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"Seit ungefähr sechzig Jahren hat sich in Ungarn, Polen, Schlesien und Mähren ein neues Schauspiel hervorgetan, indem dort Leute, die schon mehrere Jahre oder Monate zuvor verstorben sind, wieder zurückkommen, reden, gehen, die Dörfer beunruhigen, Menschen und Tiere misshandeln, ihren Verwandten das Blut aussaugen, ihnen Krankheiten und schließlich gar den Tod verursachen, und sich auch von solchen überlästigen und schädlichen Besuchen nicht zurückhalten lassen, bis man ihre Leiber wieder ausgräbt, spießt, ihnen das Haupt abschlägt, das Herz ausreißt, oder sie verbrennt..." (Augustin Calmet)
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Seitenzahl: 848
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Quemadmodum multa fieri non posse judicantur priusquam facta sunt, ita multa quoque, quae antiquitus facta sunt, quia nos ea non vidimus neque ratione assequimur, ex iis esse, quae heri non potuerunt, judicamus, quae certe summa inupientia est. Plinius1 Historia Naturalis Lib. 7. c.1.
Gleichwie viele Sachen, bevor sie geschehen, für unmöglich gehalten werden; so urteilen wir auch von vielem, das vor langer Zeit geschehen ist, es habe nicht geschehen können, weil wir es nicht selbst gesehen haben, noch mit unserer Vernunft begreifen können. Dieses aber ist die größte Torheit. Plinius, Naturgeschichte, 7. Buch, Kap. 1
1Plinius d. Ä.: Gaius Plinius Secundus der Ältere, geb. 23 n. Chr., gest. 79 n. Chr.. Ein römischer Universalgelehrter, der besonders durch seine schriftstellerische Tätigkeit hervortritt. Er verfaßte eine Geschichte sämtlicher Germanenkriege in 20 Bänden, eine Geschichte Kaiser Neros und seiner Nachfolger in 31 Bänden, und die berühmte Naturgeschichte „Historia naturalis“, eine Enzyklopädie aller Erkenntnisse und Wissenschaften des Römischen Reiches, deren Inhalt er, nach eigener Angabe, aus 2000 Büchern gezogen hat, und welches heute als leider einziges seiner Werke noch erhalten ist.
Wir, Herr Sebastian Guillemin Präsident und Generalvorsteher der Versammlung der Heiligen Vitoni und Hidulphus, Ordens vom heiligen Benedikt, haben, auf Ansinnen des Hochwürdigen Vaters Herrn Augustinus Calmet, Abt von Senones, seine verfaßte Verhandlung, und Erläuterung der Materie von Erscheinungen der Geister, und der sogenannten Vampire in Ungarn, dem Druck zu überlassen erlaubt, in Erachtung, daß, was von der Feder dieses berühmten Autors fließt, notwendig etwas Auserlesenes und Lehrreiches sein müsse, und erlauben hiermit in Kraft dieses besagten hochwürdigen Abtes, gedachte seine gelehrte Verhandlung, nachdem er auch die übrigen gewöhnlichen Genehmigungen darüber erlangt haben wird, zum öffentlichen Druck zu geben.
Gegeben zu Toul im Kloster des heiligen Mansuetus, den 18. Januar 1746 unter dem gewöhnlichen Siegel unseres Amtes, und eigenhändiger Unterschrift, wie auch der Unterschrift unseres Kanzlers.
Dr. Sebastian Guillemin, Präsident.
Auf Befehl des hochwürdigen Präsidenten.
Herrn Johannes Magron, Kanzler.
Ich, zu Ende Unterschriebener habe auf Befehl des Herrn Reichskanzlers ein schriftliches Werk gelesen, welches den Titel führt:
Verhandlung und Erläuterung der Materie, von Erscheinungen der Geister, und der sogenannten Vampire, oder zurückkommenden etc.
Diese Materie erforderte in der Tat eine vernünftige Untersuchung und Erläuterung, und es scheint, der Herr Verfasser derselben, welcher ohnehin seiner gelehrten Werke halber schon so sehr berühmt ist, habe, um sich gründlich und vollkommen in jener erfahren zu machen, keine Mühe gespart. Seine darüber gemachten vernünftigen Anmerkungen beweisen zugleich auch seine Klugheit in Unterscheidung der Dinge. Dadurch können dieselben den Leser, sowohl vor einer unverständigen Leichtgläubigkeit, als auch vor einem gefährlichen Pyrrhonistischen Unglauben2, und vermessenen Zweifel über alles, bewahren.
Gegeben in der Sorbonne den 16. Dezember 1745, de Marsilly.
Die königliche Erlaubnis darüber ist vom 21. Januar 1746.
2Pyrrhonisten: Anhänger der Zweifellehre des Pyrrho (geb. 367 v. Chr., gest. ca. 270 v. Chr.), eines altgriechischen Philosophen, der lehrte, daß man an allem zweifeln müsse, um die Wahrheit zu erforschen.
1. Die Menge derer, die über die Erscheinungen der Engel, der Teufel, und der vom Leib geschiedenen Seelen geschrieben haben, ist mir nicht ganz unbekannt. Ich maße mir auch kein solches Wissen an, daß ich mir einbilden sollte, ich werde in der Sache besser auslangen als sie; sondern sehe vielmehr voraus: Ich werde mich der Beschnarchung und Tadelung, oder wohl gar dem Gelächter und Gespött vieler Leser dieses Werkes aussetzen, weil sie das, was darin verhandelt wird, für etwas schon Abgedroschenes, und eine sowohl bei Naturkundlern, Gelehrten, als auch Theologen verschriene und verworfene Sache ansehen werden. Ich kann auch mit dem Beifall des gewöhnlichen Volkes nicht rechnen, weil jenes aus Mangel der Erkenntnis in solchen Sachen kein rechtmäßiger Richter sein kann.
2. Meine Absicht ist auch nicht, den Aberglauben, und eitlen Vorwitz jener Traumseher zu nähren, welche alles, was man ihnen erzählt, wenn es ihnen nur seltsam vorkommt, gleich für ein Wunder und übernatürlich ansehen; sondern ich schreibe nur für vernünftige und bescheidene Gemüter, welche sich von keiner argwöhnischen Meinung einnehmen lassen, alles reiflich und nicht hitzig untersuchen, überlegen, und der befundenen Wahrheit vernünftig beipflichten, über das Ungewisse hingegen vernünftig zweifeln, und ihr Urteil darüber zurückhalten, dem offenbar Falschen aber mutig widersprechen und es verwerfen.
3. Die eingebildeten Klugen, welche, um ihren vermeinten Witz zu spiegeln, und über den allgemeinen Verstand anderer Menschen hervorzuschimmern, alles verwerfen, lasse ich im Gewölk ihrer Hochmut - sie können über mein Werk nach ihrem Gefallen urteilen. Und gleichwie es nicht für sie geschrieben ist, so werden sie sich vielleicht nicht einmal die Mühe geben, jenes zu lesen. Ich habe es zu meinem eigenen Unterricht unternommen, um von all dem, was man von der Erscheinung der Engel, der Teufel und der abgeleibten Seelen sagt, selbst eine rechte Erkenntnis erlangen, und erkunden zu können, wie weit sich das Gewisse und Ungewisse, das Wahre und Falsche, das Bekannte und Verborgene, das Klare und Dunkle, in dieser Materie erstreckt.
4. Unter der Menge der Geschichten, die ich anführe, habe ich mich nur auserlesene zu sammeln beflissen; aus Furcht, wenn ich gar zu viele anführte; möchte ich damit gar nichts beweisen, und so könnten die zweifelhaften den wahrhaften nachteilig sein. Vielleicht werden auch sogar unter den angeführten solche sein, die bei vielen keinen Glauben finden; und von diesen mag ich wohl gestatten, daß man sie ansehe, als wenn sie gar nicht im Buch enthalten wären. Nur bitte ich den Leser, zwischen den Geschichten und den Beispielen einen Unterschied zu machen; später kann er jene entweder mit mir für wahrhaft halten, oder verwerfen, oder aber darüber in Zweifel bleiben.
5. Jedoch habe ich es in Erachtung des Respekts, den jedermann der Wahrheit schuldig ist, und der Ehrerbietigkeit, die jeder Christ und Priester gegen die Religion tragen soll, für etwas Wichtiges und Notwendiges gehalten, daß man das Volk über die Materie von den Erscheinungen unterrichten, und denen, die alles ohne Unterschied glauben, ihren Selbstbetrug aufdecken, denjenigen hingegen, die alles ohne Unterschied verwerfen, beweisen wolle, daß gar viele solcher Erscheinungen wahrhaft seien. Denn in Sachen, welche die Religion betreffen, ist es jederzeit gefährlich, wenn man entweder gar zu leichtgläubig ist, oder Sachen, die begründet sind, unangemessen widerspricht, oder wissentlich darüber in Zweifel bleibt, oder sich ohne Vernunft vom Aberglauben blenden läßt. Hingegen ist es schon für etwas Großes anzusehen, wenn man vernünftig zu zweifeln weiß, und gelernt hat, daß man sein Urteil nicht über seine Erkenntnis hinaus erstrecken solle.
6. Mein Vorhaben war niemals, ausführlich von den Erscheinungen zu handeln; sondern es ist bloß nebenher, und aus Anlaß der ungarischen Vampire geschehen, daß ich an diese Sache gekommen bin; und als ich Material dazu sammelte, fand sich vieles darunter, welches die Erscheinungen betraf, und die Geschichte der Vampire verworren machte. Darum dann habe ich einen großen Teil derselben ausgesondert, und diese Verhandlung von den Erscheinungen geschrieben; und es sind auch noch viele in jener begriffen, die ich ebenso hätte davon kürzen, auslassen, und dem Werk dadurch eine bessere Ordnung geben können. Jedoch haben viele Leute, welche die erste Auflage dieses Werkes gelesen haben, das Zugewandte von den Erscheinungen für das Hauptwerk gehalten, und mehr auf den ersten Teil gesehen, als auf den zweiten, wo doch dieser mein Hauptvorhaben war. Denn ich muß gestehen, daß die Erzählung von den Vampiren von Ungarn, Mähren, und Polen, von den Brucolaken in Griechenland, und den dortigen Exkommunizierten, welche nach dem Tode, der Sage nach, nicht verwesen sollen, mich in nicht geringe Verwunderung gezogen, und dahin bewegt hat, daß ich für notwendig erachtete, diese Sache etwas genauer zu untersuchen. Nachdem ich aber alles wohl erwogen hatte, fand ich daran wenig Begründetes und Gewisses. Und nachdem ich auch die Meinung einiger verständiger und angesehener Personen darüber vernommen hatte, gedachte ich gar von meinem Vorhaben Abstand zu nehmen, und nichts von einer Sache, die so vielen Widerspruch erleidet, zu schreiben. Als ich jene jedoch von einer anderen Seite betrachtete, ergriff ich die Feder wieder von neuem, und beschloß, zumindest der Welt insoweit damit zu dienen, um jener, wenn ich alles, was man davon angibt, gänzlich falsch fände, den Irrwahn darüber zu nehmen, und zu zeigen, daß alles ungewiß sei; und man daher in seinem Urteil über das, was vor einiger Zeit von den Vampiren gesagt worden ist, über welches die Meinungen sogar in Ungarn selbst nicht einig sind, sehr behutsam sein müsse, oder aber, um zu beweisen, daß das, was man davon berichtet, und so viel Gerede in der Welt veranlaßt hat, seine Wahrscheinlichkeit habe, und würdig sei, daß man die Geschichten, welche davon offenbar gemacht worden sind, mit Ernst untersuche, und die Ursachen, Umstände und Mittel derselben zu ergründen trachte.
Demnach werde ich dann jene als ein Geschichtsschreiber, als ein Naturkundler, und als ein Theologe verhandeln.
Als ein Geschichtsschreiber werde ich die Wahrheit dessen, was davon berichtet worden ist, ergründen, als ein Naturkundler dessen Ursachen und Umstände erkundigen, sodann aus den Regeln der Theologen zeigen, was man in Ansehung der Religion daraus zu schließen habe. Ich schreibe daher nicht in der Absicht oder Hoffnung, jene eingebildeten Klugen, welche glauben, ihr Witz übersteige den Verstand aller übrigen Menschen, noch auch die heutigen Pyrrhonisten, welche an allen Sachen zweifeln, und daher gar nicht glauben, daß es jemals Vampire, welche sich nach dem Tode wieder gezeigt, oder andere Erscheinungen der Engel, der Teufel, und abgeleibten Seelen gegeben habe, von der Wahrheit der Sache zu überzeugen, noch auch die Einfältigen und Leichtgläubigen durch die Erzählung außerordentlicher Erscheinungen zu erschrecken. Noch weniger hoffe ich, den Abergläubischen ihren Irrtum zu nehmen, und die angewöhnten Meinungen des gewöhnlichen Volkes damit zu vernichten, oder auch nur den Mißbräuchen entgegenzusteuern, die teils aus der Leichtgläubigkeit, teils aus der allzu übertriebenen Zweifelhaftigkeit entspringen.
Ferner gedenke ich gar nicht, mich zum Richter oder Beschnarcher derer, die schon von solchen Dingen geschrieben haben, aufzuwerfen, oder mir einen Namen oder Vorzug über andere zu erwerben. Noch weniger gedenke ich, nur zur Lust oder Kurzweil über solche Zweifel zu antworten, welche die Religion betreffen, und woraus man schädliche Schlußfolgerungen wider die Wahrheit der göttlichen Schrift, und unbeweglicher Artikel unseres Glaubens ziehen könnte; sondern ich werde alles seiner Wichtigkeit nach gründlich, und mit Ernst behandeln, und bitte Gott nur um das notwendige Licht, daß ich es mit Nutzen leisten möge.
7. Vor allem bitte ich den Leser, einen Unterschied zu machen zwischen den Geschichten an sich selbst, die in diesem Werk erzählt werden, und zwischen der Art und Weise, wie sie geschehen sind. Denn eine Geschichte kann gewiß sein, obschon die Art und Weise, mit welcher sie geschieht, sehr zweifelhaft ist. Die göttliche Schrift nämlich berichtet uns von Erscheinungen der Engel, der Teufel, und der abgeleibten Seelen; und diese Beispiele sind gewiß, weil sie auf die Offenbarung der heiligen Bücher der Bibel gegründet sind; doch ist die Art und Weise, mit welcher Gott solche Auferstehungen bewirkt, und dergleichen Erscheinungen hat geschehen lassen, etwas Verborgenes und Unbekanntes. Es ist uns erlaubt, die Umstände derselben zu untersuchen, und unsere Mutmaßung darüber zu erklären. Einen förmlichen Spruch aber über etwas zu geben, das Gott geheim hat haben wollen, wäre eine Vermessenheit. Ein Gleiches sage ich auch von den Geschichten, welche von verständigen Schreibern berichtet worden sind, welche zur Zeit gelebt haben, und bloß allein die Geschichte darlegen, die Umstände derselben aber, die sie vielleicht selbst nicht gewußt haben, nicht untersuchen.
8. Man hat mir wirklich vorgeworfen, um die Erscheinungen der Geister zu beweisen, berufe ich mich auf die alten Poeten, und andere Autoren, die schlechten Glauben verdienen, und so dergleichen Erscheinungen eher zweifelhaft machen als sie zu bestätigen.
Aber man muß wissen, daß ich solche Autoren bloß zum Beweis des allgemeinen Wahns der Völker anführe; denn bei so großer Frechheit der heutigen Christen selbst, welche sich über alles eigenmächtig zu urteilen oder zu zweifeln anmaßen, scheint es mir etwas nicht geringes zu sein, wenn man zeigt, daß auch schon die alten heidnischen Griechen und Römer allgemein geglaubt haben, die Seelen der Menschen seien unsterblich, bestehen noch nach dem Tod ihrer Leiber, und es sei ein anderes Leben, wo dieselben für ihre Tugend belohnt, oder wegen ihrer Laster bestraft werden. Es haben außerdem sogar die Kirchenväter, und andere sowohl christliche als heidnische Schreiber, die nämlichen Meinungen der Poeten in ihren Schriften herangezogen; jene damit jedoch nicht bestätigen oder glaubhaft machen wollen. Daher muß man auch mich nicht beschuldigen, als wollte ich denselben, indem ich sie anführe, ein größeres Gewicht, als sie verdienen, zueignen. So nämlich wird das, was ich zum Beispiel über die sogenannten Manen und Laren3, wie auch vom Hervorrufen der abgeleibten Seelen nach dem Tod ihrer Leiber, vom Durst solcher Seelen nach dem Blut der geschlachteten Opfertiere, von der Gestalt der abgeleibten Seelen, von der Unruhe, die sie erleiden, bis ihre Leiber zur Erde bestattet werden, von den abergläubischen wächsernen Bildnissen der Personen, die man töten will, und welche dem Vorgeben der Zauberer zufolge, in dem Verhältnis, wie das wächserne Bildnis derselben abgebrannt oder gestochen wird, ausgezehrt werden, und sterben sollen; ferner, was ich vom Ausfahren der Zauberer und Hexen durch die Luft zu ihrer samstägigen Versammlung etc. angeführt habe, sowohl in den Schriften der alten Weltweisen und Geschichtsschreiber als auch in den Poeten gefunden habe. Ich für meinen Teil kenne den Wert der einen und der anderen, und mache nicht mehr daraus, als sie verdienen. Jedoch bin ich der Meinung, es sei bei Verhandlung dieser Materie von größter Wichtigkeit, dem Leser die alten abergläubischen Meinungen, und den besagten Wahn der Völker, zur Verachtung und Widerlegung derselben bekannt zu machen, die Figur in ihrer Wahrheit vorzustellen, und das von jenen zu beschneiden, was die Poeten, um den Leser zu belustigen oder in Verwunderung zu ziehen, den Geschichten angedichtet und zugeflickt haben.
Ich führe jedoch allgemein solche Dinge nur aus Anlaß gewisser Geschichten an, die von verständigen und angesehenen Schreibern für wahrhaft erkannt worden sind, oder zuweilen zur Verzierung der Erzählung, und um die Sache lebhafter und angenehmer zu machen; nicht aber zum gewissen Beweis der Wahrheit, oder um der Geschichte dadurch ein größeres Gewicht der Glaubhaftigkeit zu geben.
Ich weiß allzu gut, wie wenig man auf das, was Lukian4 von dieser Sache schreibt, bauen kann, zumal er dadurch nur Philostratus5 foppen und verhöhnen will. Ebensowenig Glauben verdienen Jamblichos6 und einige andere. Ich habe sie auch nur herangezogen, um sie zu widerlegen, und damit sich zeigte, wie weit die Leichtgläubigkeit der alten heidnischen Völker auf Abwege geraten war, daß sogar die verständigen Heiden selbst darüber spotteten. Das, was ich daraus ziehe, und die ganze Art und Weise, mit welcher ich in diesem meinen Werk davon rede, gibt hinlänglich zu erkennen, was ich von der Sache halte, und daß ich nichts für wahr angebe, als das, was in der Tat auch so ist, keineswegs aber den Leser mit Sachen, die ich selbst für falsch, zweifelhaft oder fabelhaft halte, zu äffen beabsichtige. Doch will ich solches ohne Nachteil der sonst anderwärts her durch die göttliche Schrift, und andere glaubhafte Zeugnisse bewiesene Unsterblichkeit der Seele, des anderen Lebens, und wahrhafter Erscheinungen, gesagt haben.
9. Weil dieses Werk das erste Mal in meiner Abwesenheit, und nach einer schlecht bereinigten Kopie gedruckt worden ist, haben sich nicht nur viele Druckfehler, sondern auch andere falsche Worte hineingeschlichen. Ich habe daher diese zweite
Auflage zu verbessern getrachtet, auch diejenigen Stellen, von welchen man mir sagte, sie hätten eine Erklärung vonnöten, deutlicher gesetzt, und das, was angsthafte Gemüter erschrecken könnte, geändert, und versucht, allen bösen Auslegungen zuvorzukommen.
Man hat über mich geklagt, ich erkläre meine Meinung nicht deutlich über viele Zweifel, die ich vortrage, und lasse so den Leser darüber in der Ungewißheit. Ich streite solches auch gar nicht ab; vielmehr würde ich nötig haben, mich zu rechtfertigen, wenn ich über etwas, dessen vollkommene Erkenntnis ich nicht habe, mich auf etwas Bestimmtes festgelegt, und so in die Gefahr eines Irrtums begeben hätte. Man handelt jederzeit weise, wenn man sein Urteil über etwas zurückhält, bis man die Wahrheit desselben recht erkundet hat.
Man hat mir auch berichtet, gewisse Leute hätten über einige Geschichten, die ich anführe, ihr Gespött getrieben. Wenn ich nun solche Geschichten für gewiß angegeben habe, jene hingegen so beschaffen sind, daß man mit Recht das Gespött damit treiben kann, so verzeihe ich es ganz gern. Habe ich sie aber als fabelhaft oder falsch angeführt, so sind sie kein Grund zum Gespött: falsum non est de ratione faceri.
Es gibt freilich Leute, die über jedes auch ernsthafte Ding scherzen, und jenes zum Gespött mißbrauchen, und hierin auch die heiligsten Sachen nicht schonen. Man weiß nämlich, daß sogar die biblischen Geschichten des Alten und Neuen Testaments, die andächtigen Religionszeremonien und die verehrungswürdigsten Lebensbeschreibungen der Heiligen vor solch elendem Gespött nicht sicher sind.
Man hat mir ferner unterstellt, ich führe viele falsche Historien, zweifelhafte Geschichten, und fabelhafte Begebenheiten an. Solches ist auch wahr. Aber ich gebe sie für das aus, was sie sind, und schreibe dabei öfters, ich möchte nicht für diese bürgen. Ich erwähne sie eigens darum, damit ich das Falsche und Verlachenswürdige zu erkennen gebe, und verhüte, daß das gewöhnliche Volk jenem Glauben beimesse.
Wenn ich mich mit der Widerlegung und Vernichtung solcher Märchen nicht viel aufgehalten habe, so ist dies darum geschehen, weil ich glaubte, der Leser werde selbst klug und scharfsinnig genug sein, daß er ein vernünftiges Urteil darüber fällen, und sie mit mir verachten könne. Dergleichen Fabeln sind auch der Ehre nicht wert, daß man sie ernsthaft widerlegen solle.
Ein dem Schein nach wichtigerer Einwurf ist, wenn man sagt, was ich von den Täuschungen des Teufels berichte, bestreite zugleich auch die Wahrheit dessen, was in der Heiligen Schrift von wahren Erscheinungen enthalten ist, genauso wie bei anderen Geschichten, die der Falschheit verdächtig sind. Auf dieses aber antworte ich, wenn die Schlußfolgerung vom einen auf das andere gültig, gut und gerecht sein soll; so müssen die Sachen durchaus in allen Stücken und Umständen einander gleich sein. Nun aber sind die Geschichten, die ich anführe, durch Autoren von schlechtem Ansehen, und bekannten Geschichtsschreibern, die ein Merkmal an sich haben, welches mehr als einen menschlichen Glauben verdiente, beschrieben worden. Und ich kann ohne Nachteil ihrer Personen oder ihrer Ehre urteilen, sie möchten vielleicht übel unterrichtet gewesen sein, oder sich selbst betrogen haben, der Geist der Verführung habe sie etwa geblendet, oder die Schwachheit der leiblichen Sinne; die Einbildung, oder der Aberglaube habe sie den bloßen Schein für etwas Wahres und Wirkliches anzunehmen veranlaßt. Mit den Erscheinungen hingegen, welche in der Bibel enthalten sind, hat es eine ganz andere Bewandtnis, zumal die Wahrheit derselben auf die Glaubhaftigkeit solcher heiligen Männer, die jene aus Eingebung Gottes beschrieben haben, gegründet ist. Sie sind ferner durch die eingetretene Erfüllung dessen, was sie angedeutet oder verkündet haben, bekräftigt worden, folglich konnten sie weder bloß eine menschliche Einbildung, noch eine Täuschung des Satans sein.
Was man übrigens von meiner Person, und meiner bei diesem Werk gehabten Absicht geurteilt und verbreitet hat, so lasse ich mich desselben nicht bekümmern. Die einen nämlich haben geglaubt, ich suche dadurch den allgemeinen Wahn zu vernichten, und andere, ich bemühe mich allzusehr, jenen zu festigen. Der einen Meinung nach habe ich zu viel, nach anderen zu wenig gesagt. Hierüber aber erkläre ich hiermit: Ich halte alle Erscheinungen, welche in den biblischen Büchern des Alten und Neuen Testaments enthalten sind, für wahrhaft, doch die Umstände derselben sind zu erläutern, jene auf das Natürliche auszulegen, und das, was den Unerfahrenen daran gar zu wundersam vorkommen könnte, davon zu beschneiden erlaubt. Ich glaube auch, ich könne mich hierüber jenes Spruches des heiligen Paulus bedienen, welcher in 2. Kor. Kap. 3 v. 16 sagt: „Der Buchstabe tötet; der Geist hingegen gibt das Leben.“
Die übrigen Erscheinungen belangend, welche von heidnischen, jüdischen und christlichen Schreibern berichtet werden, mache ich zwischen jenen den Unterschied, so gut ich kann, und bitte auch den Leser, ein Gleiches zu tun. Die übertriebene Beschnarchung derjenigen aber, welche glauben, sie zeigen einen außerordentlich klugen und scharfsinnigen Verstand, wenn sie allem wider-sprechen, und alles verwerfen oder in Zweifel ziehen, was wundersam und über den gewöhnlichen Lauf der Natur ist, kann ich ein für alle mal nicht gutheißen. Der heilige Paulus erlaubt uns zwar, alles zu untersuchen, und auf die Probe zu stellen: Omnia probate; will aber dabei: man solle sich an das, was gut und wahrhaft ist, halten: Quod optimum est tenete, 1. Thessal. Kap. 5 v. 21.
3Manen und Laren: Aus dem antiken römischen Glauben. Manen werden die abgeschiedenen Seelen, oder Schatten der Verstorbenen genannt, und Laren die häuslichen Schutz- und Familiengötter.
4Lukian: Antiker griechischer Schriftsteller und Philosoph. Um 125 n. Chr. in Samozata in Syrien geboren, gest. um 180 n. Chr. Er widmete sich in Antiochia rhetorischen Studien und bereiste später das ganze Römische Reich. In Athen begann sein Leben als Schriftsteller. In seinen meist satirischen Schriften erscheint er als Feind der Volksmythologie und der traditionellen Religion, der theoretischen Philosophie und als sarkastischer Kritiker des Aberglaubens und der mystischen Schwärmer seiner Zeit, der Ausartungen der Literatur, sowie der Sitten und Gebräuche des Volkes.
5Philostratos: Florius Philostratos, geb. ca. 170 n. Chr., gest. ca. 250 n. Chr. Ein Rhetor und Sophist, lehrte zuerst in Athen, später in Rom und schrieb von Kaiserin Julia Domna veranlaßt eine romanhafte Biographie des Apollonius Thyanaeus.
6Jamblichos: Ein neuplatonischer Philosoph und Schüler des Porphyrios. Er starb um 330 n. Chr. während der Herrschaft Constantins des Großen. Die neuplatonische Philosophie entartete durch ihn zur Dämonenlehre und Theurgie. Als ein Befürworter und Verteidiger des antiken Götterglaubens fand er in dem römischen Kaiser Julianus Apostata einen begeisterten Anhänger.
Register der Kapitel dieses ersten Teils.
Die Erscheinungen der guten Engel werden aus den Büchern des Alten Testaments bewiesen
.
Beweis derselben aus dem Neuen Testament
.
In was für einer Gestalt sie erschienen seien?
Meinung der Christen, Juden, Mohammedaner, und der orientalischen Völker, über die Erscheinungen der guten Engel.
Meinung der alten Griechen und Römer, über die Erscheinungen der guten Geister, die sie
Genios
nannten.
In was für einer Gestalt die bösen Engel erschienen seien?
Von der Zauberei.
Einwendungen wider die Zauberei.
Widerlegung derselben.
10. Zauberei der alten Ägypter und Chaldäer.
Zauberei der alten Griechen und Römer.
Zauberei wird durch Beispiele bewiesen.
Was für eine Wirkung die Poeten der Zauberei zugeeignet haben?
Vom Götzenspruch der Heiden.
Der Erfolg dessen, was vorhergesagt worden ist, ist nicht jederzeit ein Beweis, daß die Weissagung von Gott gekommen ist.
Ursachen, warum zu glauben ist, daß die meisten Sprüche oder Auskünfte der alten Götzen ein bloßer Betrug der Priester und Priesterinnen derselben gewesen sind.
17. Von der Hexerei.
Beispiel von der samstägigen Versammlung der Hexen.
Geschichte des Louis Gaufridy, und der Madeleine de la Palud.
Ursache, warum das Ausfahren der Hexen am Samstag möglich sei.
Von den vom Teufel Besessenen.
Beweis derselben aus der Schrift.
Wahrhafte Beispiele derselben.
Einwendungen dagegen widerlegt.
Von Gespenstern und Hausgeistern.
Andere Beispiele der Gespenster oder Poltergeister.
Von guten oder bösen Geistern, welche die Schätze bewahren.
Andere Beispiele darüber.
Von Gespenstern, welche verborgene und künftige Dinge voraussagen.
Von Gespenstern, welche die Häuser beunruhigen.
Andere Beispiele darüber.
Verwunderliche Wirkung der Einbildung in denen, welche glauben, sie haben fleischliche Gemeinschaft mit dem Teufel.
Erscheinung der Seelen nach dem Tod ihrer Leiber wird aus der Schrift bewiesen.
Erscheinung der Geister aus der Geschichte bewiesen.
Andere Beispiele darüber.
Geister drucken ihre Hände auf Kleider oder Holz.
Geschichte von einer Weibsperson, Nicole von Reims genannt, die einen Blendgeist gehabt hat.
Meinung der Juden, Griechen und Lateiner über die Toten, die unbegraben bleiben.
Was von den Verstorbenen zu halten sei, welche wieder zurückkommen, und etwas von den Lebendigen begehren, oder jenen etwas offenbaren.
Noch Lebende erscheinen Lebendigen.
Anmerkungen über die Erscheinungen.
Einwendungen widerlegt.
Andere Einwendungen und Antworten.
Beschluß der Materie von den Erscheinungen.
Wie man jene auslegen und erklären könne?
Zweifel über die Art und Weise, mit welcher die Erscheinungen geschehen. Einige Meinungen darüber.
Jedermann redet von Erscheinungen der Engel, der Teufel, und der abgeleibten Seelen, und viele setzen die Wahrheit derselben außer allen Zweifel. Andere hingegen lachen darüber, und halten sie für leere Traumgesichter. Ich habe mir daher vorgenommen, diese Materie zu verhandeln, um zu sehen, wie weit sich die Gewißheit derselben erstreckt, und habe zu diesem Zweck gegenwärtiges Werk in vier Teile eingerichtet.
Im ersten handle ich von den Erscheinungen der guten Engel.
Im zweiten von den Erscheinungen der bösen Engel.
Im dritten von den Erscheinungen der abgeleibten Seelen.
Und im vierten von Erscheinungen noch lebender Menschen gegenüber anderen Lebendigen, die abwesend, weit entfernt waren, und welche auch ohne Wissen der Erscheinenden geschehen sind.
Von Erscheinungen der guten Engel wird öfters in den Büchern des Alten Testaments berichtet; wie besonders in Gen. Kap. 3 v. 24. von jenem Cherub7, welcher mit einem flammenden Schwert vor den Eingang des irdischen Paradieses gestellt worden ist; in Gen. Kap. 18 v. 1 von jenen, die dem Abraham erschienen sind, und ihm einen Sohn verkündigt; und im weiteren auch dem Loth in Gen. Kap. 19. den Untergang der lasterhaften Städte Sodom und Gomorrha vorhergesagt haben. Ferner vom Engel, welcher in Gen. Kap. 21 v. 17 der Hagar in der Wildnis erschienen ist, und ihr wieder nach dem Hause Abrahams zurückzukehren, und Sarah untertänig zu sein geboten hat. Ferner von den Engeln, welche in Gen. Kap. 28 v. 12 dem Jakob auf seiner Reise nach Mesopotamien erschienen, und auf einer Leiter, die vom Himmel bis auf die Erde reichte, auf- und abgestiegen sind. Desweiteren von jenem Engel, welcher besagtem Jakob in Gen. Kap. 31 v. 11 bis 19. befiehlt, mit seiner Herde in ein anderes Land zu ziehen, und späterhin in Gen. Kap. 32 auf seiner Rückreise aus Mesopotamien mit ihm gerungen hat. Diese waren lauter gute, und guttätige Engel, gleichwie auch derjenige, welcher in Exod. Kap. 3 v. 6 mit Moses aus dem brennenden Dornbusch geredet, und ihm später die Gesetzestafeln auf dem Berge Sinai übergeben hat. Dieser Engel hat den Namen Gottes an sich genommen, weil er alles an Gottes Statt, und aus dessen Gewalt mit Moses gehandelt hat, später auch den Israeliten in der Gestalt einer Wolke, welche während des Tages dunkel war, und sie vor der Sonnenhitze beschirmte, in der Nacht hingegen flammte und ihnen leuchtete, als ein Wegweiser gedient. Auch vom Engel, welcher sich dem Balaam gezeigt, und in Num. Kap. 22 seine Eselin zu töten gedroht hat, wie auch von jenem, welcher in Richt. Kap. 9 mit dem Satan über den Leib Moses‘ gestritten hat. Alle diese waren ohne Zweifel gute Engel. Ein Gleiches muß man von jenem urteilen, welcher in Jos. Kap. 5 v. 13 dem Josua bei Jericho in Kriegsrüstung erschienen ist, und sich für das Haupt des Volkes Gottes angegeben hat. Man glaubt auch mit bestem Recht, derselbe sei der heilige Erzengel Michael gewesen. Ferner jener, der in Richt. Kap. 17 mit der Mutter Samsons, und später mit dessen Vater Manue geredet, und ihnen die Geburt Samsons vorausgesagt hat. Ferner vom Engel, welcher in Richt. Kap. 6 und 7 den Gideon ermuntert hat, wider die Malianiter zu ziehen, und Israel aus der Dienstbarkeit derselben zu befreien. Der Erzengel Gabriel ist Daniel Dan. Kap. 8 und 9 zu Babylon erschienen, und der heilige Erzengel Raphael hat den jungen Tobias nach Rages in Medien begleitet. Tob. Kap. 5. Die Weissagung des Propheten Zacharias berichtet von sehr vielen Erscheinungen der Engel. Ferner wird in den Büchern des Alten Testaments in Psalm 17 v. 10, Psalm 79 v. 2, Dan. Kap. 7 v. 10, 3. Könige Kap. 22 v. 2, Tob. Kap. 12, Zachar. Kap. 4 v. 10, Apok. Kap. 11 v. 4 der Thron Gottes beschrieben: Er stehe auf Cherubim, der Gott Israels habe vor sich sieben der vornehmsten Engel, welche jederzeit bereitstehen, seinen Befehl auszuführen, und vier Cherubim singen sein Lob, und beten seine höchste Heiligkeit an. Weil auch diese Offenbarungen und Erscheinungen besagten heiligen Juden während ihrer Gefangenschaft unter der Gewalt der persischen Könige geschehen sind, so wurde ihnen Gott und sein himmlischer Hof nach Art des Persischen vorgestellt, wo auch sieben der vornehmsten Herren beständig um den König sein mußten, und darum die Augen und die Ohren des Königs genannt wurden.
7Cherubim: Sind Engel. Sie erscheinen in der Heiligen Schrift als Wächter des Paradieses nach dem Sündenfall, als Beschützer der Bundeslade, und als Überbringer der Botschaften Gottes zu den Menschen.
Auch die Bücher des Neuen Testaments sind voll der Geschichten, durch welche die Erscheinungen der guten Engel bewiesen werden. So nämlich erschien in Luk. Kap. 1 v. 10 der Engel Gabriel Zacharias, dem Vater des heiligen Täufers Johannes, und verkündete die Geburt seines Sohnes, welcher ein Vorläufer des Messias werden sollte. Und weil Zacharias wider die Gewohnheit allzu lange im Tempel verweilt hatte, und später stumm von dort heraustrat; so urteilten die Juden gleich, ein Engel habe mit ihm geredet. Am nämlichen Ort des heiligen Lukas Luk. Kap. 1 v. 26 verkündete besagter Engel Gabriel der Jungfrau Maria die Geburt des Messias; und als Jesus wirklich zu Bethlehem geboren war; verkündete der Engel des Herrn in Luk. Kap. 2 v. 9 den Hirten in der Nacht seine Geburt, und erklärte ihnen, der Welterlöser sei zu Bethlehem geboren. Ferner hat man alle Ursache zu glauben, der Stern, welcher die Weisen aus dem Orient in Matth. Kap. 2 v. 2 und 9 nach Jerusalem und Bethlehem geführt hat, sei durch einen guten Engel gelenkt worden. In Matth. Kap. 2 v. 13 und 19 wurde Josef durch den Engel des Herrn ermahnt, er sollte mit Maria und dem Kind Jesu wegen dem bevorstehenden Mord der Kinder nach Ägypten entfliehen, damit Jesus nicht etwa auch mit den anderen Kindern getötet würde. Und eben dieser Engel berichtete Joseph später auch wieder, da der König Herodes gestorben sei, solle er wieder in das Land Israel zurückkehren. Nachdem Christus 40 Tage in der Wildnis gefastet hatte, und sich später in Matth. Kap. 4 vom Satan hatte versuchen lassen; traten die Engel hinzu, und brachten ihm Speise. Eben da sprach der Satan zu Christus, Gott habe seinen Engeln geboten, sie sollen ihn begleiten, und bewahren, damit er den Fuß nicht etwa an einem Stein anstoßen, und verletzen möchte. Diese Worte entlehnte der Satan aus dem 92. Psalm, welcher zugleich den Glaubensartikel der Juden von den Schutzengeln befestigt. Und diesen Glaubensartikel bekräftigte Christus selbst, als er in Matth. Kap. 18 v. 16 sagte: „Die Engel der Kinder schauen ohne Unterlaß das Angesicht des himmlischen Vaters an.“ Und in Matth. Kap. 13 v. 45 bei seiner Ankunft zum allgemeinen Gericht, werden die Engel die Gerechten von den Bösen trennen und in den Himmel führen, die Bösen hingegen ins ewige Feuer stürzen. Im Ölgarten wurde Christus bei Luk. Kap. 22 v. 43 in seiner Todesangst durch einen Engel gestärkt. Nach seiner Auferstehung erschienen die Engel in Matth. Kap. 28 und Joh. Kap. 20 den heiligen Frauen, die, nach dem Grabe gegangen waren, um seinen Leib zu balsamieren, und in Apostelg. Kap. 1 v. 19 den Aposteln nach der Auffahrt des Herrn, und später in ihrer Gefangenschaft, aus welcher die Engel dieselben befreiten. Eben dort in Kap. 7 v. 30 bis 35 sagte der heilige Stephanus den Juden, das Gesetz sei Moses durch Handreichung der Engel gegeben worden; folglich waren es dann Engel, die ihm zu Horeb und Sinai erschienen sind, und sich den Namen Gottes zugelegt haben; und als Moses in Exod. Kap. 23 v. 21 vom Engel, der das Volk ins versprochene Land führen sollte, redet; sagte er, der Name Gottes sei in jenem. Der heilige Petrus wurde in Apostelg, Kap. 12 v. 8 durch einen Engel aus der Gefangenschaft durch eine lange Gasse geführt; wonach derselbe verschwand. Und als Petrus daraufhin an der Tür, wo die Apostel versammelt waren, anklopfte, konnten diese sich nicht vorstellen, daß er persönlich zugegen sei, sondern glaubten, es sei sein Engel, welcher klopfe und rede. Der heilige Paulus, welcher in der Schule der Pharisäer erzogen worden war, glaubte auch wie diese, daß es Engel gebe und behauptete es in Kolos. Kap. 2 v. 18, 1. Korinth. Kap. 4 v. 2, Kap. 6 v. 3, Kap. 12 v. 7, Galater Kap. 3 v. 19 wider die Sadduzäer, und hielt es für unzweifelbar, daß sie den Menschen erscheinen könnten.
Als er von den Römern gefangen wurde, und dem versammelten jüdischen Volk erzählte, als er unterwegs nach Damaskus zu Boden gestürzt worden sei, viele aber wider ihn schrieen; antworteten diesen die Pharisäer in Apostelg. Kap. 23 v. 9, Apostelg. Kap. 16 v. 9: „Wir können ja nicht wissen, ob nicht ein Geist, oder Engel mit ihm geredet hat.“
Der heilige Lukas sagt in Apostelg. Kap. 16 v. 9, ein Mazedonier, vermutlich der Schutzengel von Mazedonien, sei dem heiligen Paulus erschienen und habe gebeten, er möchte diesem Land das Evangelium verkünden. Der heilige Johannes berichtet in Apok. Kap. 1 v. 21 von sieben Engeln, welche den Kirchen von Asien vorstehen. Nun weiß ich zwar, daß unter diesen sieben Engeln die sieben Bischöfe der dortigen Kirchen verstanden werden. Jedoch ist jederzeit in der katholischen Kirche geglaubt worden, jede Kirche habe ihren Schutzengel. In erstgenannter Offenbarung des heiligen Johannes wird von verschiedenen Erscheinungen der Engel geredet, so hat auch das ganze christliche Altertum samt der jüdischen Synagoge
niemals daran gezweifelt. Man kann daher mit bestem Grund sagen: Es sei nichts gewisser als die Engel und die Erscheinungen derselben.
Ich rechne jedoch unter diese Erscheinungen nicht nur die Erscheinungen der guten und bösen Engel und der abgeleibten Seelen, die Lebendigen widerfahren, sondern auch die Erscheinungen der Lebendigen selbst, die sich den Engeln oder abgeleibten Seelen, entweder in Traumgesichtern, im Schlaf oder im Wachen, entweder allen Gegenwärtigen, oder nur einigen, für welche Gott die Offenbarung bestimmt hat, zu sehen geben. So nämlich sah der heilige Johannes in Apok. Kap. 4 v. 4 und → jene vier Tiere, und vierundzwanzig Alte, welche in weißem Gewand und mit goldenen Kronen auf dem Haupt um den Allmächtigen herum auf Thronen saßen, und sich später vor dem Allmächtigen, welcher ewig lebt, zur Erde warfen und ihre Kronen zu seinen Füßen legten. Ferner sagt er in Kap. 7 v. 1 „Ich habe vier Engel gesehen, welche an den vier Enden der Welt aufrecht standen, und die Winde zurückhielten, daß sie nicht auf die Erde ausfahren konnten. Später habe ich einen Engel gesehen, der sich vom Sonnenaufgang her erhob, und den vier Engeln, welche der Erde und dem Meer schaden sollten, zurief: ‚Schadet der Erde und dem Meer nicht, bis wir den Dienern Gottes ein Zeichen auf die Stirn gedrückt haben werden.’ Und daraufhin habe ich solche Gezeichnete, hundertvierundvierzigtausend an der Zahl, und nach diesen eine unzählbare Menge aus allen Völkern, Ländern, Sprachen und Geschlechtern in weißem Gewand und mit Palmzweigen in ihren Händen vor dem Thron des Allerhöchsten gesehen.“
Nachdem er die Majestät des Thrones Gottes, und die Verehrung, welche die Engel und Heiligen dem Herrn leisten, beschrieben hatte, sagte ihm ein Engel in v. 17: „Die, die du in weißem Gewand siehst, sind die, welche viel Trübsal gelitten, und ihr Gewand in dem Blut des Lammes gewaschen haben. Darum sind sie nun vor dem Thron Gottes, und werden auch stets bei Tag und Nacht in seinem Tempel sein. Derjenige, welcher auf dem Thron sitzt, wird über sie herrschen, und der Engel, welcher in der Mitte des Thrones ist, wird sie zu dem Brunnen des lebendigen Wassers8 führen.“ Ferner habe ich in Kap. 6 v. 9 unter dem Altar Gottes die Seelen derjenigen gesehen, welche wegen der Verfechtung des Wortes Gottes, und des ihm gegebenem Zeugnisses getötet worden sind, und mit heller Stimme riefen: „Wann wirst du denn einst, o Herr, unser Blut an denen, die auf Erden sind, rächen etc.“ Alle diese Erscheinungen, und viele andere dergleichen, die man aus den biblischen Büchern, und anderen glaubhaften Geschichtsbeschreibungen anführen könnte, sind wahre Erscheinungen, obschon weder die Engel noch die Märtyrer, von welchen in der Offenbarung Johannes berichtet wird, zu Johannes gekommen sind; sondern er vielmehr selbst im Geist zum Himmel geführt wurde, und dort alles obige sah. Daher kann man sagen, es seien auf Seiten der Engel und der Märtyrer ‚empfangene’, und auf Seiten des heiligen Johannes ‚wirkende’ Offenbarungen gewesen.
Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament sind die Engel allgemein in menschlicher Gestalt erschienen; wie besonders dem Abraham, Loth, Moses, Josua, Manoah, dem Vater Samsons, David, Tobias, und den Propheten; auch im Neuen Testament Maria der seligen Jungfrau, Zacharias, dem Vater des heiligen Täufers Johannes, Christus nach seinem Fasten in der Wildnis und später im Ölgarten, wie auch nach seiner Auferstehung den heiligen Frauen beim Grabe. Der Engel, welcher Josua auf der Ebene bei Jericho erschienen ist, hatte vermutlich die Gestalt eines Kriegsmannes, weil Josua ihn gefragt hat: „Bist du von den Unsrigen oder von den Feinden?“ Doch verhüllten sie sich zuweilen in einer Gestalt, die gar nichts Menschliches an sich hatte, wie besonders jener Engel, welcher Moses im flammenden Dornbusch, und später den Israeliten in der Gestalt einer Wolke erschienen ist. Der Psalmist sagt auch in Psalm 103 v. 4, Gott bediene sich der Engel zur Bewerkstelligung seines Willens wie eines sanften Windes, und wie eines brennenden Feuers.
Desgleichen werden die Cherubim, von welchen oft in der Heiligen Schrift berichtet wird, und nach der Redensart derselben in Ezechiel Kap. 1 der Majestät Gottes bei dem Thron dienen, wie die Sinnbilder der alten Ägypter, als halbe Tiere und halbe Menschen mit Adlerflügeln, Ochsenfüßen, und verschiedenen Angesichtern eines Menschen, eines Ochsen, Löwen und Adlers vorgestellt. Zwei ihrer Flügel waren ausgebreitet, zwei andere bedeckten den ganzen Leib, und mit zwei flogen sie. Sie waren brennend und schimmernd wie feurige Kohlen, wie flammende Fackeln und wie der Donnerblitz, und folglich schrecklich anzusehen. Der Engel, welcher Daniel in Dan. Kap. 10 v. 5 erschienen ist, hatte die Gestalt eines Menschen in einem leinenen Gewand mit einem Gürtel um die Lenden von feinsten Gold. Der Leib glänzte wie ein Chrysolithstein, das Angesicht wie ein Blitz, die Augen wie eine brennende Fackel, und die Arme und der ganze übrige Leib abwärts wie feuriges geschmolzenes Erz. Und seine Stimme war wie das Lärmen eines ganzen Schwarmes von Menschen, die reden oder schreien. Die vier Tiere, die Johannes in Apok. Kap. 4 v. 7 um den Thron Gottes sah, welche ohne Zweifel Engel waren, schienen von hinten und vorne mit Augen überzogen: Das erste hatte die Gestalt eines Löwen, das andere eines Ochsen, das dritte eines Menschen, und das vierte eines fliegenden Adlers, jedes derselben hatte sechs Flügel, und sie riefen Tag und Nacht ohne Unterlaß: „Heilig, heilig, heilig ist der allmächtige Gott etc.“ Der Engel, welcher in Gen. Kap. 3 v. 24 vor den Eingang des irdischen Paradieses gestellt worden ist, war mit einem flammenden Schwert bewaffnet. Auch derjenige, welcher Balaam erschienen ist und ihn samt seiner Eselin zu töten gedroht hat, ferner derjenige, der vor Jericho mit Josua geredet hat, und der Strafengel, welcher in 1. Chron. Kap. 21 v. 16 David erschienen ist, waren gleichfalls bewaffnet. Der Erzengel Raphael, welcher den jungen Tobias nach Rages begleitet hat, hatte die Gestalt eines Reisenden oder Wandersmannes. Der Engel, der sich den heiligen Frauen in Matth. Kap. 28 v. 3 gezeigt hat und den großen Stein vom Grabe gewälzt und sich sofort darauf gesetzt hat, glänzte im Angesicht wie ein Blitz und sein Gewand war weiß wie Schnee. Der Engel, welcher in Apostelg, Kap. 5 die Apostel aus der Gefangenschaft befreit und ihnen gesagt hat, sie sollten Christus unerschrocken im Tempel predigen, hatte eine menschliche Gestalt. Diese Befreiung war auch durchaus übernatürlich und ein offenbares Wunder; denn die, welche von den Hohepriestern abgeordnet worden waren, um die gefangenen Apostel vor ihr Gericht zu führen, fanden die Türen der Gefängnisse bestens verschlossen, die Mannschaft, welche die Gefangenen beobachten sollte, wachend; die Gefängnisse aber leer. Wie nun hat der Engel, ohne die Türen zu öffnen oder zu zerbrechen, ohne daß die Wachmannschaft und der Kerkermeister dieses bemerkten, wahre lebendige Menschen aus dem Gefängnis bringen können? Die Sache übersteigt alle Kräfte der Natur.
Aber sie ist ebenso möglich, wie es möglich war, daß Christus mit einem wahren Leib von Fleisch und Gebeinen, wie er in Matth. Kap. 28 und Joh. Kap. 19 selbst bezeugte, durch den verschlossenen Felsen des Grabes, und desweiteren durch die verschlossene Tür des Zimmers, wo die Apostel versammelt waren, hat kommen können, ohne an irgendeinem Ort etwas zu öffnen oder zu zerbrechen oder die Versiegelung des Grabes zu verletzen; auch mit den zwei Aposteln, die in Luk. Kap. 23 nach Emmaus gingen, unterwegs hat reden, sich ihnen zu erkennen geben, daraufhin aber verschwinden und sich unsichtbar machen können, und während der 40 Tage, die er noch auf Erden blieb, den Jüngern erscheinen und mit ihnen reden und speisen können.
Der Engel des Herrn erschien Cornelius, dem zwar heidnischen, doch gottesfürchtigen Hauptmann, redete mit demselben, antwortete auf seine Fragen, und offenbarte ihm verborgene und künftige Dinge, die alle durch den Erfolg wahr gemacht wurden. Zuweilen geben sich die Engel auch, ohne eine sichtbare Gestalt an sich zu nehmen, ihre Gegenwart durch eine wahrnehmbare Stimme, durch Einsprechungen, durch spürbare Wirkungen, durch Traumgesichter, durch die Offenbarung verborgener künftiger, oder vergangener Dinge, zuweilen mit Verfinsterung, Verblendung und Verstockung derer, die Gott strafen will, zu bemerken. So nämlich bezeugt die Schrift in Deuter. Kap. 4 v. 15 die Israeliten haben zu der Zeit, als Gott auf dem Berg Horeb zu Moses redete und demselben das Gesetz erteilte, weder eine deutliche Stimme gehört, noch irgendeine Gestalt gesehen:
Non vidistis aliquam similitudinem indi, qua locutus est vobis dominus in horeb.
Desgleichen hat auch Balaam den Engel, der sich ihm unterwegs widersetzte, nicht gleich zu Anfang gesehen, und unter allen, welche zu jener Zeit mit Daniel Dan. Kap. 10 zusammen waren, hat keiner die Erscheinung des Engels Gabriel gesehen als er allein:
Viri, qui necum erant, non viderunt; sed terror nimius irruid super eos.
Als der Herr das erste mal mit Samuel redete, und demselben die Strafen offenbarte, die über das Haus des Hohepriesters Eli kommen sollen, sah der junge Prophet auch keine Gestalt, sondern hörte nur eine Stimme, und glaubte anfangs, es sei die Stimme des Hohepriesters: denn, so sagt die Schrift, war er zu jener Zeit noch nicht gewohnt, die Stimme Gottes und der Menschen voneinander zu unterscheiden. Anfangs sahen die Sodomiter die Engel, welche zu Loth kamen, in menschlicher Gestalt; später aber wurden sie von jenen so verblendet, daß sie die Haustür Loths, durch welche sie mit Gewalt eindringen wollten, nicht finden konnten.
Hieraus erhellt sich, daß die Engel nicht jederzeit in sichtbarer menschlicher Gestalt, auch nicht jedesmal auf gleiche Weise erscheinen, sondern ihre Gegenwart teils durch eine Stimme oder Einsprechung, durch die Offenbarung geheimer oder künftiger Dinge, teils durch andere wundersame übernatürliche Wirkungen zu erkennen geben.
Der heilige Cyprianus erzählt, als ein Bischof in Afrika zur Zeit der Verfolgung der Christen erkrankte, habe er inständig gebeten, man möchte ihm die heilige Wegzehrung reichen. Gleich darauf aber habe er einen Jüngling von majestätischer Gestalt mit funkelnden Augen und einem solchen Glanz, welchen menschliche Augen ohne Schrecken nicht hätten anschauen können, gesehen und sei doch darüber in keine Furcht geraten. Der Engel aber habe ihm auf eine zornige Art und gleichsam drohend gesagt: „Du fürchtest das Leiden! Du stirbst nicht gern. Was verlangst du, das ich dir tun solle?“ Wie nun der gute Bischof begriff, daß dieser Verweis ihn sowohl als die gewöhnlichen Christen, welche die Verfolgung und den Tod fürchteten, betreffe, so nahm er seine Kräfte zusammen, hielt eine Rede zu seinem Volk, ermahnte dasselbe zur Standhaftigkeit im Kampf der Verfolgung, die ihnen bevorstand, empfing daraufhin die heilige Kommunion und starb im Frieden. Dergleichen Erscheinungen der Engel unter menschlicher Gestalt finden sich in der Geschichte fast ohne Zahl.
8Brunnen des lebendigen Wassers: In der Offenbarung des Johannes als bildhafte Vorstellung des zum ewigen Leben bestimmten Menschen, welcher dieses aus Gnade, Zulassung oder Befehl Gottes erhält. Zu unserem Zwecke dienlich, insofern, man die Unsterblichkeit nicht nur als eine rein die Seele betreffende, sondern auch stofflich körperliche betrachten und so auch entfernt auf einen theologischen Standpunkt zum Vampirismus und der mit ihm einhergehenden Erscheinung der Vampire oder Plagegeister etc. ziehen kann.
In Betrachtung dessen, was wir nun aus den biblischen Büchern des Alten und Neuen Testaments angeführt haben, kann niemand zweifeln, daß die Juden, die Apostel, die ersten Christen, und ihre Jünger allgemein an die Erscheinungen der guten Engel geglaubt haben. Denn was die Sadduzäer betrifft, welche weder an die Engel, noch an die Erscheinungen derselben glaubten, wurden jene von den übrigen Juden als Ketzer angesehen. Christus hat sie auch selbst widerlegt und zuschanden gemacht. Die heutigen Juden glauben gleichsam dem Buchstaben nach, das, was in den Büchern des Alten Testaments von den Engeln und den Erscheinungen derselben enthalten ist. Es war auch zur Zeit Christi der allgemeine Glaube der Pharisäer und der Apostel, wie wir aus den Büchern des Neuen Testaments bewiesen haben.
Die Mohammedaner glauben ebenso wie die Juden und Christen, daß die guten Engel den Menschen zuweilen in menschlicher Gestalt erscheinen, und auf solche Weise dem Abraham und Loth, auch der Erzengel Gabriel dem Mohammed so erschienen sei, und ihm das, was im Koran enthalten ist, offenbart habe. Ferner glauben sie, die Geister, Dschinn genannt, seien von einer Mittelnatur zwischen der engelhaften und menschlichen, auch männlichen und weiblichen Geschlechts. Die vom männlichen Geschlecht, die von den Persern Dives genannt werden, seien böse, häßlich und schädlich, und bekriegen die sogenannten Peris vom weiblichen Geschlecht. Die jüdischen Rabbiner glauben, die Dschinn seien von Adam allein, ohne Zutun der Eva, oder eines anderen Weibes geboren, und diese Dschinn seien das, was wir Gespenster oder Poltergeister nennen.
Der Irrtum, daß die Engel Leiber haben, findet sich bei vielen alten Schreibern, welche sich durch ein Buch, welches den Titel Henoch führte, betrügen lassen, und jene Stelle in Gen. Kap. 6 v. 2, daß die Kinder Gottes, bei Erblickung der Töchter der Menschen, sich in die Schönheit derselben verliebt, jene geheiratet, und mit ihnen die Riesen gezeugt hätten, auf die Engel ausgelegt haben. Diese Meinung nahmen auch mehrere alte Kirchenväter an. Heutzutage aber glaubt dies aber niemand mehr, außer einigen Neuerern, welche den alten Irrtum, daß die Engel, Teufel, und die Seelen etwas Leibhaftiges seien, wieder aufgewärmt haben. Die christliche katholische Kirche hingegen hat jederzeit geglaubt, die Engel, Teufel, und Seelen seien pure Geister und ohne jegliche Materie.
Wenn man jenen einen Leib zueignen könnte, so wären freilich ihre Erscheinungen leichter zu begreifen und zu erklären, denn daß eine leibliche Wesenheit sich den Augen sichtbar mache, ist nicht so sehr zu verwundern, als von einem puren Geist. Jedoch kommt es hier nicht auf das Vernünfteln über einen philosophischen Zweifel an, über welchen man ohne Gefahr allerhand Meinungen und Mutmaßungen auszusinnen, und später der wahrscheinlichsten beizupflichten, und auf die etwaigen Einwürfe nach Gutdünken zu antworten, alle Freiheit hat; sondern die Frage ist hier schon beantwortet, der Zweifel schon aufgelöst: die Kirche, und die katholischen Schulen halten für etwas Gewisses und Unwidersprechliches, daß die Engel, Teufel, und abgeleibten Seelen pure Geister ohne alle Materie seien, und nichtsdestoweniger zuweilen aus Befehl oder Zulassung Gottes erscheinen. Und an dieses muß man sich auch halten. Die Art und Weise aber belangend, mit welcher solche Erscheinungen geschehen, muß man nach festgestellter Wahrheit, daß sie pure Geister ohne Materie seien, jene später der Lehre und Meinung der christlich-katholischen Religion gemäß auslegen, und erkennen, daß diese Sache den Begriff der natürlichen Vernunft übersteige, und man daher den Verstand unter den Gehorsam der Kirche gefangen geben muß, die sich weder irren, noch uns betrügen kann.
Von den Erscheinungen der Engel und Schutzengel haben wir in den biblischen Büchern des Alten und Neuen Testaments Zeugnisse der Menge nach. Vom heiligen Petrus ist bereits angeführt worden, daß, als er nach seiner wundersamen Befreiung aus seiner Gefangenschaft in Apostelg. Kap. 12 v. 15 an der Tür, wo die Gläubigen versammelt waren, anklopfte; diese geglaubt haben, es sei sein Schutzengel. Als Cornelius, der Hauptmann, in seinem Hause betete, erschien ihm Apostelg. 10 v. 2 ein Engel - vermutlich sein Schutzengel - und sagte ihm, er solle Petrus von Joppe zu sich rufen lassen. Der heilige Paulus gebietet in 1. Korinth. 11. Kap. v. 10 die Weiber sollen wegen der Engel nicht anders als [nur] mit bedecktem Angesicht bei der Versammlung der Gläubigen erscheinen, durch welche der heilige Apostel ohne Zweifel die Engel, welche den Versammlungen vorstanden, andeuten wollte. Eben dieser Apostel versicherte in Apostelg. Kap. 27 v. 21 denjenigen, die mit ihm in Gefahr des Schiffsbruchs waren, sein Schutzengel sei ihm erschienen, und habe ihn getröstet, es werde keiner von ihnen zugrunde gehen, sondern alle nach einem guten Hafen gelangen. Auch im Alten Testament finden wir verschiedene Erscheinungen der Engel, welche notwendig auf die Schutzengel verstanden werden müssen, gleichwie vom Engel, welcher wie oben erwähnt in Gen. Kap. 16 v. 7 der Hagar im Wald, und dem Abraham, als er eben seinen Sohn Isaak schlachten wollte, in Gen. Kap. 22 v. 11 und 17 erschienen ist, und von welchem Abraham später in Gen. Kap. 24 v. 7 bei Absendung Eliezers nach Mesopotamien gesprochen hat, Gott werde ihm seinen Engel mitsenden, und dieser alles nach seinem Wunsch richten. Dergleichen Beispiele des Alten Testaments von den Schutzengeln könnte man noch viele anführen. Aber die Sache erfordert keinen weiteren Beweis.
Ebenso häufig sind auch die Erscheinungen der Engel und Schutzengel im Neuen Testament, wie auch in den allerglaubhaftesten Geschichtsbeschreibungen. Es sind auch wenige Heilige, denen Gott nicht diese Gnade zugestanden hat. Namentlich kann man die heilige Franziska, eine adelige römische Matrone und Ordensstifterin aus dem 16. Jahrhundert n. Chr. anführen, mit welcher ihr Schutzengel in sichtbarer Gestalt geredet, und sie über alles unterrichtet hat.
Unter den alten Schreibern hat Jamblichos, ein Lehrjünger des Porphyrios92. Buch Kap. 3 und 4 am meisten, und zwar so von dieser Materie geschrieben, daß man, seinem Berichte nach, fast glauben sollte, er habe die engste Gemeinschaft mit solchen Geistern gehabt, und ihre Eigenschaften vollkommen gekannt. Er will behaupten, ihre Augen werden durch die Erscheinungen der Götter ergötzt; die Erscheinungen der Erzengel seien furchterregend, der übrigen Engel aber milder; die Erscheinungen der Teufel und Helden jagen Schrecken ein, die Erzengel, welche der Welt vorstehen, erwecken Leid, und erschrecken zugleich; die Erscheinungen der Seelen seien nicht gar so unangenehm als die der Helden, die Erscheinungen der Götter geschehen in ihrer Ordnung, und bringen Trost; die Erscheinungen der Teufel und Erzengel hingegen geschehen mit Getöse, Gepolter und Unordnung; wenn die Götter erscheinen, sagt er, so scheint, der Himmel, die Sonne, der Mond und die Sterne wollen zu nichts werden, und die Erde könne ihre Gegenwart nicht ertragen.
Wenn ein Erzengel erscheint, so verursache derselbe in einem Teil der Welt eine Erschütterung der Erde. Bevor er erscheine, sende er ein Licht, welches größer sei, als bei den Erscheinungen der Engel. Das Licht bei Erscheinung der Teufel sei noch kleiner, als das der Engel, und das Licht der Helden noch kleiner, als das der Teufel; die Erscheinungen der Götter führen ein sehr großes Licht mit sich, die Erscheinungen der Engel und Erzengel seien nicht so leuchtend, das Licht der Teufel sei dunkel, und das Licht der Helden noch finsterer. Die Archonten10, welche dem, was in der Welt am meisten glänzt, vorstehen, sagt er, sind leuchtend; diejenigen hingegen, welche über die materiellen Dinge gesetzt sind, sind finster, und wenn die Seelen sich sehen lassen, so sind sie wie ein Schatten etc.
Auf solche Weise setzt er seine Beschreibung von den Erscheinungen mit allen geringsten und recht verdrießlichen Umständen so fort, daß man fast glauben sollte, er sei in beständiger allervertraulichster Gemeinschaft mit den Göttern, Engeln, Teufeln und abgeleibten Seelen gewesen. Aber all solches war eine bloße Einbildung seinerseits: er wußte über diese Materie, welche über allen menschlichen Begriff ist, ebensowenig, wie ein anderer. Er hat niemals eine Erscheinung der Götter, der Helden, oder Archonten gesehen, man möchte denn sagen, es seien lauter Teufel gewesen, welche den Menschen zuweilen erscheinen. Der besagte Unterschied aber, den er zwischen jenen macht, ist ein bloßer Betrug.
Die alten heidnischen Griechen und Römer haben ebensowohl als die Juden und Christen an gute und böse Geister oder Genien geglaubt, deren erstere den Menschen Gutes tun, die anderen hingegen jene zum Bösen anreizen, und ins äußerste Unheil stürzen. Sie haben zumal darüberhinaus nicht nur jedem Menschen, sondern auch jedem Haus, jeder Stadt und Landschaft einen besonderen Genius, oder Schutzengel zugeeignet. So nämlich sagt der Poet Horaz111. Buch 7. Brief v. 94:
„Quod teper Genium, Dextramque Deosque Penates
Obscero et obtestor. Et Statius. 5. Buch Satiren 1 v. 73.
Dum cunctis supplex advolveris aris et mitem Genium Domini praesentis adoras:
Bei deinem Genius, der Schwurhand und sämtlichen Geistern des Hauses“ etc.
Sie hielten diese Genien für gute und guttätige, und darum auch verehrungswürdige Geister, die man anrufen solle, und stellten sie zuweilen unter der Gestalt einer Schlange, eines Kindes oder Jünglings dar, opferten ihnen auch Blumen, Weihrauch, Kuchen und Wein: Funde merum genio Perseus, Satiren 11 v. 2 Sie schworen auch beim Namen derselben:
„Villicus jurat per genium meum se omnia secisse: Der Mann schwört bei meinem Schutzgeist, er tue alles, etc.“ Seneca12 12. Brief.
Und durch den Genius des Kaisers falsch schwören, oder wider solchen Schwur handeln, wurde für ein fürchterliches Verbrechen gehalten:
Citius Apud vos per omnes Deos quam per genium caesaris pejuratur. Tertullian13
Apologeticum Kap. 23.
Man sieht auch auf den alten römischen Münzen gar vielfältig die Aufschrift: Genium populi romani14; und wenn man bei einer fremden Landschaft anlangte, mußte man den Genium derselben grüßen oder anbeten, und jenem Opfer verrichten. Ein Gleiches taten sie bei der Abreise aus einer Landschaft, und küßten aus Ehrerbietigkeit die Erde.
„Troja vale, rapimur, clamant, dant oscula terrae. Troades:
Troja wir müssen hinweg, leb wohl! So ruft der Troaden Schar, und sie küssen das Land und verlassen die rauchende Heimat.“ Ovid15, Metamorphosen 13. Buch v. 420.
Es war mit einem Wort, kein Reich oder Land, keine Provinz oder Stadt, kein Haus, kein Tor oder Tür, kein einfaches oder bürgerliches Gebäude, dem sie nicht seinen Genius zueigneten:
Quanquam cur genium romae mibi fingitis unum? Cum portis, domibus, termis, stabulis,
soleatis. Assicnare suos genios. Prudentius16 Contra Symachus.
Wir haben oben gesehen, was Jamblichos von den Erscheinungen der Götter, der Genien, der guten und bösen Engel, der Helden, und Archonten, welche der Welt vorstehen sollen, geschrieben hat. Auf gleiche Weise redet auch Homer17, einer der ältesten und berühmtesten, zudem in der Wissenschaft von den Göttern bestens erfahrener Schreiber der Heiden, von vielerlei Erscheinungen der Götter, der Helden und verstorbenen Menschen. So nämlich stellt er in seiner elften Odyssee gegen Ende Odysseus vor, wie er den Wahrsager Tyresias fragt; und nachdem Tyresias eine Grube mit Blut angefüllt hatte, damit er die Manes aus der anderen Welt lockte, da diese abgeleibten Seelen ihrer Einbildung nach sehr heftig nach Blut dürsteten; zog Odysseus den Degen, und trachtete die Manes vom Bluttrinken abzuhalten, bis sie das, was er zu wissen verlangte, offenbart
hätten. Sie glaubten auch, diese Seelen könnten keine Ruhe haben, sondern schwärmten, so lang ihre Leiber nicht begraben würden, beständig herum. Vergil18 Aeneis 6. Buch. Von Palittrus und Misenus.
Und nachdem auch ihre Leiber beerdigt waren, opferten sie denselben nichtsdestoweniger noch Speise und Trank, im Besonderen Honig, als ob sie wieder aus dem Grabe hervorkämen, und Nahrung suchten. Sie glaubten auch, die Teufel liebten den Rauch, und das Blut des geschlachteten Opferviehs, den Gesang, und die Gemeinschaft mit Weibern; sie seien dazu bestimmt, auf eine Zeit gewisse Orte oder Gebäude zu beunruhigen Heiliger Augustinus19, 15. Predigt. Vom Blute, und 5. Frage zum 5. Buch Mose. Ferner glaubten sie, nachdem die Seelen ihren schweren irdischen Leib verlassen haben, behalten sie einen leichteren und subtileren, fertigeren und edleren Leib von der nämlichen Gestalt des vorigen, und dieser zweite Leib sei glänzend und schimmernd wie die Sterne. Doch lieben sie in diesen Leibern noch alles, was sie zuvor im Leben geliebt haben, und lassen sich doch öfters um ihre Gräber herum sehen. Um nun all solches mit dem, was wir von den Erscheinungen der guten Engel angeführt haben, zu vergleichen, haben die Heiden, wie die Juden und Christen, jedem Reich, Land, Volk und Menschen einen Schutzengel oder guten Geist zugeeignet, jenen abergläubischerweise göttliche Ehre erwiesen, sie als Hausgötter angerufen, und ihnen Opfer von Weihrauch, Kuchen, Honig und Wein, jedoch keine blutigen Opfer von geschlachteten Tieren verrichtet:
Forsitan quis qua ered, quid causae sid, ut merum fundendum sid genio, non bostiam faciendam putaverint... scilicet, ut die natali munus annale genio solverent, manum a caede ac sanguine abstinerent.
Dan. Kap. 10 v. 13 sowie 21, Apostelg. Kap. 16 v. 9, Jos. Kap. 5 v. 13, Jos. Kap. 12 v. 1, Richt. Kap. 5 v. 9, Apok. Kap. 12 v. 7, Censorinus20, De die natali Kap. 2.
Die platonischen Weltweisen lehrten, die fleischlichen und wollüstigen Menschen können ihre Genien nicht sehen, weil ihr Geist nicht genug von den materiellen Dingen gereinigt sei; die mäßigen, tugendsamen Personen hingegen, welche sich auf die Weisheit verlegen, und hohen wichtigen Dingen mit Ernst nachsinnen, sehen ihre Genien oder Schutzengel; gleichwie der berühmte Weltweise Sokrates21 seinen Genien entweder mit den leiblichen oder den geistigen Augen gesehen, um Rat gefragt, gehört und sich von desselben habe unterrichten lassen.
Wenn übrigens die Orakel oder Götzensprüche der alten Griechen und anderer Völker, unter die Reihe der Erscheinungen der bösen Engel gezählt werden; so kann man jene mit bestem Recht auch den guten Engeln zueignen, welche künftige Dinge verkündet haben und den Propheten des alten und neuen Gesetzes beigestanden sind. So nämlich ist der heilige Erzengel Gabriel zu Daniel gesandt worden, Dan. Kap 8 v. 16, Kap. 9 v. 21, um ihn über die künftige Entstehung der vier großen Weltreiche, über die Erfüllung der siebzig Wochen der jüdischen Gefangenschaft und die Sendung des Messias etc. zu unterrichten. Der Prophet Zacharias sagt in Kap. 1 v. 9, 10, 13, 14, 19; und Kap. 2 v. 3, 4; Kap. 4 v. 1, 4, 5; Kap. 5 v. 5, 12. Der Engel, der in ihm rede, habe ihm offenbart, was er verkünden sollte, und dieses wiederholt er fünf bis sechs mal. Desgleichen sagt der heilige Johannes in seiner Offenbarung Apok. Kap. 1 v. 1 Gott habe ihm seinen Engel gesandt, damit er ihm eingebe, was er den Kirchen ankünden solle. In Kap. 10 v. 8 und Kap. 11 v. 1 berichtet er abermals von dem Engel, der mit ihm geredet und in seiner Gegenwart die himmlische Stadt Jerusalem abgemessen habe. Auch der heilige Paulus beruft sich in Hebr. Kap. 2 v. 2 auf die Weissagungen der Engel;
si enim qui per angelos dictus est sermo, factus et firmus etc.
„Denn so das Wort festgeworden ist, daß durch die Engel geredet ist, und eine jegliche Übertretung und jeder Ungehorsam seinen rechten Lohn empfangen hat, etc.“
Er hält demnach aus allem bisher Angeführtem die Erscheinungen der guten Engel nicht nur für möglich, sondern auch für wirklich und sehr gewiß. Die Juden, Christen, Mohammedaner, die alten heidnischen Griechen, und Römer haben jene geglaubt, und die gedachten Engel haben ihre Gegenwart durch allerhand unwidersprechliche Beweise zu erkennen gegeben. Wie aber diese ausgelegt werden können; gedenken wir an anderer Stelle zu erklären.
9Porphyrios: trug eigentlich den Namen Malchos. Ein neuplatonischer Philosoph und Lehrer des Jamblichos. Geboren 223 n. Chr. in Syrien, gest. 304 in Rom, begann er in Athen ein Studium der Philosophie und wurde 263 in Rom ein Schüler Plotins. Seine Lehren umfaßten in erster Linie eine strenge Askese unter Enthaltung aller tierischen Nahrung aus Gründen der Religion.
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