Gespenstersonate - August Strindberg - E-Book

Gespenstersonate E-Book

August Strindberg

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Ein Student ist in ein Totenhaus eingeladen, in einen Orkus hinter der Fassade einer noblen Stockholmer Adresse, in dem die ehemaligen Bewohner ruhelos umherirren. Wie ein Albtraum lässt die Handlung das Publikum verstört zurück. Inspiriert durch eine Sonate Beethovens schuf Strindberg mit seinem Kammerspiel ›Gespenstersonate‹ im Jahr 1907 ein surreales Theaterstück, das auf das expressionistische und absurde Theater vorausweist.

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Seitenzahl: 76

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August Strindberg

Gespenstersonate

Aus dem Schwedischen von Mathilde Mann

FISCHER E-Books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Inhalt

Personen

DER GREIS, Direktor Hummel

DER STUDENT, Arkenholz

DAS MILCHMÄDCHEN (Vision)

DIE PFÖRTNERSFRAU

DER PFÖRTNER

DER TOTE, Konsul

DIE DUNKLE DAME, die Tochter des Toten und der Pförtnersfrau

DER OBERST

DIE MUMIE, die Frau des Obersten

SEINE TOCHTER, ist die Tochter des Greises

DER VORNEHME, Baron Skanskorg genannt, verlobt mit der Tochter der Pförtnersfrau

JOHANSSON, Diener bei Hummel

BENGTSSON, Diener beim Obersten

DIE BRAUT, Hummels ehemalige Braut, eine weißhaarige Greisin

DIE KÖCHIN beim Obersten

Erdgeschoss und erstes Stockwerk der Vorderseite eines modernen Hauses, aber nur die Ecke des Hauses, die im Erdgeschoss mit einem runden Salon abschließt, im ersten Stockwerk mit einem Balkon und einer Flaggenstange.

Durch das offene Fenster sieht man, wenn der Vorhang aufgeht, die weiße Marmorstatue einer jungen Frau, von Palmen umgeben, hell beleuchtet von Sonnenstrahlen. Im Fenster links sieht man Hyazinthen in Töpfen, blaue, weiße, rosa.

Auf dem Geländer in der Ecke des Balkons, eine Treppe hoch, eine blauseidene Bettdecke und zwei weiße Kissen. Die Fenster links sind mit weißen Betttüchern verhängt. Es ist ein heller Sonntagmorgen.

Im Vordergrund vor dem Hause steht eine grüne Bank. Rechts im Vordergrund ein Springbrunnen, links eine Anschlagsäule. Im Hintergrund links die Haustür, durch die der Treppenaufgang sichtbar ist, die Stufen aus weißem Marmor, das Geländer aus Mahagoni mit Messing; zu beiden Seiten der Haustür, auf dem Bürgersteig, stehen Lorbeerbäume in Kübeln.

Die Ecke mit dem runden Salon liegt an einer Seitenstraße, die in den Hintergrund hineingehend gedacht ist.

Links von der Haustür im Erdgeschoss ein Fenster mit Straßenspiegel.

Wenn der Vorhang aufgeht, ertönt aus der Ferne das Glockengeläute von mehreren Kirchen.

Die Flügeltür zur Vorderseite des Hauses ist geöffnet, eine dunkelgekleidete weibliche Gestalt steht regungslos auf der Treppe.

Die Pförtnersfrau scheuert den Vorplatz, dann putzt sie das Messing an der Haustür, begießt darauf die Lorbeern.

In einem Rollstuhl neben der Anschlagsäule sitzt der Greis und liest die Zeitung. Er hat weißes Haar, einen weißen Bart und trägt eine Brille.

Das Milchmädchen von rechts mit Flaschen in einem Drahtkorb; sie ist sommerlich gekleidet mit braunen Schuhen, schwarzen Strümpfen und weißem Barett; nimmt das Barett ab und hängt es am Springbrunnen auf, trocknet den Schweiß von der Stirn, tut einen Trunk aus der Schöpfkelle, wäscht sich die Hände, ordnet ihr Haar, spiegelt sich im Wasser.

Man hört eine Dampferglocke läuten, und die Bässe der Orgel in einer nahe gelegenen Kirche dringen hin und wieder durch die Stille.

Nachdem ein paar Minuten Schweigen geherrscht und das Mädchen ihre Toilette beendet hat, kommt der Student von links, übernächtig, unrasiert. Er geht geradeswegs auf den Springbrunnen zu.

Pause

DER STUDENT

Kann ich die Schöpfkelle bekommen?

DAS MÄDCHEN zieht die Schöpfkelle zu sich heran.

DER STUDENT

Bist du nicht bald fertig?

DAS MÄDCHEN sieht ihn voller Grauen an.

DER GREIS vor sich hin

Mit wem spricht er eigentlich? – Ich sehe niemand! – Ist er verrückt? Betrachtet die beiden fortdauernd mit größtem Erstaunen.

DER STUDENT

Wonach siehst du? Sehe ich so sonderbar aus? – Ja, ich hab über Nacht nicht geschlafen, und du glaubst natürlich, ich bin auf dem Bummel gewesen …

DAS MÄDCHEN wie oben

DER STUDENT

Hab Punsch getrunken, was? – Rieche ich nach Punsch?

DAS MÄDCHEN wie oben

DER STUDENT

Ich bin unrasiert, das weiß ich … Gib mir einen Trunk Wasser, Mädchen, denn ich verdiene es! Pause. Nun! Da muss ich wohl erzählen, dass ich diese ganze Nacht Verwundete verbunden und bei Kranken gewacht habe; ich war nämlich bei dem Hauseinsturz gestern Abend … Jetzt weißt du es!

DAS MÄDCHEN spült die Schöpfkelle und reicht ihm einen Trunk.

DER STUDENT

Danke!

DAS MÄDCHEN regungslos

DER STUDENT langsam

Willst du mir einen großen Gefallen tun? Pause. Die Sache ist die, dass meine Augen entzündet sind, wie du siehst, aber meine Hände haben Verwundete und Leichen berührt; ich kann daher nicht ohne Gefahr an meine Augen kommen … Willst du nun mein reines Taschentuch nehmen, es in frischem Wasser anfeuchten und meine armen Augen baden? – Willst du das? – Willst du die barmherzige Samariterin sein?

DAS MÄDCHEN zögert, tut aber, wie er begehrt.

DER STUDENT

Danke, mein Kind! Zieht sein Portemonnaie heraus.

DAS MÄDCHEN macht eine abweisende Bewegung.

DER STUDENT

Verzeih mir meine Gedankenlosigkeit, aber ich bin nur halb wach …

DER GREIS ZU dem Studenten

Entschuldigen Sie, dass ich Sie anrede, aber ich hörte, dass Sie bei dem Unglücksfall gestern Abend zugegen waren … Ich sitze hier gerade und lese in der Zeitung davon …

DER STUDENT

Steht das schon da?

DER GREIS

Ja, alles; und Ihr Bild ist auch da, aber man bedauert, dass man den Namen des tüchtigen Studenten nicht erfuhr …

DER STUDENT guckt in die Zeitung.

So? Ja, das bin ich! Na!

DER GREIS

Mit wem sprachen Sie vorhin?

DER STUDENT

Sahen Sie das nicht?

Pause.

DER GREIS

Ist es unbescheiden – wenn ich bitte – Ihren werten Namen – erfahren zu dürfen ?

DER STUDENT

Zu welchem Zweck? Ich bin nicht für die Öffentlichkeit – wird einem Lob zuteil, so ist der Tadel auch gleich da – die Kunst, schlechtzumachen, ist zu einem solchen Grade entwickelt – übrigens, ich begehre keinen Lohn …

DER GREIS

Vielleicht vermögend?

DER STUDENT

Ganz und gar nicht … Im Gegenteil! Ich bin blutarm.

DER GREIS

Hören Sie einmal … es ist mir, als hätte ich die Stimme schon einmal gehört … ich hatte einen Jugendfreund, der nicht Fenster sagen konnte, sondern immer Finster sagte – mir ist nur ein Mensch mit dieser Aussprache vorgekommen, und das war er; der zweite sind Sie – ist es möglich, dass Sie ein Verwandter von Großhändler Arkenholz sind?

DER STUDENT

Er war mein Vater.

DER GREIS

Wunderlich sind die Wege des Schicksals … ich habe Sie als kleines Kind unter sehr schwierigen Verhältnissen gesehen …

DER STUDENT

Freilich, ich bin wohl mitten in einem Bankrott zur Welt gekommen …

DER GREIS

Das stimmt.

DER STUDENT

Dürfte ich um Ihren Namen bitten?

DER GREIS

Ich bin Direktor Hummel.

DER STUDENT

Sind Sie … Da entsinne ich mich …

DER GREIS

Sie haben meinen Namen oft in Ihrer Familie nennen hören?

DER STUDENT

Ja.

DER GREIS

Und vielleicht mit einem gewissen Unwillen nennen hören?

DER STUDENT schweigt.

DER GREIS

Ja, das kann ich mir denken! – Man sagte wohl, ich hätte Ihren Vater ruiniert? – Alle, die sich durch dumme Spekulationen ruinieren, glauben sich von dem ruiniert, den sie nicht haben übervorteilen können. Pause. Es verhält sich indessen so, dass Ihr Vater mich um 17000 Kronen brachte, die damals meine ganzen Ersparnisse ausmachten.

DER STUDENT

Es ist sonderbar, wie Geschichten auf zwei ganz verschiedene Weisen erzählt werden können.

DER GREIS

Sie glauben doch nicht, dass ich die Unwahrheit rede?

DER STUDENT

Was soll ich glauben? Mein Vater log nicht!

DER GREIS

Das ist so wahr! Ein Vater lügt nie … aber ich bin auch Vater … folglich …

DER STUDENT

Wo wollen Sie hinaus?

DER GREIS

Ich errettete Ihren Vater aus dem Elend, und er belohnte mich mit dem ganzen entsetzlichen Hass der Dankesschuld … er lehrte seine Familie, mich zu hassen.

DER STUDENT

Vielleicht trieben Sie ihn zur Undankbarkeit, indem Sie die Hilfe mit unnötigen Demütigungen vergifteten.

DER GREIS

Jegliche Hilfe ist Demütigung, mein Herr!

DER STUDENT

Was verlangen Sie von mir?

DER GREIS

Ich fordere kein Geld; wenn Sie mir aber kleine Dienste leisten wollen, so bin ich wohl bezahlt. Sie sehen mich als Krüppel; einige sagen, es sei mein eigener Fehler, andere schieben die Schuld auf meine Eltern. Ich möchte glauben, dass es das Leben selbst mit seiner Hinterlist ist, denn weicht man der einen Falle aus, so geht man geradeswegs in die andere hinein. Indessen, ich kann keine Treppen laufen, nicht an Türglocken klingeln, deswegen sage ich: helfen Sie mir!

DER STUDENT

Was kann ich tun?

DER GREIS

Erstens: schieben Sie meinen Stuhl so, dass ich die Anschlagzettel lesen kann; ich will sehen, was heute Abend gespielt wird.

DER STUDENT schiebt den Rollstuhl.

Haben Sie keinen Diener bei sich?

DER GREIS

Freilich, aber er macht eine Besorgung … kommt gleich zurück … Ist der Herr Mediziner?

DER STUDENT

Nein, ich studiere Sprachen, weiß übrigens nicht, was ich werden soll …

DER GREIS

Hahaha! – Können Sie Mathematik?

DER STUDENT

Ja, so ziemlich.

DER GREIS

Das ist gut! – Möchten Sie vielleicht eine Anstellung haben?

DER STUDENT

Ja, warum nicht?

DER GREIS liest die Anschlagzettel.

Die Walküre wird als Nachmittagsvorstellung gegeben … Dann ist der Oberst mit der Tochter da, und da er immer am äußersten Ende der sechsten Reihe sitzt, so setze ich Sie daneben … Wollen Sie in den Telefonkiosk dort gehen und eine Karte auf der sechsten Bank, Nummer 82 bestellen?

DER STUDENT

Soll ich heute mittag in die Oper gehen?

DER GREIS

Ja, und Sie sollen mir gehorchen, dann wird es Ihnen wohl ergehen! Ich will, dass Sie glücklich, reich und geehrt werden; Ihr Debüt gestern als der mutige Retter macht Sie morgen berühmt, und da ist Ihr Name viel wert.

DER STUDENT geht nach dem Telefonkiosk.

Das ist ja ein lustiges Abenteuer …

DER GREIS

Sind Sie Sportsmann?

DER STUDENT

Ja, das war mein Unglück …