Gen B89 - Teil 2 - Delia Konzi - E-Book

Gen B89 - Teil 2 E-Book

Delia Konzi

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Beschreibung

Das Ende soll ein Neuanfang sein, in Form einer viralen Atombombe. Es herrschen Wahnsinn, Angst und Verzweiflung. Das Gen B89 scheint die einzige Hoffnung zu sein, die der Weltbevölkerung noch bleibt, doch gleichzeitig stellt es auch ein Problem dar. Denn ohne das Gen B89 würde vielleicht alles ganz anders aussehen … Giro trägt dieses Gen in seiner DNS, und er muss nun versuchen, zusammen mit seinen Verbündeten die Pläne des wahnsinnigen Adam Marlon Jones zu durchkreuzen. Die virale Atombombe darf auf keinen Fall gezündet werden - das wäre sonst das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Doch der Verrückte ist kaum zu stoppen! Wird die Menschheit gerettet … oder wird Giro an dieser Herausforderung zerbrechen?

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Seitenzahl: 662

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Kapitel 1 Ich will nicht mehr aufwachen

Kapitel 2 Der zweite Schreck

Kapitel 3 Der Kampf um die Autobatterie

Kapitel 4 Die Maus im Labyrinth

Kapitel 5 Hol mich zurück ins Leben

Kapitel 6 Wiederauferstehen ist niemals leicht

Kapitel 7 Wenn der Zufall so will

Kapitel 8 Wenn Missverständnisse aufkommen

Kapitel 9 Das (kranke) Spiel hat noch nicht mal begonnen, mein Freund

Kapitel 10 Der virale Ausbruch

Kapitel 11 Von der Eingebung zur Erkenntnis

Kapitel 12 Das Vermächtnis der Amigos

Kapitel 13 Der Zwischenhalt

Kapitel 14 Spontane Hitzewelle

Kapitel 15 Der Hexentanz endet, wo der Feuertanz anfängt.

Kapitel 16 Die Weiterentwicklung

Kapitel 17 Der Anfang der Mitte

Kapitel 18 Das gekoppelte Schicksal

Kapitel 19 Glück im Unglück gibt’s doch.

Kapitel 20 Selbstkontrolle kann man lernen

Kapitel 21 Die Phönixe finden dich

Kapitel 22 Egal, wie schmal der Pfad auch ist, ich nehme ihn

Kapitel 23 Wenn man aus der Asche wiederaufersteht

Kapitel 24 Der Urknalleffekt

Kapitel 25 Ich bin nicht, wer ich bin

Kapitel 26 Die Entscheidung

Kapitel 27 Im Käfig geht’s weiter

Kapitel 28 Leichter gesagt als getan

Kapitel 29 Draußen geht die Scheiße weiter

Kapitel 30 Wenn man am Ende alles zusammenfügt

Kapitel 31 Wer bin ich?

Kapitel 32 Ich spür dich

Kapitel 33 Die Welt der Reira

Kapitel 34 Nur zusammen sind wir stark

Kapitel 35 Die unerwünschte Unterbrechung

Kapitel 36 Ein Ab und Auf ohne Ende

Kapitel 37 Nun ist es zu spät

Kapitel 38 Der letzte Gedanke bleibt erhalten

Kapitel 39 Wiedersehen mit Zweifeln

Kapitel 40 Das Ende der Zeit

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2018 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99048-496-8

ISBN e-book: 978-3-99048-497-5

Lektorat: Dr. phil. Ursula Schneider

Umschlagfoto: Mario Rottweiler

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Kapitel 1 Ich will nicht mehr aufwachen

Der Kopf schmerzte, der Nacken war vollends steif, die Muskeln allesamt komplett verspannt. Die Bilder hatten sich wie so oft unwiderruflich in seinen Verstand eingebrannt. Schlafen. Nein, warum nur? Was war es, das ihn dazu gezwungen hatte? Ein Sturz über das Geländer, durchs Treppenhaus und dann der schmerzlich harte Aufprall auf den Terrakottafliesen im Flur. Dieses unwahrscheinlich widerliche Etwas hatte ihn unkontrolliert angegriffen und mit sich in die Tiefe gerissen. Was war das bloß? Jose etwa?! Oder hatte er sich die ganze Scheiße nur eingebildet und es war nur ein schrecklich übler Traum? Vielleicht lag er ja noch immer im Koma und durchlebte gerade eine Art Traumleben. Wenn auch hauptsächlich Albtraum, was jedoch kein Wunder war, denn er hatte schon sein ganzes Leben lang ausschließlich Albträume gehabt. Doch was nun? Wo steckte er fest? Dieses helle Licht da vor ihm blendete ihn grässlich. Es schien so hell und sendete dabei eine Art Wärme aus. Dies hatte wiederum etwas unbeschreiblich Anziehendes an sich. Ansonsten war dort nichts um ihn herum außer tiefster Dunkelheit. War er etwa …? Nein, oder?! Sollte er nun wie eine irre Motte in das warme Licht fliegen oder weiter in der Finsternis verharren? Die Entscheidung fiel ihm weiß Gott schwer, denn er traute dem Schein nicht wirklich. Doch dann, irgendwann, trat er schließlich doch einige Schritte vor. Aber das Licht schien so hell, dass es ihn gänzlich blendete. So hielt er sich gebannt die Hand vors Gesicht. In diesem Augenblick begriff er erst, dass dieses Licht noch kilometerweit entfernt sein musste und nicht wie zuvor gedacht nur einige Schritte vor ihm lag. Wo zum Teufel war er hier bloß gelandet? Und wie, verdammt, kam er hier wieder weg?! Während er dies dachte, ging er weiter auf das grelle Licht zu. Es war nicht nur unglaublich grell, sondern auch, Scheiße noch eins, verdammt heiß. War dies etwa der Eingang zur Hölle? Und wenn ja, musste man sich den Aufenthalt dort etwa auch noch durch einen langwierigen Todesmarsch erkämpfen? Noch während er sich dies fragte, bemerkte er, dass sein Shirt auf einmal Flammen fing. Er reagierte sogleich und zog es hektisch aus. Dann warf er es verwirrt auf den Boden, der so schwarz war, dass er wie das pure Nichts selbst aussah. Er ging sogleich einige Schritte zurück und sah zu, wie sein Shirt zu einem Häufchen schwarzer Asche verbrannte. Danach verschwand das Häufchen und schien zu einem Teil dieses absurden Ortes zu werden. Das konnte alles nicht real sein. So ein Irrsinn. Da – auf einmal ein Wispern aus der tiefsten Dunkelheit heraus.

Die Stimme flüsterte leise und scheinbar von allen Seiten her.

Stimme: „Lass dich nicht von dem Licht irreleiten.“

Was zum Teufel dachte er sich, während er verwirrt um sich blickte, nun höre ich auch noch Stimmen. Ich muss zum Arzt, falls es hier überhaupt einen gibt und ich noch lebe. Da – ein weiteres Wispern aus der Dunkelheit heraus. Diesmal lauter und intensiver.

„Giro, halte inne! Ich bitte dich!“

Da wurde es ihm schlagartig klar, denn er kannte diese Stimme nur zu gut. Woraufhin er erschrocken und verdutzt zugleich sagte:

„Dong! Was zum … Wo steckst du? Wo zum Teufel sind wir hier? Was geht hier bloß vor sich?“

Giro schien kurz davor zu sein, völlig durchzudrehen, und er zweifelte an seinem Verstand. Denn auch wenn dies alles nur ein Traum sein sollte, war dieser doch ziemlich besorgniserregend und nicht mehr normal. Da, wieder die Stimme von Dong, nun jedoch nicht mehr wispernd, sondern klar und viel näher. Doch von seinem Großvater selbst war keine Spur zu sehen, nur seine Stimme, die nun zu ihm sagte:

„Nun beruhige dich erst mal, mein Junge.“

Da fing Giro auf einmal an, wie irre zu lachen. Dies schlug jedoch sofort um und er sagte aufgebracht zu der Stimme seines Großvaters, die scheinbar aus dem Nichts kam:

„Keine Ahnung, wo du gerade bist. Aber ich stecke hier im Nichts fest, mit Ausblick auf den Höllenschlund! Also warum sollte ich mich beruhigen? Oder ist dies hier nur ein echt übler Traum? Oh, bitte, lass mich einfach aufwachen!“

Es herrschte einen Moment pure Stille. Bis auf einmal wieder wie aus dem Nichts die Stimme von Dong drang.

„Höre auf, immer alles kontrollieren zu wollen. So funktioniert das einfach nicht im Leben. Manchmal muss man Dinge auch erst gedeihen lassen.“

Diese Worte ignorierte Giro jedoch und murmelte nur etwas ängstlich und verwirrt vor sich hin, um sich selbst ein wenig zu beruhigen:

„Das kann nur ein Traum sein … Ich … ich wache gleich auf … Es ist bald vorbei … Alles gut …“

Doch da drang wieder Dongs Stimme durch, die nun ein wenig energischer zu ihm sagte:

„Giro! Das hier ist kein Traum. Höre auf, an deinem Verstand zu zweifeln! Es ist, wie es ist!“

Da ging es völlig mit Giro durch und er rastete total aus. Wutentbrannt und wenig bei Verstand erwiderte er seinem Großvater:

„Es ist, wie es ist! Dein Ernst? So was würdest du niemals sagen! Das ist definitiv ein übler Traum. Also lass mich zufrieden und verzieh dich wieder! Auf deine blöden weisen Sprüche kann ich echt verzichten. Danke, Dong! Gerade kein Bedarf!“

Giro stampfte wütend auf den pechschwarzen Boden und ballte die Fäuste, nur war da nichts, das er hätte schlagen können. Da war einfach nichts, außer dem heißen und grellen Todesloch. Während seines Wutausbruchs sagte Dong auf einmal zu ihm mit überaus ruhiger Stimme:

„Deine Ehrlichkeit und vor allem dein Starrsinn sind einfach unglaublich. Nicht mal hier im Zwiespalt begreifst du, wie wichtig deine Aufgabe ist. Du musst fokussiert bleiben und darfst dich nicht von deinen Zweifeln blenden lassen. Du weißt, wie dein richtiger Weg aussieht. Also beschreite diesen auch.“

Giro schloss nur entnervt die Augen und atmete ein paar Mal sichtlich angespannt ein und aus. Danach schien er sich wieder ein wenig beruhigt zu haben, jedoch stand ihm die Angespanntheit noch deutlich ins Gesicht geschrieben. Als er seine Augen wieder öffnete, sagte er nur, wenig überzeugt und immer noch sehr abweisend, zu der Stimme seines Großvaters:

„Was?! Ich komm nicht mit! Was meinst du mit Zwiespalt? Und woher soll ich den richtigen Weg kennen? So ein Schwachsinn, den du da von dir gibst! Und warum sehe ich dich nicht, wenn dieser Ort hier wirklich real sein soll? Das ergibt doch alles keinerlei Sinn!“

Frustriert, jedoch gebannt auf eine Antwort wartend stand Giro nun da in tiefster Finsternis und vor ihm lag lediglich eine Art Kremierungsofen, anders konnte er dieses Phänomen, das sich ihm da bot, nicht benennen. Nach einer Weile der vollkommenen Stille endlich wieder die Stimme von Dong.

„Der Weg liegt direkt vor dir. Du musst ihn nur beschreiten. Lege deine Fesseln ab und befreie dich von deinen Zweifeln, dann wirst du den Zwiespalt überwinden können.“

Weise Worte, doch für Giro ergaben sie wenig Sinn. Er begriff gerade gar nichts mehr. Wo war er? Was war der Zwiespalt und von welchen Fesseln sprach sein Großvater? Er hielt sich verwirrt den Kopf. Es war einfach wieder mal zu viel des Guten. Einfach nur zu viel. Nachdem er die Worte seines Großvaters einen Moment lang hatte absacken lassen, sagte er, wie so oft eher ironisch:

„Keine Ahnung, was geschieht, wenn ich zurückgehe. Aber eines ist klar, wenn ich den Weg vor mir beschreite, verbrenne ich und werde zu einem Häufchen Asche wie mein T-Shirt. Also nein danke, ich verzichte gerne darauf. Ich bin ja vieles, aber nicht feuerfest. Und jetzt bitte ich dich, erkläre mir, was du mit Zwiespalt meinst und was für Fesseln? Denn wie gesagt, zurzeit trage ich noch nicht mal mehr ein Shirt, also was für Fesseln, bitteschön?“

Obwohl er nicht lange auf eine Antwort warten musste, kam es ihm in seiner Lage wie eine Ewigkeit vor und das Einzige, was er wollte, war weg von dort. Da sprach Dong wieder zu ihm und sagte, um Klarheit zu schaffen:

„Du befindest dich im Augenblick im Zwiespalt. Zwischen Leben und Tod. Im Moment liegt vor dir der Tod. Doch genauso liegt dort auch das Leben. Du selbst musst das Gewicht der Waage ändern, um am Ende zurückzukehren. Das Gewicht wieder ausgleichen und so auch deine Fesseln ablegen.“

Doch Giro begriff immer noch nicht, was dies alles zu bedeuten hatte, und war sichtlich noch verwirrter als zuvor. Also sagte er ziemlich entsetzt zu der Stimme seines Großvaters:

„Leben und Tod. Leben und Tod. Bedeutet das … Ich bin … Bin ich etwa gestorben? Ist es das, was du mir klarmachen willst? Und du? Bist du etwa auch … tot? Großvater, ich bitte dich, sprich klarer mit mir. Ich … Ich … Es ist gerade ein wenig zu viel für mich. Ich meine, eigentlich war es mir immer egal, ob ich lebe oder – na ja – nicht. Aber nun? Es ist so viel geschehen, ich … ich kann noch nicht sterben.“

In diesem Augenblick wurde das Licht vor ihm unsagbar hell und er wurde so stark geblendet, dass er gar nichts mehr sah außer Weiß. Dann ein lauter Knall, und als er seine Augen wieder öffnete, war aus dem unsagbar heißen Licht von zuvor ein blauer Schein geworden, der zu flimmern schien. Wie ein altes Video, das überblendet schien und über einen Projektor lief. In diesem Moment sprach Giro ein wenig verängstigt in die Dunkelheit:

„Was … Was war das? Was nun? Großvater, bist du noch hier?“

Während er fragend und verwirrt zugleich um sich blickte, erklang auf einmal die Stimme von Dong wieder, wobei sie Giro sichtlich erschreckte.

„Ich gratuliere dir. Du hast deine Fesseln abgelegt. Vor dir liegt nun das Leben. Nur eines noch, Giro. Wenn du zurück bist, dann suche deinen Bruder, er braucht dich. Und beschütze Naomi, sie ist äußerst wichtig. Und danke, dass du mich endlich nach all der Zeit wieder Großvater nennst. Dieses Wort aus deinem Munde werde ich nie vergessen, mein Junge.“

Dies klang für Giro wie ein Abschied für immer und er sagte sichtlich erschüttert:

„Was? Das Leben? Du meinst, ich gehe durch das blaue Lichtdings und dann lebe ich? Und du? Was ist mit dir?“

Dong antwortete nachdrücklich: „Ach Giro, ich bin doch schon weiter als du mit meiner Reise und von hier aus gibt es kein Zurück mehr, nur noch ein Voran. Es tut mir so leid. Aber so ist der Lauf des Lebens nun mal.“

Giro fragte traurig: „Sehe ich dich darum nicht? Wo bist du nur?“

Dong meinte nur friedlich: „Auf meiner Reise, und du musst auf deine. Nun kehre zurück. Du warst schon zu lange im Zwiespalt.“

Das musste Giro zuerst mal verdauen, bevor er seinem Großvater eine Antwort geben konnte, denn auch wenn er oft gefühlskalt tat, war er es in Wirklichkeit ganz und gar nicht. Es hatte ihn gerade sehr getroffen, vom Ableben seines Großvaters zu erfahren. Da verlor sogar die Tatsache, dass er gerade selbst zwischen Leben und Tod stand, an Gewicht. Also sagte er sehr erschüttert zu seinem Großvater:

„Ich kann also zurück und du bist unwiderruflich tot? Schwer zu begreifen, die ganze Sache hier. Ich kann dich nicht einfach durch das blaue Lichtdings mitnehmen?“

Dong meinte ernüchternd: „Es ist, wie es ist. Und nun gehe, sonst wirst du noch zu einem Paradoxon.“

Giro fragte leicht verwirrt: „Paradox, was???“

Dong antwortete: „Ein Widerspruch. Inexistent und doch existent, in etwa wie ein Schatten. Also gehe nun! Los!“

In den Augen von Giro war er schon sein Leben lang ein wandelnder Schatten. Jedoch klangen die Worte seines Großvaters ziemlich einschüchternd und wie ein harter Weckruf aus der Dunkelheit heraus. Also begab er sich, wenn auch mit zwiespältigen Gefühlen, in Richtung des blauen Lichtschimmers. Während er darauf zuging, wurde der Film immer klarer und er erkannte seinen leblosen Körper, liegend in einer modrigen Badewanne. Er ging, ohne weiter darüber nachzudenken, immer näher auf das zitternde und wackelnde Blaulichtbild zu. Da – auf einmal wie ein Flug durch tausend Wolken über tausend Meilen. Unter ihm einfach nichts und dann wie ein Schlag auf den Kopf und zurück. Was zum Teufel war das? War das real? Echt? Das konnte nicht sein. Oder hatte er nur zu viel getrunken und lag darum in der Badewanne? Vor allem – was war das für eine Badewanne und wo befand er sich? Kopf und Nacken schmerzten. Die Füße waren eingeschlafen und kribbelten beide wie irre. Aufstehen war eine wahre Pein, musste jedoch sein. Oh mein Gott, wo bin ich nur?, dachte er, entkräftet wie nach einem Marathonlauf durch die Dünen. Endlich stand er mit seinem Katerschädel wieder auf seinen noch immer schlafenden Füßen und wackligen Beinen. Das Badezimmer, in dem er sich befand, war schäbig und hatte kein Fenster. Es war ein Wunder, dass keine Kakerlaken Party feierten. Er war definitiv nicht mehr in der mediterranen Villa. Also wo war er? Und wie war er nur hierher gelangt in diese eklige Badewanne? „Ich bin ein Wolf, ich gebe niemals auf, auch wenn mein Marsch endlos sein sollte.“ Diese Worte gaben ihm stets Kraft. Sein Vater Jerome sprach sie zu ihm, wenn sie zusammen Falken jagten und mal wieder geduldig auf Beute warten mussten. Sie waren Wölfe und mussten geduldig bleiben, um an ihre Beute zu gelangen. Er lernte viel von seinem Vater. Auch wenn er nach dem Ableben seiner Eltern nicht gerne über sie sprach oder nachdachte, wusste er stets, was sie ihm alles mit auf den Weg gegeben hatten – außer den Sorgen versteht sich. Er hatte viel von ihnen gelernt und auch von ihrem Charakter sowie ihren Wertvorstellungen hatte er einiges mitbekommen. Dies wusste er nur zu gut, es war ihm stets bewusst. Doch was nun? Zuerst raus aus diesem Badezimmer, und zwar sofort! Egal, was hinter der vergilbten Tür war, es konnte nicht übler als seine zwiespältigen Gefühle oder dieses Badezimmer sein.

Kapitel 2 Der zweite Schreck

Raus aus dem schäbigen Loch, das ein Badezimmer sein sollte, rein in den nächsten dürftig wirkenden Raum. Dieser war nicht viel größer als das schäbige Badezimmer von gerade eben. Hier, in diesem Raum mit einem Doppelbett, einem alten Fernseher auf einer wackligen Kommode und einem modrigen Minibarkühlschrank wurde ihm klar, dass er sich höchstwahrscheinlich in einem verwanzten Hotelzimmer befand. Doch wo? Und wie war er bloß in aller Welt hierhergekommen? Wo waren Naomi und ihr nerviger Bruder Ruben hin? Er hatte einfach keine Ahnung und so setzte er sich, immer noch ziemlich belämmert, auf das eklig wirkende Bett. War sein Großvater wirklich gestorben und dies alles real? Diese Frage gab ihm gerade am meisten zu denken und beschäftigte ihn sehr. Es fühlte sich schließlich alles so real an, also war es das wohl auch. Oder? Als er da so in Gedanken versunken auf dem Bettrand saß, in dem schäbigen Hotelzimmer, war er mental komplett weggetreten. Auf einmal öffnete sich die Zimmertür. Es waren Naomi und ihr Bruder Ruben, die das düstere Zimmer betraten. Man hätte nun denken können, dass die beiden erfreut wären, ihn bei mehr oder weniger guter Gesundheit vorzufinden. Aber nein. Nach einem erschütternden Schrei von Naomi zog ihr Bruder eine Knarre und richtete diese sogleich angespannt auf Giros Gesicht. Dieser war zuerst ganz perplex, denn das hatte er beim besten Willen nicht erwartet. Was war bloß los? Warum reagierten die beiden so auf ihn? Hatte er ihnen etwas getan? Während er sie erstaunt ansah, stand er langsam auf und sagte dabei ruhig:

„Wow … Alles klar? Ich weiß zwar nicht, was ich euch getan habe, dass ihr gleich so wütend auf mich seid. Aber wir können es sicher auch in Ruhe klären. Kommt schon. Ich bitte euch.“

Die beiden sahen ihn einen Augenblick lang nur angespannt mit großen Augen an und es herrschte eine sehr unangenehme Stille in dem armseligen Hotelzimmer. Doch dann sagte Ruben mit rauer Stimme und immer noch gänzlich angespannt:

„Du bist tot! Was soll das hier?! Bist du einer von denen? Los, sag schon! Sonst schieße ich dir mitten in den Kopf!“

Giro verstand wie so oft die Welt nicht mehr und sah die beiden äußerst verdutzt an, während er gestresst antwortete:

„Was?! Nein, schieß mir bitte nicht in den Kopf! Scheiße, Mann, beruhigt euch doch mal! Ich war tot, sagst du? Das versteh ich nicht …“

Doch bevor er weitersprechen konnte, unterbrach ihn Naomi und sagte ziemlich hart zu ihm:

„Erklär du es uns doch besser! Schließlich bist du derjenige, der tot war, und nun hier steht, als ob nichts gewesen wäre, nicht wir!“

Sie sah äußerst wütend aus und irgendwie fand er das echt anziehend, was komisch war. Oder? Obwohl ihm der wütende Anblick seiner Liebsten gefiel, versuchte er, weiter einzulenken. Er wollte schließlich nicht noch mal sterben und in diesem Zwiespalt-Dings landen. Was hatte sein Großvater gesagt? Er würde zu einem Paraschatten oder so irgendwas. Sein Kopf tat so weh und nun dieses Dilemma. Als hätte er nicht schon genug abbekommen. Aber da musste er nun mal wieder durch. Es gab kein Entkommen aus dem ekligen Hotelzimmer. Na gut, weiter im Takt, dachte er sich und sagte, immer noch ruhig und beherrscht:

„Okay … Okay … Alles gut … Ich war anscheinend nicht so ganz tot. Juhu! Oder etwa nicht?! Ich meine, seid ihr nicht froh, dass ich noch lebe? Besonders du, Naomi?“

Er sah sie einen Augenblick lang gebannt an, und als ihm keiner eine Antwort gab, sagte er ziemlich hart und direkt:

„Na gut, wenn das so ist, erschießt mich! Aber bitte, wie du gesagt hast, in den Kopf, nicht dass ich euch am Ende nochmals erschrecke oder besser gesagt, heimsuche! Ach ja, ich vergaß, Buh!“

Während er seine zynischen Sätze sprach, sah er beide mit einem eher gleichgültigen Blick an. Auf einmal griff Naomi an den Lauf der Waffe, die ihr Bruder immer noch auf ihn gerichtet hielt, und schob sie zur Seite. Dabei sah sie Giro jedoch mit hartem Blick an und meinte dann einlenkend:

„Vielleicht hat er ja recht und war nicht wirklich tot. Vielleicht haben wir uns geirrt und er war nur gänzlich weggetreten.“

Doch Ruben erwiderte wenig begeistert:

„Das ist ein zu hohes Risiko! Ich finde, dies ist eine äußerst schlechte Entscheidung. Nur dass du’s weißt!“

Während er sprach, ließ er Giro keinen Augenblick aus den Augen und sein harter Blick hatte es in sich. Doch Giro blieb erstaunlich ruhig und sah die beiden immer noch scheinbar unbekümmert an, wobei er sich wieder auf den Rand des ekligen Bettes setzte, um seinen brummenden Schädel zu halten.

„Ihr gestattet hoffentlich, dass ich mich setze. Ich hab nämlich übelste Kopfschmerzen und mir tut so ziemlich jeder Muskel weh. Ich fühle mich, als würde ich direkt aus der Hölle kommen. Nicht falsch verstehen!“

Nach dem die beiden sich ein wenig beruhigt hatten, jedoch immer noch relativ angespannt blieben, setzten sie sich zusammen auf das hässliche Doppelbett und versuchten, ein klärendes Gespräch zu führen.

Giro meinte sichtlich enttäuscht: „Ihr freut euch echt kein bisschen, mich zu sehen, oder? Nach all der Scheiße noch mehr Scheiße und kein Ende in Sicht!“

Naomi antwortete aufgebracht: „Giro! Du warst tot und das nicht nur ein paar Stunden! Nein, zwei ganze Tage lang! Zumindest dachten wir das.“

Giro fragte nur zynisch. „Da habt ihr wohl ein wenig falsch gedacht, wie es aussieht, oder?“

Ruben beruhigte. „Alter, du kannst froh sein, dass du jetzt wiederauferstanden bist, denn wir wollten dich gerade bestatten oder besser gesagt, verbrennen! Du weißt schon – wegen der Seuche und so! Stell dir nur mal vor, du wärst auf dem Scheiterhaufen erwacht! Das wäre ziemlich uncool gewesen!“

Giro empfand dies als noch schockierender und sagte wütend und entsetzt: „Wie bitte? Ihr wolltet mich auf einem Scheiterhaufen verbrennen? Na danke! Ihr seid echt übel drauf, hätte ich nie von euch gedacht! Besonders nicht von dir, Naomi!“

Naomi wollte sogleich einlenken und meinte beinahe beschwichtigend: „Nein, so ist das nicht …“

Giro sah sie seltsam an und fragte nur grimmig: „Ihr wolltet mich doch nicht verbrennen, oder wie?“

Ruben warf sogleich unsanft ein: „Oh doch, das wollten wir! Wir haben vorhin gerade den Scheiterhaufen vorbereitet, um dich … Na ja …“

Naomi sah ihren Bruder genervt an und sagte zickig: „Ach Ruben, halt doch einfach die Klappe! Giro, du musst wissen, in den zwei Tagen ist viel geschehen.“

Giro verschränkte die Arme und sagte rau: „Na, dann erzähl mir doch mal, wie wir hier an diesem Punkt angelangt sind. Ich bin ganz Ohr.“

Naomi versuchte, sogleich zu erklären. „Also gut, es begann alles mit Jose und deinem schweren Sturz. Ich weiß nicht, an wie viel du dich erinnern kannst …“

Giro meinte grob: „Ja, ich kann mich schmerzlich daran erinnern. Dein toller Bruder hat ihm den Schädel weggepustet und dann Blackout.“

Ruben fühlte sich ziemlich angegriffen und erwiderte impulsiv: „Hey, immer langsam! Ich hab dir damit schließlich den Arsch gerettet und dazu kommt, er war mein Vater!“

Giro sah ihn nur genervt an und meinte ziemlich gleichgültig: „Ja, ich sagte ja, du bist ein ganz toller Kerl. Und jetzt komm runter!“

Bevor Ruben ihm darauf eine andere Antwort geben konnte als seinen funkelnden Blick, lenkte Naomi ein wie meist. „Ihr solltet euch beide wieder einkriegen!“

Sie erzählte ihm dann, was nach seinem Zusammenbruch in den letzten zwei Tagen geschehen war. Nachdem er das Bewusstsein verloren hatte, waren Naomi und ihr Bruder mit ihm zusammen im Gepäck aus der Villa geflohen. Als er nach einigen Stunden immer noch keinerlei Anstalten machte, wieder zu Bewusstsein zu kommen, entschlossen sich die beiden, mit ihm ein Krankenhaus aufzusuchen. Dies taten sie dann auch und fuhren in eine Notaufnahme in Las Vegas. Dort wurde er auch sogleich untersucht, wobei man den Lotox-Virus bei ihm feststellte. Die Ärzte meinten, er sei infiziert und müsse in Quarantäne. Doch Naomi und ihr Bruder wussten, was dies bedeutete, nämlich den Tod. Die Infizierten wurden beseitigt, so war das nun mal, um die schreckliche Epidemie einzudämmen, denn ein Heilmittel gab es nicht, zumindest noch nicht. So entschlossen sie sich, ihn wieder da rauszuholen, was ihnen auch gelang. Sie brachten ihn dann in dieses verlassene Hotel außerhalb der riesigen Stadt. Doch dann, kurz nachdem sie das Hotel erreicht hatten, hörte er ohne offensichtlichen Grund einfach auf zu atmen und sie dachten, er sei tatsächlich dem Lotox-Virus erlegen. Als dann auch noch sein T-Shirt in Flammen aufging und sie merkten, dass sein lebloser Körper förmlich glühte, legten sie ihn in die Badewanne. Doch die beiden wussten, was mit ihm geschehen würde, wenn er wirklich das Lotox-Virus hätte. Es würde langsam die Kontrolle über seinen Körper übernehmen und sich wie ein Pilz in ihm ausbreiten, bis er unkontrolliert auf eine Art Beutesuche gehen würde, um das Virus so zu verbreiten. Diese Krankheit war einfach anders und unwahrscheinlich schrecklich. Da Naomi nicht zusehen wollte, wie er ein Monster wurde, beschloss ihr Bruder, eine Art Feuerbestattung in der Wüste abzuhalten. Also nicht wirklich ein Scheiterhaufen. Trotzdem gefiel Giro diese Vorstellung überhaupt nicht, auf einem Haufen Holz zu brennen, bis nur noch Knochen, Zähne und ein Häufchen Asche übrig blieb. Wer möchte dies schon, außer vielleicht einer Bratwurst, doch die hätte nie jemand danach gefragt. Dies waren also die Ereignisse, die zu dieser Situation geführt hatten, und Giro verstand nun ihre Beweggründe sowie ihre Reaktion auf sein Wiedererwachen ein wenig besser. Doch was nun? Wie sollten sie weiter vorgehen, um an ihr Ziel Alaska zu gelangen und dabei auch noch gleichzeitig der Seuche zu entrinnen? Keiner wusste, wie es dazu gekommen war, denn seit dem Regenschauer tauchten immer mehr Infizierte auf. Die meisten waren frisch infiziert und mussten sich irgendwie anders angesteckt haben als die Ersten, die sich über den Regen infiziert hatten. Doch wie? Ob nun bereits Infizierte oder etwas anderes dafür verantwortlich war, wusste keiner so recht zu diesem Zeitpunkt. Doch eines war klar, Infizierte waren dem Tod geweiht und danach sollte man sie am besten verbrennen, denn sonst kämen sie zurück, nur anders halt. Die unkontrolliert wandelnden Toten waren äußerst gefährlich und hoch ansteckend. Sie griffen Gesunde einfach an und rissen ihnen die Haut vom Leibe, während sie diese mit ihrem Schnodder volltrieften, um sie auch zu infizieren, einfach widerlich. Sie spürten nichts mehr, weder Schmerz noch sonstige Gefühle, denn der Mensch war schon tot. Es blieben nur noch der Virus und sein neues Zuhause, in dem es sich gemütlich einnistete. Doch Naomi verstand nicht, wie dies sein konnte, dass Giro trotz der Infizierung und seinem scheinbaren Tod nun vor ihnen saß. Wie konnte dies sein? Sie wusste zwar, dass er das Gen B89 in sich trug, doch er war tot und nicht nur das, sie hatte das Ergebnis im Krankenhaus selbst gesehen, es bestand kein Zweifel, dass er auch infiziert war. Aber auf diese Frage hatte auch Giro keine Antwort und er dachte, es sei momentan besser, wenn er den beiden nichts von seinem Aufenthalt im Zwiespalt erzählt. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass dies ein geeigneter Moment dafür wäre. Er hatte nämlich das Gefühl, dass Naomi trotz allem immer noch auf Abstand zu ihm ging. Dies fühlte sich sehr seltsam und ungewohnt an, denn für ihn war sie so ziemlich die einzige Person neben seinem Bruder Sunny, die er so nah an sich heranließ. Dazu kam, dass sie auch eine Beziehung auf romantischer Basis angefangen hatten und er dies wirklich sehr genoss. Sie war für ihn stets ein ganz besonderer Mensch gewesen und er hatte das Gefühl, das sie ihn verstand. Doch nun schien wieder mal alles auf der Kippe zu stehen. Aber er würde die Schrammen irgendwie kitten und diese Beziehung retten, denn er liebte diese Frau nun mal.

Als die drei schließlich nach all den Verzögerungen und unerwarteten Wendungen ihre Reise nach Alaska richtig angehen wollten, mussten sie ein weiteres Hindernis überwinden, weil Ruben das Licht des Wagens nicht ausgemacht hatte und nun die Batterie am Ende war – genauso wie die Nerven der drei. Anscheinend wollte irgendwer nicht, dass sie ihre Reise angingen, so schien es zumindest. Zwar kann es jedem mal passieren, dass er das Licht vergisst oder die Herdplatte anlässt. Jedoch kann dies in einigen Situationen zu großen Problemen führen, wie zum Beispiel einen Brand auslösen (Herdplatte). Doch in diesem besonderen Fall war das mit der Autobatterie fast schon schlimmer als ein Brand in der Küche. Na ja, zum Glück wussten die drei noch nichts von den riesigen Problemen, die sie bekommen würden, nur um an eine neue Autobatterie ranzukommen. Naomi war stinksauer auf ihren Bruder, was Giro wiederum gerade gelegen kam, da sie nun besser auf ihn zu sprechen war. Verstehe mal einer die Frauen, dachte er, aber gut, mir soll’s recht sein. Da sie sich ein ganzes Stück außerhalb von Las Vegas befanden und Ruben sagte, dass er beim Hinfahren einen Wal-Mart gesehen habe, der nur etwa 10 Kilometer von dem verlassenen Hotel entfernt gewesen sei, beschlossen sie, dort nach einer Autobatterie zu suchen. Ruben versicherte nämlich, die hätten dort alles, was man sich nur vorstellen könne. Was Giro nur belächeln konnte, denn er konnte sich so einiges vorstellen und war sich fast sicher, dass es die meisten Dinge davon dort bestimmt nicht gab. Gerade in diesem Augenblick stellte er sich eine Tüte vor, voll mit … ach, egal. Es hätte seinem Kopf bestimmt gutgetan und wahrscheinlich auch seinem momentan eher wirren Verstand. Doch dies war bestimmt eines der Dinge, die Wal-Mart nicht in seinem Sortiment führte. Aber ein guter Wodka und ein paar Aspirin halfen bestimmt auch. Die 10 Kilometer schienen echt lang und er war sichtlich ausgebrannt. So schlecht hatte er sich noch nie gefühlt, nicht mal, als er das erste Mal Schmerz spürte. Nein, dieses Gefühl war anders, irgendwie leer und kalt. Als wäre er immer noch ein Toter. Es dämmerte schon, als sie den Wal-Mart fast erreicht hatten, er war schon gut zu erkennen. Trotz der sinkenden Sonne blieb die Temperatur konstant und es war sehr schwül. Es herrschten 40 °C und dies so gut wie durchgehend, kaum erträglich ohne Brise. Die Luft war erdrückend und stickig zugleich, mit all dem Sandstaub der Wüste dazu. Alle schwitzten und litten sichtlich unter der brütenden Hitze außer einem, Giro. Dieser hatte eher mit Schüttelfrost zu kämpfen und griff sich aus dem Wagen noch schnell seine Trainerjacke, bevor sie loszogen. Aber trotz seiner langärmligen Jacke und der brütenden Hitze fror er, wobei seine Lippen schon bläulich anliefen. Er versuchte jedoch, dies vor Naomi und ihrem Bruder Ruben zu verbergen, denn er wollte sie nicht nochmals aufschrecken. Er selbst fand dies ja schon ziemlich beunruhigend, was hätten erst die beiden davon gehalten? Er wollte dies lieber nicht herausfinden.

Kapitel 3 Der Kampf um die Autobatterie

Endlich war das riesen Ladengeschäft erreicht. Jetzt nur noch den viel zu großen Parkplatz überqueren, um dann durch die Schiebetür zu wandeln. Das Geschäft war trotz der Seuche gut besucht und die Menschen schienen sich auf eine Art Apokalypse vorzubereiten, was wiederum an der Seuche lag. Dosenfraß und Batterien waren nun eher Mangelware. Genauso waren auch die Getränkeregale ausgeräumt und außer Orangenwasser und Tomatensaft war so gut wie alles ausverkauft. Bäh, Orangenwasser, dachte sich Giro, während er eine Flasche griff, um seinen unsäglichen Durst zu stillen. Da sagte Naomi auf einmal.

„Hm … Orangenwasser, echt eklig …“

Dies konnte er nur mit einem entnervten Blick erwidern, woraufhin sie fortfuhr:

„Besser als nix, oder so. Aber es riecht bis hierher nach Orange. Als hätten wir Weihnachten, fehlen nur noch Zimt und ein Mistelzweig.“

Darauf entgegnete er ihr, eher genervt:

„Ja, hab’s kapiert! Es ist widerlich! Aber hier gibt’s ja anscheinend nix anderes außer dem Orangenscheiß oder der Tomatensoße. Ich wollte mir ja eine Bloody Mary mixen, aber mir fehlen Wodka, Tabasco und natürlich dieses eklige Fischsoßending von Sunny, um mir eine zusammenzumixen, also sorry, Lady!“

Dies brachte Naomi zum Lachen und sie erwiderte leicht amüsiert:

„Fischsoßending? Du meinst Worcestersoße! Du bist manchmal echt eine Nummer! Gib mir mal das Hammerdings da oder das Fleischklopfding, oder siehst du das Blumending dort …?“

Da unterbrach er sie jedoch jäh und antwortete selbstsicher:

„Äffst du mich etwa gerade nach? Du freches Stück! Aber gut, wenn es dich amüsiert, ruhig zu! Wenigstens bist du ehrlich und erzählst nicht irgendwelche Märchen wie dein Bruder.“

Ruben, der gerade aus einem Regal etwas herauskramte, sah ein wenig verdutzt hoch, da er in der Hocke saß, und meinte dann, während er Giro scheinbar starr mit seinen dunklen Augen fixierte:

„Was? Hast du mich etwa gerade einen Lügner genannt?! Was ist dein Problem, Alter? Die ganze Zeit schon stichelst du gegen mich. Ich hab’s langsam echt satt. Eigentlich solltest du dankbar sein, Arschloch!“

Er erhob sich wütend aus der Hocke und baute sich vor Giro auf. Er war ein ziemlich gut durchtrainierter und vor allem auch ein großer Kerl. Jetzt gerade wirkte er ziemlich wütend und einschüchternd. Na ja, Giro sah eher wenig bekümmert aus. Naomi hingegen sagte gleich sichtlich angespannt:

„Wow … Ruben, beruhige dich wieder! Was soll das hier? Giro hat das bestimmt nicht so gemeint. Er … Er ist manchmal ein wenig sarkastisch, das ist jedoch kein Grund, so aufzudrehen!“

Ruben stand währenddessen immer noch vor Giro und sah ihn vernichtend von oben herab an. Da sagte Giro auf einmal, immer noch scheinbar wenig bekümmert:

„Nein, schon gut, Naomi. Lass ihn nur. Er fühlt sich wahrscheinlich nur in seiner Ehre gekränkt. Oder, Ruben, hab ich recht?“

Warum tat Giro dies wieder? Er provozierte. Konnte dies gut ausgehen? Ruben war nicht dumm und auch nicht schwach. Er hatte schließlich in der Armee gedient und dort eine Spezialausbildung genossen. Doch Giro war wieder mal egal, was er konnte oder wie stark er war. Bei solchen Dingen war er furchtlos. Gerade jetzt fand er die Vorstellung, sich zu prügeln, gar nicht mal so übel. Warum nicht mit Ruben? Dieser war wenigstens ein echter Gegner und Naomi würde es schon verkraften. Die Sticheleien zeigten auch Wirkung und Ruben hätte ihm eine runtergehauen, wenn Naomi sich nicht vor Giro gestellt hätte, wobei sie die Arme hochhielt und gestresst forderte:

„Fertig jetzt! Aufhören, und zwar sofort! Ihr Idioten!“

Ruben war immer noch auf 180 und sagte äußerst aufgebracht zu seiner Schwester:

„Wenn hier einer ein Idiot ist, dann dein dämlicher Freund! Ein richtiger Vollidiot!“

Giro schüttelte nur mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht den Kopf. Naomi entgegnete dagegen sichtlich entnervt:

„Ja, das ist er! Ein provozierender Vollidiot! Aber du bist nicht besser, denn du steigst voll drauf ein! Also seid ihr beide Vollidioten! Und da wir dies nun geklärt hätten, können wir uns endlich wieder der eigentlichen Sache zuwenden und diese blöde Autobatterie besorgen, wegen der wir schließlich auch hier sind!“

Ohne auf eine Antwort zu warten, lief sie den beiden Männern davon. Diese sahen sich noch einen Moment verbittert an, bevor sie ihr nachfolgten. Der Wal-Mart war echt riesig und äußerst chaotisch, da die Leute die Regale regelrecht in einem Zuge leerräumten. Endlich war die Bau- und Elektroabteilung erreicht. Nun mussten sie nur noch zwischen den vielen riesigen Regalen das Autozubehör finden. Easy, kein Stress, oder? Ruben frohlockte auf einmal, während er freudig eines der Regale ansteuerte.

„Hier! Sind zwar nicht mehr viele übrig, aber eine reicht uns ja zum Glück!“

Er griff sich eine Autobatterien. Doch als er sie in den Händen hielt, meinte Giro besserwisserisch von der Seite:

„Dein Ernst? Die ist viel zu klein! Oder hab ich was verpasst, du Genie?“

Man sah förmlich, wie die Wut in Ruben hochkochte. Seine Augen schienen zu brennen und er ließ sogleich die Batterie fallen, um sich wütend auf Giro zu stürzen. Wow, der Kerl ist stark, dachte sich Giro, während er mit Ruben durchs Regal flog, um schmerzlich auf dem Linoleumboden des Hauptganges zu landen. Doch Ruben war in diesem Augenblick wie ein wütender Stier, der nur noch Rot sah. Einige Leute erschraken, denn die beiden rissen alles mit sich und machten einen Heidenlärm. Wie peinlich, dachte Naomi. Doch als Ruben sich über Giro aufbaute, um ihm noch eine zu verpassen, ertönte auf einmal lauter Alarm. Er erschreckte nicht nur die beiden Männer, sondern auch alle anderen Leute, die den Kämpfenden zugesehen hatten. Nun sahen alle erschrocken hoch und fragten sich, was da durch den Raum hallte. Doch dann brach Panik aus, alle rannten zum Ausgang. Aber die Türen gingen nicht auf. Lautes Geschrei drang durch das Ladengeschäft. Auf einmal rief Naomi gestresst zu den beiden verdutzten Männern:

„Was ist hier los?! Steht doch endlich wieder auf!“

Daraufhin gingen sie auch vor zu den verschlossenen Türen, wo sich die Menschenmasse nun panisch staute. Was war passiert? Brannte es etwa? Und warum waren die Türen verschlossen? Was ging hier vor? Sie sollten es schon bald schmerzlich erfahren, und zwar alle.

Plötzlich eine Männerstimme, die über die Lautsprecher zu der verängstigten Menschenmenge sprach.

„Guten Abend, meine geschätzte Kundschaft! Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass unser Laden heute früher schließt und alle Kunden, die noch hier sind, nun an einer überraschenden sowie unfreiwilligen Marktumfrage teilnehmen. Wir bitten Sie, Ruhe zu bewahren, das Gas wird bald eingeleitet.“ (Es folgte ein böses Lachen.)

Das Gas? Was war das für eine seltsame Durchsage? Nach dieser waren die Leute noch aufgebrachter und das Chaos ging erst richtig los. Die armen Mitarbeiter, die selbst ahnungslos schienen, wurden nun regelrecht auseinandergenommen und mussten vor den wütenden Kunden fliehen. Nur wohin? Einige versuchten, mit den Einkaufswagen die Scheiben des Geschäfts einzuschlagen, jedoch ohne Erfolg. Sie waren einfach zu dick und stabil. Auf einmal zerbrachen die Dachfenster. Aber nicht einfach so, denn sie zerbrachen alle gleichzeitig. Was war hier bloß los? Plötzlich sagte Ruben, der gebannt wie alle in jenem Moment nach oben starrte:

„Hat der Kerl gerade nicht was von Gas gesagt?“

Naomi sah ihn nur verdutzt an und antwortete dann mit eher seltsamer Stimmlage. „Ja, warum meinst du?!“

Ruben entgegnete erschrocken, aber überzeugt: „Das kenne ich vom Militär! Die werden uns hier drin allesamt vergasen!“

Naomi wurde kreidebleich. „Was?! Wie bitte? Nicht dein Ernst gerade! Wir müssen hier raus!“

Da sah sie, dass Giro einfach davonlief, und rief angstvoll:

„Giro, wo gehst du hin? Wir müssen raus hier! Hast du nicht gehört, was Ruben gerade gesagt hat?“

Doch dieser drehte sich nicht um und rief nur zurück:

„Hab ich! Und wenn das wirklich das Militär sein sollte, dann kommen wir hier nicht raus. Ich frag einen der Mitarbeiter, wo sie hier Atemmasken haben! Dein Bruder sagte schließlich, dass die hier alles führen, also …“

Ruben sah seine Schwester nur mit großen Augen an, wobei diese zu ihm sagte:

„Was ist? Klingt doch gar nicht mal so dämlich.“

Dabei zuckte sie mit beiden Schultern. Giro kämpfte sich gerade durch die aufgebrachte Menge und versuchte, einen Mitarbeiter zu erwischen, was echt nicht einfach war in dieser Situation. Die meisten waren ziemlich verstört. Einige wurden gerade verprügelt, andere versuchten, sich irgendwie zu retten. Doch Giro hatte vorhin einen gesehen, der sich, schon bevor die Sache eskalierte, verkrümeln konnte. Doch zum Leidwesen von Giro war dessen Versteck in der riesen Getränkekühltruhe, die so gut wie leer war, außer dem Orangenwasser. Der war dort hinein durch eine der Türen verschwunden. Warum nur?, dachte sich Giro, der so schon an Schüttelfrost litt. Na gut, Zähne zusammenbeißen und rein da. Kalt und eng war es hier, aber es gab nichts Anständiges zu saufen. Doch dort sah er den jungen Verkäufer in der Ecke hocken mit dem Smartphone in Händen und schlotternd wegen der Kälte. Dieser erschrak fürchterlich, als er Giro sah, und sagte ängstlich:

„Bitte tu mir nichts! Ich kann nichts dafür! Okay? Gar nichts!“

Doch Giro sah ihn nur an und sagte ganz unbekümmert zu ihm:

„In welchem Gang finde ich hier Atemmasken?“

Der junge, afroamerikanische Verkäufer sah ihn einen Augenblick verdutzt an, bevor er verwundert fragte:

„Wie bitte? Atemmasken?“

Giro bestätigte, ebenfalls schlotternd vor Kälte.

„Atemmasken, ja. Also wo finde ich die Dinger?“

Der Verkäufer antwortete sogleich, immer noch ängstlich wirkend: „Gang 16!“

Während Giro schon wieder halb aus der Kühltruhe raus war, empfahl er dem Jungen noch:

„Gutes Versteck! Wenn ich du wäre, würde ich da drin bleiben!“

Nun nichts wie weg zu Gang 16 und Naomi nicht vergessen. Scheiße – ist der Laden groß! Ein Roller wäre gerade praktisch. Wie viel Zeit blieb ihnen überhaupt noch, bevor das Gas kam? Giro rannte so schnell er konnte zu Gang 16. Dann hektisches Durchsuchen der Regale. Scheiße, wo sind die Dinger nur? Da auf einmal die Stimme des Verkäufers. Was ist das? Warum trägt dieser Kerl nur Unterwäsche? Wo sind seine Arbeitsklamotten von vorhin? Egal, der Junge kramte eine Kiste mit – wer hätte es gedacht – Atemmasken heraus, dabei sagte er:

„Hier Sir! Dies sind alle Atemmasken, die wir hier haben!“

„Wie viele sind das? Habt ihr auch noch mehr davon auf Lager?“, wollte Giro wissen.

Der Verkäufer sah ihn verdutzt an, doch bevor er ihm antworten konnte, kamen auch schon Naomi und Ruben in den Gang gestürmt. Naomi fragte etwas verwirrt:

„Ähm, hast du sie gefunden?!“

Dann sah sie den halb nackten Verkäufer.

„Wer ist das?! Ich meine den Nackten da!“

Dies schien den Verkäufer etwas zu beschämen. Doch Giro meinte nur locker:

„Das ist ein Verkäufer. Ich glaube, er heißt Drak. Das stand zumindest auf seinem Hemd, bevor er es abgelegt hat. Warum, versteh ich auch nicht. Aber egal, denke ich. Wir haben andere Probleme als das. Die Atemmasken reichen nicht aus. Es sind zu wenige.“

Da mischte sich Ruben ein und sagte verständnislos zu Giro, während er sich eine davon griff:

„Wie viele sind das? Ein Dutzend etwa. Reicht doch. Da bleibt sogar noch eine für den nackten Verkäufer übrig!“

Giro sah ihn nur genervt an.

„Und die anderen Leute? Die Frauen und Kinder da vorne? Egal, die müssen jetzt halt reichen, da das Sortiment nicht mehr hergibt. Hier, Naomi, du nimmst eine und der nackte Verkäufer kriegt auch eine, weil er sie besorgt hat. Und du, Ruben, nimmst auch eine davon.“

Ruben sah ihn fragend an und meinte verdutzt:

„Was? Warum das? Und die Kinder?“

Da musste Giro schmunzeln.

„Für die reicht’s. Danach sollten sogar noch einige übrig bleiben. Wenn ich keine nehme und auch noch einige andere darauf verzichten, geht das gut. Und jemand muss schließlich auf Naomi aufpassen. Also nimm dir bitte auch eine Maske und verteile dann die restlichen. Aber denk daran: Frauen und Kinder zuerst. Wie bei der Feuerwehr oder einem sinkenden Schiff.“

Ruben sah ziemlich überrascht aus und griff sich dann eine der Masken sowie die Kiste, wobei er kleinlaut sagte:

„Okay, ist gut, mach ich.“

Giro war froh, dass er die Masken nicht selbst verteilen musste, sondern Ruben dies für ihn übernahm. Als dieser loseilte, sagte Naomi:

„Wenn ich dich nicht besser kennen würde, dann würde ich dich für verrückt halten.“

Giro antwortete mit genügend Nachdruck:

„Aber da du mich kennst, weißt du, dass ich es auch bin! Ja, schon klar! Aber jetzt zieh die Maske über! Wir wissen schließlich nicht, wann es so weit sein soll. Also mach schon!“

Dabei sah er sie mit ernstem Blick an. Doch sie warf die Maske zu Boden und meinte schnippisch:

„Nein! Wenn du keine trägst, trage ich auch keine! Ich lass dich nicht nochmals im Stich!“

Während sie so schnippisch tat, hob er hastig die Maske vom Boden auf und sagte dann sichtlich wütend:

„Für einen deiner seltsamen Wutanfälle haben wir jetzt wirklich keine Zeit! Ich meine es doch nur gut …“

Doch da unterbrach ihn der nackte Verkäufer Drak und sagte, zur Decke starrend:

„Hey, Leute, hört ihr das auch? Klingt das nicht wie …?“

Giro unterbrach ihn und rief, nun auch nach oben starrend:

„Helikopter! Zieht die Masken an! Schnell!“

Noch während er sprach, zog er Naomi hektisch und ein wenig grob die Maske übers Gesicht. Diese leistete nun keine große Gegenwehr mehr. Jedoch sah sie wenig glücklich aus. Da flogen auf einmal durch jedes der vielen Dachluken-Fenster granatenartige Dinger in den Raum. Sie gingen allesamt nacheinander hoch und entluden ihren Inhalt. Es war irgendeine Art von Gas und roch wie faule Eier und Katzenpisse zugleich. Echt übel. Während sich das Gas langsam verteilte, hielt Giro den Kopf von Naomi fest in seinen Armen und drückte sie an sich. Denn auch er hatte in jenen Moment Todesangst. Dazu kam, dass ihre Haare einfach wunderbar rochen und ihm so über den üblen Geruch des Gases hinweghalfen. Irgendwann hatte sich das Gas schließlich im gesamten Laden verteilt und dieser war wirklich groß. Das Gas hatte eine leicht violette Farbe, so was hatte er noch nie zuvor gesehen. Was würde nun mit ihm und den andern geschehen, die es eingeatmet hatten? Als sich der violette Schimmer und der eklige Geruch endlich wieder ein wenig verzogen hatten, herrschte nach den vielen panischen Schreien auf einmal ein Moment komplette Stille.

Da griff Giro Naomi am Handgelenk und sie gingen zusammen nach vorne zum Eingang. Da die Lichter alle aus waren und es schon fast 9.00 Uhr abends war, herrschte ziemliche Dunkelheit, was die Situation nicht besser machte. Der ängstliche Verkäufer folgte den beiden hastig nach und schien hinter ihnen förmlich Schutz zu suchen. Beim Eingang herrschte sichtlich Chaos und einige, die keine Maske trugen, lagen reglos auf dem Boden. Was war hier bloß los? Es sah aus wie auf einem Schlachtfeld. Einfach schrecklich.

Kapitel 4 Die Maus im Labyrinth

Am Eingang angekommen, herrschte noch immer pure Panik. Ruben stellte sich auf eine der Kassentresen und versuchte, irgendwie Ruhe reinzubringen. Einige rissen sich in der Panik die Masken vom Gesicht. Hier konnte man nichts mehr machen, dafür war es schon zu spät. Giro beschloss, Ruben da herunterzuholen. Doch dazu kam er nicht, denn auf einmal erklangen ein ätzendes Pfeifen aus den Lautsprechern und dann wieder diese Männerstimme. Wer war der Kerl? Giro kannte diese niederträchtige Stimme von irgendwoher. Doch von wo, wollte ihm einfach nicht einfallen. Die Lautsprecherstimme sagte dann wieder äußerst ruhig und sachlich, was echt widerlich war angesichts der Ereignisse:

„Die erste Phase wäre damit abgeschlossen. Ich bitte Sie um ein wenig Geduld, der zweite Vorgang ist sozusagen schon in Arbeit. Ich wünsche Ihnen allen noch viel Glück, was Sie auch brauchen werden angesichts Phase drei. Aber ich möchte Ihnen nicht zu viel verraten, denn Sie werden es schon früh genug erfahren. Und natürlich freue ich mich, dass Sie alle an unserer Marktumfrage teilgenommen haben, wenn auch unfreiwillig. Hiermit verlasse ich Sie. Und vergessen Sie nicht, Ihr Schicksal liegt ganz allein in Ihren Händen, geschätzte Kunden! Ihr Wal-Mart-Team!“ Es folgte wieder ein widerwärtiges Lachen und dann herrschte erneut Panik.

Da zupfte auf einmal Naomi an Giros Ärmel, und während sie ihn erschrocken ansah, sagte sie ein wenig unklar hallend durch ihre Maske hindurch: „Scheiße! Giro, deine Nase!“

Er sah sie nur fragend und verdutzt an. „Was?!“

Da strich sie ihm leicht mit dem Zeigefinger unter der Nase entlang und zeigte ihm den blutverschmierten Finger. „Du blutest und das ziemlich stark!“

Als er das begriff, nahm er sich einige Taschentücher von einem der Kassentresen. Während er ein paar Tücher in sein Gesicht drückte, sah er sich die Leblosen auf dem Boden an und musste dabei feststellen, dass alle ebenfalls stark aus ihren Nasen bluteten. Jedoch waren sie alle bewusstlos oder vielleicht sogar schon tot. Aber er selbst offensichtlich nicht. Er stand zumindest noch auf seinen Beinen. Doch er spürte einen seltsamen Schmerz in seinem Kopf und ihm war übel. Dazu kam, dass er alles wie besoffen sah. Doch er hatte mal wieder einen großen Vorteil, denn er sah so gut wie eine Katze im Dunkeln, wenn nicht sogar besser. Er nannte dies Grünlichphase, da er dann alles in einem grünbläulichen Spektrum wahrnahm und dies nur mit seinem einen grünen Auge. Da streckte ihm auf einmal in all der Hektik Naomi aufgeregt eine Atemmaske entgegen, wobei sie besorgt drängte: „Nimm schon! Nicht dass es noch schlimmer wird! Keine Sorge, die lag dort am Boden. Irgendeiner muss sie ausgezogen haben. Also braucht er sie auch nicht mehr. Los, nimm!“

Zuerst sah er sie nur an, denn er hatte das Zeug schließlich schon zur Genüge eingeatmet. Also was sollte ihm die Maske nun noch bringen? Aber vielleicht hatte sie ja recht und die Luft war immer noch voll mit dem Zeug. Es roch ja auch noch danach. Also griff er sich die Maske und zog sie über. Doch da stürmte auf einmal ein Irrer mit blutverschmiertem Gesicht auf Giro zu und brüllte wie ein Verrückter: „Das ist meine Maske! Gib sie mir zurück! Ich will nicht sterben!“

Als der Verrückte ihn schließlich erreicht hatte und wie ein Irrer nach seiner Maske griff, packte Giro sich den Fettsack und schmetterte sein Gesicht mit Schwung gegen die Kassentheke, die sich direkt neben ihm befand. Der Mann lag sogleich flach und war k. o. Da kam schon ein völlig hysterisches Weib angerannt. Während sie bei ihrem bewusstlosen und sichtlich kranken Mann hockte, sah sie Giro mit entrüstetem Blick an und sagte bitter zu ihm: „Oh mein Gott! Du hast meinen Mann umgebracht!“

Giro antwortete grob: „Der schläft nur! Seien Sie doch froh! Er hätte fast einen Herzkasper gemacht! Und im Übrigen, er hat mich angegriffen, wobei ich mich lediglich verteidigt habe.“

Das Weib sah ihn voller Zorn an und sagte dann wutentbrannt: „Er ist tot! Und daran sind nur Sie schuld! Mein Mann war zwar ein wenig füllig, jedoch litt er nie an Herzproblemen!“

Giro blieb jedoch hart und gefühlskalt. „Wenn Ihr dicker Ehegatte wirklich tot sein soll, warum bewegt er sich dann noch? Das passt nicht zusammen! Sorry, Lady!“

Da sah sich das Weib zum ersten Mal ihren fetten Gatten genauer an und musste feststellen, dass der Fettsack im zu engen Jackett doch noch nicht von ihr gegangen war. Doch da sie zuvor so erbost und entsetzt getan hatte, musste sie nun die Besorgte spielen. Dies fiel dem Weibsstück sichtlich schwerer als der Aufstand zuvor. Während sie seinen dicken Kopf auf ihren zu dünnen Beinen abstützte, die wie zwei Streichhölzer unter einer riesigen Wassermelone begraben wurden, wimmerte sie seltsam vor sich hin. Der Kerl war echt fett. So um die 200 kg wog der bestimmt, dachte Giro. Darum hatte es auch zuvor so gekracht, als er auf der Kassentheke aufschlug, dieser dicke Brummer. Wie eine dicke Fliege, die einem auf der Autobahn bei 180 Stundenkilometern direkt in die Windschutzscheibe fliegt. Man erschrickt schrecklich, weil man es nicht erwartet hat und es echt laut ist. So ging es auch Giro, denn er wusste, es würde gleich nur so krachen. Uppsala, mein Fehler. Als das Weib ihren Gatten so hielt und ihm ihre Liebe spendete, musste Giro mit Erschrecken feststellen, dass der so schon dicke Bauch des Mannes beunruhigend weiter anschwoll. Dies ging ziemlich schnell und Giro war nicht der Einzige, dem dies auffiel, denn Ruben, der ein Stück hinter ihm stand, sagte mit starrem Blick: „Scheiße! Siehst du das auch? Der fette Kerl platzt gleich, oder?“

Giro sah wie die anderen nur entsetzt zu dem Fettsack und meinte dabei perplex: „Sieht wohl ganz danach aus.“

Da sagte Ruben, immer noch starrend und fast fasziniert: „Ich hab so etwas noch nie zuvor gesehen. Und glaub mir, ich habe so einiges gesehen! Das ist echt so was von widerlich!“

Giro wendete seinen Blick ab und sah Ruben seltsam an, während er warnte: „Das ist es! Wir sollten Abstand von ihm nehmen! Weg von ihm!“

Dabei packte er Naomi und zog sie hektisch mit sich weg. Die anderen Leute zogen sogleich mit. Nur das arme Weib steckte mit ihren Zahnstochern unter dem Fettsack fest und kam nicht mehr fort. Aber nun wollte auch sie weg von ihm. Doch er war einfach zu schwer und so schrie sie nur erbärmlich. Als Giro einen gebührenden Abstand mit Naomi zusammen erreicht und sie sich hinter einem der riesigen Regale verschanzten hatten, hörte er die Schreie des nervigen Weibs. Er zögerte zuerst einen Augenblick, bevor er dachte, scheiß drauf, um dann zurückzurennen.

Bitte, ich bitte dich, explodiere nicht! Dies dachte er die ganze Zeit während seinem Spurt nach vorne. Wahrscheinlich dachte das hysterische Weib dasselbe. Doch dann, kurz bevor er die schreiende Furie erreicht hatte, griff ihr fetter Gatte nach ihrem Hals und dann – bumm. Er explodierte. Warum nur?, fragte Giro sich, während er sich hinter der Kassentheke verschanzte. Alles, was zuvor in dem fetten Kerl war, spritzte nun meterweit durch die Luft. Zusammen mit dem widerwärtigen Gas, das ihn zuvor so extrem aufgebläht hatte und dann schlussendlich auch zum Platzen brachte. Die Gedärme hatten die gleiche violette Farbe wie das Gas zuvor. Nachdem sich die üble Gewebemasse und alles Sonstige weitestgehend verteilt hatten, hörte Giro auf einmal wieder die quietschende Stimme des Weibes. Nun jedoch nur noch schwach und kraftlos. Er dachte nur, oh nein, warum lebst du noch? Er stand langsam aus der Hocke auf und sah sich das Dilemma an, das sich ihm bot. Überall Blut und sonstige Innereien. Seine Boots klebten in der schmierigen Masse, die sich über den gesamten Linoleumboden des Einganges hinwegzog. Dazu kam das matschige und äußerst widerliche Gefühl beim Gehen. So klang es natürlich dann auch. Als würde er durch matschigen Morast waten. Er hatte ja schon viele üble Dinge gesehen, aber das! Dem Fettsack war einfach der Bauch geplatzt wie bei einer verdammten Kuh, nur noch ein ganzes Stück übler. Dort, wo zuvor sein Bauch war, befand sich nun ein enormes Loch. Alles, was zuvor dort drin war, lag nun hier draußen und das war eine Menge. Das Weib war voll mit der ekligen Pampe und das von Kopf bis Fuß. Während sie kraftlos unter ihrem explodierten Ehegatten lag, wimmerte sie flehend um Hilfe. Doch als Giro sich endlich dazu überwinden konnte, ihr zu helfen, und vorging, bewegte sich der Fettsack auf einmal wieder. Wie konnte das sein, so ganz ohne Bauchorgane? Der Fettsack biss nun seiner Gattin auch noch in einen von ihren dürren Schenkeln und riss ihr das wenige Fleisch von dem kargen Knochen. Neben Giro, direkt auf der Kassentheke, lag eine große Metallschere und dies auf jeder Seite. Also griff er sich die zwei und dann … Na ja, was hatte er für eine andere Wahl? Also stach er zu und rammte dem Fettsack jeweils eine der großen Scheren durch seine Augäpfel bis in sein matschiges Gehirn. Dabei legte er sein ganzes Gewicht rein. Die großen Metallscheren durchdrangen den dicken Schädel des Fettsacks ohne Probleme und Giro musste aufpassen, dass er nicht auch noch aus Versehen das Weib anstach. Doch dann stieß dieser widerwärtige Fettsack eine Art Blut/Schleimsekret aus und traf Giro voll damit. Nicht schon wieder, dachte dieser. Doch zu seinem Glück hatte es nur seine Trainerjacke getroffen. Aber trotzdem, sein T-Shirt war schon verbrannt und außer dieser Trainerjacke, die er übrigens auch sehr mochte, hatte er nichts weiter dabei. Sollte er etwa von nun an wie einer vom mexikanischen Drogenkartell andauernd oben ohne rumrennen, um so voller Stolz allen seine ach so krassen Tätowierungen zu präsentieren? Dann konnte er ja auch gleich ein Halstuch anziehen und sich Chico nennen. Fast noch schwuler als die Jungs der Yakuza. Da musste er an Kasumi denken und die weißen Tiger. Was war in Hongkong wohl so los? War dort auch die Seuche ausgebrochen? Doch jetzt hieß es, erst mal das Weibsstück unter dem Fettsack rauspulen und dann … Was war das? Noch während er den widerwärtigen Leichnam von ihr rollte, sah er, wie die anderen Leblosen auch anfingen, aufzuquellen wie verdammte Muffens. Scheiße, das gibt eine riesen Schweinerei, nichts wie weg hier. Aber verdammt, das Weibsstück kann nicht gehen, ihr Bein ist hin. Da seine Trainerjacke eh schon voll mit dem ekligen Scheiß war, griff er nach dem dürren Weibsstück und hob es hoch. Eine leere Kartonschachtel hätte mehr als diese Frau gewogen, jedoch hätte der nicht so ätzend geschrien wie die Alte. Noch während er nach hinten zu den anderen eilte, vernahm er deutlich, wie die Ersten der etwa ein Dutzend Leiber wie Popcorn in der Mikrowelle aufplatzten. Einfach ein widerliches Geräusch, vom Rest mal ganz abgesehen. Als er endlich wieder in Gang 12 angekommen war, ließ er das Weib unsanft auf den Boden fallen, wobei er wütend schrie: „Halt die Fresse, du Kuh! Verdammt, was schreit die Alte laut und dann noch voll in mein Ohr!“

Da kam Ruben an und griff ihn an der Schulter. „Beruhige dich! Erzähle uns lieber, was da genau abgeht! Platzen die etwa alle?!“

Giro sah ihn nur bitter an und meinte angewidert: „Hm … Wenn das alles wäre! Die platzen nicht nur. Die greifen einen auch an! Da sieh doch, ihr Bein! Das war der Fettsack, und zwar erst nachdem er aufgeplatzt war wie ein verdammt widerlicher Eiterpickel!“

Ruben und die andern sahen ihn nur entsetzt an, wobei Naomi auf einmal sagte: „Das klingt wie bei Jose.“

Giro meinte besorgt: „Das dachte ich auch sofort. Deshalb habe ich ihm schließlich eine Schere in den Kopf gerammt, danach war endlich Ruhe.“

„Ja, stimmt“, meinte Ruben, „ich musste Jose auch zuerst den Schädel wegpusten, bis endlich Ruhe war. Aber warum stecken die uns mit dem verdammten Lotox-Virus an?“

Giro schüttelte nur nachdenklich seinen Kopf. „Das verstehe ich auch nicht wirklich. Aber ich denke, dass dieses Lotox-Virus eine Kriegswaffe sein könnte und dies einer von vielen kleinen Anschlägen oder Tests. Ich meine, überleg doch mal, was dein Vater Jose darüber erzählt hat, bevor er starb. Obwohl ich das meiste ehrlich gesagt für Irrsinn hielt, kommt es mir nun schon fast wieder plausibel vor. Vielleicht stimmt es ja sogar und irgendeiner infiziert absichtlich bestimmte Gebiete oder so.“

Da unterbrach ihn Naomi aufgeregt: „Hey ihr, ich will ja nicht stressen, aber die vier, die vorhin umgekippt sind, werden allmählich dick und fangen auch an aufzugehen … Also …“

Dabei sah sie in die Ecke, wo sie die vier Infizierten abgelegt hatten. Oh Mann, wie viele denn noch? Von vorne hörte man das unkontrollierte und widerliche Rumkrabbeln der bereits Zurückgekehrten. Aber okay, der Laden war ja zum Glück groß, also noch ein paar Reihen nach hinten. Man sagt ja, aus der hintersten Reihe habe man den besten Überblick. Zumindest behaupten das die an der Kasse im Kino immer. Aber ob dies auch tatsächlich der Wahrheit entspricht? Verkäufer lügen jedoch nicht, nein, sie verkaufen lediglich und dies um jeden Preis, wenn ihr versteht. In der 22. Reihe angelangt, waren sie auch am Ende des großen Wal-Mart angekommen. Doch was nun? Sie mussten dort irgendwie raus und dies am besten, bevor die Zurückgekehrten sie anfielen. Der Verkäufer Drak oder wie er auch immer hieß, war noch immer, bis auf die Maske, die Baseballsocken und seine farbigen Boxershorts, nackt. Neben einigen Kindern, darunter auch ein kleiner Rotschopf mit Sommersprossen und Brille im Knautschgesicht, hatten auch noch einige weitere Leute bis dahin überlebt. Doch wie lange noch? Außer Giro, Ruben, dem halb nackten und eher nutzlosen Verkäufer sowie vier seltsamen Mexikanerjungen hatte nur noch ein Opa mit Hornbrille überlebt. Ach, und ich vergaß den Hooligan mit seiner Punkbraut an der Seite. Jedoch weinte dieser wie ein kleines Mädchen unter seiner Atemmaske. Doch da – auf einmal das Geräusch der Eingangstüren. Ruben sah vorsichtig nach und musste feststellen, dass diese nun offen standen. Doch davor schlichen die widerlichen Infizierten herum und wandelten unkontrolliert durch ihre eigenen Innereien. Manchmal rutschten sie aus und platschten in die Soße am Boden, wo sie dann wild herumzuckten. Als Ruben die Lage abgecheckt hatte, kehrte er zurück hinter Regal 22 und sagte zu Giro: „Die Türen stehen nun offen! Aber davor wandelt etwa ein Dutzend von den Dingern. Und ich finde die Tatsache seltsam, dass die Türen nun einfach so aufgehen. Das ist bestimmt eine Falle oder so etwas!“