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Das Highlight auf Ihrem Weihnachtstisch: Das romantische Finale der Puffin Island-Trilogie Skylar hat noch nie verstanden, warum der TV-Historiker Alec von allen verehrt wird. Schließlich macht er keinen Hehl daraus, dass er sie nicht mag. Doch als das Schicksal ihr am Ende des Jahres dazwischenfunkt, muss sie Heiligabend ausgerechnet mit ihm verbringen. Und bald stellt Skylar fest: Nicht nur seiner Familie gelingt es, ihr Herz zu berühren. Auch Alec zeigt eine andere, zärtliche Seite von sich. Hat sie sich in ihm getäuscht? Oder ist es nur die verschneite Schönheit von Puffin Island, die sie auf ein Fest der Liebe hoffen lässt? "Ein zauberhaftes Setting: Weihnachten in London. Ergreifend und herzerwärmend. Der perfekte Weihnachtsroman und ein super Geschenk - ein Highlight auf dem Gabentisch zum Fest der Liebe" ReiseTravel "Sarah Morgan verzaubert mit Worten." Romantic Times Book Reviews
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Seitenzahl: 479
Zum Buch
Alec Hunter ist empört und hingerissen von der talentierten Schmuckdesignerin Skylar und sogar so verwirrt, Letzteres für eine üble Sache zu halten. Nur seinen Freunden zuliebe besucht er ihre Ausstellung in London – und muss Skylar prompt in einer Notsituation beistehen. Eigentlich wollte er sich zum Fest der Liebe auf Puffin Island in seiner Arbeit vergraben und von seiner missglückten Ehe erholen. Doch wenn er es sich mit seinen Freunden nicht verscherzen will, muss er Skylar helfen. Wäre da nur nicht diese knisternde Wärme zwischen ihnen, die einen ganz besonderen Weihnachtswunsch in ihm weckt …
Romantisch, sinnlich, herzerwärmend – der perfekte Weihnachtsroman
Zur Autorin
Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.
Lieferbare Titel
Die Reise der Sommerfrauen Das Fest der Weihnachtsschwestern Sommerleuchten am See Eine Weihnachtshochzeit im Schnee Sommerzauber in Paris Die Zeit der Weihnachtsschwestern Die Stunde der Inseltöchter Weihnachtszauber wider Willen Winterzauber wider Willen Sommerzauber wider Willen
Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem TitelChristmas Ever After bei HQN Books, Toronto.
© 2015 by Sarah Morgan Deutsche Erstausgabe © 2016 für die deutschsprachige Ausgabe by MIRA Taschenbuch in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg Published by arrangement with Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l Konzeption / Reihengestaltung von fredebold&partner GmbH, Köln Covergestaltung von büropecher, Köln Coverabbildung von Newdivision E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN E-Book 9783956499289
www.harpercollins.de
Skylar Tempest verließ ihr Hotel und schaute gen Himmel. Weiche, dicke Schneeflocken fielen aus dem mitternachtsblauen Firmament, bestäubten ihren Kopf und verschmolzen mit der Wolle ihres weißen Mantels. Es war, als stünde sie in einer Schneekugel.
Sie streckte eine Hand aus und fing eine Schneeflocke auf. Sie beobachtete, wie sie langsam auf ihrer Handfläche verschwand, eine flüchtige, vergängliche Schönheit.
London erlebte eine Kältewelle, und alle schlossen Wetten auf das erste weiße Weihnachten seit Jahren ab. Der Schnee fiel bereits seit einigen Stunden, und die Straßen waren weiß. Schön für das Auge, aber gefährlich unter den Füßen. Skylar hatte entschieden, lieber ein Taxi zu nehmen, als den Weg von Knightsbridge zur Galerie zu Fuß zurückzulegen.
Zu dem wichtigsten Abend ihres Lebens wollte sie nicht mit einem blauen Auge ankommen.
Sie warf dem Pförtner ein Lächeln zu und stieg in das wartende Taxi.
Geborgen in der Wärme, betrachtete sie die gehetzten Menschen auf der Straße. Den Kopf gesenkt und eingehüllt in dicke Wollschichten gegen die Kälte, liefen die Leute dahin. In den aufwendig dekorierten Schaufenstern der Geschäfte blinkten Lichterketten und warfen silbernen Schimmer auf den Schnee.
Skylar saugte das Licht und die Farben ein und war versucht, nach dem Skizzenblock zu greifen, den sie immer bei sich trug. Sie suchte die Schönheit in einer Welt, die sich oft von ihrer hässlichen Seite zeigte, um sie in ihrer Kunst festzuhalten. Sie arbeitete mit verschiedenen Materialien, versuchte sich in Keramik, doch ihre große Liebe war Schmuck.
Die Halskette, die sie für heute Abend ausgesucht hatte, stammte von ihr selbst und bildete den einzigen Farbtupfer in ihrem Outfit. Sie hatte sie als Teil ihrer letzten Kollektion entworfen, sich aber in das Stück verliebt und es behalten. Die Steine changierten zwischen Blau und Grün, mediterrane Töne, die einem kalten Dezemberabend Wärme verliehen.
Heute war ihr großer Abend: Sie befand sich in einer ihrer Lieblingsstädte zu einer ihrer Lieblingsjahreszeiten – und Richard kam ebenfalls.
Seit mehr als einem Jahr waren sie ein Paar. Ein Jahr, in dem Richard sich ganz auf seine Karriere konzentriert hatte. Seit er die Wahl zum Senator gewonnen hatte, war der Druck auf ihn noch stärker geworden. In den Monaten vor der Wahl hatten sie sich kaum gesehen, und die gemeinsam verbrachte Zeit war getrübt gewesen durch seine angespannte Stimmung. Sie hatte sich schon damit abgefunden, der Ausstellung ihrer Kollektion allein beizuwohnen, sodass sein Anruf vom Flughafen sie sehr überrascht hatte.
Nun konnte sie den vor ihr liegenden Abend kaum abwarten.
Ab heute Abend würde alles anders werden. Nun, da der Wahlkampfstress hinter ihnen lag, würden sie endlich Zeit füreinander haben und all die Dinge tun, von denen sie gesprochen hatten.
Er hatte angedeutet, dass er ein besonderes Weihnachtsgeschenk für sie hätte.
Vielleicht eine Reise nach Florenz?
Er wusste, wie sehr sie sich das immer gewünscht hatte.
Oder vielleicht nach Paris, um den Louvre und das Musée d’Orsay zu besuchen.
Ihre Stimmung hob sich.
Sie würden sich über ihre Ausstellung freuen und später eine persönlichere Feier genießen. Nur sie beide, ihre luxuriöse Hotelsuite und eine Flasche Champagner. Morgen würden sie zur Eisbahn im Somerset House gehen. Skylar war gestern schon daran vorbeigekommen und hatte eine kurzweilige Stunde lang den Leuten zugesehen. Ihr kreativer Geist hatte das Kaleidoskop von Farben und lachenden Gesichter förmlich eingesogen. Herumwirbelnde Teenager, Eltern, die ihre übereifrigen Kinder festhielten, Paare, die sich in den Armen lagen. Später am Abend würden sie mit dem London Eye fahren. Sie hatte den langsamen, würdevollen Aufstieg der einzelnen Gondeln über dem dunklen Band der Themse betrachtet und entschieden, dass sie das erleben wollte.
Es würde romantisch sein, und sie und Richard mussten sich mehr Zeit für ihre Beziehung nehmen.
Sie starrte aus dem Fenster, während sie darüber nachdachte.
War das Liebe?
War es das?
Sie hatte immer angenommen, dass sie es merken würde, wenn sie endlich liebte. Doch auf all die Zweifel und Fragen war sie nicht gefasst gewesen.
„Weihnachtsparty?“ Der Taxifahrer blickte in den Rückspiegel. Skylar, die dankbar für die Ablenkung von ihren Gedanken war, lächelte ihm zu.
„Nicht ganz. Eine private Ausstellung. Schmuck, Keramik und ein paar Kunstwerke.“ Eine Serie von Aquarellen, die sie während einer Reise nach Griechenland gemalt hatte, wo sie Brittany besucht hatte. Eine Archäologin zur Freundin zu haben erweiterte den eigenen Horizont ungemein. Die Reise hatte sie zu ihrer Kollektion inspiriert. Ocean Blue.
„Wo kommen Sie her?“
„New York, und im Moment ist es dort ziemlich kalt.“ Sie unterhielt sich zwanglos, denn ihr gefiel es, wie freundlich die Taxifahrer in London waren.
„Ich hoffe, Sie haben Ihre Kreditkarte dabei. Dieser Stadtteil ist teuer. Was auch immer Sie kaufen, wird Sie eine schöne Summe kosten.“
„Es ist meine eigene.“ In die Aufregung mischte sich Stolz. „Meine Kollektion.“
Er warf ihr im Spiegel einen Blick zu. „Ich bin beeindruckt. Dass eine Arbeit hier öffentlich gezeigt wird, wäre für Künstler jeden Alters etwas Besonders, aber für jemanden, der so jung ist wie Sie – nun, Sie kommen offenbar mal groß raus. Ihre Familie muss stolz auf Sie sein.“
Ihre gute Laune schmolz dahin wie die Schneeflocke auf ihrer Handfläche.
Ihre Familie war nicht stolz auf sie.
Sie waren verärgert, dass sie mit ihrem „Hobby“ weitermachte.
Sie hatte sie eingeladen. Hatte ihnen eine hübsche Einladung in Prägedruck sowie einen Katalog geschickt.
Sie hatte keine Antwort bekommen.
Skylar wandte den Kopf und konzentrierte sich auf die verschneite Szenerie jenseits des Taxis. Sie würde sich dadurch nicht den Abend ruinieren lassen. Nichts würde diesen Abend ruinieren.
Der Taxifahrer sprach noch immer. „Dann fliegen Sie für die Feiertage zurück nach Hause? Weihnachten mit der Familie?“
„Das ist der Plan.“ Wenn auch nicht die Realität. „Weihnachten mit der Familie“ klang gemütlich und warm, wie aus einem Märchen. Es ließ Bilder von hübsch eingepackten Geschenken unter einem großen Baum aufsteigen, der mit glitzernden Lichtern und selbst gebastelten Dekorationen geschmückt war, während aufgeregte Kinder es kaum aushielten vor Erwartung.
Weihnachten bei ihren Eltern glich eher einer Belastungsprobe als einem Märchen, war eher kommerziell als gemütlich. Der „Baum“ würde eine künstlerische Anordnung nackter Zweige sein, die silbern angesprüht und mit winzigen Lichtern geschmückt wurden – Teil einer größeren Installation, die jedes Jahr vom Innenarchitekten ihrer Mutter geplant und umgesetzt wurde. Nüchtern, kühl und unter keinen Umständen anzufassen. Die „Geschenke“, die effektvoll in den Räumen verteilt wurden, würden leere Schachteln sein.
Jedes Kind, das unter ihrem Familienbaum etwas Magisches zu finden hoffte, würde enttäuscht sein.
Diese Geschenke waren ein Sinnbild für ihre Familie, dachte sie.
Alles musste glänzen und perfekt verpackt sein. Der äußere Schein war entscheidend.
Die Stirn gegen das kühle Fensterglas gelehnt, beobachtete sie einen Mann und eine Frau, die sich mit Tüten und zwei vor Begeisterung hüpfenden Kindern beladen durch den Schnee kämpften. Sie stellte sich vor, wie sie zu Hause ankamen und gemeinsam den Baum schmückten. Sie würden Briefe an den Weihnachtsmann schreiben, ihre Strümpfe aufhängen und die Nächte bis zum Weihnachtsmorgen zählen.
Die wichtigsten Dinge im Leben, dachte sie wehmütig, konnte man nicht einpacken.
Sie sah die Familie in eine Seitenstraße einbiegen. Unzufrieden mit sich selbst, wandte sie sich ab.
Sie war zu alt für Weihnachtsfantasien, und mit Richards Ankunft und ihrer Ausstellung hatte sie genug zu feiern.
Als ihr Handy klingelte, erwartete sie Richards Namen auf dem Display zu lesen, doch es war ihre Mutter, und in ihre Überraschung mischte sich Wärme.
Sie hatte daran gedacht.
„Mom? Ich freue mich so, dass du anrufst.“
„Ich sollte nicht anrufen müssen“, tönte die kühle, kultivierte Stimme ihrer Mutter aus dem Lautsprecher. „Aber dein Vater und ich müssen wissen, wann du zu Hause sein wirst.“
Die Kluft zwischen Hoffnung und Realität traf sie wie ein Peitschenhieb. „Du rufst wegen meines Terminplans an?“
„Stephanie schickte dir eine E-Mail. Du hast nicht geantwortet.“
Stephanie war die Assistentin ihrer Mutter, und Sky wusste, dass die E-Mail vermutlich ungelesen in ihrem Posteingang steckte – zusammen mit all den anderen, die sie ignoriert hatte, während sie bis spät in die Nacht gearbeitet hatte, um diese Woche fertig zu werden.
„Ich hatte viel zu tun, Mom. Heute ist meine Ausstellung, und …“
„Wir haben alle viel zu tun, Skylar, und mir wäre es lieber, meiner Tochter nicht wegen einer Antwort hinterherlaufen zu müssen. Zumal du die Einzige ohne Job bist.“
Sky dachte an die Liste ihrer Aufträge. Sie hatte genug Arbeit, um sie den größten Teil des Jahres auf Trab zu halten. „Ich habe einen Job.“
„Ich meine einen richtigen Job. Ich beschäftige mich mit dem Sitzplan für Weihnachten. Wir werden achtzig Personen zum Dinner sein. Beim Lunch sind wir unter uns – vierzig Personen. Wann wirst du kommen?“
Sky lehnte sich im Sitz zurück und wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
Vierzig? Unter uns?
So viel zum gemütlichen Familienweihnachten.
„Ich habe mich noch nicht entschieden.“
„Dann entscheide dich.“
Skylar stellte sich ihre Mutter vor, wie sie an ihrem eleganten Teakholz-Schreibtisch saß und die Punkte auf ihrer To-do-Liste abhakte.
Verträumte, ungeratene Tochter anrufen.
„Am Weihnachtsabend.“ Zum spätmöglichen Zeitpunkt. „Ich werde am Weihnachtsabend zu Hause sein, aber ich mache meine eigenen Pläne, sodass du mich von der Liste streichen kannst. Ich spreche mit Richard, und wir schauen, wie es bei ihm aussieht.“
„Richard hat mir seine Termine schon durchgegeben.“
Ohne sie mit ihr abzusprechen? „Er hat dir eine E-Mail geschickt? Ich dachte, wir würden zusammen fahren.“
„Du musst aufhören zu denken und stattdessen handeln, Skylar. Richards Karriere geht steil bergauf, und er hat dennoch die Zeit gefunden, mir persönlich zu antworten. Dein Vater ist beeindruckt, und wir wissen alle, dass er nicht leicht zu beeindrucken ist.“
Sky umklammerte das Handy fester.
Das wusste sie. Seit Jahren versuchte sie schon, ihren Vater zu beeindrucken, bislang ohne Erfolg.
Tief in ihrem Inneren stieg ein Gefühl auf.
In der dritten Klasse hatte sie ihm ein Bild gemalt. Sie hatte Tage voller harter, mühseliger Arbeit verbracht, um etwas zu schaffen, von dem sie dachte, dass es ihm gefallen würde. Sie war begeistert gewesen von dem Ergebnis.
Sieh mal, Daddy. Das habe ich für dein Büro gemalt.
Er hatte das Bild kaum angesehen, und am nächsten Tag hatte sie es im Mülleimer gefunden, unter leeren Dosen und Saftkartons.
Sie hatte nie wieder etwas für ihn gemalt.
Sie sah die Schneeflocken draußen tanzen und herumwirbeln und versuchte, sich nicht daran zu stören, dass Richard offenbar erfolgreich war, wo sie versagt hatte.
„Er ist klug“, sagte ihre Mutter. „Überzeugend. Charmant.“
Außer wenn er unter Druck steht. Dann war er unbeherrscht und alles andere als charmant. Doch diese Seite zeigte er weder den Wählern noch ihrer Familie.
Sie rutschte auf ihrem Sitz hin und her, weil sie sich schuldig fühlte, nicht verständnisvoller zu sein.
Dies war sein Traum, und sie wusste, wie es sich anfühlte, einen Traum zu haben.
Richard Everson hatte seit seiner Kindheit davon geträumt, einmal zu kandidieren. Die gelegentlichen Ausbrüche von Reizbarkeit konnte sie daher durchaus verstehen.
Ihre Mutter redete noch immer. „Du hast Glück, einen Mann wie ihn gefunden zu haben, aber du wirst ihn nicht halten, wenn du verträumt und romantisch bist. Beziehungen erfordern Einsatz und harte Arbeit.“
Und genau das, dachte Skylar, schien ihr die Ehe ihrer Eltern zu sein. Arbeit. Eher ein Firmenzusammenschluss als eine liebende Einheit.
Sollte Liebe tatsächlich so sein?
Sie hoffte nicht.
„Wann kommt er?“
„Am Weihnachtstag, rechtzeitig zum Lunch. Er wird sich wunderbar einfügen in diese Veranstaltung.“
Veranstaltung? „Es ist Weihnachten, Mom.“
„Ich dachte, du wärest dieser Weihnachtsromantik endlich entwachsen.“ Ihre Mutter klang unzufrieden. „Dein Vater hat lange über die Gästeliste nachgedacht. Es werden sehr einflussreiche Leute kommen. Leute, die Richards Karriere nützlich sein werden.“
Nicht Freunde oder Familie. Einflussreiche Leute.
„Irgendjemand, den ich kenne?“
„Die Liste war der E-Mail angehängt, die Stephanie verschickt hat. Ich hoffe, du nimmst dir Zeit, dich vorzubereiten.“
„Vorbereiten“ beinhaltete das Lesen und Merken seitenlanger Notizen zu jedem einzelnen Gast. Vorlieben, Abneigungen, Gesprächsthemen, die unter allen Umständen vermieden werden sollten.
Sogar an Weihnachten ging es nur ums Netzwerken.
Eine waghalsige Idee tauchte in ihr auf. Weihnachten in einem Cottage auf Puffin Island. Kaminfeuer, guter Wein und die Gesellschaft ihrer Freundinnen. Sie und Richard zusammen, ohne die Verpflichtungen der Außenwelt.
Eine Traumvorstellung.
Und zugleich Ketzerei, die niemals Wirklichkeit werden würde.
„Es tut mir leid, dass du nicht hier sein kannst, Mom.“
„Du hättest dir keine schlechtere Zeit aussuchen können. Du setzt Richard damit ziemlich unter Druck. Wie dein Vater schon sagte, als er mit ihm sprach: Von ihm zu erwarten, dass er jetzt nach London fliegt, ist unvernünftig.“
„Richard hat mit Dad gesprochen?“
„Er rief heute Vormittag an.“ Ihre Mutter hielt kurz inne. „Dass du diesen Mann gewählt hast, ist das Einzige in deinem Leben, das du richtig gemacht hast. Mach heute Abend keinen Fehler, Skylar.“
Einen Fehler machen wobei?
„Warte eine Minute – wovon sprichst du?“
„Ich habe genug gesagt. Der Rest liegt bei dir. Triff die richtigen Entscheidungen.“ Ihre Mutter legte auf, und Skylar saß einen Moment nur da und sah aus dem Fenster.
Triff die richtigen Entscheidungen.
Ihre Familie hatte nie verstanden, dass Kunst und der kreative Prozess, etwas Greifbares und Schönes zu gestalten, sei es ein Becher oder eine Kette, für sie keine Entscheidung waren. Beides war mehr ein Bedürfnis, vielleicht sogar eine Obsession. Es entsprang ihrem tiefsten Inneren. Sie hatte jede Menge Bilder vor ihrem inneren Auge, Unmengen von Ideen in ihrem Kopf. Überall fand sie Inspiration, an manchen Tagen war ihr benommen und schwindlig von all den Möglichkeiten.
Mit Entscheidung hatte das nichts zu tun.
Das, was sie tat, konnte sie ebenso wenig aufgeben wie das Atmen, doch ihre Familie, die das Leben analytisch betrachtete, hatte das nie verstanden. Ihre Wertschätzung von Kunst beschränkte sich auf ihre kulturelle Bedeutung oder ihren finanziellen Wert.
In ihrer Kindheit hatte sie sich an manchen Tagen gefragt, ob ihre Eltern das falsche Baby aus dem Krankenhaus mitgebracht hatten. Sie waren gute Menschen, doch Skylar fühlte sich, als wäre sie im falschen Haus aufgewachsen.
Wieder klingelte das Telefon. Dieses Mal waren es Brittany und Emily, ihre Freundinnen, die beide auf Puffin Island in Maine wohnten.
„Sag uns, was du angezogen hast.“ Brittanys Stimme brachte Skylar zum Lächeln.
Kein Zweifel, ohne ihre Freundinnen würde sie verrückt werden.
Freunde waren wie Sonnenlicht, sie brachten Wärme und Licht in die dunkelsten Ecken.
„Das silberne Kleid mit dem weißen Mantel. Völlig unpraktisch.“
„Keine Burger, kein Ketchup und, halt dich von Rotwein fern. Ich wette, du siehst aus wie die Schneekönigin. Wir wollten dir Glück wünschen, denn nach heute Abend wirst du zu berühmt sein, um mit uns zu sprechen. Freust du dich?“
Skylar versuchte das Gespräch mit ihrer Mutter zu vergessen. „Ich glaube schon.“
„Du glaubst?“ Dieses Mal sprach Emily. „Sky, das ist eine Riesensache. Du solltest stolz sein. Wir sind es.“
„Trink Champagner, mach Fotos, und wir feiern, wenn du zu Hause bist.“ Brittanys Stimme erklang aus dem Hintergrund. „Wir wünschten, wir könnten bei dir sein. Du solltest nicht allein sein.“
Skylar zögerte, weil sie nicht sicher war, ob sie es ihnen sagen sollte oder nicht. „Ich werde nicht allein sein. Richard kommt.“
Eine kurze Pause entstand, bevor Emily reagierte. „Das ist großartig.“ Ihre Stimme klang ein bisschen zu fröhlich. „Wir dachten, er würde es nicht schaffen.“
„Eine Entscheidung in letzter Minute.“
„Woher der Sinneswandel?“
Sky fragte sich, warum sie sich bei der Frage unbehaglich fühlte, obwohl sie sich das selbst schon gefragt hatte. „Er hat seinen Terminplan umgestellt. Ich schätze, das ist ein Zeichen, dass ich ihm wichtig bin.“
„Bestimmt. Nun, wir sind froh, dass er sich für dich engagiert.“ Wärme lag in Brittanys Stimme. „Dass er da ist, macht diesen besonderen Abend hoffentlich noch außergewöhnlicher.“
Mehr sagten sie nicht. Das mussten sie auch nicht.
Sie wusste, dass sie sich wegen ihrer Beziehung zu Richard sorgten.
Nachdem er nun seinen Senatorensitz hatte, würde sie ihn überzeugen müssen, mehr Zeit mit ihren Freunden zu verbringen. Sie war sicher, dass er sie ebenso lieben würde wie sie, wenn er sie erst einmal besser kannte.
„Ich muss los.“
„Ruf uns später an! Und wenn du Lily und Nik siehst, bestell ihnen liebe Grüße von mir.“
Lächelnd legte sie auf und lächelte noch immer, als sie aus dem Taxi stieg.
Die Galerie lag zwischen einer Antiquitätenhandlung und einer exklusiven Boutique. Im Fenster der Galerie stand als Blickfang eines ihrer Lieblingsstücke, eine Vase in Form einer griechischen Amphore, mit Vögeln auf leuchtend blauem Glas.
Tempest Designs.
Vielleicht hatte es als Hobby angefangen, doch inzwischen war es ein Geschäft. Sie hatte eine kleine, aber exklusive internationale Kundschaft, und dies war ihre erste Ausstellung in London. Ihren Lebensunterhalt mit etwas bestreiten zu können, das sie gerne tat, hatte den Traum Wirklichkeit werden lassen.
Doch warum hallten die Worte ihrer Mutter so laut in ihrem Kopf?
Du bist die Einzige ohne Job.
Sie bezahlte den Fahrer und sagte sich, dass Richard an sie glaubte. Er hatte sich entschieden, für das Wochenende herüberzufliegen, was eine höchst romantische Geste und zudem der Beweis dafür war, dass er ihre Berufswahl ernst nahm.
Es spielte keine Rolle, was ihre Eltern dachten.
Dies war ihr großer Abend, und nichts würde ihn verderben.
Als Alec Hunter das National Maritime Museum in Greenwich verließ, zog er die Schultern hoch, um sich gegen den beißenden Wind und den Schnee zu schützen. Er hatte einen Spätnachmittagsspaziergang am Fluss entlang machen wollen, doch sein Vortrag hatte länger gedauert als geplant, sodass es bereits Abend war.
Vor ihm schlängelte sich die Themse wie ein breites Band in Richtung der hellen Lichter der Stadt. Er schlug den Mantelkragen hoch, holte sein Handy aus der Tasche und ging flussaufwärts.
Er hatte vier Nachrichten.
Eine von der BBC zu einer Sitzung vom Anfang der Woche, auf der sein mögliches Mitwirken bei einer Dokumentation über die Antarktis diskutiert wurde, eine von seiner Mutter, die ihn bat, noch mehr Champagner zu besorgen, eine von seiner jüngeren Schwester, die ihm schrieb, er solle ihr besser ein großes Geschenk besorgen oder gar nicht erst nach Hause kommen.
Die brachte ihn zum Lächeln.
Er schrieb ihr zurück und erhielt einen Schwall von Emojis zur Antwort.
Die letzte Nachricht kam von seinen Freunden in den USA, die ihn daran erinnerten, dass heute Abend die Vernissage von Skylars Ausstellung stattfand.
Er konnte sie vor sich sehen, wie sie sich in Harbor House bei einer Flasche Wein versammelt hatten und lachten, während sie gemeinsam den Text verfassten.
Du musst dort sein, Alec. Ihr hinterhältiger Freund will auftauchen, und Skylar braucht Unterstützung von ihren Freunden.
Hinterhältiger Freund?
Verschiedenste Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Als Erstes fiel ihm ein, dass er selbst und Skylar kaum als Freunde bezeichnet werden konnten. An guten Tagen tolerierten sie einander wegen ihres gemeinsamen Freundeskreises, während es ihnen an schlechten kaum gelang, die Höflichkeit zu wahren. Dann kam ihm der Gedanke, dass Skylar in der Wahl ihrer Beziehungen kein besseres Händchen zu haben schien als er, und zuletzt überlegte er, ob Brittany irgendeine Ahnung hatte, wie weit Greenwich von Knightsbridge entfernt war.
Er sah auf die Uhr und überschlug, dass die Vernissage wohl vorbei sein würde, bis er es bei dem Verkehr quer durch die Stadt geschafft hatte. Aber wenn er sich nicht sehen ließ, würde es Ärger geben.
Brittany und Emily würden ihn umbringen, und Ryan würde ihm bestimmt den Freibier-Nachschub im Ocean Club verweigern.
Mit einem schwachen Lächeln schrieb er eine Zusage zurück und steckte das Handy wieder ein.
Er bezweifelte, dass Skylar erfreut war, ihn zu sehen, doch er hätte seine Pflicht getan und wäre mit Glück noch immer eingeladen, Weihnachten in Harbor House zu verbringen.
Skylar, das wusste er, würde zu ihrer Familie nach Long Island fahren.
Er ging vom Fluss Richtung Straße, wo er nach einem Taxi winkte.
Die Fahrt durch London würde eine Ewigkeit dauern, doch er würde hoffentlich eintreffen, bevor die Veranstaltung vorbei war.
Er würde ihr gratulieren, sie würde höflich lächeln, er würde gehen.
Pflicht getan.
In der Galerie herrschte geschäftiges Treiben.
„Die Resonanz ist großartig.“ Judy, die Eigentümerin der Galerie, nippte an ihrem zweiten Champagner. „Siehst du, wer dort drüben steht? Cristiano Ferrara. Ihm gehört eine Luxushotelkette. Sizilianer.“ Sie senkte die Stimme. „Sehr sexy.“
„Und sehr verheiratet. Er gab ein Schmuckstück für seine Frau Laurel in Auftrag. Sie ist schwanger.“ Und das, dachte Sky, war romantisch. Kein nüchternes Stück Papier, das einen zu Mann und Frau erklärte, sondern eine aufmerksame Geste der Liebe, die zeigte, wie sehr einem an dem anderen lag.
Solche Aufträge mochte sie am liebsten.
Ein Geschenk als Liebesbeweis.
Und es gab keinen Zweifel, wie sehr Cristiano seine schöne Frau liebte. Wenn Menschen an ihn herantraten, war er höflich, doch der heutige Abend sollte offensichtlich seiner Frau gehören, die im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit stand. Er sah Laurel an, als wäre sie Sonne, Mond und Sterne in einem.
Sky beobachtete sie wehmütig.
Sie wünschte sich das. Sie wünschte sich diese große Leidenschaft, doch am meisten wünschte sie sich jemanden, der sie für das Beste auf der Erde hielt.
Verwirrt blickte Sky hinüber zu Richard, der jedem im Raum seine Aufwartung machte.
Hatte er diese Gefühle für sie?
Und hatte sie diese Gefühle für ihn? Fühlte sie genug? War das alles? Ihr Kopf war voller Fragen, die sie nicht beantworten konnte.
Sie hatte immer geglaubt, das Gefühl sofort zu erkennen, wenn sie sich verliebte, doch vielleicht war es nicht so einfach.
Richard war als Letzter gekommen und hatte sich kaum die Zeit genommen, sie zu begrüßen, bevor er in der Menge verschwand. Jetzt sprach er mit Nik Zervakis, dem griechisch-amerikanischen Inhaber von ZervaCo, der mit seiner Verlobten Lily angereist war, einer Archäologenfreundin von Brittany, die Sky zu einigen Ideen für ihre neue Kollektion inspiriert hatte.
„Nik hat mir freie Hand gegeben, alles zu kaufen, was ich mag“, gestand Lily. „Bislang habe ich diese wunderschönen Seestern-Ohrringe erstanden und diese Kanne in der Ecke. Sie ähnelt der, die er schon bei sich zu Hause in Griechenland hat.“
„Das auch dein Zuhause ist.“
„Ja, mein Zuhause! Unglaublich, nicht wahr? Ich will mich noch immer jeden Tag kneifen.“
„Wann wusstest du es?“ Skys Mund war trocken. „Wann wusstest du, dass er der Richtige ist? Dass es wirklich Liebe ist?“
„Das ist eine schwierige Frage …“ Lily überlegte, während sie zu Nik hinsah. „Ich kann es nicht beschreiben. Aber manchmal fühlt es sich an, als ob mein Herz zu groß wäre für meine Brust.“ Sie lächelte leicht und ging hinüber zu der Kanne. „Die gefällt mir wirklich sehr.“
„Ich sollte sie dir so geben, umsonst. Ohne deine Hilfe wäre nichts von allem hier entstanden. Du bist die Expertin in griechischer Keramik.“
„Nicht mehr. Ich werde jetzt eine Unternehmergattin. Meine Entscheidung.“ Lily sah wieder zu Nik hinüber, ihre Augen leuchteten wie die Lichter an einem Weihnachtsbaum. „Grüß Brittany herzlich von mir, wenn du sie siehst. Verbringst du die Feiertage auf Puffin Island?“
„Nein. Ich bin Weihnachten bei meiner Familie.“
Bei ihrer Familie und hundertundzwanzig Fremden.
Einflussreichen Menschen.
Sie versuchte nicht daran zu denken und umarmte Lily. Dann ging sie durch den Raum, nahm ein paar Komplimente entgegen und beantwortete Fragen zu ihrer Arbeit.
Ihr fiel auf, dass Richard der einzige Mensch war, der ihr noch nicht gratuliert hatte.
Sogar nachdem die zwei wohlhabendsten Personen im Raum wegen einer anderen Veranstaltung gegangen waren, machte er mit dem Netzwerken weiter, arbeitete sich Hände schüttelnd und Schulter klopfend durch die Menge.
Eben fragte sie sich schon, warum er überhaupt gekommen war, als sie bemerkte, wie er mit der Galeriebesitzerin sprach und sich offenbar vorbereitete, eine Rede zu halten.
Ihr Herz sank. Wollte er ihr öffentlich gratulieren?
Sie hätte etwas Intimeres vorgezogen, ein paar persönliche Worte, die zeigten, wie stolz er auf sie war, doch sie wusste, wie Richard solche Dinge anging. Er setzte immer alles daran, möglichst viel Publikum zu erreichen. Warum eine Person bezaubern, wenn man zehn bezaubern konnte?
Er hob eine Hand, um die Gespräche zum Erliegen zu bringen. „Ich möchte Ihnen allen danken, dass Sie heute hier sind.“ Er setzte sein einnehmendstes Lächeln auf, das Lächeln, das ihn erst vor ein paar Wochen den ganzen Weg bis zum Capitol Hill gebracht hatte. „Wir sind alle sehr beschäftigte Menschen, aber wie Sie durfte ich Skylars kleine Party nicht versäumen. Ich möchte mich bei Ihnen in ihrem Namen bedanken.“
Es gab ein paar „Ahhhs“, aber Skylar runzelte die Stirn.
Kleine Party?
Er gab ihr das Gefühl, als wäre sie wieder im Kindergarten. Und sie brauchte ihn nicht, um den Leuten in ihrem Namen zu danken. Sie hatte sich bereits bei ihnen bedankt, was er gewusst hätte, wenn er früher gekommen wäre. Er hatte dem Verkehr die Schuld gegeben, und sie hatte sich kleinlich gefühlt, weil sie dachte, er hätte mehr Zeit einplanen sollen.
Ein Schwall kalter Luft drang herein, als die Tür der Galerie geöffnete wurde. Sie drehte sich um, ob sie den späten Gast kannte.
Sie erblickte schwarzes Haar, einen langen schwarzen Mantel und breite Schultern, auf denen Schnee lag.
Mehrere Frauen blickten zu dem attraktiven Fremden, und als er sich umdrehte, sah Skylar, dass es kein Fremder war.
Alec Hunter.
Ein Freund von Brittany, der Marinehistoriker. Sein Fachwissen und sein Charisma auf dem Bildschirm hatten ihm zu einer lukrativen Karriere verholfen, die Wissenschaft und Medien kombinierte. Man nannte ihn den Schiffswrackjäger und sagte ihm nach, wie kein anderer in der Lage zu sein, Geschichte wieder sexy zu machen. Dank seiner abenteuerlichen Heldentaten vor der Kamera hatte er scharenweise weibliche Fans.
Skylar zählte sich nicht dazu.
Was tat er hier?
Sicher liefen sie sich gelegentlich über den Weg, doch Tatsache war, dass sie einander nur um ihrer gemeinsamen Freunde willen tolerierten. Er machte keinen Hehl daraus, dass er sie für hübsch und einfältig hielt. Wie hatte er sie im Sommer genannt? Eine Feenprinzessin.
Wenn sie ein Hund wäre, hätte sie tief in der Kehle geknurrt.
Sie sagte sich, dass es ihr egal sein konnte, was er dachte, und sah fort.
Es war eine Sache, wenn sie um des Familienfriedens willen versuchte, ihren Eltern zu gefallen. Doch sie wollte verdammt sein, wenn sie sich verbog, um die Anerkennung eines verhärteten Zynikers wie Alec zu gewinnen.
Sie wusste, dass er das Opfer einer bitteren Scheidung war, was sie nicht überraschte. Vielmehr wunderte es sie, dass ihn überhaupt jemand geheiratet hatte.
Auf keinen Fall war er freiwillig zu ihrer Ausstellung gekommen, was bedeutete, dass Brittany ihm gedroht oder ihn bestochen hatte.
Sie schwor sich insgeheim, ihre Freundin umzubringen, und begriff dann, dass Richard nun direkt sie ansprach.
„Skylar …“ Seine Stimme hallte durch den Raum. „Komm her zu mir, Liebling. Da gibt es etwas, das ich dir sagen möchte.“
Liebling? Liebling?
Wann nannte er sie je Liebling?
Weil sie keine Szene in der Öffentlichkeit machen wollte, trat Skylar vor.
Aus den Augenwinkeln sah sie Alec, dessen Ruhe ihn von dem Rest der Menge abhob. Er hatte etwas Unnahbares und Unzugängliches an sich. Sie wusste, dass sich hinter diesen perfekten maskulinen Gesichtszügen ein scharfer Verstand und eine ebenso scharfe und sarkastische Zunge verbargen. Die meisten Frauen fanden ihn unglaublich attraktiv. Sie fand ihn überheblich und herablassend.
Verschwinde, dachte sie. Geh nach Hause. Ich will nicht, dass du meinen Abend mit deiner finsteren Miene verdirbst.
Aber er verschwand nicht. Stattdessen beobachtete er sie mit diesem intensiven, konzentrierten Blick, der ihr das Gefühl gab, ihr Kleid wäre zu eng.
Ihre Haut prickelte unter einem heißen Schauer.
Sie nickte ihm kurz zu und vergaß ihn dann, weil Richard ihre Hand nahm.
Sie erinnerte sich an Lilys Worte und sah Richard in die Augen, um zu prüfen, ob sich ihr Herz zu groß für ihre Brust anfühlte.
Das tat es nicht.
Sie konnte nur sagen, dass es sich verhielt wie immer. Normaler Rhythmus. Normale Größe.
Richard lächelte. „Vor ein paar Wochen habe ich ein Lebensziel erreicht. Dieser Erfolg bedeutete mir umso mehr, weil du an meiner Seite warst.“
Skylar vergaß ihr Herz und blinzelte verwirrt.
Das hier war ihr besonderer Abend, und er sprach über sich selbst?
„Richard …“
„Ich gab mir selbst das Versprechen, mich auf mein Privatleben zu konzentrieren, wenn ich einen bestimmten Punkt in meiner Karriere erreicht habe. Dieser Moment ist gekommen. Da ist etwas, das ich dir sagen möchte, und es gibt keinen besseren Zeitpunkt als hier jetzt vor unseren Freunden.“
Ihre einzigen Freunde hier waren Lily und Nik, und die waren schon gegangen.
Der Rest waren Bekannte, betuchte Kunden und die Presse.
Und Alec.
Es störte sie, dass er hier war.
Die Höflichkeit gebot es, mit ihm zu sprechen, doch was sollte sie sagen?
Geh nach Hause, und ruinier mir nicht alles.
Kein Wunder, dass du geschieden bist …
Alles, was ihr in den Sinn kam, war nicht akzeptabel, aber sie wusste, dass sie ihm für sein Erscheinen danken würde, wenn der Moment kam. Sie würde ihm ein Glas Champagner anbieten und sich höflich mit ihm über ihre Freunde unterhalten.
Total gekünstelt.
Sie würde nicht darauf zu sprechen kommen, dass er ganz offensichtlich nur gezwungenermaßen hier war, und zweifellos würde er es ebenfalls nicht erwähnen. An der Oberfläche würden sie sich zivilisiert verhalten, auch wenn keiner von ihnen sich in der Gesellschaft des anderen auch nur ansatzweise zivilisiert fühlte. Sie konnte den Schein wahren. Immerhin hatte sie von Experten gelernt. Sie konnte sich stundenlang über Nichtigkeiten unterhalten.
Richard zog ihre Hand an seine Lippen. „Ich habe auf den richtigen Moment gewartet, dich zu fragen.“
Sky versuchte, Alec zu vergessen, und zwang sich zur Konzentration. „Mich was zu fragen?“
„Ich möchte, dass du mich heiratest.“ Er hatte ein Stimmtraining absolviert und gelernt, öffentlich Reden zu halten. All das zeigte sich in der Art, wie er jetzt den Raum mit einbezog. „Ich möchte dich für den Rest meines Lebens an meiner Seite haben. Von nun an werden wir unsere Ziele gemeinsam verfolgen.“
Sky starrte ihn an und fragte sich, ob sie sich verhört hatte.
Sie öffnete den Mund. Kein Laut kam heraus.
„Du bist überrascht.“ Er war zuversichtlich. Sich seiner selbst sicher. Ein Mann, der vom Licht des eigenen Aufstiegs geblendet war. Er war ein Einzelkind, das Zentrum des Ehrgeizes seiner Eltern. Anders als sie hatte er ihre Erwartungen übertroffen. „Ich habe keinen Ring gekauft. Ich dachte, du könntest dir selbst einen machen und mir Rabatt gewähren.“ Er wandte sich bei dem Witz an die Menge und erntete ein paar zustimmende Lacher.
Skylar lachte nicht. Und ihr war auch nicht nach Zustimmung.
Heirat?
Sie dachte an die Gespräche, die sie im letzten Jahr geführt hatten. Vertrauliche Gespräche, in denen sie ihre Träume enthüllt hatte.
Hatte er kein Wort von dem gehört, was sie gesagt hatte?
Offenbar nicht, sonst wüsste er, dass sie kein Interesse an einer Ehe hatte.
Liebe? Nun, das war etwas anderes. Sie wollte Liebe. Was sie nicht wollte, war ein extravaganter öffentlicher Antrag. Er schenkte ihren Gästen mehr Beachtung als ihr, weshalb sie am liebsten winken und rufen würde: Hallo, hier bin ich!
Hinter Richards Schulter erblickte sie Alec Hunter und stellte fest, dass er ebenfalls nicht lachte. Er stand noch am gleichen Ort, der Kragen seines schwarzen Mantels streifte sein Kinn mit dem dunklen Bartschatten. Wenn sie ein Bild von ihm malen müsste, würde sie ihn als Vampir oder Gespenst zeichnen, dachte sie. Ein Geschöpf der Nacht. Auch bewegungslos und still war er sehr präsent, eine Eigenschaft, die zweifellos zu seinem Erfolg als TV-Moderator und zu seiner großen weiblichen Fangemeinde beigetragen hatte.
Hatte er seiner Exfrau einen Antrag in der Öffentlichkeit gemacht?
Nein, denn trotz seiner Bekanntheit war er ein sehr verschlossener Mensch.
„Skylar?“ Richards Lächeln wirkte ein wenig angespannt. „Wir alle warten auf eine Antwort.“
Alle? Sie fragte sich, zu welchem Zeitpunkt der Antrag eine Gemeinschaftssache geworden war.
Ihre ehrliche Antwort wäre: Du machst wohl Witze. Doch das wollte sie am nächsten Tag nicht in den Berichten zu ihrer Ausstellung lesen.
Voller Dankbarkeit für die jahrelange Übung, jederzeit ein falsches Lächeln parat zu haben, setzte sie ein solches auf.
„Was für eine Überraschung.“ Weiterhin lächelnd wandte sie sich ihren Gästen zu. „Ich hoffe, Sie entschuldigen uns. Richard und ich brauchen ein wenig Zeit zu zweit.“ Sie drehte sich um und ging durch die Galerie zu einer Abstellkammer neben einem Büro.
Ihre Absätze klapperten auf dem Holzboden. Ihre Knie zitterten.
Sie hoffte, dass er ihr folgte, denn das, was gesagt werden musste, wollte sie nicht vor Publikum sagen.
Mit einem Klicken schloss er die Tür hinter sich. „Sky? Was, zum Teufel, tust du?“
„Nein, Richard, die Frage lautet: Was tust du?“
„Ich habe dir einen Antrag gemacht. Du musstest nur Ja sagen, und dann hättest du viel Medienaufmerksamkeit für deine kleine Party gehabt. Stattdessen musst du ein Drama daraus machen.“ Er sah sie entnervt an. „Bei dir ist immer alles ein Drama.“
„Ich …“ Sie war sprachlos. „Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll.“
„Das Wort, das du suchst, ist Ja, aber du hast deinen Einsatz verpasst.“ Er sprach mit zusammengebissenen Zähnen und atmete tief durch, bevor er jenes Lächeln aufsetzte, das sie einst auf ihn aufmerksam gemacht hatte. „Du warst überrumpelt. Das hier ist ein großer Abend für dich, das verstehe ich.“
Sie entspannte sich ein bisschen. Ermahnte sich, dass sie schon lange zusammen waren und dass niemand perfekt sein konnte. „Gut, denn einen Augenblick dachte ich, das tust du nicht.“
Sein Handy klingelte. „Entschuldige eine Sekunde, das könnte wichtig sein.“
Die Arme um die Taille geschlungen stand sie da und fragte sich, was wichtiger sein konnte, als über ihre gemeinsame Zukunft zu sprechen.
Sie blickte umher, um sich abzulenken, und ruhig zu bleiben. Der Raum war eine Schatzkammer kreativer Machenschaften. An den Wänden lehnten Gemälde, auf einem Regal standen einige Bronzefiguren, und neben einem mit Schachteln beladenen Tisch lehnte ein zusammengerollter Teppich.
Nicht gerade ein romantischer Ort.
Richard prüfte die Nummer und lehnte den Anruf ab. „Das kann warten.“ Er steckte das Handy zurück in die Tasche und sah sie fragend an. „Wo waren wir?“
„Du hast nachgeschaut, ob dein Anruf wichtiger ist als ein Gespräch über unsere Zukunft“, sagte sie ausdruckslos. „Und du sagtest, du verstündest, dass der heutige Abend ein großer Moment in meinem Leben ist.“
„Natürlich verstehe ich das. Ein Heiratsantrag ist im Leben jeder Frau ein großer Moment.“
In ihren Ohren schien es zu klingeln. „Wie bitte? Das hier soll ein großer Moment sein?“
„Sich zu verloben ist eine große Sache.“
„Wir sind nicht verlobt, Richard.“
„Wir werden es sein, wenn du meine Frage beantwortet hast.“ Er schenkte ihr sein gewinnendstes Lächeln, doch sie fühlte nichts außer Frustration.
Er hörte ihr nicht zu.
Offenbar hatte er ihr nie zugehört. Auf dem Weg zu seinen eigenen Zielen hatte er sie wie eine Dampfwalze überrollt.
Er verfolgte einen Fünfjahresplan, und sie war offenbar ein Teil davon.
„Ich erinnere mich an keine Frage. Du sagtest: ‚Ich möchte, dass du mich heiratest.‘ Genauso wie ein Kind sagt: ‚Ich möchte ein Bonbon.‘“ Weil sie zu angespannt war, um stillzustehen, ging sie wenige Schritte im Raum umher. „Was meinst du, wie viel Zeit wir im letzten Jahr gemeinsam verbracht haben?“
„Es war ein verrücktes Jahr, das bestreite ich gar nicht. Selbstverständlich hätten wir mehr Zeit füreinander gehabt, wenn du nicht darauf bestanden hättest, sie in deinem Atelier und auf dieser Insel zu verbringen.“
„Ich dachte, ich hätte klargestellt, dass eine Hochzeit nicht auf meiner Wunschliste steht. Hast du mich nicht gehört?“
„Ich habe dich gehört, aber wir wissen beide, dass du das nicht so gemeint hast. Warum solltest du nicht heiraten wollen?“ Leichte Ungeduld schwang in seiner Stimme mit. „Deine Eltern sind seit fünfunddreißig Jahren verheiratet und haben nie ein böses Wort gewechselt.“
Und auch nie ein liebevolles.
Nie, nicht ein einziges Mal, hatte sie erlebt, dass ihre Eltern Zuneigung füreinander zeigten.
Sie hielten sich nicht an den Händen.
Sie küssten sich nicht.
Es gab keine bedeutungsvollen Blicke, keinen Hinweis auf eine innere Verbundenheit.
Sie wollte so viel mehr.
„Was tust du hier? Ich meine, was tust du wirklich hier?“
Aus seinem Lächeln verschwand die Wärme. „Ich bin gekommen, um dich zu unterstützen, doch in Anbetracht deiner Laune frage ich mich allmählich, warum ich das überhaupt getan habe. Ich muss mich immer noch im Capitol Hill zurechtfinden. Hier herzukommen war so ziemlich das Letzte, was ich gerade brauchte.“
„Vielen Dank auch.“
„Ich meinte nicht …“ Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken. „Du bist entschlossen, alles, was ich sage, misszuverstehen.“
„Vielleicht weil ich es nicht verstehe. Du sagtest mir, du würdest heute Abend nicht kommen, was hat sich also verändert?“ Als er nicht antwortete, gab sie die Antwort für ihn. „Du hast die Gästeliste gesehen und gedacht, es könnten Leute hier sein, die dir nützlich sind. Sei ehrlich. Heute Abend ging es nie um mich.“ Doch das hatte sie sich gewünscht. Und ihr kreativer Geist hatte die Fakten in ein Szenario umgedeutet, mit dem sie leben konnte.
Ihre Mutter hatte recht.
Sie war eine dumme Träumerin.
Richard blickte sie trotzig an. „Ich stehe dazu, dass Netzwerke wichtig für mich sind. Du willst Ehrlichkeit? Dann sollst du sie haben. Dieses Hobby von dir ist ja nett, aber du verschwendest dein Leben. Du malst Bilder und fertigst Schmuck an, und das würde keine Rolle spielen, wenn du nicht so klug wärst und es nicht so viele andere nützliche Dinge gäbe, die du tun könntest. Dinge, dich mich stolz machen würden.“
Sie fühlte sich benommen. „Du bist nicht stolz auf mich?“
„Du rettest hier nicht die Welt, Sky. Selbst du kannst nicht so tun, als ob das, was du tust, wichtig sei.“ Mit ein paar Worten hatte er abgewertet, was sie tat, ihre Träume in den Müll geworfen, wie ihr Vater es vor all den Jahren mit ihrem Bild getan hatte.
Sie fühlte sich, als wäre sie aus einem tiefen Schlaf erwacht.
„Die letzte Kette, die ich hergestellt habe, war aus einer Brosche gefertigt, die meine Kundin von ihrer Großmutter geerbt hatte. Sie lag seit einem Jahrzehnt in der Schublade, und sie wollte daraus etwas Modernes schaffen lassen, das sie tragen konnte. Etwas Bleibendes in ihrem Leben, das sie an jemanden erinnerte, den sie sehr geliebt hatte. Für sie war es wichtig. Gefühle sind wichtig.“ Doch sie wusste, dass er das nicht verstand.
Für ihn waren Geld, Macht und Einfluss die wichtigen Dinge.
Er war wie ihre Eltern. Weshalb sie sich auch so gut mit ihm verstanden.
Richard machte eine versöhnliche Geste. „Das ist ein zweckloses Gespräch. Wir müssen vorankommen.“
„Meine Arbeit ist nicht zwecklos, und mit vorankommen meinst du vermutlich, dass deine Ambitionen den Vorrang vor meinen haben.“
Er runzelte die Stirn. „Nein, aber du kannst nicht bestreiten, dass ich vielen Menschen diene.“
„Tust du das? Oder dienst du nur dir selbst? Denn manchmal, Richard, frage ich mich, ob es bei deiner Karriere nicht eher um deinen Ehrgeiz geht als um den selbstlosen Wunsch, dein Leben in den Dienst der Bürger zu stellen.“
Sein Gesicht verhärtete sich. „Du willst über Egoismus reden? Was glaubst du, was du mit deinem Leben deinen Eltern antust? Es ist an der Zeit, dass du aufhörst, nur an dich zu denken, und sie stolz machst.“
„Seit wann haben meine Eltern irgendetwas mit unserer Beziehung zu tun?“ Ihr kam ein verstörender Gedanke. „Warum hast du meinen Vater angerufen?“
„Ich sagte ihm, dass ich dich bitten würde, mich zu heiraten. Er und deine Mutter waren begeistert, und sie freuen sich auf die Feier, wenn wir sie Weihnachten besuchen.“
Ging es bei alldem tatsächlich um ihre Eltern?
Sie wünschte sich verzweifelt, dass dem nicht so war, und trat einen Schritt vor. „Was, wenn ich sage, dass ich Weihnachten dieses Jahr nicht bei meinen Eltern verbringen will? Wir könnten Weihnachten selbst gestalten, nur wir beide. Wir mieten uns ein kleines Cottage auf Puffin Island, spielen und reden. Kaminfeuer, ein richtiger Weihnachtsbaum aus dem Wald, Spaziergänge im Schnee, Sex im Warmen.“ Sie sagte es, um ihn zu testen, doch je mehr sie es sich vorstellte, desto mehr wünschte sie es sich. „Lass uns das tun, Richard. Vergiss Heiratsanträge, all die Pläne und Karrieren – lass es einmal nur uns beide und unsere Freunde sein. Wir vereinbaren, nicht über die Arbeit zu reden. Emily und Ryan laden Weihnachten zu sich nach Harbor House ein, wo sie für die kleine Lizzy ein besonderes Fest gestalten wollen. Zach und Brittany werden auch dort sein, und ich fände es schön, wenn wir mehr Zeit mit ihnen verbringen. Es wird perfekt werden.“
„Perfekt?“ Er wirkte entsetzt. „Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen als Weihnachten auf Puffin Island. Was willst du damit bezwecken? Deine Eltern haben Leute eingeladen, die nützlich sind.“
„Der Zweck besteht darin, dass Weihnachten ist, Richard. Das ist keine Geschäftsgelegenheit oder ein Vorwand zum Netzwerken, sondern es ist Weihnachten.“ Wie hatte sie nur so verblendet sein können? Sie waren seit über einem Jahr zusammen. Sie hatte geglaubt, sie hätten eine Zukunft. „Wenn nicht Puffin Island, wie wäre es dann mit Europa? Wir sprachen immer davon, nach Paris oder Florenz zu reisen. Lass es uns tun!“
„Jetzt ist keine gute Zeit.“
„Es ist nie eine gute Zeit.“ In einem Augenblick schmerzhafter Klarheit erkannte sie, dass sie sich tatsächlich etwas vorgemacht hatte. Wenn sie den schönen Schleier ihrer Vorstellungskraft beiseiteschob, stand die nüchterne Wahrheit vor ihr. „Als wir uns kennenlernten, konnte ich es nicht glauben, wie viel wir gemeinsam haben. An diesem ersten Abend – wir blieben bis morgens um vier auf und planten eine Reise nach Florenz. Erinnerst du dich?“
Er verlagerte unbehaglich sein Gewicht. „Sky …“
„Es schien fast zu schön, um wahr zu sein, jemanden zu treffen, der genau dieselben Träume hatte. Es gab so viele Dinge, die wir tun wollten, und wir haben nichts davon getan. Es schien zu schön, um wahr zu sein, weil es eben genau das war.“ Sie schluckte, denn es fiel ihr schwer, der Wahrheit ins Auge zu sehen, weil die Wahrheit sie als Närrin dastehen ließ. „Meine Eltern haben dir von mir erzählt, nicht wahr? Du hast dich über meine Interessen erkundigt, damit du wusstest, wie du meine Aufmerksamkeit gewinnst.“
„Es ist nichts falsch daran, jemanden kennenlernen zu wollen.“
„Es ist aber falsch“, sagte sie langsam, „dass es nicht aufrichtig war. Liebe ist kein Geschäft, Richard, es ist ein Gefühl. Dabei geht es nicht um Bequemlichkeit oder Ehrgeiz, es geht um Gefühle. Aufrichtige Gefühle und nicht diese künstlichen, die andere manipulieren sollen.“
„Da tust du es schon wieder. Du erwartest ein Märchen, und wenn die Realität kommt, bist du enttäuscht. Mit deiner Haltung zu Weihnachten ist es genauso. Du hast Weihnachten immer romantisiert, und dabei ist es nur ein Tag.“
Das waren fast die gleichen Worte, die ihre Mutter benutzt hatte, und sie wusste, dass das kein Zufall war.
Der Gedanke, dass sie über sie gesprochen hatten, war furchtbar.
Fast so furchtbar wie die Erkenntnis, welchen Fehler sie gemacht hatte.
Sie fühlte sich gedemütigt und verraten, dumm und beschämt, doch zumindest hatte sie ihre Antwort.
Sie war nicht Sonne, Mond und Sterne für ihn. Sie war nicht einmal ein kosmisches Staubkorn unter seinem Schuh.
„Vielleicht ist es nur ein Tag, aber er ist wichtig, und dieses Jahr möchte ich ihn mit meinen Freunden verbringen.“
„Exakt das sind sie: deine Freunde. Sie haben keinen Nutzen für mich.“
„Freunde sollen auch nicht von Nutzen sein.“ Sie bemerkte, wie ihre Stimme lauter wurde, und versuchte sie zu kontrollieren. „Darum geht es nicht bei Freundschaft. Es geht um das Geben, nicht um das Nehmen.“
„Was können sie dir schon geben? Deine Lage ist völlig anders als ihre. Du hast Familie, sie nicht. Emilys Mutter war Alkoholikerin, während Brittanys keine Ahnung von verantwortungsvollem Verhalten hatte, und von Zachary Flynn will ich gar nicht erst anfangen. Ich möchte nicht meinen guten Ruf riskieren, weil ich mit ihm gesehen werde. Hast du eine Ahnung, was die Presse aus dieser Geschichte machen könnte?“
Es war, als würde sie einem Fremden gegenüberstehen, und sie begriff, dass er ihr bis jetzt immer nur die Seite von sich gezeigt hatte, die sie sehen sollte. Selbst mit ihr zusammen achtete er auf sein Image. Die Kontrolle war ihm nur die paar Male entglitten, wenn er in Zorn geraten war.
„Wenn du mich zwingst, mich zwischen dir und meinen Freunden zu entscheiden, habe ich keine Wahl.“
Er entspannte sich etwas. „Gut zu wissen. Offenbar würdest du mich wählen.“
„Nein! Ich würde sie wählen. Ich liebe meine Freunde.“ Und sie war entsetzt von seinen Worten. Entsetzt, tief verletzt und wütend auf sich selbst, dass sie so verblendet gewesen war. „Und ein Freund würde niemals tun, was du gerade getan hast.“
Sie wusste, dass es kein Zurück gab. Keine Versöhnung.
„Ich weiß, dass du deine Freunde liebst, und Liebe macht blind. Es ist ihnen zu verdanken, dass du den Blick für das Wichtige im Leben verloren hast. Wir fahren Weihnachten zu deinen Eltern. Sie wollen das Beste für dich. Genau wie ich.“
Sie fühlte sich taub. Wie losgelöst.
Wie hatte sie nur glauben können, dass dies vielleicht Liebe war? „Ich werde entscheiden, was das Beste für mich ist.“
„Das ist die Theorie, aber du triffst immer die falschen Entscheidungen.“
Zorn stieg in ihr auf. „Danke, dass du es mir so einfach machst, die Frage zu verneinen, die du mir gar nicht gestellt hast.“
„Herrje, um …“ Er verkniff sich ein weiteres Wort und atmete tief durch. „Skylar Tempest, willst du mich heiraten?“
„Noch einmal, nein!“ Ihre Stimme klang merkwürdig ausdruckslos. „Und ich kann nicht glauben, dass du nach diesem Gespräch noch fragst. Du wolltest, dass ich mich entscheide. Ich habe mich entschieden. Und jetzt verschwinde.“
Er fluchte unterdrückt. „Mein Flug geht morgen Früh, und ich muss Montag wieder in Washington sein. Ich habe keine Zeit, Spielchen zu spielen. Ich möchte die nächsten Stunden mit Feiern verbringen, nicht mit Streiten. Ich möchte nur zwei Worte hören, das ist alles. Ja, Richard.“
„Ich spiele keine Spielchen. Wir beide wollen nicht das Gleiche. Offenbar wollten wir das nie, aber das begreife ich erst jetzt. Und selbst wenn wir auch nur irgendetwas gemeinsam hätten, kann ich nicht mit jemandem zusammen sein, der sich so abfällig über meine Freunde äußert. Sie sind mir zu wichtig. Es ist vorbei, Richard.“
Ihren Worten folgte eine angespannte Stille.
Sie sah die Veränderung in ihm, und ihr Herz schlug bis zum Hals. Sie war lange genug mit ihm zusammen gewesen, um mit jeder seiner Stimmungsänderungen vertraut zu sein. Es war, als würde man zusehen, wie der Himmel über Puffin Island immer dunkler wurde und einen nahenden Sturm ankündigte.
Sein Jähzorn war das, was sie am wenigsten an ihm gemocht hatte.
„Ich mache dir in der Öffentlichkeit einen Heiratsantrag, und du machst als Antwort Schluss mit mir? So läuft das nicht.“ Seine Stimme klang erstickt. „Du wirst mich nicht demütigen. Wenn wir hier rausgehen, tun wir das zusammen, und du wirst lächeln. Dieses Mal wirst du die richtige Entscheidung treffen.“
„Wenn du mich wirklich kennen würdest, wüsstest du, dass ein Heiratsantrag in der Öffentlichkeit das Letzte ist, was ich mir gewünscht habe. Ich glaube nicht an Märchen, Richard, aber ich glaube, dass zwei Menschen zusammen sein sollten, weil sie sich lieben und nicht weil es ihren Karrierezielen nutzt oder zu ihrem Fünfjahresplan gehört.“ Sie sah, dass er einen Schritt vortrat, doch sie wollte sich nicht einschüchtern lassen und wich nicht von der Stelle. „Du solltest jetzt gehen. Wenn du dir Sorgen machst, gesehen zu werden, kannst du den Hinterausgang benutzen.“
„Ich bin praktisch ein Mitglied deiner Familie.“ Seine Stimme war ein hässliches Knurren. „Dein Vater liebt mich.“
„Dann heirate meinen Vater und werde hoffentlich glücklich.“ Sie blieb ruhig, um die Situation, die zu eskalieren drohte, im Griff zu behalten, doch es war zu spät, und sie erkannte den Moment, als seine Wut außer Kontrolle geriet.
In der Vergangenheit war sie mit solch gefährlichen Momenten sehr vorsichtig umgegangen, damit es niemals zum Ausbruch kam. Sie hatte besänftigt, beschwichtigt und war gelegentlich rausgegangen, um Distanz zu schaffen.
Doch nun war es zu spät für diese Möglichkeiten.
Die Bombe stand kurz vor der Explosion.
Seine Schultern waren hochgezogen. Seine Gesichtszüge verzerrten sich zu einer Fratze, und für den Bruchteil einer Sekunde fragte sie sich, wie sie ihn jemals hatte attraktiv finden können. An der Oberfläche war er wie ein perfekt eingewickeltes Geschenk, doch dahinter …
„Richard, du musst dich zusammenreißen.“ Ihre Stimme war scharf. „Atme durch.“
„Du bist ein verdorbenes Miststück.“
Sie zuckte zusammen, als ob er sie geschlagen hätte, und erkannte dann in einem Moment voller Ungläubigkeit, dass er sie tatsächlich gleich schlagen würde.
Er hob die Hand, worauf sie instinktiv zur Seite trat, um dem Schlag auszuweichen. Ihr Absatz verfing sich an einem Karton, und sie fiel mit voller Wucht zur Seite, wobei sie sich den Kopf an einer Ecke des Tisches anschlug.
Schmerz explodierte in ihrem Schädel. Ihr wurde schwarz vor Augen, und in ihrem Kopf ertönte ein entferntes Summen. Etwas Warmes, Feuchtes rann ihr über das Gesicht, und sie öffnete benommen die Augen.
Er stand mit erhobenen Händen über ihr, offenbar um die Vorwürfe abzuwehren, die er von ihr erwartete. „Ich habe dich nicht angerührt.“ Ein Hauch von Panik lag in seiner Stimme. „Ich habe dich nicht angerührt.“
Er machte keinerlei Anstalten, ihr zu helfen.
Zeigte keinerlei Sorge um ihr Wohlbefinden, nur um sein eigenes.
Ein tiefes Gefühl von Verrat erfasste sie.
„Verschwinde, oder ich schwöre, dass ich mehr als deine Karriere zerstöre.“ Ihre Stimme klang fremd und entfernt. Die Welt um sie herum schien an den äußeren Enden zu verschwimmen.
Oh Gott, sie wurde ohnmächtig. Gerade jetzt, wo sie stark sein und ihn hinauswerfen musste, wurde sie ohnmächtig.
„Es war ein Unfall, Sky, ein dummer Unfall, weil du nicht geschaut hast, wo du hintrittst. Du weißt, wie verträumt du bist …“
„Du wolltest zwei Worte? Ich habe zwei perfekte Worte für dich. Fick dich.“ Sie berührte die Wunde mit den Fingern, sie waren blutverklebt. „Geh. Jetzt.“
Mist. Vergiss den Ketchup – sie würde Blutflecken auf dem neuen Kleid haben.
„Die Presse ist draußen.“ Er knurrte die Worte und blickte wild um sich, während er im Kopf offenbar den möglichen PR-Albtraum berechnete. „Sie sollten von unserer Verlobung berichten. Und stattdessen gibst du ihnen das hier? Verdammt noch mal, Skylar. Es ist alles deine Schuld, also musst du damit klarkommen. Vielleicht bringt dich der Schlag auf den Kopf zur Besinnung. Wenn du wieder vernünftig bist, ruf mich an. Ich werde darüber nachdenken, ob du wirklich das bist, was ich möchte.“
Ohne zurückzusehen, ging er zur Seitentür hinaus in die Nacht und ließ Skylar in ihrem Blut liegen.
Was, zum Teufel, trieben sie in dem Raum?
Alec schlenderte durch die Ausstellung, wobei er die anderen Gäste ignorierte. Die Menge löste sich auf, Leute verschwanden, einige spekulierten über die romantische Szene, die sich hinter der geschlossenen Tür abspielen mochte.
Der öffentliche Heiratsantrag hatte ihn überrascht.
Brittany hatte ihn einen „hinterhältigen Freund“ genannt, was für ihn nicht gerade nach einer Beziehung bis ans Ende aller Tage klang.
Ihm war es unangenehm gewesen, Zeuge des Antrags zu sein, doch nach den Ohhs und Ahhs der Frauen im Publikum zu urteilen, stand er mit diesem Gefühl allein da. Vermutlich war das der Grund, warum er Single war. Was wusste er schon über Romantik. Laut seiner Exfrau nichts. Sie hatte sich dramatische Gesten und ständige öffentliche Liebesbekundungen gewünscht.
Ihre Unsicherheiten und endlosen Forderungen hatten ihm das Gefühl gegeben, eine lebenslange Strafe für ein Verbrechen zu verbüßen, das er nie begangen hatte.
In dem Versuch, die giftigen Gedanken zu vertreiben, griff er nach einem Glas Champagner und überlegte, wie er sich bald wieder davonmachen konnte.
Sobald beide wieder auftauchten, würde er gratulieren und gehen.
Er musste sich daran erinnern, das zu sagen, was man von ihm erwartete: Herzlichen Glückwunsch, ich freue mich so für euch, ich hoffe, ihr werdet glücklich. Und nicht das, was er spontan sagen wollte: Seid ihr verrückt geworden?
Er hielt inne, als sein Blick auf einen Schaukasten mit Schmuckstücken fiel, in dem filigranes Silber kunstvoll auf Seide in der Farbe eines Mittelmeerhimmels drapiert lag. Das originelle Design sprang ihm sofort ins Auge. Der Historiker in ihm erkannte die Verbeugung vor den Formen und Stilen der griechischen Bronzezeit.
Eine Frau näherte sich und warf ihm ein Lächeln zu, dessen Intention nicht misszuverstehen war.
Ohne das Lächeln zu erwidern, drehte Alec sich um.
Es war ihm egal, ob sie ihn für unhöflich hielt. Besser jetzt unhöflich sein, als sich später entfernen zu müssen.
Eine weitere Spätfolge seiner Ehe bestand in seiner Abneigung gegen herausgeputzte, aufmerksamkeitswütige Frauen. Seine Beziehung mit Selina waren sechs sexerfüllte Monate gewesen, denen eine aufwendige Hochzeit und zwei Jahre erbitterter Streitigkeiten folgten, die schließlich in einer Scheidungsschlacht endeten.
Auf ihr Drängen hin hatte er an zwei Sitzungen Paartherapie teilgenommen, um „etwas über sich selbst zu lernen“. Was er gelernt hatte, war, dass er seine Frau ebenso wenig mochte wie sie ihn.
Er hatte auch gelernt, dass er allein besser dran war.
Er war zu egoistisch, um sich an eine Frau zu binden.
Mochte sein Leben zu sehr, um es für eine Beziehung zu opfern.
Wieder blickte er zum Ende der Galerie. Die Tür blieb geschlossen, sodass er weiterschlenderte. Zweifellos hatten sich Skylar und ihr Freund für ein romantisches Stelldichein zurückgezogen und versprachen einander, sich für immer zu lieben.
Um die Zeit totzuschlagen, sah er sich weiter um. Er wusste, dass Skylar mit verschiedenen Materialien arbeitete, doch erst als er die Stücke auf der Ausstellung betrachtete, musste er widerwillig das Ausmaß ihres Talents anerkennen.
Er hielt vor einem großen Gemälde, auf dem er die felsige Küstenlinie von Puffin Island erkannte. Er war kein Experte, doch selbst er sah, dass die Komposition gut war. Sie hatte die Atmosphäre der Insel perfekt eingefangen, die Biegung einer sandigen Bucht, die Bewegung des Meeres und die drohenden Anzeichen eines Sturms am Himmel. Während er das Bild betrachtete, fühlte er die salzige Gischt auf seiner Haut, hörte das klagende Geschrei der Möwen.
Plötzlich verspürte er Sehnsucht nach seinem Cottage an der wilden Nordküste von Puffin Island. In ein paar Tagen würde er zurückfahren und einen Monat dort bleiben. Lange genug, wie er hoffte, um den Entwurf seines Buches zu beenden. Er freute sich auf die Einsamkeit.
Das Gemälde hatte einen roten Punkt, was bedeutete, dass jemand es gekauft hatte.
Gute Wahl, dachte er und sah dann die hohe, elegante Vase in einem umwerfenden Türkiston, die vor einem weißen Hintergrund angestrahlt wurde.
Sofort fühlte er sich nach Griechenland versetzt. Er konnte fast die Hitze spüren und den Duft von wildem Thymian und Jasmin riechen.
Von all den Stücken im Raum würde er dieses wählen, um es mit nach Hause zu nehmen. Er sah auf den ersten Blick, dass sie von einer Kombination von griechischer Mythologie und frühminoischer Keramik inspiriert worden war. Sie hatte das Alte kunstvoll mit dem Neuen verbunden und ein Stück von erstaunlicher Schönheit entworfen.
Der Ausstellungsraum leerte sich weiter, doch noch immer gab es kein Zeichen von Skylar.
Zufällig nahm er eine Bewegung auf der Straße wahr und sah, wie ein großer dunkelhaariger Mann ein wartendes Taxi bestieg.
Alec runzelte die Stirn, als er ihn erkannte. Warum sollte Richard Everson alleine wegfahren?
Er wartete, dass Skylar ihm in ihrem hautengen silbernen Kleid und mit einem strahlenden Lächeln folgte, doch der Wagen fuhr mit nur einem Passagier los.
Seine innere Stimme ignorierend, die ihm sagte, dass ihn das alles nichts anging, schlenderte er durch die Galerie zu dem Raum, den er sie hatte betreten sehen.
Er klopfte leicht, erhielt keine Antwort und öffnete dennoch die Tür.
Der Raum war leer.
Offensichtlich handelte es sich um einen Lagerraum. An der Wand lehnten Gemälde, auf einem Tisch stapelten sich Kartons und …
Ein Körper.
Scheiße.
„Skylar?“ Mit zwei Schritten war er bei ihr. „Was, zum Teufel, ist hier passiert? Sprich mit mir. Bist du …?“
Er hob ihren Kopf und bemerkte, dass seine Hand feucht von ihrem Blut war.
Ihr schönes weißblondes Haar war blutverschmiert, ihre Lippen in dem blassen Gesicht schienen blutleer.
Sein Herz schlug bis zum Hals. Was auch immer er zu finden erwartet hatte, dies jedenfalls nicht.
„Sky? Mach die Augen auf.“ Er versuchte, sie zum Aufsetzen zu bringen, und wich zurück, als sie ihre Faust in Richtung seines Gesichts schwang.
„Fass mich an, und ich schwöre, als Nächstes bekommst du meine Stilettos in deinen Eiern zu spüren.“ Sie sprach undeutlich, und Alec fluchte unterdrückt. Er fasste ihr Handgelenk, bevor sie ihn ernsthaft verletzen konnte.
„An dem Anmachspruch müsstest du vielleicht noch ein bisschen arbeiten, Prinzessin.“
Sie sah ihn an und kniff die Augen zusammen. Aus Verwirrung wurde Wiedererkennen. „Was machst du hier? Willst du dich an meinem Unglück weiden?“