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Diese Sammlung der Werke von Carl Sternheim, des berühmten deutschen Dramatikers, Autors von Erzählungen und Gedichten und Kritikers traditioneller Moralvorstellungen des wilhelminischen Bürgertums enthält: Die Hose Ein bürgerliches Lustspiel Der Snob 1913 Das Fossil Bürger Schippel Tabula rasa Der Nebbich Chronik von des zwanzigsten Jahrhunderts Beginn Busekow Napoleon Schuhlin Meta Die Schwestern Stork Ulrike Posinsky Heidenstam Der Anschluß Die Hinrichtung Vanderbilt Yvette Die Poularde Die Laus
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Zyklus »Aus dem bürgerlichen Heldenleben«
Theobald Maske,BeamterLuise Maske,seine FrauGertrud Deuter Frank Scarron Benjamin Mandelstam,FriseurEin Fremder
Die Szene ist dauernd Maskes Wohnstube
Zeit 1900
Theobald und Luise treten auf
TheobaldDaß ich nicht närrisch werde!
LuiseTu den Stock fort!
Theobaldschlägt sieGeschändet im Maul der Nachbarn, des ganzen Viertels. Frau Maske verliert die Hose!
LuiseAu! Ach!
TheobaldAuf offener Straße, vor den Augen des Königs sozusagen. Ich, ein einfacher Beamter!
LuiseschreiendGenug.
TheobaldIst nicht zu Haus Zeit Bänder zu binden, Knöpfe zu knöpfen? Unmaß, Traum, Phantasien im Leib, nach außen Liederlichkeit und Verwahrlosung.
LuiseIch hatte eine feste Doppelschleife gebunden.
Theobaldlacht aufEine feste Doppelschleife. Herrgott hör das niederträchtige Geschnatter. Eine feste – da hast du eine feste Doppelohrfeige. Die Folgen! Ich wage nicht, zu denken. Entehrt, aus Brot und Dienst gejagt.
LuiseBeruhige dich.
Theobald– Rasend ...
LuiseDu bist unschuldig.
TheobaldSchuldig, ein solches Weib zu haben, solchen Schlampen, Trulle, Sternguckerin.
Außer sichWo ist die Welt?
Er packt sie beim Kopf und schlägt ihn auf den Tisch.
Unten, im Kochtopf, auf dem mit Staub bedeckten Boden deiner Stube, nicht im Himmel, hörst du? Ist dieser Stuhl blank? Nein – Dreck! Hat diese Tasse einen Henkel? Wohin ich fasse, klafft Welt. Loch an Loch in solcher Existenz. Schauerlich!
Mensch, bedenke doch! Ein gütiges Schicksal gab mir ein Amt, das siebenhundert Taler einbringt.
SchreitSiebenhundert Taler! Dafür können wir ein paar Stuben halten, uns tüchtig nähren, Kleidung kaufen, im Winter heizen. Erschwingen eine Karte in die Komödie, Gesundheit spart uns Arzt und Apotheker – der Himmel lacht zu unserm Dasein.
Da trittst du auf mit deiner Art und zerstörst unser Leben, das gesegnet wäre. Warum noch nicht geheizt, warum die Tür auf, jene zu? Warum nicht umgekehrt? Warum läuft die Uhr nicht?
Er zieht sie auf
Warum laufen Töpfe und Kannen? Wo ist mein Hut, wo blieb ein wichtiges Papier, und wie kann deine Hose auf offener Straße fallen, wie konnte sie?
LuiseDu weißt, kanntest mich als junges Mädchen.
TheobaldNun?
LuiseUnd mochtest gern, ich träumte.
TheobaldFür ein junges Mädchen gibt es nichts Besseres dem Unmaß freier Zeit gegenüber. Es ist sein Los, weil es an Wirklichkeit nicht herandarf. Du aber hast sie, und damit ist der Traum vorbei.
LuiseJa!
TheobaldLuise, sieh meine tiefe Bewegung.
LuiseIch will dir glauben, lieber Mann.
TheobaldAuf offener Straße!
LuiseBleibt unbegreiflich.
TheobaldLachende Grimassen, Gassenbuben, Laffen. Daß ich nicht närrisch werde!
LuiseFängst du wieder an.
TheobaldDas Herz stand mir still. Jedem Aufsehen abhold, wie du weißt. Erlaube ich dir ein Kleid, einen Hut nach der Mode? Warum mußt du dich so unvorteilhaft herausputzen. Weil dein niedliches Gesicht viel zu pochend für meine bescheidene Stellung ist, dein Busen, deine Augen zu herausfordernd. Könnte ich dir doch begreiflich machen, jedes Ärgernis der Welt stammt aus dem Nichtzusammengehen zweier ein Ding bildenden Faktoren.
LuiseHör auf; ich ertrage es nicht länger.
TheobaldlautZweier ein Ding bildenden Faktoren! Mein Amt, dein Aussehen gehen nicht zusammen.
LuiseIch kann nicht dafür, Gott schuf mich so.
TheobaldGott ist nicht schuld. Eine schamlose Erziehung, die die Haare wellt und rollt, eine an sich harmlose Brust durch den Schnürleib hinausdrängt. Die Pest über kupplerische Mütter!
LuiseMutter war eine ehrenwerte Frau.
TheobaldVerlöre ich mein Amt!
LuiseWarum?
TheobaldDie königliche Majestät soll nicht weit gewesen sein. Jesus!
LuiseTheobald!
TheobaldEin Zucken seiner Braue, ich sinke in den Staub, aus dem ich mich nicht erheben könnte. Not, Schande, Hunger, das Ende eines Lebens voll Mühsal.
LuiseDu marterst mich.
Theobalddas Haupt in die HändeOh, oh – – oh!
Luisenach einer PauseIst dir ein Hammelschlegel und grüne Bohnen recht?
TheobaldAuf offener Straße! Welches Glück, daß kein Kind drohende Folgen mitzuerwarten hat.
LuiseIch dachte an eine Himbeerschüssel.
TheobaldDie Majestät!
LuiseVater schreibt, er schickt neuen Wein.
TheobaldWieviel Flaschen?
LuiseEine Mandel.
TheobaldHaben wir noch?
LuiseFünf Flaschen.
TheobaldHm. Hammelschlegel. Und gut gesalzen. Frau, Dämonen sind aus unserer Seele wirkend. Knechten wir sie nicht mit unseres Willens ganzer Gewalt – man sieht nicht ab, wie weit sie es bringen. Himbeeren mit Sahne. Wo willst du Sahne so schnell herbekommen?
LuiseDie Deuter läßt mir ab.
TheobaldGlaubst du? – Putzsucht! ja, ja – –
Er setzt sich in einen Lehnstuhl ans Fenster und nimmt die Zeitung.
Luiseam Herd beschäftigt.
TheobaldDa – auch die Seeschlange soll in den indischen Meeren wieder aufgetaucht sein!
LuiseGrundgütiger, kann man das glauben!
TheobaldDer Kurier meldet es.
LuiseZ. Z.
TheobaldGottlob sind die dortigen Gegenden wenig oder gar nicht belebt.
LuiseWovon ernährt sich solch ein Tier?
TheobaldJa – die Gelehrten streiten. Es muß einen furchtbaren Anblick bieten. Da bin ich lieber in gesicherten Bezirken, meinem Städtchen. Man soll sich sehr auf das Seine beschränken, es festhalten und darüber wachen. Was habe ich mit dieser Schlange gemein? Regt sie nicht höchstens meine Phantasie auf? Wozu das alles?Erhebt sich
Hat man seine Stübchen. Da ist einem alles bekannt, nacheinander hinzugekommen, lieb und wert geworden. Muß man fürchten, unsere Uhr speit Feuer, der Vogel stürzt sich aus dem Käfig gierig auf den Hund? Nein. Es schlägt sechs, wenn es wie seit dreitausend Jahren sechs ist. Das nenne ich Ordnung. Das liebt man, ist man selbst.
LuiseGewiß.
TheobaldMir den Feiertag mit solcher Aufregung zu verderben! Bete, daß uns bleibt, was wir haben, und mach den Braten gut. Ich will nun doch einmal gehen und hören, was man über den vermaledeiten Fall zu schwatzen weiß.
LuiseBist du wieder gut?
TheobaldBeim Nachdenken darüber, wie wohl es uns bis heute geht, hat Gott mich bewegt. Und denke daran, die Tulpen wollen Wasser. Bete Luise!Er geht, man sieht ihn durch die Flurtür die Treppe hinab verschwinden.
Luiseist ihm auf den Vorplatz gefolgt, hat ihm nachgesehen, jetzt ruft sieNachbarin!
Deutervon untenSind Sie es, Frau Maske? Guten Morgen.
LuiseHaben Sie von meinem Unglück gehört?
Deutererscheint obenEs muß ja nicht groß gewesen sein.
LuiseKommen Sie einen Augenblick herein?
DeuterIch bin so frei.
Luise und Fräulein Deuter treten ein
DeuterWie die Kieswetter erzählt, war es eine von den reinleinenen und sah soweit proper und reputabel aus.
LuiseSchon –
DeuterDoch daß Sie Ihre Buchstaben rot eingestickt haben – heute trägt doch alle Welt Weiß. Schließlich hatten nur wenige des Vorfalls acht, weil der König in nächster Nähe fuhr, und alles nach ihm sah. Ist wohl das Band gerissen?
LuiseAls ich mich nach dem Kutscher reckte.
Deuterlacht.
LuiseEine schöne Bescherung. Plötzlich sieht unten der weiße Saum heraus. Ich wage nicht, mich zu rühren.
DeuterDer Gemahl außer sich?
LuiseGanz aus dem Häuschen. Und der alte Schwall auf unsere Liederlichkeit.
DeuterSie sollen reizend ausgeschaut haben.
LuiseWer sagt's?
DeuterDie Kieswetter. Ein paar Herren müssen die Hälse erstaunlich gewendet haben.
LuiseIch bin mit Anstand aus der Geschichte gekommen. Erst einen Schritt aus der Umschnürung, blitzschnell gebückt und unter die Mantille damit.
DeuterMorgen wird man schon sagen, das Ganze sei eine wohlberechnete Koketterie.
LuiseDie bösen Zungen!
DeuterWer aussieht wie Sie, lacht die Welt aus.
LuiseMein Mann kann das Geschwätz um den Tod nicht leiden.
DeuterIhr Mann wird sich an vieles gewöhnen.
LuiseWarum, Fräulein Deuter?
DeuterWeil Sonnenschein Lust macht, darin zu spazieren.
LuiseWie?
DeuterMeine kleine gute Frau Maske, Ihren Mann mag ich gar nicht leiden.
LuiseDer liebe Theobald.
DeuterAch Gott!
LuiseAber wirklich!
DeuterSchon recht.
LuiseAber FräuleinDeuter! Haben Sie ein Näpfchen Sahne für mich übrig?
DeuterViel für Sie übrig. Sind Sie in diesen Tagen nicht ein Jahr verheiratet?
LuiseÜbermorgen ein Jahr.
DeuterUnd nichts rührt sich? Keine Aussicht auf Kindergeschrei?
LuiseAch –
DeuterKann das Zufall sein? Wie ich meinen Herrn Theobald kenne –
LuiseSchweigen Sie!
DeuterSie sollen Ihre Sahne haben.
Exit.
Scarronnach einem Augenblick sehr schnell von unten die Treppe hinauf.
Luisedie auf dem Treppenvorplatz stehen geblieben war, tut einen Schrei.
ScarronErschreckte ich Sie? Kennen Sie mich?
LuiseZu wem wollen Sie?
ScarronIch bin recht.
LuiseHier wohnt –
ScarronWer noch?
LuiseMein Mann kommt gleich zurück.
ScarronBis dahin soll alles gesprochen sein.
LuiseMein Herr!
ScarronDarf ich ein Gleichnis sagen, Dame? Ohne Umschweif ein großes Wort wagen? Nein. Verzeihung. Ich gehe, viel zu erregt, zu wenig Herr meiner Seele, die ich eben noch hatte, und die nun, mir entrissen, durch diese Diele tanzt.
LuiseMan kommt, darf uns nicht mitsammen sehen.
Scarronverschwindet die Treppe hinauf.
Deuterkommt, einen Napf in der HandDa! Ihre Kleider, Wäsche vor allem, sind ein wichtiges Kapitel. Doch läßt sich auch mit einem Band, einem Schleifchen manches herrichten. Ich könnte Ihnen etwas zeigen. Es liegt nicht immer an den Kleidern, gefallen wir. Liebe Augen haben Sie. Auf ein andermal, wir sprechen darüber. Heute lassen wir uns besser nicht erwischen, kleine Kokette.Sie läuft lachend die Treppe wieder hinab
Scarron erscheint wieder
LuiseHaben Sie ein Anliegen?
ScarronIch habe, Dame, wollen Sie das wissen, den Vorwand.
LuiseKurz – ?
ScarronHeute morgen in der großen Allee des Tiergarten!
LuiseHimmel!
ScarronPlötzlich bricht mir Entzücken in alle Glieder. Eine junge Frau –
Luiseabgewendet,
ScarronDer ich an Wunder glaube, die Stadt seit Monaten hungrig nach ihm durchrase, blitzschnell um hundert Straßenecken nach ihm biege, mir erscheint's unter einer Linde. In Sonne getaucht, braun angeschmiedet an hellgrünen Stamm, unter verwirrten Augen ein hilfloser Leib. Blöde gierige Menge und ein bezauberndes Martyrium. Ein blendender Scherz Gottes. Wie ich da vor Leben aufzuckte! Was ich mit Ihnen in drei Augenblicken litt, bis Sie zur Erde griffen, stellte mein Herz von dem fort, was ich bis gestern zu lieben meinte, Ihnen nah. Noch spreche ich Ihre Sprache nicht, bleibt unverstanden zwischen uns, was nicht reines Blut ist, doch wie bald kann ich aus Gebärde, Blick, Worten lernen, was Ihnen wohltut, daß es gesagt wird.
Luisemacht eine Gebärde.
ScarronIch weiß, Ihre Begriffe lassen solche Atemlosigkeit der Empfindung nicht zu, da sie durch keine Dauer des Verkehrs legitimiert ist. Schweigen aber ist Andacht.
Ein Augenblick des Schweigens. Scarron sitzt mit geschlossenen Augen.
LuiseMein Herr!
ScarronSie wissen nicht, wer ich bin?
LuiseMeine, Sie gesehen zu haben.
ScarronWann?
LuiseHeut morgen.
ScarronSonst nicht?
LuiseBestimmt nicht. An Orte, die Sie bevorzugen, komme ich nicht. Mein Leben läuft in diesen Wänden.
Scarrontritt dicht an sie heran.
Luiseweicht.
ScarronHören Sie ein Schicksal!
LuiseIch fürchte mich.
ScarronknietVon heute an muß ich Sie begehren mit der Kraft meiner Seele. Mir ist dies, da ich es ausspreche, solche Seligkeit, daß ich nicht frage, was Sie meinen. Nicht, ob Sie mich zum Teufel jagen oder wiederbitten.
LuiseEine Kühnheit ohnegleichen. Stehen Sie auf!
ScarronDie Gewißheit fuhr mir so in die Glieder, daß ich nicht dazu imstande bin. Töten Sie mich, aber lassen Sie mich sitzen.
LuiseUm Gottes willen! Käme mein Mann.
ScarronSie sind richtig kastanienbraun. Ich miete zwei Zimmer, die Sie am Fenster annoncieren. Sie glühen eine Kastanie über Kohlen. Betrachten wir's als ausgemacht. Die Gespräche darüber sind gewesen.
LuiseEin so vornehmer Herr bei uns. Wer mag das glauben?
ScarronSobald ich das Freie wiedergewonnen habe – ich verspreche, nie anders als im Kleid des schlichtesten Bürgers herzukommen.
LuiseSie versetzen mich in tiefste Bestürzung.
ScarronIn abgrundtiefe Sie mich.
LuiseDie Zimmer mieten.
ScarronWill ich –
LuiseKommt er –
ScarronVorstellen einfach.
LuiseHerr?
ScarronScarron. Zwischen dem ersten Ton seines Schlüssels im Schloß und dem Eintreten bleiben Sekunden, sich zu erheben.
LuiseSie bei uns?
ScarronWo?
LuiseEin Schlafzimmer, Wohnzimmer, o Gott!
ScarronEinfach: o Gott! Das ist aller Inhalt. Warum zittern Sie?
LuiseBitte –
ScarronIch bin eine Kirchenglocke. Mein Strang hängt gelähmt. Schlagen Sie mich an, läute ich Ihrer Kehle helle Schreie. Genug. Ich gehe. Wann komme ich wieder?
LuiseEr muß bald zurück sein.
ScarronIch bin erwartet?
Luiseschweigt.
ScarronIch bin erwartet!
LuiseJa.
Sie stehen vor der Leiter
Scarronstürzt hinaus.
Luisesteigt wie im Traum die Leiter hinauf, steht einen Augenblick oben, da kommt Fräulein Deuter.
DeuterDie Tür auf? Jesus, was tun Sie im Himmel?
LuiseDie Gardinen – –
DeuterMit den längsten Armen reichen Sie an die Gardinen nicht. Übrigens verlieren Sie wieder – nein, ich scherze. Doch hängt das Bändel wieder so, daß Sie beim Herabsteigen darüber fallen. Sie sind doch, was mir längst feststand, eine ganz übersinnliche Person.
LuiseSpotten Sie nicht.
DeuterWie heißt Ihr Gott, Frauchen? Daß ich keine Nachbarin im Sinn einer Guten-Ruf-Mörderin bin, wissen Sie. Soll ich dreist heraussagen, was ich von Ihnen will?
LuiseHelfen Sie mir hinunter.
DeuterBleiben Sie. Es paßt zum Inhalt meiner Worte. Die Bildung meines Gesichtes reichte nicht hin, die unbändige Lebenslust, die mir gegeben ist, zu erfüllen. Sie aber sind so sichtlich begnadet, daß meine Wünsche zu ihrem Recht kommen müßten, dürfte ich aus der Nähe hören, sehen, was Ihnen, wollen Sie, vergönnt ist.
LuiseIch verstehe nicht.
DeuterOb Sie mich gern mögen?
LuiseGewiß.
DeuterOhne Worte wissen, ich stehe bei Ihnen?
LuiseSie werden mir nichts Böses tun.
DeuterWas wollte er?
LuiseDenken Sie!
DeuterEin Edelmann! Ich gäbe zehn Jahre meines Lebens. Wie hieß der Vorwand?
LuiseEs war ein richtiger Grund da. Er sah mich heute morgen.
DeuterIn der ganzen Glorie?
LuiseDoch.
DeuterEin Genuß! Sie sind ein Mensch, der vielen Menschen Freude macht. Sprang wie ein Tiger darauf?
LuiseWar ungebärdig.
DeuterSchüttelte am Weltenbaum und hat Sie überwältigt.
LuiseDie Zimmer mietet er von uns.
DeuterHerrlich! Nun ist Ihr Zug zu den Höhen begreiflich.
LuiseFangen Sie mich.
Sie springt hinab
Deuterküßt sieHerausstaffieren will ich Sie, daß es eine Art hat, so daß auswendig für den Herrn Theobald das alte Aschenbrödel bleibt. Innen aber soll's ein weißer Traum mit ein paar bunten Schnörkelschleifen zum besten Angedenken sein. Am Knie eine rosenrote wie eine Barriere. Hören Sie zu: Sechs Meter feinen Batists geben sechs Beinkleider. Ein blitzsauberes Modell leih ich mir her, und erfrägt man auch manches. Vier Meter feine geklöppelte Kante für die Röcke.
LuiseWas träumen Sie. Ich bin eine honette Frau.
DeuterEr aber ein Held! Barrikadenstürmer!
LuiseSie sind ja eine rechte Kupplerin.
DeuterEinverstanden. Es gibt nichts Besseres, steht man selbst draußen vor der schwarzen Wand.
LuiseWas das für alberne Geschichten sind. Wissen Sie doch, mein Mann dreht ihm beim ersten Anblinzen den Hals um.
DeuterEinfalt. Ist's der Frau nah, darf ein Gatte ein Dutzend Augen haben, sie streut sie ihm voll Sand.
LuiseIch sage ab.
DeuterZu spät. Schon hängt im Grau Ihrer Häuslichkeit zuviel Sehnsucht am Fenster und schaut aus. Warum, Liebste, hat der Hausherr die ihm zustehende Frist eines Jahres nicht benutzt, Ihre Adern mächtig mit sich aufzublasen? Warum gehen Sie nicht aufgepolstert mit ihm herum, dürfen in sich hineinhören? Wo blieb Gottes Segen in dieser Ehe?
LuiseWir waren darum betrogen, da wir sparen müssen. Unserm Gehalt steht ein Kind nicht.
DeuterDoch ist den ewigen Ausflüchten seiner Pflicht gegenüber in Ihnen ein Richter entstanden.
LuiseHing's doch an einem seidenen Fädchen, ich stünde heute als Mädchen vor Ihnen. Er hat das Gegenteil nicht gewollt.
DeuterDer Barbar!
LuiseMit siebenhundert Talern war sein täglicher Spruch –
DeuterSchlagen Sie Ihr Auge hoch zu Gott. Zu seinem Glück ist der Mensch berechtigt. Und auch die Helferin darf beruhigt an ihre Brüste klopfen. Geben Sie Ihre Hand in meine.
LuiseWeiß der Himmel, mein Wille läuft mit Ihnen.
DeuterNun müßte der Gemahl Theobald schon ein Kerl sein, wollte er's von sich abwenden.
LuiseUm Gottes willen! der Hammel!
DeuterWer?
LuiseDas Mittagessen, sage ich.
DeuterHammel haben Sie heute wie ich?
LuiseHabe ihn nicht; vergessen über dem Geschwätz.
DeuterWarten Sie. Mein Schlegel wandert in Ihren Topf. Zum Hammel gehören Bohnen. Darf ich dazutun?
LuiseSie Gute. Und Sie selbst?
DeuterSpiegelei! Bin gleich zurück.Sie läuft davon
Luisegeht zum Fenster und nimmt den Wohnungszettel herein. Dann macht sie Feuer im Herd, wobei sie summt
Früh, wenn die Hähne krähn, Eh die Sternlein verschwinden, Muß ich am Herde stehn, Muß Feuer zünden.
Dann geht sie vor den Spiegel, beschaut sich, tritt wieder vor den Herd, summt weiter.
Deuterkehrt mit einem Topf zurückSchnell auf die Glut. Er ist gleich gar. Geben Sie eine Spitze Butter, Ahnung Salz zu.
LuiseWas bin ich schuldig?
DeuterHören Sie zu. Oft wollte ich es Ihnen sagen! Ihr Mann ist Maschine. Gehen Sie ihm in den Weg, sind Sie überfahren. Da er aber wie alle Dampfspiele sein Kommen ankündet, ist es leicht, ihm auszuweichen. Zur vollständigen Sicherheit biete ich mich als Streckenwärter an, meine rote Fahne in der Hand. Die senke ich, soll er halten. Inzwischen finden Sie Zeit, den Mast auf freie Fahrt zu stellen.
LuiseDa ich fühle, wie frei meine Seele sich regt, haben Sie das letzte Bedenken fortgesprochen. Ja, ich will aus diesem Dienst, diesen Zügeln und Banden, von diesem aufgehobenen Finger zur Freiheit fort. Helfen Sie mir!
DeuterNur, wenn Sie beherzigen, was ich riet. Sie seliges Närrchen. Lassen Sie den Verstand einen zuverlässigen Verwalter Ihrer reichlichen Gelegenheiten in den Dienststunden des Mannes zwischen neun und drei Uhr sein, und in seiner Freizeit erfüllen Sie Ihre Pflicht, so kann's nicht fehlen. Der Edelmann aber lege seine angebliche Tätigkeit in die Zeit, da der Gatte ausruht. So entgehen Sie dem Zusammentreffen beider und tausend Verlegenheiten. Genug für jetzt. Und darf ich einkaufen?
LuiseDoch bringen Sie Rosen statt Veilchen und rechnen Sie für sechs Meter acht.
DeuterEin Zyklop muß Theobald sein, will er seinem Schicksal entgehen. Ein richtiger Riese. Was haben Sie noch auf dem Herzen?
LuiseVerurteilen Sie mich nicht.
DeuterNie konnte ich in mir was Urteil ist feststellen. Für mich gab's immer nur Wünsche, statt jedes nicht erfüllten zwei neue.
LuiseAls nähme man ein Hundertzentnerstück mir vom Haupt.
DeuterAls wäre man Kind noch einmal.
LuiseNoch wäre nichts geschehen –
DeuterNoch käme das junge Mädchen daher.
LuiseTräumte – –
DeuterVerlangte – –
LuiseUnsagbar, sich – –
Sie fassen einander bei Händen und tanzen im Reigen
Ringel, Ringel Reihen, Sind der Kinder zweien, Tanzen unterm Holderbusch, Machen beide: husch, husch, husch.
und unter Lachen enteilt Fräulein Deuter.
LuiseSchnell! Himbeere bleib nicht länger verborgen. Wie er heißen mag? Zwei Löffel Zucker. Was für eine Welt er mit sich bringt! Mir fällt ein Bild ein: unten lag in einem Schleier die Frau, er beugt sich, da spreizt sie den Fuß. Vater muß mir ein Paar Schuh schenken. Nun aber den Tisch gedeckt; drei Uhr vorbei.
Sie lacht
Das Signal ziehen.
Theobaldtritt mit Mandelstam aufWas waren das am Fenster mit dem Mietzettel für widerwärtige Faxen?
LuiseDie Zimmer sind, bist du einverstanden, vermietet.
TheobaldOho!Zu MandelstamWas sagen Sie? Sein Sie indessen unbesorgt. Sie haben mein Versprechen. Freilich eine kritische Situation.Zu LuiseFür?
LuiseFünfzehn Taler.
TheobaldInklusive?
LuiseOhne.
Theobaldzu MandelstamDenken Sie: fünfzehn Taler ohne.
MandelstamIch verstehe nicht.
TheobaldOhne Kaffee. Das kann einem in der Tat die Haare zu Berg treiben. Wäre ich nicht vor die Tür gegangen!
Zu LuiseHätten mich deine Firlefanzereien nicht getrieben! Ein Unglück kommt selten allein, und du siehst, wie sich's schlimm verkettet.
Zu MandelstamMir ist Geldgier fremd, des Mieters Person fällt nicht weniger schwer als Gold in die Waagschale, aber – – Sie sind Barbier, Herr?
MandelstamMandelstam.
TheobaldSemit?
MandelstamDoch nicht.
TheobaldDrehen Sie sich ans Licht.
MandelstamMit einem M. Stam.
TheobaldIch bin Deutscher. Mache keinen Lärm um die Judensache, doch am besten das Rote Meer zwischen diese und mich.
MandelstamDurchaus meine Meinung.
Theobalddrückt ihm die HandBravo! Zur Sache: Sie waren bereit, fünf Taler für das kleinere Zimmer zu geben?
MandelstamMit Kaffee.
TheobaldNun ist einer da, der beide Räume für fünfzehn Taler brauchen kann. Ich mache folgendes Manöver: verwandle mich in Herrn Mandelstam, stelle an Sie, Herr Maske, die Frage, was wollen, dürfen Sie in eigenem, im Interesse Ihrer Familie tun?
MandelstamIhr Kalkül, sehe ich, liegt bei dem andern, doch habe ich Ihre Zusage, baue auf Ihr Manneswort. Meine Jugend ertrüge eine Enttäuschung in dieser Hinsicht schwer.
TheobaldFreund, wohin? Kann ich, Sohn des Volkes, das einen Schiller gebar, abtrünnig sein?
MandelstamLieben Sie ihn?
TheobaldIch bin natürlich kein Kenner.
MandelstamWagner, nicht Schiller ist der Mann unserer Zeit.
TheobaldIhnen den letzten Zweifel zu nehmen, nenne ich den Namen: Luther.
MandelstamGut.
LuiseKann ich auftragen?
TheobaldEssen Sie einen Löffel mit uns.
MandelstamDann bin ich so frei.Sie setzen sich
TheobaldGeben Sie mir die Hand. Sie scheinen eine brave Haut, sind unschuldig an dem Malheur, das Sie anrichteten.
MandelstamMeine Eltern verlor ich früh, lebe von meiner Hände Arbeit.
TheobaldDoch sie ernährt Sie?
MandelstamIch schaffe drei Jahre bei demselben Meister.
TheobaldGut so.
MandelstamAbends, jeden Groschen, den ich zurücklege, alles für Wagner. Lohengrin habe ich dreimal gehört.
TheobaldTeufel!
MandelstamMan ist in allen Himmeln.
TheobaldAber auch tüchtig spazieren gehen, Beine spreizen. Die Gesundheit.
MandelstamGesundheit – da allerdings – –
TheobaldWas soll das heißen? Gib die Bohnen noch einmal – sprechen Sie rundheraus.
MandelstamWas weiter, Sie erraten schon. Nicht daß ich von einem bestimmten Leiden sprechen könnte.
TheobaldAber?
MandelstamMeine Mutter war zart, auch nicht hinreichend ernährt. Vater trank ein Glas mehr als er vertrug.
TheobaldPotz!
MandelstamHätte ich einen völlig gesunden Körper zur Welt gebracht, Sie dürfen glauben, ich hätte andere Möglichkeiten des Lebens für mich ins Auge gefaßt.
TheobaldHörst du, Luise?
LuiseJa.
TheobaldIn der Tat, Gesundheit, Kraft vor allem. Fassen Sie diesen Schenkel, den Bizeps.
MandelstamRiesig.
TheobaldMein Junge, damit reite ich das Leben sozusagen. Einen Zentner hebe ich. Wollen Sie glauben, ich stemme Sie mit einem Arm in die Luft. Das Wesen spürt's, an dem ich meine Muskeln reibe. Man muß Sie ein wenig päppeln, armer Kerl. Wie wär's Sie gäben sich bei uns in Pflege?
MandelstamWenn's meine Mittel nicht übersteigt, bin ich glücklich.
TheobaldWas meinst du, Luise? Spürst du keine Regung? Was müssen wir verlangen?
LuiseIn einer Minute ist das nicht zu überschlagen.
TheobaldHierzu sage ich kein Wort, Jüngling. Das ist Sache der Frau. Besprechen Sie's mit ihr, ich hätte nichts dawider.Zu LuiseGib mir zur Feier des Tages eine Zigarre.
LuiseDu wolltest mitbringen. Es ist keine mehr da.
TheobaldÜber dem Rumor vergessen. Ich laufe hinüber. Ist dem andern Mieter zuzutrauen, er behülfe sich mit einem großen schönen Zimmer?
LuiseEr kommt ein Viertel nach drei. Sprich mit ihm.
TheobaldMan könnte, handelt es sich um längeren Termin, einen Wandschirm kaufen, gewissermaßen zwei Räume entstehen lassen; auch mit einem Vorhang wäre viel getan. Will er aber nicht?
MandelstamIch habe Ihr Wort.
TheobaldHerrgott, Sie haben Ihr Zimmer, Mandelstam aus dem Stamm der Arier. Ich bin sofort zurück.ExitEinen Augenblick Schweigen
MandelstamVerzeihung. – –
LuiseMich wundert, Sie wollen den Raum nicht sehen. Es muß Ihnen viel daran liegen, gerade in diesem Haus zu wohnen. Sind Sie drüben bei Meister Lämmerhirt in Stellung?
MandelstamIch arbeite in der Lindenstraße.
LuiseFünfzehn Minuten Weg von hier. Das ist seltsam. Wäre es nicht klüger –?
MandelstamIch habe Gründe.
LuiseSind Sie kurzsichtig? Sie sehen mich so an.
MandelstamO Frau Maske!
LuiseWas ist Ihnen? Sie wurden über und über rot.
MandelstamDenken Sie nichts Unrechtes, nicht einmal Seltsames von mir.
LuiseIhre Geheimnisse kümmern mich nicht.
MandelstamIch habe ein einziges, seit heute morgen, wäre erlöst, hätte ich es mir von der Seele gewälzt.
LuiseVertrauen Sie sich meinem Mann an.
MandelstamEr muß der letzte sein! Sein Mitgefühl wäre mit einemmal dahin. Nichts Entehrendes, etwas, das mich kaum betrifft, Sie mehr als jeden sonst angeht.
LuiseWie mich?Sie ist aufgestanden
Mandelstamerhebt sichVerzeihung.
LuiseReden Sie.
MandelstamGanz ohne meine Schuld – –
LuiseBitte!
MandelstamNoch nie war ich in solcher Lage. Doch, doch – – ich sage es schon: Ihre Hose –
LuiseWas – –?
MandelstamHeute – –Ihre – –
LuiseStill!
Theobaldkommt zurückEntscheidung?
LuiseIch will mit dir darüber sprechen.
TheobaldGut. Vorläufig ziehen Sie ein. Wollen Sie eine Zigarre?
MandelstamIch rauche nicht.
TheobaldLunge kaputt? Faßten Sie meinen Brustkasten ins Auge? Darin hat alles reichlich nebeneinander Platz. Kommen Sie her, stellen Sie sich vor mich hin. Arme auseinander. Rumpf rückwärts beugt. Langsam. Tiefer. Hören Sie mal, darüber müssen wir aber ernstlich miteinander reden.
MandelstamIch bin erschöpft.
TheobaldDas faucht wie ein Blasebalg. Aber aber – –Es klingelt
Theobaldgeht zu öffnen.
Luiseschnell zu MandelstamEs war nichtswürdig, zu kommen.
MandelstamSchelten Sie nicht.
LuiseMachen Sie sich fort!
Scarrontritt aufIch hatte die Ehre, der Dame mein Anliegen vorzutragen.
TheobaldMeine Frau teilte mir mit, Sie brauchen zwei Zimmer. Es ist nun, mein Herr, der Fall eingetreten, daß ich, ohne von Ihrem Angebot zu wissen, das kleinere der Zimmer an Herrn Mandelstam, der übrigens aus gut deutscher Familie ist, fortgegeben habe.
ScarronOh!
LuiseHerr Mandelstam meinte gerade –
MandelstamAber nein, ich bin zu bleiben entschlossen.
TheobaldDas wissen wir nun. Restiert die durchaus plausible Möglichkeit, Sie begnügen sich mit dem übrigbleibenden großen schönen Raum. Er mißt sechseinhalb Meter zu fünf. Wollen Sie ihn bitte gründlich ansehen, uns Ihre wohlerwogene Entscheidung sagen.Er führt ihn in die Tür und ins Zimmer
Luisezu MandelstamIhr Benehmen ist unwürdig. Ich mache meinem Mann Mitteilung.
MandelstamDaran kann ich Sie nicht hindern. Bitte aber, es zu unterlassen, denn ich muß sonst Herrn Maske auf folgendes hinweisen: Was veranlaßt den vornehmen Herrn Scarron, Quartier in solchem Haus zu suchen, wenn nicht –
LuiseSie kennen ihn?
MandelstamHatte die Ehre, ihm zweimal die Haare nachzufärben.
LuiseVerleumdung!
MandelstamEr wird sich dessen nicht erinnern, wohl aber weiß ich um sein Wesen Bescheid.
LuiseUnd was veranlaßt Sie zu alledem?
MandelstamHeute morgen las ich den Fliegenden Holländer nach. Kennen Sie Senta, Frau Maske? So träumerisch sind Sie auch. Ich las noch, als ich Sie mit Ihrem Mann kommen sah, als Sie zwei Schritt von mir, der am Boden lag, vorbeigingen. Plötzlich – –
LuiseZwei Schritt nur! Empörend! Schließlich geht mich Ihr Gebaren nichts an. Ich verachte Sie gründlich – das ist alles.
Theobald und Scarron kommen zurück
TheobaldHerr Scarron ist einverstanden. Würdigt die Vorzüge des Zimmers, gibt zwölf Taler. Übrigens beabsichtigt er, es nur Stunden über Tages zu benutzen.
ScarronIn der Tat.
TheobaldFür wichtige Arbeiten, die er im Trubel der belebten Straße, die er bewohnt, nicht vollenden kann.
ScarronIn der Tat.
TheobaldIch durfte ihn versichern, wir werden alles aufbieten, ihm den Aufenthalt angenehm zu machen. Meine Frau, werter Herr, besitzt die Geschicklichkeit, das Zartgefühl und die Zuvorkommenheit einer Person aus besserem Bürgerstand, und Gewißheit tüchtiger Herkunft gibt uns wohl einen gewissen Stolz, trotzdem scheuen wir, meine Frau besonders, nicht leicht eine Gefälligkeit.
ScarronIch bin sehr erfreut, in der Tat.
TheobaldZum Schluß die Frage der Zimmernachbarschaft zu berühren, hält Herrn Mandelstam, der übrigens aus gut deutscher Familie – das sagte ich schon –, sein Geschäft den ganzen Tag außer Haus. Wir können also unsere volle Aufmerksamkeit zwischen Ihnen teilen, tagsüber kann sie sich uneingeschränkt Herrn Scarron, die übrige Zeit Herrn Mandelstam zuwenden. Fällt mir ein: Es gibt auf dieser Seite einen Alkoven, der durch eine Scheibe aus unserm Schlafzimmer so weit erleuchtet ist, daß Herr Scarron, was er nicht in sein Zimmer bringen mag, dort aufbewahren kann. Wir werden ihm ein Gardinchen anhängen, so daß wir nicht hinüberzusehen imstande sind. Und die Bequemlichkeit, meine Herren, auf halber Treppe. Eigentlich wäre nun alles in schönster Ordnung. Indem ich jedem von Ihnen einen Haus- und Flurschlüssel einhändige, hindert Sie nichts mehr, diese Wohnung zu allen Zeiten als die Ihrige anzusehen. Darf ich der Form halber, Herr Scarron, fragen, trägt die Arbeit, die Sie bei uns vorhaben, keinen staatsgefährlichen oder sonst die Ordnung der Dinge aufhebenden Charakter? Ich bin Beamter.
ScarronKeineswegs, Herr. Ich gebe mein Ehrenwort.
TheobaldIch nehme es und empfinde von Person zu Person, Ihnen birgt das Wort Ehre noch den ungeheuren Inhalt, den es für jeden Deutschen hat.
MandelstamBis morgen früh!
Theobaldzu ScarronUnd den Kontrakt auf ein Jahr.
ScarronGewiß.
TheobaldBis morgen.
ScarronGnädige Frau!
TheobaldBis morgen.
ScarronundMandelstamab.
LuiseDer Barbier ist ein unangenehmer Rüpel.
TheobaldWeil er nicht nach Wohlgerüchen wie der andere duftet.
LuiseEr wird uns seine Krankheit, tausend Unsauberkeiten ins Haus tragen.
TheobaldEine Krankheit hat er ohne weiteres nicht, ist marode, schwächlich, mark- und saftlos vom Leben in Herbergen und bei Hungerleidern. Das gibt sich wieder. Im übrigen, meine gute Luise, verhältst du dich heut und die nächsten Tage noch still und bleibst mit deinem Maulwerk fort, sonst haue ich dir den Hintern so gründlich voll, daß dir die Sprache für eine Zeit überhaupt vergeht. Danke Gott, blieb deine heutige Schlamperei anscheinend ohne üble Folgen. Hoffentlich ist dir mit voller Deutlichkeit bewußt geworden, wie tief du im Glück sitzt.
Und was ererbte Gesundheit gilt, muß dir vor der Jammerfigur dieses hohlwangigen Friseurs aufgedämmert sein. Aber auch wenn du den untadelhaft gekleideten, gut gebürsteten Mann mittlerer Jahre scharf ins Auge faßt, kann dir nicht entgehen, wie sich hinter einer vorgetäuschten Zielsicherheit ein untergrabener Wille nur schlecht verbirgt. Glaub, Beste, die Worte, die ich von Ehre und Gewissen sprach, trafen einen vorurteilslosen Gesellen. Immerhin hat er für ein Jahr gemietet.
Luisebricht in Schluchzen aus.
Theobaldmit lautem LachenDas ist klassisch! In welchem Zusammenhang Tränen für diese eher komische Person?Er tätschelt sieSoll ich ihn dir wirklich vollhauen? Du dummes Luder, lache doch! Ich bin durch diese beiden minderwertigen Männlichkeiten, die Gott uns ins Haus sandte, wahrhaftig wieder guter Laune. War das denn nicht zum Schießen, wie er stand und sagte: gnädige Frau! Zu meiner Luise, die die Hosen verliert.
Luiseschluchzt heftiger.
TheobaldUnd dann: in der Tat! in der Tat! in der Tat! Wie ein Nußknacker.Er schüttelt sich vor Lachen
In der andern Ecke dieser Seifenschaumengel, der nach Luft schnappte. Wer da vor Vergnügen nicht hin ist, hat überhaupt keinen Sinn für göttlichen Humor.Sie lachen und weinen im Duett
Vorhang
Der gleiche Raum.Theobaldkommt aus dem Alkoven.Das Gardinchen wäre angebracht.
Mandelstamam KaffeetischWarum befestigen Sie es nicht von Ihrer Seite aus?
TheobaldEr soll die Überzeugung haben, man will ihm nicht in seinen Kram sehen.
MandelstamHat er die gleiche Absicht, bleibt nichts einzuwenden.
TheobaldSeine knappen Antworten mir gegenüber, Zurückhaltung lassen es vermuten.
MandelstamDer Hochmut höherer gesellschaftlicher Stellung.
TheobaldZog er dann hierher? Er fand bei besser Situierten die stille Stube, die er für die Arbeit wünscht.
MandelstamWas tut der Mann eigentlich?
TheobaldWarum vermeiden Sie die Bezeichnung Herr? Soviel ich aus ihm hören konnte, will er ein Erlebnis, das ihm am Herzen liegt –
MandelstamAbenteuer!
TheobaldErlebnis, sagte er. Achten Sie auf Ihre Neigung, Bezeichnungen zu verschieben. Ein Erlebnis, das ihm naheging, niederschreiben.
MandelstamSo, so; ein Erlebnis!
TheobaldSprechen Sie es so aus, treffen Sie es wieder nicht.
MandelstamSie sind genau.
TheobaldDas ist natürlich. Das Ungenaue ist Umweg. Von morgens neun bis nachmittags drei habe ich amtliche Schriftstücke vor mir. Wollte ich da ungenau sein!
MandelstamNun ja, man spricht manches so hin. Ich soll meine Kunden unter dem Messer unterhalten, sehen, daß sie einen Schnitt, ein wegrasiertes Bartende nicht bemerken. Da ist kein langes Überlegen, man schleudert Worte. Nur keine Unterbrechung.
TheobaldSo sind Sie ein Opfer Ihres Berufs!Er lacht
MandelstamEin Erlebnis! Wahrscheinlich eine Liebesgeschichte.
TheobaldMöglich. Müssen Sie samstags erst um acht im Geschäft: sein?
MandelstamMuß? Ich richte mir's halt ein. Der Chef kommt auch nicht eher, und das Arbeiterpack wird vom Lehrling geschabt.
TheobaldSo gehen Sie wenigstens morgens spazieren. Wäre ich meines Leibes unsicher wie Sie, setzte ich alles daran, ihn zu kräftigen.
MandelstamWeit gehen, strengt mich an.
TheobaldAnfangs. Ich möchte Sie, sich über Ihren Zustand volle Klarheit zu verschaffen, veranlassen.
MandelstamWarum?
TheobaldDamit Sie wissen, woran Sie sind.
MandelstamGestatten mir meine Mittel keine ausreichende Hilfe – was nützt Wahrheit?
TheobaldPotztausend, Mann, was nützt Lüge?
MandelstamSchließlich ist ringsum alles Lüge.
TheobaldSie sind ein Kauz. Ein Pessimist. Alles Lüge, geradezu Lüge?
MandelstamLachen Sie nicht. Ich werde beweisen.
TheobaldlachendWo?
MandelstamWo Sie wollen, überall, bei allen.
TheobaldlachendBei Ihnen selbst?
MandelstamwütendGewiß.
TheobaldBei Herrn Scarron?
MandelstamAuch.
TheobaldbrüllendMeiner Frau?
MandelstamGerade.
TheobaldBei mir?
MandelstamSicher.
TheobaldtosendSie sind ein Haupthahn, Mirakel, Geld wert! Sind Sie am Ende gar nicht Barbier? Ein verkleideter Baron, Liebhaber meiner Frau, der sich einschlich?
MandelstamwutschnaubendHerr Maske!
TheobaldEin Kerl mit Bombenkräften, Gekrösen wie Pulversäcke.
Luise kommt aus der Schlafkammer
TheobaldLuise, laß deiner Bürgerlichkeit Gerüche hinter dir. Mandelstam ist Baron. Dein Liebhaber, und die Welt ist Lüge, basta!
MandelstamHerr Maske, ich muß mir ernstlich verbitten– –
TheobaldNein, lieber Freund. So sicher Sie den Leuten den Bart abnehmen, nicht ganz sattelfest sind, so bestimmt ich an nichts denke, als daß meine Kolumnen stimmen, Herr Scarron Liebesgeschichten dichtet, meine Frau zu mir gehört, so sicher ist, was meine Augen sehen, und so bestimmt ist Lüge nur, was Sie träumen. Und das kommt aus der Leber, der Lunge oder dem Magen. Ich ruhe nicht, bis Sie Gewißheit darüber haben. Kommen Sie mit?
MandelstamDanke. In zehn Minuten.
TheobaldÄrgern Sie sich nicht über mich. Vielleicht schlägt Ihre Stunde noch, und Sie überzeugen mich. Nie, Bester; aber darum keine Feindschaft zwischen uns. Also, ich laufe. Sie wollen nicht?
MandelstamDanke!
TheobaldGut. Auf Wiedersehen.
Exit
MandelstamDer macht es einem wirklich leicht.
Luisemißt ihnDer? – – Einem?
MandelstamDas ist ja lächerlichste Gutgläubigkeit.
LuiseEr vertraut, wo er darf.
MandelstamIhm werden die Augen, daß es eine Art hat, aufgehen.
LuiseÜber Menschen, die er zu sich ins Haus nimmt.
MandelstamGanz meine Meinung.
LuiseDie sich durchsichtigen Vorwandes bedienen.
MandelstamDen ein Kind durchschaute! Eine Liebesgeschichte, fern vom Lärm der Straße, niederschreiben!
LuiseBeleidigen Sie mich, rufe ich meinen Mann zurück.
MandelstamRufen Sie; er ist noch auf der Treppe. Reizen Sie mich, noch bin ich nicht außer mir. Warum lacht er fortgesetzt so dämlich über mich, warum das spöttische Mitleid im Ton? Was haben Sie für Veranlassung, mich zu verachten? Ich – das sage ich frei – habe ein Gefühl für Sie, das aber weit davon entfernt ist, Ihnen anders als achtungsvoll nah zu treten.
LuiseDaran wird Sie niemand hindern.
MandelstamSie selbst! Glauben Sie, ich sehe ruhig mit an, wie Sie ein anderer für sich erobert, ertrüge, was sich vorbereitet, litte es als Mitwisser? An diesem Tisch schwöre ich: mit allen Mitteln will ich es verhindern!
LuiseWann müssen Sie samstags zur Arbeit?
MandelstamSie unterschätzen mich, Frau Maske. Hier legte einer einen Schwur ab. So wahr Gott helfe, Sie kommen nicht ans Ziel!
LuiselangsamSie sind ein Kind.
MandelstamEin exaltierter Mensch. Das weiß der Himmel.
LuiseEin rechtes Kind. Erregen sich über nichts und gar nichts.
MandelstamVerachtung lasse ich mir nicht zeigen.
LuiseKommen ganz außer Atem. Nehmen Sie noch ein Täßchen Kaffee. Eine Honigsemmel will ich Ihnen streichen.
MandelstamHat man niemand in der Welt.
LuiseNur ordentlich Zucker!
MandelstamMan hat eben niemand in der Welt.
LuiseDas ist Honig von meinem Vater. Zwei Meilen von hier hat er ein Häuschen im Grünen.
MandelstamHat man seine Eltern kaum gekannt.
LuiseIch bin sonst geizig mit ihm.
MandelstamMan ist so blödsinnig allein. Keine Wurzeln in der Erde, nichts, an das man lehnt, das einen hält.
LuiseEin bißchen pflegen muß man Sie. Es ist vieles nervös. Nur sind Sie so wild.
MandelstamNein. Sanft.
LuiseHeftige Naturen muß ich verachten. Das Gehorsame, Schmiegsame liebe ich. Die guten Kinder.
MandelstamWer keine Mutter hatte, dessen einziger Wunsch ist es doch.
LuiseJa – dessen einziger Wunsch! Man kennt das.
MandelstamFrau Maske, das behaupte ich bei dem Andenken an meine tote Mutter, die auf uns schaut in diesen Augenblicken: nie werde ich eine Grenze, die Sie mir setzen, überschreiten.
LuiseNicht, daß ich etwas gegen Sie hätte.
MandelstamWar doch nicht meine Schuld, was ich gestern sah.
LuiseDavon dürfen Sie nie wieder sprechen! Keine Silbe. Mich erschreckte, wie Sie auftraten, ich sah unangenehme Auseinandersetzungen mit meinem Mann voraus.
MandelstamAls ob ich nicht bis zum letzten Atemzug zu Ihnen stünde.
LuiseGut – so werden wir im Lauf der Zeit noch Freunde.
MandelstamUnd Herr Scarron?
LuiseWas kümmert mich der Geck!
MandelstamWohl Geck. Doch könnten Sie mich täuschen. Ich habe mit Frauen nicht genügend Erfahrung, wenn ich auch kein Neuling bin. Wahrhaftig nicht.
LuiseEs ist nicht unmöglich, er verfolgt geheime Absichten. Doch Sie vergessen mich, setzen ein Einverständnis voraus, das mich empört. Halten Sie mich für so blind, ich sähe nicht, diesem verwöhnten Don Juan würde ich nur eine leichte Beute sein, die er ebenso schnell wie hastig es ihm in den Sinn kam, sie zu besitzen, ließe? Opferte Ruf, alle Vorteile meiner Stellung für eines andern Begierden?
MandelstamSeine Blicke auf Sie ließen vermuten –
LuiseEure Blicke sind ohne Erlaubnis anmaßend.
MandelstamIch will gewiß nie anmaßend, genügsam, mit dem Geringsten, einem Hauch zufrieden sein.
LuiseÜberlassen wir alles der Zeit.
MandelstamDoch hoffen Sie nicht, mich zu täuschen.
LuiseWie leicht Sie angezogen sind. Das sollten Sie nicht. Nehmen Sie etwas um, es regnet in Strömen.
MandelstamWenn Sie das sagen! Das macht mich im Nu gesund und stark. Da merke ich kein Wetter. Das Halstuch nehme ich noch herunter.
LuiseAber nein! Besser Vorsicht als Nachsicht.
MandelstamWie Sie das sagen!
LuiseWollen Sie ein Butterbrot mit ins Geschäft nehmen?
MandelstamDaß Sie daran denken!
LuiseIch sage mir, es müßte Ihnen gut tun.
MandelstamIch brauche nicht zu essen, habe meine himmlischen Träume. Was schiert mich irdischer Jammer. Wäre es Ihnen recht, wir lesen abends den Fliegenden Holländer miteinander?
LuiseIst's eine Liebesgeschichte?
MandelstamDie himmlischste. Hören Sie, was der Holländer von Senta sagt:
Wird Sie mein Engel sein? Wenn aus der Qualen Schreckgewalten Die Sehnsucht nach dem Heil mich treibt. Der Qualen, die mein Haupt umnachten, Ersehntes Ziel hätt' ich erreicht.
LuiseSchön. Jetzt gehen Sie, sonst versäumen Sie sich.
MandelstamNoch den Schluß:
Ach, ohne Hoffnung, wie ich bin, Geb ich mich doch der Hoffnung hin.
Und nun erst gesungen! Das geht einem durch Mark und Bein.
LuiseBis zum Mittag.
Mandelstammit KußhändenBald! bald! bald!
Exit
Deutertritt unmittelbar darauf aufWer ist der windige Mensch?
LuiseEin aufdringlicher, gefährlicher Bursche. Sah gestern auch, was niemand sehen sollte, hat sich unter gleichem Vorwand wie unser Freund eingeschlichen. Sie teilen sich in die Zimmer.
DeuterHört!
LuiseDas schlimmste: er haßt Herrn Scarron und mutmaßt. Eben schwor er hier, er litte nie – was sagen Sie?
DeuterAlberne Geschichte!
LuiseIch halte ihn fähig, Theobald die ganze Geschichte, bevor das geringste geschah, anzutragen. Außer mir bin ich. Als ich vorhin hereinkam, rief mir mein Mann entgegen: Mandelstam – so heißt der Badergesell – ist dein Geliebter. Es war im Lachen gesagt, doch muß der andere ernsthaft von Möglichkeiten solcher Art gesprochen, mindestens seine Reden in dem Fahrwasser geführt haben.
DeuterWie verhielten Sie sich ihm gegenüber?
LuiseIch schmeichelte, suchte ihn sicher zu machen.
DeuterRecht.
LuiseAber – –
DeuterEs wird ihm scharf von mir auf die Finger geguckt. Sie sehen, wie gut es ist, ich stehe Ihnen zur Seite.
LuiseWas halten Sie da?
DeuterRaten Sie.
LuiseAntworten Sie.
DeuterDen Batist.
LuiseSie Liebe! Wie zart!
DeuterGefällt er?
LuiseHerrlich! Wohl teuer?
DeuterDas ist vornehmer als Seide.
LuiseWie er auf der Haut liegen muß.
DeuterAnders als Ihr garstiger Köper. Köper auf solchem Körperchen. Ich will das Bundmaß sehen, nehmen Sie das Röckchen auf. 65, sagen wir 66 Zentimeter.
LuiseHaben Sie das Band schon?
DeuterHier.
LuiseHimmlisch! Meine beste Freundin sind Sie. Und wollen das alles für mich tun und sind selbst noch jung genug?
DeuterIch gab aufrichtig alle Hoffnung auf. Sonst hätte ich nicht so viel Zeit für Sie übrig.
LuiseMan muß für Sie beten.
DeuterGlauben Sie, es nützt?
LuiseZu so großem Zweck muß alles versucht werden.
DeuterWie Sie Fortschritte machen!
LuiseBin fest entschlossen. Diese Nacht hat völlig über mich entschieden. Ein süßer Traum schon.
DeuterReden Sie.
LuiseSie Arme!
DeuterKein Wort mehr oder ich weine laut heraus.
LuiseEs findet sich schon einer für Sie. Wie wäre es mit dem Barbier?
DeuterPfui! Da nähme ich eher Ihren Mann.Sie lachen ausgelassen
Scarronöffnet die Tür von außen und tritt aufWelche himmlische Heiterkeit. Vom Regen trete ich mitten in Tropensonne.
Luiseleise zur DeuterBleiben Sie!
DeuterEinen Augenblick, dann muß ich hinunter.
ScarronMittels meines Flurschlüssels dringe ich unaufgefordert in Ihre lustigen Beziehungen und zerreiße sie. Lachen Sie weiter; wenn ich darf und mich eigne, möchte ich teilnehmen. Worüber war es?
LuiseFräulein Deuter –
Scarronverneigt sich
LuiseUnd ich sprachen von dem Barbier.
ScarronVon welchem Barbier?
LuiseVon Mandelstam natürlich.
DeuterIhr sei er zu häßlich, meinte Frau Maske, empfahl ihn mir als Liebhaber.
LuiseDas Wort kam nicht von meinen Lippen.
DeuterGott weiß, sie empfahl ihn mir in dem Sinn.
LuiseScherzhaft.
ScarronErnsthaft ging es nicht an. Er ist nicht, was man einen Mann nennt.
DeuterImmerhin für eine ältere Jungfer gut.
ScarronWer soll das sein?
LuiseSie will eine Artigkeit.
DeuterNichts dergleichen, doch Ihr Urteil über diesen Stoff, Herr Doktor. Was ist's?
ScarronBatist wohl. Was soll's damit?
DeuterHosen gibt's für die junge Frau; Verzeihung: Beinkleider sagt man in Ihren Kreisen.
LuiseFräulein Deuter!
DeuterSie störten uns im Maßnehmen.
LuiseFräulein Deuter!
Deuter66 Zentimeter, das nenne ich doch schlanke Hüften, Herr Doktor.
ScarronEin so süßes Geschäft hätte ich Ihnen nicht aufhalten dürfen.
LuiseHerr Scarron!
DeuterNur noch die Länge brauche ich.Bückt sich und mißt63 bis über die Knie.
LuiseGenug. Was tun Sie!
ScarronDarf ich, da ich in so zarte Begebenheit geriet, einen Rat geben? Die Frauen, die nichts als Putz und Mode wissen, den Ton in allen Fragen des Geschmacks angeben, würden vielleicht nicht ganz so weit wie Sie, mein Fräulein, hinuntergemessen haben, hätten den Punkt etwa zwei bis drei Zentimeter oberhalb des Knies gefunden.
DeuterGehen Sie uns zur Hand. Auf solche Kenntnisse rechnete ich. Ob dann unsere Weite von achtzehn dem neuesten Schnitt entspricht?
ScarronMan läßt das Beinkleid unten möglichst weit, legt es nach oben fester an.
DeuterBliebe die Frage –
Luisefliegt ihr an die BrustTrude, jetzt schweigst du; ich wäre ewig böse!
Scarronzu DeuterUnd Sie selbst sind mit dieser wichtigen Angelegenheit betraut? Alles geschieht von Ihren Händen?
DeuterSie würden mir ein Kompliment nicht vorenthalten, hätten Sie, das Fertiggestellte im Sitz zu bewundern, Gelegenheit.
ScarronWie verdiene ich Ihre Freundschaft?
DeuterMerken Sie, ich bin zu Ihren Gunsten da!
ScarronSie scheinen Patin eines Glücks sein zu wollen, das die schützende Hand nötiger als der Vogel hat, der nicht flügge ist.
DeuterWas aber fliegen will –
LuiseUnd nicht zu fliegen weiß?
DeuterIch bin sozusagen nur ein halber Vogel, der zur rechten Zeit den Mut nicht hatte, in der Dachrinne sitzen blieb. Von mir darfst du Unterweisungen nicht erwarten.
ScarronDeren bedarf es nicht.
DeuterÜbrigens befleißigt sich das Nesthäkchen. Fand ich es gestern schon flatternd in inniger Berührung mit den höheren Regionen.
ScarronWagen wir den Flug!
DeuterEin Stößer kreist am Horizont! Nicht der alte fette Uhu, der nur nachts zu fürchten ist. Eine schlanke hungrige Wolke, die blitzschnell in Verstecke fällt.
ScarronWer?
DeuterEine Wolke Seifenschaum, ein Schaumschläger.
ScarronDer Barbier!
LuiseStellt mir nach! Passe auf, dulde nichts, rief er mir ins Gesicht. Ich bin unglücklich!
DeuterDa das Wort fiel, gehe ich. Vorsicht!
ScarronDank!
DeuterIch will mein möglichstes tun.
Exit
ScarronLuise!
LuiseIch habe Angst.
ScarronSetz dich zum Tisch.
LuiseMir fallen die Füße fort.
ScarronJeder darf zur Tür herein, denn ich berühre dich nicht. Dir mehr als zwei Ozeane entfernt, bin ich an diese Bergwand gelagert. Vom Leben in zwei blauen Sonnen ausruhend. Sie entsenden Willensströme, versengen das Nächste, entzünden Ferneres mit freudiger Wärme. Deine zusammengerollte Hand hat gegriffen, genießt den hinschmelzenden Gedanken. Der Busen wallt schon auf. Ich sehe den Musselin sich schieben. Und jetzt entblätterst du von der Krone zur Wurzel, Luise, bist vom Schicksal hingeschlagen!
Luisehat, wie eine Schlafende, den Kopf in die Arme auf den Tisch vergraben.
ScarronDas Leben begann mit Vater und Mutter. Geschwister bewegten sich bedeutend auf mich zu, vom Vater kam ein kaum unterbrochener Laut. Wo blieb das plötzlich? Nur noch den bittend geschwungenen Arm der Mutter sah ich, stand in einem Tosen, das den Boden zerriß, Himmel auf mich warf, lief mit einem Ziel ohne Wege. Steh auf, Weib, ich komme in falsche Leidenschaft hinein! Ganz etwas anderes muß ich dir sagen: Herrliche Frauen gibt's auf der Welt, Luise. Blonde, mit blaßroten Malen, wo man sie entblößt, dunkle, die wie junge Adler einen Flaum haben, denen im Rücken eine Welle spielt, reizt man sie. Manche tragen rauschendes Zeug und Steine, die wie ihre Flüssigkeiten schimmern. Andere sind knapp geschürzt, kühl wie ihre Haut. Es gibt Blonde, die einen Flaum haben, dunkle mit blassen Malen. Demütige Brünetten, stolze Flachsige. Der Himmel ist voller Sterne, die Nächte voller Frauen. Sublim schön ist die Welt – aber!Große abgerissene Geste
Luisehat sich erhoben.
ScarronDu bist die Schönste, die mir erschien. Gewitter erwarte ich von dir, Entladung, die meine letzten Erdenreste schmilzt, und in den Wahnsinn enteilend, will ich meinen entselbsteten Balg zu deinen aufgehobenen Füßen liebkosen.Er ist dicht an sie getreten
Bevor du deine Hand in meine senkst, besieh sie flüchtig. Möglich ist es, Gott läßt aus ihr unserm gemarterten Lande Muttersprache in guten neuen Liedern fließen. Wardst du inne: ich liebe dich inbrünstig Luise? Es darf daran kein Zweifel sein.
LuiseIch bin dein!
ScarronWie antik die Geste! In drei Worte hüllt sich ein Schicksal. Welche Menschlichkeit! Gelänge es, sie im Buch festzuhalten – neben den Größten müßte ich gelten.
Luiseneigt sichLaß mich dein sein!
ScarronTisch, Feder an dein Wesen heran; schlichter Natur angenähert, muß das Kunstwerk gelingen.
LuiseDein!
ScarronSo sei es! In einem Maß, das über uns beiden ist. Nie innegewordenes Feuer bläst mich an, Glück kann nicht mehr entlaufen. In Rhythmen schwingend, fühle ich mich selig abgewendet. Dir auf Knien zugewendet, will ich der Menschheit dein Bild festhalten, und es dir aufzeigend, den ganzen Lohn deiner Gnade fordern.Entläuft in sein Zimmer
LuiseWarum – ? Was?
Sie tritt an Scarrons Tür, lauscht. Nach einigen Augenblicken nimmt sie sich ein Herz, klopft.Mein Gott! Warum ?
Haucht sie, lauscht, nähert sich, dann dem Tisch, von dem sie, mit Blick auf Scarrons Tür, Mandelstams Halstuch hebt, das sie an ihr Gesicht führt. In diesem Augenblick tauchtMandelstamvor der Flurtür auf. Man sieht, wie er sein Gesicht an dieselbe preßt. Dann öffnet er leise, tritt herein.
MandelstamHimmel, mein Tuch!Tritt dicht zu Luise
LuiseWie bin ich erschrocken! Wo kommen Sie her?
MandelstamErschrocken?
LuiseSich so herzuschleichen.
MandelstamIst das mein Tuch?
LuiseWeiß Gott.
Mandelstamküßt sieLuise!
Luiseohrfeigt ihnUnverschämter!
MandelstamVerzeihung!
Luiseist an Scarrons Tür getreten und hat laut an dieselbe geklopft.
ScarronsStimmeNoch fünf Minuten!
Luisesteht verwirrt.
MandelstamIch flehe Sie an! Es riß mich hin. Nie wieder! Ich töte mich!
Luiseauf ihr Zimmer zu.
Mandelstamwird ohnmächtig.
LuiseHeiland!Läuft zu ihmWasser!Sie holt Wasser und flößt ihm ein
MandelstamWie gut mir ist!
LuiseAm Kinn bluten Sie. Was ist das für eine Spitze?
MandelstamEin Bohrer!
LuiseWie durften Sie ihn in die Tasche stecken! Tödlich hätte es Sie verwunden können.
MandelstamWenn es Sie bewegte!
Luisesich erhebendEin junger Mensch voll Hoffnungen. Was sind das für tolle Geschichten! Legen Sie sich einen Augenblick ins Sofa.
Mandelstamlegt sichZu allen Zeiten wird er mir verraten, was im Zimmer des Herrn Scarron vorgeht!
LuiseSie wollen –?
MandelstamDie Wand durchlöchern! Ich bin rasend, tobe, Luise, vor Eifersucht, kenne mich nicht mehr. Was trieb Sie gerade an die Tür dieses Elenden? Verkennen Sie mich nicht! Trotz meiner Schwäche werde ich ihn ermorden!
LuiseWelches Recht –!
MandelstamIch liebe Sie, Luise!
Scarronschnell aus seinem ZimmerTon, Farbe, Valeurs stehen, bis ins kleinste mir nicht mehr zu entreißen, fest. Ich komme, ganz Dankbarkeit und Liebe – –Er bemerkt MandelstamPardon!
Theobaldtritt schnell einMahlzeit, meine Herren!
Vorhang
Der gleiche Raum. Alle sitzen um den mit Resten des Abendbrots bedeckten Tisch.
Theobaldzu MandelstamEs kam dem Meister hart an, die Arbeit nachmittags ohne Sie zu bewältigen. Sie hätten Ihr Unwohlsein auf einen andern Tag als Samstag legen dürfen, meinte er.
MandelstamDer erste Nachmittag, den ich seit drei Jahren aussetzte.
TheobaldEr hofft, Sie sind bis übermorgen wieder wohl. Liegt doch der ganze Sonntag dazwischen.
MandelstamJeder Hund will Ruh, ist ihm nicht koscher.
TheobaldKoscher? Hm. Doch wie Sie wollen. Im übrigen hatte ich eine gründliche Unterhaltung mit einem Kollegen, der über ähnliche Zustände wie Sie klagt. Er kennt das Innere seines strapazierten Körpers wie das Gehaltsreglement, operiert mit lateinischen Namen.Er ist aufgestanden, geht in den Hintergrund
Mandelstamfolgt ihm eifrigAber, wie zum Teufel können Sie meinen Fall vergleichen?
Scarronleise zu LuiseIch verbiete dir, den Lümmel anzustarren!
LuiseEr tut mir wirklich leid.
ScarronIst ein abgefeimter Halunke, Schnapphahn, der uns durch seine Anwesenheit mit Absicht den Nachmittag verdarb, und du –
TheobaldIn allererster Linie handelt es sich um die Nerven, sind die übrigen Organe, das eine mehr, das andere weniger, auch infiziert. Verstand ich ihn recht, muß man sich jeden Nerv als feinen Schlauch, den schützend ein zweiter Schlauch umgibt, vorstellen. Bei entkräfteten Personen ist dieser andere hüllende Schlauch wie Rinde an Bäumen abgebaut – verhält es sich so, Herr Scarron?
ScarronUngefähr, soviel ich weiß.
TheobaldUnd es ist über Erwarten schwer, den gefressenen Schaden wieder gutzumachen.
MandelstamWie in aller Welt kommen Sie darauf, meine Nerven wären – Unerhört, ohne mich genau angesehen zu haben –
TheobaldBleiben Sie doch still; ich will Sie nicht aufregen. Nur meine ich, es muß Sie manch einer auf den Zustand Ihrer Nerven gedeutet haben.
MandelstamNiemand.
TheobaldSo frage ich den unbefangenen Beobachter. Wie erscheint Ihnen, Herr Scarron, unser Freund?
ScarronTypischer Neurastheniker.
MandelstamHa!
TheobaldEs kommt, wie gesagt, natürlich anderes dazu. Bei dem Betreffenden ist es der Magen, der infolge langjähriger Mißhandlung durch unzureichende Ernährung ruiniert ist, während ich bei Ihnen auf die Lungen raten möchte.
LuiseDu mußt Herrn Mandelstam nicht ängstlich machen, Theobald.
TheobaldIm Gegenteil suche ich, ihn einer Katastrophe gegenüber zu wappnen.
LuiseAber er stellt bedenkliches Kranksein in Abrede.
MandelstamUnbedingt.
TheobaldUm so besser. Ich erachte es einfach für meine Pflicht.
MandelstamUnd ich halte es für wenig überlegt, diffizilen Menschen solche Dinge mitzuteilen. Es ist natürlich, man beschäftigt sich weiter damit.
TheobaldGehen Sie einen nichts an.
MandelstamSteht ein Fenster auf?
TheobaldEin Spalt.
MandelstamDarf ich schließen?Er tut's
LuiseNehmen Sie Ihr Tuch um den Hals!
MandelstamHerzlichen Dank.
Scarronzu TheobaldWas Ihren kranken Kollegen angeht – ich finde unvergleichliche Wohltat in dem Gedanken: das Schwache, Lebensunfähige, muß dem Starken, Gesunden weichen.
LuiseAufgabe des Kräftigen soll es sein, die Hinfälligen zu stützen. Das lehrt auch Religion.
ScarronDie anderer Jahrhunderte; nicht unsere.
Theobaldreicht Mandelstam eine ZeitungLesen Sie!
ScarronWir sind darüber hinaus. In die dumpfe stockige Mitleidsatmosphäre vergangener Jahrhunderte führten wir einen Windzug.
MandelstamWo? Mir flimmert's vor den Augen.
TheobaldzeigtDa! Die Seeschlange soll in den indischen Gewässern wieder aufgetaucht sein.
MandelstamwütendWas schiert mich das!
TheobaldVielleicht lenkt es Sie ab.
Scarronzu TheobaldIst Ihnen der Name Nietzsche zu Ohren gekommen?
TheobaldWieso?
ScarronEr lehrt das Evangelium der Zeit. Durch das mit Energien begnadete Individuum kommt Ziel in die unübersehbare Masse der Menschen. Kraft ist höchstes Glück.
TheobaldKraft ist freilich Glück. Das wußte ich auf der Schule, hatten die andern unter mir zu leiden.
ScarronNatürlich meine ich nicht brutale Körperkräfte. Vor allem geistige Energien.
TheobaldJa, ja.
MandelstamErst heute morgen merkte ich: mein Zimmer liegt nach Nordost.
TheobaldEinen Augenblick. Ja, Sie haben recht.
MandelstamDas ist natürlich außerordentlich ungünstig auch für den Stärksten.
Scarronzu LuiseHerrenmoral soll dem schlappen Hund gezeigt werden. Heute nacht setze ich alles daran, zu dir zu gelangen.
LuiseUm Gottes willen!
ScarronFür wen hältst du mich? Glaubst du, meinem fertigen Willen ist der Gotteseibeiuns gewachsen?
LuiseWarten Sie noch!
ScarronNein! Das Schicksal ist reif.
Theobaldhat Mandelstams Tür geöffnetStellen Sie das Bett an die dem Fenster entgegengesetzte Wand, schlafen Sie nach Südwest. Blendende Gegend!
MandelstamIn die Kissen spüre ich den Zug.
Scarronzu LuiseHeute noch sollst du mit mir im Paradiese sein!
Theobaldzu MandelstamJetzt übertreiben Sie.
Mandelstamtritt in sein Zimmer. Man sieht, wie er sich dort zu schaffen macht.
Scarronzu TheobaldHörten Sie von diesen Theorien nie sprechen? Lesen Sie so wenig?
TheobaldGar nicht. Sieben Stunden tue ich Dienst. Dann ist man müde.
ScarronDas ist bedauerlich. Woran haben Sie das Maß für Ihr Denken?
TheobaldUnsereiner macht sich weniger Gedanken als Sie vermuten.
ScarronImmerhin leben Sie nach bestimmtem Schema.
TheobaldSchema F, wenn Sie wollen.
ScarronDas heißt, essen, schlafen, schreiben Akten ab? Und wohin soll das führen?
TheobaldIn die Pension, so Gott will.
ScarronSchauerlich. Für Politik kein Interesse?
TheobaldIch war, was Bismarck tat, gespannt.
ScarronDer ist lange tot!
TheobaldNachher passierte nicht mehr viel.
ScarronWissenschaft?
TheobaldFür unsereinen kommt nicht viel dabei heraus.
ScarronWissen Sie, daß Shakespeare lebte, kennen Sie Goethe?
TheobaldGoethe beiläufig.
ScarronUm Gottes willen!
TheobaldSie nehmen das zu tragisch.
ScarronBequeme Lebenstheorie.
TheobaldIst bequem nicht recht? Mein Leben währet siebenzig Jahre. Auf dem Boden des mir angelernten Bewußtseins kann ich manches in diesem Zeitraum auf meine Weise genießen. Wollte ich mir höhere Meinung, Ihre Regeln, zu eigen machen, hätte ich bei meiner schwierigen Veranlagung in hundert Jahren kaum die Regel inne.
LuiseDaß aber kein Mitleid mehr sein soll?
ScarronIst einfach nicht.
LuiseWenn ich es fühle –
TheobaldMisch dich nicht in unsere Gespräche!
Mandelstamtritt wieder einEine wollene Decke möchte ich mir von Frau Maske ausbitten. Das Bett stellte ich um.
TheobaldDas war vernünftig.
LuiseSie sollen eine Decke haben.Geht in ihr Zimmer
ScarronIch beurteile den Mann einfach nach dem Grad seiner Mitarbeit an der geistigen Entwicklung des Menschengeschlechts; Heroen sind die großen Denker, Dichter, Maler, Musiker. Der Laie so bedeutend, wie weit er sie kennt.
MandelstamUnd die großen Erfinder!
ScarronAber nur soweit sie die Menschheit, die Gedanken des Genies schneller auszutauschen, geschickter machen.
TheobaldUnd wo bleiben Sie mit dem Gemüt?
ScarronWie?
TheobaldDrückte ich mich nicht richtig aus? Wie brauchen Sie das Herz dazu?
ScarronDas Herz ist ein Muskel, Maske.Luise kommt wieder
TheobaldGut. Doch es hat eine Bewandtnis mit ihm. Bei den Weibern vor allem.
Luisezu Mandelstam mit einer DeckeSie ist groß genug, Sie einzuwickeln.
MandelstamBesten Dank.
ScarronKommen Sie mir nicht, handelt es sich um letzte Probleme, mit solcher Einfalt. Weiber, Frauen sind bei Gott eine köstliche Sache, ringt aber ein Shakespeare um Hamlets Seele, Goethe um die Einsicht in einen Faust, bleibt das Weib beiseite.
MandelstamSchwarz hat nicht an seine Frau gedacht, als er das Buchdrucken erfand, und Newton nicht und Edison und Zeppelin auch nicht.
LuiseIst das sicher?
ScarronMeinen Eid darauf.
MandelstamDa schwöre ich mit.
TheobaldVon Goethe zu schweigen, meinetwegen von Schwarz – immerhin – um mich so auszudrücken, die Weiber haben ihr Herz.
ScarronEin Muskel, Maske!
TheobaldAber sie leben davon, machen die Hälfte der Erdbewohner aus.
ScarronAlles gut und wohl. Sie aber sind kein Weib; müßten von Ihrer Würde als Mann durchdrungen sein. Neben allem Häuslichen, Freundlichen, das Sie mit Ihrer Frau vereint, gibt es Augenblicke, in denen Sie fühlen, es trennt Sie eine Welt; wo das Mannhafte in Ihnen Sie überwältigt und mit tollem Stolz erfüllt.
MandelstamToll! Wundervoll gesprochen!
LuiseEs sind nicht alle Männer Ihrer Art.
ScarronTiefinnerst alle, verehrte Frau.