mädchen, so lasse ich sie von früh auf im nämlichen Gemach, wenn möglich auf ein und demselben Lager, zusammen schlafen, lasse ich sie morgens und abends beim An- und Auskleiden einander behilflich sein und in der heißen Jahreszeit, die Knaben sowohl wie die Mädchen, tagsüber nichts als eine kurze, mit einem Lederriemen gegürtete Tunika aus weißem Wollstoff tragen. – Mir ist, sie müssten, wenn sie so heranwachsen, später ruhiger sein, als wir es in der Regel sind.

MELCHIOR

Das glaube ich entschieden, Moritz! – Die Frage ist nur, wenn die Mädchen Kinder bekommen, was dann?

MORITZ

Wieso Kinder bekommen?

MELCHIOR

Ich glaube in dieser Hinsicht nämlich an einen gewissen Instinkt. Ich glaube, wenn man einen Kater zum Beispiel mit einer Katze von Jugend auf zusammensperrt und beide von jedem Verkehr mit der Außenwelt fernhält, d.h. sie ganz nur ihren eigenen Trieben überlässt – dass die Katze früher oder später doch einmal trächtig wird, obgleich sie sowohl wie der Kater niemand hatten, dessen Beispiel ihnen hätte die Augen öffnen können.

MORITZ

Bei Tieren muss sich das ja schließlich von selbst ergeben.

MELCHIOR

Bei Menschen glaube ich erst recht! Ich bitte dich, Moritz, wenn deine Knaben mit den Mädchen auf ein und demselben Lager schlafen und es kommen ihnen nun unversehens die ersten männlichen Regungen – ich möchte mit jedermann eine Wette eingehen …

MORITZ

Darin magst du ja Recht haben. – Aber immerhin …

MELCHIOR

Und bei deinen Mädchen wäre es im entsprechenden Alter vollkommen das Nämliche! Nicht, dass das Mädchen gerade … man kann das ja freilich so genau nicht beurteilen … jedenfalls wäre vorauszusetzen ...... und die Neugierde würde das Ihrige zu tun auch nicht verabsäumen!

MORITZ

Eine Frage beiläufig –

MELCHIOR

Nun?

MORITZ

Aber du antwortest?

MELCHIOR

Natürlich!

MORITZ

Wahr?!

MELCHIOR

Meine Hand darauf. – – Nun, Moritz?

MORITZ

Hast du den Aufsatz schon??

MELCHIOR

So sprich doch frisch von der Leber weg! – Hier hört und sieht uns ja niemand.

MORITZ

Selbstverständlich müssten meine Kinder nämlich tagsüber arbeiten, in Hof und Garten, oder sich durch Spiele zerstreuen, die mit körperlicher Anstrengung verbunden sind. Sie müssten reiten, turnen, klettern und vor allen Dingen nachts nicht so weich schlafen wie wir. Wir sind schrecklich verweichlicht. – Ich glaube, man träumt gar nicht, wenn man hart schläft.

MELCHIOR

Ich schlafe von jetzt bis nach der Weinlese überhaupt nur in meiner Hängematte. Ich habe mein Bett hinter den Ofen gestellt. Es ist zum Zusammenklappen. – Vergangenen Winter träumte mir einmal, ich hätte unsern Lolo so lange gepeitscht, bis er kein Glied mehr rührte. Das war das Grauenhafteste, was ich je geträumt habe. – Was siehst du mich so sonderbar an?

MORITZ

Hast du sie schon empfunden?

MELCHIOR

Was?

MORITZ

Wie sagtest du?

MELCHIOR

Männliche Regungen?

MORITZ

M-hm.

MELCHIOR

– Allerdings!

MORITZ

Ich auch. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

MELCHIOR

Ich kenne das nämlich schon lange! – schon bald ein Jahr.

MORITZ

Ich war wie vom Blitz gerührt.

MELCHIOR

Du hattest geträumt?

MORITZ

Aber nur ganz kurz ....... von Beinen im himmelblauen Trikot, die über das Katheder steigen – um aufrichtig zu sein, ich dachte, sie wollten hinüber. – Ich habe sie nur flüchtig gesehen.

MELCHIOR

Georg Zirschnitz träumte von seiner Mutter.

MORITZ

Hat er dir das erzählt?

MELCHIOR

Draußen am Galgensteg!

MORITZ

Wenn du wüsstest, was ich ausgestanden seit jener Nacht!

MELCHIOR

Gewissensbisse?

MORITZ

Gewissensbisse?? – – – Todesangst!

MELCHIOR

Herrgott …

MORITZ

Ich hielt mich für unheilbar. Ich glaubte, ich litte an einem inneren Schaden. – Schließlich wurde ich nur dadurch wieder ruhiger, dass ich meine Lebenserinnerungen aufzuzeichnen begann. Ja ja, lieber Melchior, die letzten drei Wochen waren ein Gethsemane für mich.

MELCHIOR

Ich war seinerzeit mehr oder weniger darauf gefasst gewesen. Ich schämte mich ein wenig. – Das war aber auch alles.

MORITZ

Und dabei bist du noch fast um ein ganzes Jahr jünger als ich!

MELCHIOR

Darüber, Moritz, würd ich mir keine Gedanken machen. All meinen Erfahrungen nach besteht für das erste Auftauchen dieser Phantome keine bestimmte Altersstufe. Kennst du den großen Lämmermeier mit dem strohgelben Haar und der Adlernase? Drei Jahre ist der älter als ich. Hänschen Rilow sagt, der träume noch bis heute von nichts als Sandtorten und Aprikosengelee.

MORITZ

Ich bitte dich, wie kann Hänschen Rilow darüber urteilen!

MELCHIOR

Er hat ihn gefragt.

MORITZ

Er hat ihn gefragt? – Ich hätte mich nicht getraut jemanden zu fragen.

MELCHIOR

Du hast mich doch auch gefragt.

MORITZ

Weiß Gott ja! – Möglicherweise hatte Hänschen auch schon sein Testament gemacht. – Wahrlich ein sonderbares Spiel, das man mit uns treibt. Und dafür sollen wir uns dankbar erweisen! Ich erinnere mich nicht, je eine Sehnsucht nach dieser Art Aufregungen verspürt zu haben. Warum hat man mich nicht ruhig schlafen lassen, bis alles wieder still gewesen wäre. Meine lieben Eltern hätten hundert bessere Kinder haben können. So bin ich nun hergekommen, ich weiß nicht wie, und soll mich dafür verantworten, dass ich nicht weggeblieben bin. – Hast du nicht auch schon darüber nachgedacht, Melchior, auf welche Art und Weise wir eigentlich in diesen Strudel hineingeraten?

MELCHIOR

Du weißt das also noch nicht, Moritz?

MORITZ

Wie sollt ich es wissen? – Ich sehe, wie die Hühner Eier legen, und höre, dass mich Mama unter dem Herzen getragen haben will. Aber genügt denn das? – Ich erinnere mich auch, als fünfjähriges Kind schon befangen worden zu sein, wenn einer die dekolletierte Cœurdame aufschlug. Dieses Gefühl hat sich verloren. Indessen kann ich heute kaum mehr mit irgendeinem Mädchen sprechen, ohne etwas Verabscheuungswürdiges dabei zu denken, und – ich schwöre dir, Melchior – ich weiß nicht was.

MELCHIOR

Ich sage dir alles. – Ich habe es teils aus Büchern, teils aus Illustrationen, teils aus Beobachtungen in der Natur. Du wirst überrascht sein; ich wurde seinerzeit Atheist. Ich habe es auch Georg Zirschnitz gesagt! Georg Zirschnitz wollte es Hänschen Rilow sagen, aber Hänschen Rilow hatte als Kind schon alles von seiner Gouvernante erfahren.

MORITZ

Ich habe den »Kleinen Meyer« von A bis Z durchgenommen. Worte – nichts als Worte und Worte! Nicht eine einzige schlichte Erklärung. O dieses Schamgefühl! – Was soll mir ein Konversationslexikon, das auf die nächstliegende Lebensfrage nicht antwortet.

MELCHIOR

Hast du schon einmal zwei Hunde über die Straße laufen sehen?

MORITZ

Nein! – – Sag mir heute lieber noch nichts, Melchior. Ich habe noch Mittelamerika und Ludwig den Fünfzehnten vor mir. Dazu die sechzig Verse Homer, die sieben Gleichungen, der lateinische Aufsatz – ich würde morgen wieder überall abblitzen. Um mit Erfolg büffeln zu können, muss ich stumpfsinnig wie ein Ochse sein.

MELCHIOR

Komm doch mit auf mein Zimmer. In drei viertel Stunden habe ich den Homer, die Gleichungen und zwei Aufsätze. Ich korrigiere dir einige harmlose Schnitzer hinein, so ist die Sache im Blei. Mama braut uns wieder eine Limonade, und wir plaudern gemütlich über die Fortpflanzung.

MORITZ

Ich kann nicht. – Ich kann nicht gemütlich über die Fortpflanzung plaudern! Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann gib mir deine Unterweisungen schriftlich. Schreib mir auf, was du weißt. Schreib es möglichst kurz und klar und steck es mir morgen während der Turnstunde zwischen die Bücher. Ich werde es nach Hause tragen, ohne zu wissen, dass ich es habe. Ich werde es unverhofft einmal wiederfinden. Ich werde nicht umhin können, es müden Auges zu durchfliegen … falls es unumgänglich notwendig ist, magst du ja auch einzelne Randzeichnungen anbringen.

MELCHIOR