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Schaurig schöne Geschichten gibt es, seit der Mensch anfing, Geschichten zu erzählen. In dieser Sammlung finden sich Erzählungen aus zwei Jahrhunderten.Alice und Claude Askew - Aylmer Vance und der Vampir (1914)Christian Heinrich Spiess - Der Geisterseher des fünfzehnten Jahrhunderts oder Idee von der Gewalt über die Geister (1797)Max Brod - Eine Gespenstergeschichte (1916)Karl Philipp Moritz: Fragmente aus dem Tagebuch eines Geistersehers (1787)Peter Baum - Der Geisterseher (1894)Mit den vorliegenden Geschichten wagen wir einen Blick zurück bis ins Jahr 1787. Und enden im Jahr 1916. Bis auf das Autorenehepaar Askew sind ausschliesslich deutsche Autoren vertreten. Leider, muss man sagen, denn Autorinnen haben meist einen anderen Blick auf die Ereignisse als die männlichen Vertreter.
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Gespenstergeschichten
Herausgeber Erik Schreiber
Saphir im Stahl
e-book 160
Gespenstergeschichten
Erste Auflage 01.09.2023
© Saphir im Stahl Verlag
Erik Schreiber
An der Laut 14
64404 Bickenbach
www.saphir-im-stahl.de
Übersetzung: Sebastian Brandner
Lektorat: Peter Heller
Titelbild: Simon Faulhaber
Vertrieb: Neobooks
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Alice und Claude Askew - Aylmer Vance und der Vampir (1914)
Christian Heinrich Spiess - Der Geisterseher des fünfzehnten Jahrhunderts oder Idee von der Gewalt über die Geister (1797)
Max Brod - Eine Gespenstergeschichte (1916)
Karl Philipp Moritz: Fragmente aus dem Tagebuch eines Geistersehers (1787)
Peter Baum - Der Geisterseher (1894)
Biographien
Vorwort
Die älteste Kurzgeschichte dieser Kurzgeschichtensammlung stammt aus dem Jahr 1785, die jüngste Erzählung von 1916. Die vorliegenden Erzählungen sind weitab von dem Klischee kettenrasselnder Spukgeschichten von Geistern in alten Schlössern oder finsteren Grüften. Sie geben vielmehr einen Eindruck, bei welchen Ereignissen Geister und Gespenster zurückbleiben.
Mit diesen Erzählungen wurden Generationen von Menschen erwachsen. Damit sie nicht ins Vergessen geraten, wurde diese Zusammenstellung neu herausgegeben.
Am Besten ist es natürlich, diese Geschichten am flackernden Kaminfeuer bei einem guten Glas Alkohol zu lesen, um das wärmende Gefühl von außen und innen zu spüren, wenn langsam die Gänsehaut den Rücken rauf und runter läuft.
Als kleine Erinnerung an die alte Schriftsprache, wurden die Texte im Original belassen, nur wenig und sehr behutsam bearbeitet.
Wir wünschen an dieser Stelle gute Unterhaltung
Erik Schreiber
Alice und Claude Askew
Aylmer Vance und der Vampir
Aylmer Vance hatte ein paar Zimmer in der Dover Street, Piccadilly, und jetzt hatte ich beschlossen, in seine Fußstapfen zu treten und ihn als Lehrer für übersinnliche Angelegenheiten anzuheuern. Ich dachte, es wäre bequem, im selben Haus zu wohnen. Aylmer und ich wurden schnell dicke Freunde und er zeigte mir, wie ich die Begabung zur Hellseherei, die ich besessen hatte, ohne mir dessen bewusst zu sein, weiterentwickelte. Und ich kann behaupten, dass diese spezielle Begabung von mir sich bei diversen wichtigen Gelegenheiten als nützlich erwiesen hatte.
Gleichzeitig machte ich mich für Vance auf andere Weise nützlich, nicht zuletzt dadurch, dass ich mich als Berichterstatter für seine vielen seltsamen Abenteuer zur Verfügung stellte. Er selbst hielt nicht viel von Publicity, und es dauerte eine Weile, bis ich ihn überzeugen konnte, mir im Interesse der Wissenschaft zu erlauben, eine detaillierte Darstellung seiner Erfahrungen an die Welt weiterzugeben.
Die Begebenheiten, die ich nun erzählen will, ereigneten sich sehr bald, nachdem wir unsere gemeinsame Residenz aufgenommen hatten, und als ich noch sozusagen ein Neuling war.
Es war etwa zehn Uhr morgens, als ein Besucher gemeldet wurde. Er schickte zunächst seine Visitenkarte hoch, auf der der Name Paul Davenant stand.
Der Name war mir bekannt und ich fragte mich, ob es derselbe Mr. Davenant sein könnte, der so bekannt für sein Polospiel und sein Erfolg als Amateurreiter, vor allem im Springreiten, war? Er war ein junger Mann von Reichtum und Ansehen, und mir fiel ein, dass er vor etwa einem Jahr ein Mädchen geheiratet hatte, die als die größte Schönheit der Saison betitelt wurde. Alle Illustrierten hatten damals ihre Porträts abgedruckt und ich erinnerte mich, dass ich damals gedacht hatte, was für ein hübsches Paar sie doch seien.
Mr. Davenant wurde hereingebeten und zunächst war ich unsicher, ob dies die Person sein konnte, die ich im Kopf hatte, so matt und blass und krank erschien er. Ein gutgebauter, aufrechter Mann zur Zeit seiner Hochzeit, hatte er nun schlaff herabhängende Schulter und einen schlurfenden Gang, während sein Gesicht vor allem um die Lippen herum in einem alarmierenden Grade blutlos war.
Und doch war es derselbe Mann, denn hinter all dem konnte ich den Schatten des guten Aussehens erkennen, das einst Paul Davenant ausgemacht hatte.
Er nahm in dem Stuhl Platz, den Aylmer ihm anbot - nachdem die üblichen Begrüßungsfloskeln ausgetauscht waren - und dann sah er misstrauisch in meine Richtung. „Ich wünsche, Sie unter vier Augen zu sprechen, Mr. Vance“, sagte er. „Die Materie ist von unschätzbarer Wichtigkeit für mich, und, wenn ich das sagen darf, von etwas delikater Natur.“
Natürlich stand ich sofort auf, um mich zurückzuziehen, aber Vance legte eine Hand auf meinen Arm.
„Wenn das Thema mit meinen Nachforschungen in eine bestimmte Richtung zusammenhängt, Mr. Davenant“, sagte er, „wenn es eine Ermittlung ist, die ich in ihrem Namen durchführen soll, würde ich mich glücklich schätzen, wenn Sie Mr. Dexter in Ihr Vertrauen einbeziehen. Mr. Dexter assistiert mir bei meiner Arbeit. Aber, selbstverständlich ... “
„Oh, nein“, unterbrach der Andere, „wenn das der Fall ist, lassen Sie Mr. Dexter bitte bleiben. Ich denke“, fügte er hinzu, mir ein kurzes Lächeln zuwerfend, „dass sie aus Oxford kommen, nicht wahr, Mr. Dexter? Es war noch vor meiner Zeit, aber ich habe ihren Namen in Zusammenhang mit dem Fluss gehört. Sie sind für Henley gerudert, wenn ich mich nicht irre.“
Ich stimmte dem mit einem freudigen Gefühl von Stolz zu. Ich war sehr ehrgeizig beim Rudern damals und die Vorlieben in Schule und College behielt ein Mann immer im Herzen. Danach wurde der Umgangston schnell lockerer und Paul Davenant fuhr damit fort, Aylmer und mich ins Vertrauen zu ziehen.
Er begann damit, die Aufmerksamkeit auf seine persönliche Erscheinung zu ziehen. „Sie werden mich schwerlich als denselben Mann wiedererkennen, der ich vor einem Jahr war“, sagte er. „Ich habe in den letzten sechs Monaten zunehmend an Gewicht verloren. Ich bin vor etwa einer Woche von Schottland genommen, um einen Londoner Arzt aufzusuchen. Ich war sogar bei Zweien und in der Tat haben mich beide auf eine Art untersucht - aber das Ergebnis war, wenn ich das sagen darf, weit entfernt von befriedigend. Sie scheinen nicht zu wissen, was wirklich mit mir los ist.“
„Anämie ... das Herz“, schlug Vance vor. Er nahm seinen Besucher genau unter die Lupe, jedoch ohne sich das irgendwie anmerken zu lassen. „Ich glaube, es passiert nicht selten, dass ihr Athleten es übertreibt ... dem Herzen zu viel Belastung zumutet ...“.
„Mein Herz ist kerngesund“, antwortete Davenant. „Physisch ist es in perfektem Zustand. Das Problem ist, dass es nicht genug Blut zu haben scheint, um es durch meine Adern zu pumpen. Die Ärzte wollten wissen, ob ich einen Unfall mit großem Blutverlust gehabt hätte ... aber das hatte ich nicht. Ich hatte überhaupt keinen Unfall, und wegen der Anämie, nun, ich scheine nicht die dafür üblichen Symptome zu zeigen. Die unerklärliche Sache ist, dass ich Blut verloren habe, ohne zu wissen, wo oder wobei, und anscheinend ging das für eine ganze Zeit so, da es mir ständig schlechter ging. Anfangs war es kaum merklich - kein plötzlicher Kollaps, verstehen Sie, aber ein allmählicher Verlust der Gesundheit.“
„Ich frage mich“, merkte Vance langsam an, „was Sie dazu veranlasst hat, mich aufzusuchen? Da sie doch bestimmt die Richtung kennen, in die sich meine Ermittlungen erstrecken. Darf ich fragen, ob sie einen Grund haben anzunehmen, dass ihr Gesundheitszustand von etwas verursacht wird, dass wir als über-physikalisch beschreiben würden?“
Davenants weiße Wangen nahmen eine leichte Färbung an.
„Es gibt seltsame Umstände“, sagte er in einem leisen und ernsten Ton. „Ich habe sie mir gründlich durch den Kopf gehen lassen, versuchte ein Licht durch sie hindurchzusehen. Ich wage es zu behaupten, das ist alles total verrückt ... und ich muss Ihnen sagen, dass ich nicht im geringsten zu der abergläubischen Sorte von Mann gehöre. Ich wollte nicht sagen, dass ich absolut ungläubig bin. Aber, wie ich gesagt habe, es gibt seltsame Umstände in meinem Fall, und deswegen habe ich mich entschieden, Sie zu Rate zu ziehen.“
„Werden Sie mir alles ohne Vorbehalte erzählen?“, fragte Vance. Ich konnte sehen, dass er interessiert war.
Er richtete sich in seinem Stuhl auf, die Füße auf einen Hocker gelegt, seine Ellbogen auf seine Knien, sein Kin in seinen Händen - eine bevorzugte Haltung von ihm. „Haben sie“, schlug er vor, langsam, „irgendein Zeichen auf ihrem Körper, irgendetwas, dass sie, egal wie weit hergeholt, mit ihrer momentanen Schwäche und Krankheitsgefühl verbinden?“
„Es ist komisch, dass Sie mich das fragen“, antwortete Davenant, „da ich ein seltsames Zeichen habe, eine Art Narbe, von der ich nicht weiß, woher sie kommt. Aber ich habe sie den Ärzten gezeigt und sie versicherten mir, dass sie nichts mit meinem Zustand zu tun haben könnte. Auf jeden Fall, wenn es so wäre, war es etwas völlig außerhalb ihres Erfahrungsbereiches. Ich denke, sie hielten es für eine Art Geburtsmal, da sie mich fragten, ob ich es schon mein ganzes Leben lang hätte. Aber ich kann beschwören, dass dem nicht so ist. Ich habe es zum ersten Mal vor etwa sechs Monaten bemerkt, als meine Gesundheit begann, nachzulassen. Aber Sie können selbst sehen.“
Er öffnete seinen Kragen und legten seinen Hals frei. Vance stand auf und untersuchte die dubiose Narbe vorsichtig. Sie befand sich nur wenig links der Mitte, gerade so über der Schlüsselbeingrube und, wie Vance bemerkte, direkt über den großen Halsgefäßen. Mein Freund rief mich herbei, so dass ich sie auch untersuchen konnte. Was immer die Meinung dieser Ärzte gewesen war, Aylmer war offensichtlich stark interessiert. Und doch gab es wenig zu zeigen. Die Haut war weitestgehend intakt, und es gab kein Anzeichen einer Entzündung. Es gab zwei rote Marken, etwa einen Inch voneinander entfernt, und beide tendierten zu einer Halbmondform. Sie waren deutlicher sichtbar, als sie ohne diese eigenartige Blässe von Davenant's Haut gewesen wären.
„Es kann nichts Wichtiges sein“, sagte Davenant mit einem leicht unsicheren Lachen. „Ich tendiere zu denken, dass die Zeichen am Verschwinden sind.“
„Haben Sie sie jemals bemerkt, dass sie entzündeter waren als jetzt?“, hakte Vance nach. „Und wenn, war es zu einer bestimmten Zeit?“
Davenant überlegte. „Ja“, antwortete er langsam, „es gab Zeiten, üblicherweise, vielleicht unweigerlich morgens, wenn ich aufwachte, dann bemerkte ich, dass sie größer und röter aussahen. Und ich hatte einen leichten Schmerz verspürt, ein Jucken ... oh, sehr leicht, und ich hab mir niemals Sorgen darüber gemacht. Erst jetzt wo sie mich dran erinnern, glaube ich, dass ich mich an denselben Morgen besonders müde und geschafft war ... ein Gefühl von Trägheit, das absolut untypisch für mich ist. Und einmal, Mr. Vance, erinnere ich mich ziemlich deutlich, gab es eine kleine Spur von Blut in der Nähe des Zeichens. Ich habe mir damals nichts dabei gedacht und es einfach weggewischt.“
„Ich verstehe.“ Aylmer Vance nahm seinen Platz wieder ein und bat seinen Gast, dasselbe zu tun. „Und jetzt“, fuhr er fort, „sagten Sie, Mr. Davenant, dass es bestimmte seltsame Umstände gibt, mit denen Sie mich bekannt machen möchten. Werden Sie das tun?“
Und so richtete Davenant seinen Kragen wieder richtig und fuhr mit seiner Geschichte fort. Ich werde sie so gut wiedergeben, wie ich kann, ohne die Unterbrechungen von Vance oder meinerseits zu berücksichtigen.
Paul Davenant war, wie ich schon gesagt hatte, ein Mann von Wohlstand und Ansehen, und so war in jedem Sinne des Wortes ein angemessener Ehemann für Miss Jessica MacThane, die junge Lady die schließlich seine Frau wurde. Bevor er zu den Gegebenheiten kam, die zu dem Verlust seiner Gesundheit führten, machte er große Anstrengungen, uns über Miss MacThane und ihre Familiengeschichte aufzuklären.
Sie war von schottischer Herkunft und, obwohl sie bestimmte charakteristische Eigenarten ihrer Rasse hatte, war sie nicht wirklich eine schottische Erscheinung. Sie sah mehr aus wie eine Schönheit aus dem tiefen Süden als aus den Highlands, wo sie ihre Ursprünge hatte. Namen passten nicht immer zu ihren Trägern, und Miss MacThanes war besonders unpassend. Sie war in der Tat Jessica getauft worden in einer Art pathetischen Anstrengung, ihrer offensichtlichen Abweichung vom normalen Typ entgegenzuwirken. Es gab einen Grund dafür, den wir sehr bald erfahren sollten.
Besonders bemerkenswert an Miss MacThane war ihr wunderschönes rotes Haar, ein Haar, wie es selten außerhalb von Italien gesehen wurde - nicht das keltische Rot - und es war so lang, dass es bis zu ihren Füßen reichte, und es hatte einen außergewöhnlichen Glanz, es schien fast ein eigenes Leben zu haben.
Dann hatte sie genau den Teint, den man zu solchem Haar erwarten würde, ein reiner Elfenbeinton, nicht im Mindesten durch Sommersprossen unterbrochen, wie so oft bei rothaarigen Mädchen der Fall war. Ihre Schönheit hatte sie von einer Vorfahrin geerbt, die einst von fernen Ufern nach Schottland gebracht worden war ... keiner wusste genau, woher.
Davenant verliebte sich auf der Stelle in sie und er hatte jeden Grund zu glauben, dass seine Liebe trotz ihrer vielen Bewunderer erwidert wurde. Zu dieser Zeit wusste er wenig über ihre persönliche Geschichte. Ihm war nur bekannt, dass auch sie sehr wohlhabend war, eine Waise, und die letzte Angehörige eines Geschlechts, das einst in die Annalen der Geschichte eingegangen und berühmt gewesen war -- oder sagen wir lieber, berüchtigt, da die MacThanes sich eher durch Grausamkeit und Blutrünstigkeit als durch Edeltaten hervorgetan hatten. In der Vergangenheit ein Clan von umtriebigen Räubern hatten sie geholfen, der Geschichte ihres Landes viele blutige Seiten hinzuzufügen.
Jessica hatte mit ihrem Vater zusammengelebt, bis dieser verstarb, als sie gerade fünfzehn war. Ihre Mutter war in Schottland gestorben, als sie noch ein kleines Kind war. Mr. MacThane litt so sehr unter dem Tod seiner Ehegattin, dass er sein schottisches Landgut mit seiner kleine Tochter für immer zurücklassen hatte oder ... so nahm man an, es der Verwaltung durch einen Landvogt überlassen hatte ... obwohl ein Verwalter nicht wirklich viel zu tun hatte, da es so gut wie keine Pächter mehr gab. Blackwick Castle hatte über die Jahre einen wenig beneidenswerten Ruf entwickelt.
Nach dem Tod ihres Vaters hatte Miss MacThane bei einer gewissen Mrs. Meredith gewohnt, die eine entfernte Verwandte ihrer Mutter war ... von der Linie des Vaters war kein einziger Verwandter übrig.
Jessica war die absolut Letzte ihres Clans, der einst so groß gewesen war, dass Vermählungen unter Clanmitgliedern einst Tradition gewesen waren, aber genau das hatte über die letzten zweihundert Jahre allmählich zu Schwund bis hin zum Aussterben geführt.
Mrs Meredith führte Jessica in die Gesellschaft ein ... ein Privileg, dass sie niemals genossen hätte, wenn Mr. MacThane noch gelebt hätte, da er ein launiger Mann gewesen war, der sich nur mit sich selbst beschäftigt, und er war vorzeitig gealtert wie jemand, der unter dem Gewicht der großen Trauer zusammengebrochen war.
Nun, ich habe gesagt, dass sich Paul Davenant schnell in Jessica verliebte, und es dauerte nicht lange, bis er um ihre Hand anhielt. Zu seiner großen Überraschung, denn er hatte guten Grund zu glauben, dass sie sich für ihn interessierte, begegnete sie ihm mit einer Zurückweisung; sie gab noch nicht einmal eine Begründung, obwohl sie in Tränen ausbrach.
Verwirrt und bitterlich enttäuscht wandte er sich an Mrs. Meredith, mit der er ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt hatte, und von ihr erfuhr er, dass Jessica schon mehrere Anträge erhalten hatte, alle von sehr begehrenswerten Männern, aber einen nach dem anderen hatte sie zurückgewiesen.
Paul tröstete sich selbst mit der Einsicht, dass Jessica sie vielleicht alle nicht geliebt hatte, während er sich ziemlich sicher war, dass er selbst ihr etwas bedeutete. Unter diesen Umständen war entschlossen, es noch einmal zu probieren.
Das tat er, und mit besserem Ergebnis. Jessica gab ihre Liebe zu, aber gleichzeitig wiederholte sie, dass sie ihn nicht heiraten würde. Liebe und Heirat wären nicht für sie gemacht. Dann, zu seinem schieren Erstaunen, erklärte sie, dass sie mit einem Fluch geboren war ... ein Fluch, der früher oder später in ihr zum Ausdruck käme, und der sie zu dem grausam, vielleicht sogar tödlich auf jeden reagieren ließe, der in ihrem Leben eine Rolle spielte. Wie könnte sie dem Mann, den sie liebte, erlauben, solch ein Risiko einzugehen? Vor allem war dieses Böse vererblich, so gab es eine Sache, zu der sie sich fest entschlossen hatte: Kein Kind sollte sie jemals Mutter nennen. Sie musste in der Tat die Letzte ihres Geschlechts sein.
Natürlich machte das Davenant stutzig und er geneigt anzunehmen, dass Jessica sich eine absurde Idee in den Kopf gesetzt hatte, die ein wenig logische Argumentation von seiner Seite zerstreuen könnte. Es gäbe nur eine andere mögliche Erklärung. War es Wahnsinn, vor dem sie sich fürchtete? Aber Jessica schüttelte ihren Kopf. Sie wusste von keinerlei Geisteskrankheit in ihrer Familie. Das Übel saß tiefer, subtiler als das. Und dann erzählte sie ihm alles, was sie wusste.
Der Fluch - sie benutzte dieses Wort in Ermangelung eines Besseren - wurde dem uralten Geschlecht auferlegt, dem sie entstammte. Ihr Vater hatte darunter gelitten, und sein Vater und Großvater vor ihm. Alle drei hatten sich junge Ehefrauen genommen, die innerhalb weniger Jahre an einer mysteriösen, zerstörerischen Krankheit gestorben waren. Wären sie der uralten Familientradition der claninternen Heirat gefolgt, wäre es möglicherweise nicht passiert, aber in ihrem Fall, wo die Familie so kurz vor dem Aussterben stand, war dies nicht möglich gewesen.
Es war nämlich so, dass dieser Fluch - oder was immer es war - diejenigen, die mit dem Namen MacThane geboren wurden, nicht tötete. Er war nur eine Gefahr für andere. Es als ob sie einen tödlichen Makel aus den blutgetränkten Wänden ihres todbringenden Schlosses, der sich auf all jene auswirkte, mit denen sie in Kontakt kamen, vor allem denen, die ihnen am nächsten standen.
„Weißt du, was mein Vater gesagt hatte, was es wäre, dass wir in uns trügen?“, fragte Jessica mit einem Schaudern.
„Er hatte das Word Vampire benutzt. Paul, bedenke ... Vampire ... die Jagd machen auf das Blut anderer.“ Davenant wollte in Gelächter ausbrechen. „Nein!“, heulte sie auf“, es ist nicht unmöglich. Denk nach. Wir sind ein dekadentes Geschlecht. Von Anbeginn ist unsere Geschichte geprägt von Blutvergießen und Grausamkeit. Die Wände von Blackwick Castle sind behaftet mit dem Bösen ... jeder Stein kann seine Geschichte erzählen, von Gewalt, Schmerz, Gelüsten und Mord. Was man von denjenigen erwartet, die hinter diesen Mauern gelebt haben?“
„Aber das hast du nicht getan“, rief Paul aus. „Dir ist das erspart geblieben, Jessica. Du wurdest weggebracht, nachdem deine Mutter gestorben war, und du hast keine Verbindung mehr zu Blackwick Castle, überhaupt keine. Alles, was nötig ist, ist, dass du keinen Fuß mehr hineinsetzt.“
„Ich fürchte, das Böse ist in meinem Blut“, erwiderte sie traurig, „obwohl ich mir ihm bisher noch nicht bewusst bin.“
Und von wegen nicht nach Blackwick zurückzukehren ... ich bin mir nicht sicher, ob ich widerstehen kann. Zumindest hat mich mein Vater davor gewarnt. Er sagte, es gibt dort etwas, eine beschwörende Macht, die mich gegen meinen Willen zurückrufen wird. Aber, oh, ich weiß es nicht ... ich weiß es nicht, und das macht es so schwierig. Wenn ich nur glauben könnte, dass dies alles nichts ist außer müßigem Aberglauben, würde ich so glücklich sein, denn ich will mein Leben genießen, und ich bin jung, sehr jung, aber mein Vater erzählte mir diese Dinge auf seinem Sterbebett.“ Die letzten Worte fügte sie in einem leisen, ehrfürchtigen Ton hinzu.
Paul drängte sie, ihm alles zu erzählen, was sie wusste, und schließlich enthüllte sie ein weiteres Fragment der Familiengeschichte, das für den Fall von Bedeutung erschien. Es betraf ihre eigene erstaunliche Ähnlichkeit mit dieser Vorfahrin von vor mehreren hundert Jahren, deren Existenz den allmählichen Verfall des Clans der MacThanes eingeleitet zu haben schien.
Ein gewisser Robert MacThane brach mit der Familientradition, die besagte, dass er nicht außerhalb des Clans heiraten sollte, und brachte ein Weib von fremden Ufern mit, eine Frau von wundervoller Schönheit mit glänzendem, vollen roten Haar und elfenbeinfarbener Haut ... wie es von da an mehr oder weniger jede Frau hatte, die in direkter Linie des Geschlechts geboren wurde.
Es dauerte nicht lange, bis diese Frau von den Nachbarn als Hexe betrachtet wurde. Verrückte Geschichten über ihre Taten machten die Runde, und der Ruf von Blackwick Castle wurde noch schlechter als zuvor.
Und dann, eines Tages, verschwand sie. Robert MacThane war für einen Tag auf Geschäftsreise, und als er heimkehrte, war sie weg. Die Umgebung wurde abgesucht, aber ohne Erfolg, und dann rief Robert, der ein gewalttätiger Mann war und seine fremdartige Frau vergöttert hatte, all seine Pächter zusammen, die er berechtigterweise oder nicht des Betrugs verdächtigte, und brachte sie kaltblütig um. Mord war keine große Sache damals, dennoch erhob sich solch ein Aufschrei der Empörung, dass Robert fliehen und seine beiden Kinder in der Obhut ihrer Gouvernante zurücklassen musste, und für eine lange Zeit war Blackwick Castle ohne Herr.
Aber sein übler Ruf blieb. Es wurde gesagt, dass die Gegenwart von Zaida, der Hexe, auch nach ihrem Tod noch spürte. Viele Pächterskinder und junge Leute in der Umgebung wurden krank und starben -- möglicherweise an rein natürlichen Ursachen; aber das schützte nicht vor der Atmosphäre des Schreckens, die sich über den Landstrich legte, da gesagt wurde, dass Zaida gesehen wurde ... eine blasse Frau ganz in Weiß gekleidet -- wie sie nachts um die Hütten zog und wo sie vorbeikam, marschierten Krankheit und Tod ein.
Und von dieser Zeit hatte das Glück der Familie ständig abgenommen. Von Erbe zu Erbe, und wer immer in Blackwick Castle einzog, veränderte seinen Charakter, wie auch immer der vorher gewesen sein mochte. Es war, als ob er selbst das ganze Gewicht des Bösen auf sich nahm, das seinen Familiennamen beschmutzt hatte ... als ob er in der Tat zum Vampir würde, Unheil über alle brachte, die nicht direkt mit seiner Linie verbunden waren. Und so wurde Blackwick nach und nach von seinen Pächtern verlassen. Das Land um das Schloss herum lag brach, die Farmen standen leer. So war es bis heute, da die abergläubischen Bauern noch immer ihre Geschichte erzählten von der geheimnisvollen weißen Frau, die in der Umgebung herumlungerte und deren Erscheinung den Tod brachte ... und möglicherweise Schlimmeres als den Tod.
Und dennoch schien es, dass die letzten Repräsentanten der MacThanes sich nicht von ihrem Familiensitz fernhalten konnten. Sie hatten Reichtümer, genug um irgendwo anders glücklich zu leben, aber, von einer seltsamen Kraft getrieben gegen die sie nicht ankommen konnten, zogen sie es vor, ihr Leben in der Einsamkeit des mittlerweile halbverfallenen Schlosses zu verbringen, von ihren Nachbarn gemieden, gefürchtet und verflucht von den wenigen Pächtern, die noch an ihrem Land hingen.
So war es Jessicas Großvater und Urgroßvater ergangen. Jeder von ihnen hatte eine junge Frau geheiratet, und für jeden war die Liebesgeschichte viel zu kurz gewesen. Der Geist des Vampirs war immer noch vorhanden, brachte sich selbst zum Vorschein -- oder, so sah es aus -- durch den lebenden Nachfahren vergangener Generationen des Bösen, und frisches Blut wurde als Opfer gefordert.
Und von ihnen wurde es auf Jessicas Vater übertragen. Er war nicht nur ihrem Beispiel gefolgt, sondern direkt in ihre Fußstapfen getreten. Und das gleiche Schicksal hatte seine Ehefrau heimgesucht, die er leidenschaftlich verehrt hatte. Sie war an einer tückischen Anämie gestorben ... so hatten die Ärzte gesagt ... aber er hatte sich selbst als ihren Mörder beschuldigt.
Aber im Gegensatz zu seinen Vorgängern hatte er sich selbst von Blackwick abgewandt, zum Wohl seines Kindes. Doch war er ohne ihr Wissen jedes Jahr dorthin zurückgekehrt, da es Zeiten gab, wo das Verlangen nach den düsteren, geheimnisvollen Hallen und Korridoren des alten Schlosses sehnte, nach dem weiten, wilden Moor und den dunklen Pinienwäldern über ihn kam, zu stark, als dass er hätte widerstehen können. Und so wusste er für seine Tochter wie auch für sich selbst, dass es kein Entrinnen gab, und er hatte sie gewarnt, welches Schicksal sie erwartete, als er endlich durch den Tod erlöst wurde.
Das war die Geschichte, die Jessica dem Mann erzählte, der sie zur Frau nehmen wollte, und er schwächte alles ab, wie es solch ein Mann tun würde, und tat alles als närrischen Aberglauben ab, als Vorstellung eines überreizten Gehirns. Und schließlich gelang es ihm ... vielleicht war es auch nicht allzu schwer, da sie ihn mit ganzem Herz und Seele liebte ... Jessica so denken zu lassen wie sich, die morbiden Ideen zu verdrängen, und in die baldige Hochzeit mit ihm einzuwilligen.
„Ich werde jedes Risiko auf mich nehmen, dass du willst“, erklärte er. „Ich werde sogar mit dir nach Blackwick ziehen, wenn du das wünschst. Nur der Gedanke, dass du, meine geliebte Jessica, ein Vampir sein könntest! Noch nie im Leben habe ich solch einen Unsinn gehört.“
„Vater sagte, ich sei Zaida, der Hexe, sehr ähnlich“, protestierte sie, aber er brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen.
Und so wurden sie vermählt und verbrachten ihre Flitterwochen im Ausland, und im Herbst nahm Paul eine mehrtägige Einladung zur Gänsejagd nach Schottland ein, einem Sport, dem er absolut verfallen war, und Jessica stimmte zu, dass es keinen Grund war, warum er dieses Vergnügen auslassen sollte.
Vielleicht war es nicht weise, nach Schottland zu reisen, aber zu dieser Zeit überwand das frisch vermählte Paar, mehr ineinander verliebt als je zuvor, jedwede Angst. Jessica strahlte vor Schönheit und Geist, und mehr als einmal erklärte sie, wenn sie in die Nähe von Blackwick kamen, würde sie gerne das alte Schloss sehen, aus reiner Neugierde, und nur um zu zeigen, dass sie absolut über den unsinnigen Schrecken hinweg war, den es ihr einzujagen pflegte.