Gewinnende Gesprächsführung durch achtsame Sprache - Indrani Alina Wilms - E-Book

Gewinnende Gesprächsführung durch achtsame Sprache E-Book

Indrani Alina Wilms

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Beschreibung

Achten wir immer darauf, wie wir etwas sagen? Ist uns bewusst, was unsere Worte auslösen? Etwas positiv Gedachtes, z. B. ein Lob, wird häufig negativ ausgedrückt. Statt: »Das hast du gut gemacht!« heißt es dann: »Das war gar nicht sooo schlecht!« Oder im Kontext Arztbesuch: Ein Zahnarzt, der beruhigend sagt »Sie brauchen keine Angst zu haben« alarmiert mit diesen Worten und bewirkt das Gegenteil, eine Fokussierung auf die Angst. Überhaupt können in Krisensituationen unachtsam gewählte Worte Negativspiralen weiter verstärken. Egal, ob in privaten Kontakten, Bewerbungsgesprächen, Geschäfts- oder Friedensverhandlungen: Wer achtsame Sprache bewusst einsetzen kann, ist klar im Vorteil. Positive Botschaften kommen positiv an und negative Botschaften lassen sich so formulieren, dass sie für die empfangende Person klar und zugleich annehmbar sind. Mithilfe achtsamer Sprache kann man aussichtslose und verloren geglaubte Situationen umkehren und sogar Gegner für sich gewinnen.

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Indrani Alina WilmsGewinnende Gesprächsführung durch achtsame Sprache

Über dieses Buch

Worte achtsam wählen – Menschen für sich gewinnen 

Achten wir immer darauf, wie wir etwas sagen? Ist uns bewusst, was unsere Worte auslösen? Etwas positiv Gedachtes, z. B. ein Lob, wird häufig negativ ausgedrückt. Statt: „Das hast du gut gemacht“ heißt es dann: „Das war gar nicht sooo schlecht!“ Oder im Kontext Arztbesuch: Ein Zahnarzt, der beruhigend sagt „Sie brauchen keine Angst zu haben“, alarmiert mit diesen Worten und bewirkt das Gegenteil, eine Fokussierung auf die Angst. Überhaupt können in Krisensituationen unachtsam gewählte Worte Negativspiralen weiter verstärken. 

Egal, ob in privaten Kontakten, Bewerbungsgesprächen, Geschäfts- oder Friedensverhandlungen: Wer achtsame Sprache bewusst einsetzen kann, ist klar im Vorteil. Positive Botschaften kommen positiv an und negative Botschaften lassen sich so formulieren, dass sie für die empfangende Person klar und zugleich annehmbar sind. Mithilfe achtsamer Sprache kann man aussichtslose und verloren geglaubte Situationen umkehren und sogar Gegner für sich gewinnen.

Dr. Indrani Alina Wilms ist Psychologin, Psychotherapeutin, Traumatologin und international renommierte Achtsamkeitsexpertin. Sie ist die erste an der University of Oxford in Achtsamkeitstherapie qualifizierte Deutsche.

Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2024

Coverbild: © Nazan Akpolat (iStock)

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2024

ISBN der Printausgabe: 978-3-7495-0560-9

ISBN dieses E-Books: 978-3-7495-0561-6 (EPUB), 978-3-7495-0562-3 (PDF).

Vorwort

Endlich ist es so weit! Erneut darf ich ein Herzenswerk schreiben und damit meinen Leserinnen und Lesern Handwerkzeug für ihren Lebens-Skills-Koffer zugänglich machen. Es geht um nichts Geringeres als um den gezielten Einsatz von Sprache, um damit positiv-psychologischen Einfluss auf kommunikative Prozesse in allen Bereichen menschlichen Zusammenlebens zu nehmen.

Die Idee zu diesem Buch und die Einsicht, dass es dringend nötig ist, kam mir durch jahrelange Beobachtungen in privaten und beruflichen Settings: Bei gesellschaftlichen Anlässen, in privaten Zusammenkünften, in Schulkonferenzen und Fernsehtalkshows konnte ich tagtäglich beobachten, wie unachtsam gewählte Worte sofort konfrontative Gegenwehr oder resignativen Rückzug auslösten. Bei Menschen, die zu einem gemütlichen Grillabend zusammengekommen waren, formierten sich Positionen und spalteten die bis dahin fröhliche Gruppe, nur aufgrund einer beim Wurstwenden unachtsam ausgesprochenen Äußerung.

Ich begann, Achtsamkeits-Gruppentrainings anzubieten, mit besonderem Schwerpunkt auf achtsame Sprache, und zwar im Erfurter Augustinerkloster. Hier war einst Martin Luther zum Priester geweiht worden, und damit bot dieser Ort historisch gesehen ein ideales Umfeld für mein Thema. Schließlich hatte Luther, als sein Leben extrem gefährdet war, die Bibel aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt. Ihm war wichtig, die Texte allen Menschen zugänglich und verständlich zu machen. Auch die Lehren der Achtsamkeit sind nicht nur für eine intellektuelle Elite gedacht, sondern sollen allen Menschen verständlich sein. Deshalb werden viele lebensnahe Metaphern aus dem Alltag aufgegriffen, und achtsame Sprache ist deshalb eine Sprache des einfachen Verstehens.

Im Rahmen meiner Tätigkeit in Therapie, Coaching und Beratung habe ich etliche Erfahrungen machen können, was passiert, wenn Sprache unachtsam verwendet wird. Hierzu einige Beispiele:

Die Bedeutung von Sprache in Therapie und Coaching

Als Paartherapeutin stellen sich mir immer wieder folgende Fragen: Warum geraten verliebte und positiv gebundene Paare irgendwann in völlig unnötige Streitsituationen? Warum ruinieren sie damit ihre Wochenenden oder gar eine komplette Traumreise, auf die beide lange gespart haben? Warum kommt es sogar zu einem Beziehungsabbruch? Die Antwort: Kränkende Worte lösen eine negativpsychologische Spirale aus, die unbewusst und schnell Fahrt aufnimmt. Am Ende sind beide nicht mehr fähig, neutral zu reflektieren und so dem negativen Abwärtssog entgegenzuwirken.

Die Ursache ist meistens ein eigentlich gut gemeintes, jedoch unglücklich und unachtsam formuliertes Anliegen. Oft genügt ein einziges Wort, um in der darauf folgenden Negativkommunikation am Ende zum Beziehungskiller zu werden. Aufgrund vieler Streitigkeiten, die sich immer weiter potenzieren, ist dieses Wort mit vielen negativen Emotionen verbunden und so zum Reizwort geworden. Wenn es fällt, werden damit alle negativen Gefühle vergangener Streitsituationen reaktualisiert.

Auch in anderen beruflichen Situationen als Psychotherapeutin und Coach hat Sprache eine durchgängig tragende Rolle. In der Arbeit mit Eltern geht es beispielsweise darum zu entscheiden, wie positives Feedback am besten ankommt, um Kinder zu motivieren, damit diese selbstsicher an sich und ihr schulisches oder sportliches Ziel glauben. Angehörige persönlichkeitsgestörter Menschen möchten vorrangig lernen, wie sie Provokationen verbal deeskalieren können und emotional leicht erregbare Klienten haben den Wunsch, auch dann sachlich und lösungsorientiert zu kommunizieren und positive Bindungen aufrechtzuerhalten, wenn Wut, Trauer oder Angst sie übermannen.

Im Coaching wollen Arbeitgeber lernen, wie sie ihre Belegschaft im Arbeitskontext optimal motivieren können. Nicht selten zeigt sich, dass gerade in Deutschland bei vielen Menschen noch der althergebrachte Spruch „Nicht geschimpft ist Lob genug!“ persistiert. Entsprechend sparsam loben sie – ihre Kinder wie ihre Mitarbeiter. Meist haben sie selbst wenig Lob erfahren. Aber durch diese Unfähigkeit, effektiv zu loben, verlieren wir motivational all jene Menschen, die den Motor positiven Tuns nicht durch Eigenmotivation anwerfen können oder die nicht zu den paradox Funktionierenden gehören, die gerade durch den Mangel an Lob über sich hinauswachsen. Aber auch Letztere hoffen, irgendwann die vorgehaltene, jedoch unerreichbare Möhre des Lobs genießen zu dürfen.

Die Beobachtung, dass selbst unter meinen freundlichsten psychologischen Kollegen, ja sogar von Achtsamkeitsexperten unachtsame und negative Sprache scheinbar häufiger genutzt wird als achtsame Formulierungen, hat mich sprachlos gemacht. Allerdings nehme ich mich hier keineswegs aus. In Stresssituationen tappe auch ich manchmal in die Falle der unachtsamen Sprache. Wenn ich mich daraus befreit habe, reflektiere ich jedes Mal, wie ich diese Falle künftig frühzeitiger erkennen und weise umgehen kann. Durch diese ständige Reflexion ist bei mir achtlose Sprache inzwischen mehr zur Ausnahme als zu meiner Kommunikationsregel geworden.

Negative Sprache in der Politik

Auch als psychologische Politikberaterin habe ich Erschreckendes in Punkto Sprachgebrauch erlebt. Zum einen erschrak ich darüber, wie unreflektiert Politiker Negativvokabular verwenden. Das konnte ich nicht nur bei Vertretern der neuen Politikergeneration beobachten, sondern auch bei jenen in hohen Positionen und in einem Alter jenseits von 40. Viele von ihnen verlesen Reden, die andere für sie geschrieben haben und denen es an Authentizität und Glaubhaftigkeit fehlen muss, denn das Verlautbarte kommt nicht von innen heraus, ist nicht intrinsisch, wie es nur ein selbst verfasster Text sein könnte. Zum anderen schockierte mich, wie häufig politische Akteure gezielt und vorsätzlich negative Sprache einsetzen, um allein durch Furcht und Abschreckung zu punkten.

In einer nicht veröffentlichten Pilotstudie habe ich aus eigenem Interesse einen Monat lang alle politischen Interviews aufgezeichnet, die von öffentlich-rechtlichen Sendern ausgestrahlt wurden, und diese linguistisch auf positive, neutrale und negative Begrifflichkeiten überprüft. Dabei überwog ganz klar negative Sprache. Der Anteil positiver Sprache lag bei unter 2 Prozent und war maßgeblich auf das Wort „danke“ beschränkt – meist als floskelhafter Abschluss in einer Interviewsituation.

Auch der letzte Auslöser, dieses Buch zu schreiben, kam aus der Politik. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte im Januar 2023 im Europarat eine Rede gehalten und in der anschließenden Diskussion unterlief ihr ein gefährlicher verbaler Fauxpas. Mit vermutlich guter Intention, jedoch historisch unachtsam, appellierte sie an die westlichen Verbündeten, wir würden einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander kämpfen. Offensichtlich war sie sich der Wirkung ihrer Worte, mit denen sie riskierte, Deutschland zur Kriegspartei zu deklarieren, in diesem Moment nicht gewahr.

Wie mit Wut und Ärger umgehen?

Oft fragen Klienten und Coachees: Sollen sie Negatives offen ansprechen oder es besser des lieben Friedens willen tolerieren und in sich hineinfressen? Wird man vielleicht psychisch krank, wenn man die Wut über Negativa in sich verkapselt und sie damit innerlich gegen sich selbst richtet? Andererseits fürchteten viele den Verlust wichtiger sozialer Bindungen, falls sie ihre Missbilligung herauslassen und Konflikthaftes aussprechen.

Gibt es wirklich nur Anger-in (Wut hinein) versus Anger-out (Wut raus)? Neben dieser absolutistischen Schwarz-Weiß- und damit zugleich Lose-Lose-Variante, bei der eine tragische Situation des Verlierens vorprogrammiert ist, gibt es zahlreiche Graunuancen. Leider sind Letztere vielen Menschen – und damit vor dem Coaching auch meinen Coachees – nicht geläufig.

Am Ende eines erfolgreichen Coachings haben die Menschen gelernt, dass es weniger um das Ob und viel mehr um das Wann und das Wie geht. Sie lernen, dass es sehr wohl möglich ist, Negativa anzusprechen, zum passenden Zeitpunkt, dosiert und portioniert, mit Raum für positive Veränderung und vor allem so achtsam formuliert, dass die Botschaft für den Empfänger klar, verständlich und annehmbar ist, ohne Negativreaktionen (Reaktanz) auszulösen.

Zu diesem Buch

In Teil I (Kapitel 1–3) erfährst du Wesentliches über Sprache und ihre Wirkweise. Darauf aufbauend kann es dir gelingen, Sprache gewinnbringender und positiver einzusetzen. Zunächst erkläre ich, wie es dazu gekommen ist, dass wir unachtsam formulieren und welche Konsequenzen es für unsere eigene Psyche hat, im autosuggestiven inneren Dialog negativ mit uns selbst zu kommunizieren. Hierzu gehören die Risiken und Negativspiralen, die hieraus für zwischenmenschliche Kommunikation resultieren. Zahlreiche Beispiele, die mit dem Alltag vieler Leser resonieren werden und die ich im Laufe meiner Praxiszeit als achtsamkeitsbasierte Psychotherapeutin gesammelt habe, verdeutlichen ebenso konkret die Problematik wie aktuelle Beispiele aus politischen Interviews.

In Teil II geht es im vierten Kapitel um die sieben wichtigsten Prinzipien und die sieben gewinnbringenden Strategien achtsamkeitsbasierter Sprache und wie du sie verinnerlichen kannst, so als lerntest du eine neue Fremdsprache: die Sprache der Achtsamkeit. Anschließend geht es darum, diese Prinzipien und Strategien zu vertiefen und sie in konkreten Situationen anzuwenden. Du lernst, ganze Sätze und mögliche Reaktionen auf diverse Herausforderungen zu formulieren. Ebenso lernst du, achtsam zu prognostizieren, wie der Empfänger anders hierauf reagieren wird als es bei einer unachtsamen Spontanformulierung der Fall gewesen wäre.

Teil III (Kapitel 5–7) ist der praktischen Umsetzung in alltäglichen und emotional herausfordernden Ausnahmesituationen gewidmet. Wie merkst du, dass du in alte Negativmuster der Gesprächsführung kippst? Wie kannst du, gerade in emotionalen Erregungssituationen, die Weichen umstellen, um dein neu erlerntes, achtsames Sprachrepertoire noch gezielter und gewinnbringender zu nutzen?

Achtsamkeitsbasierte Lese-Empfehlung

Selbstverständlich entscheidest du selbst, wie, wann und wo du dieses Buch liest. Wenn du einmal eine Fremdsprache gelernt hast, dann weißt du vielleicht noch, dass dies ein Prozess war, zu dem Zeit und Praxis, aber auch eine positive Einstellung und Erfolgsmomente gehörten.

Als Achtsamkeitspsychologin und Autorin dieses Buchs empfehle ich dir, es kapitelweise zu portionieren und beispielsweise jede Woche oder jeden Monat ein Kapitel an einem konkreten Tag zu lesen. Nutze die Zeit bis zum nächsten Kapitel dafür, die Lehren und Erkenntnisse des aktuell gelesenen Kapitels proaktiv anzuwenden. So gelingt es am effektivsten, die Prinzipien und Strategien sprachlicher Achtsamkeit in deinen bisherigen Sprachgebrauch zu verankern und zu integrieren. Die Portionierung ermöglicht dir, Schritt für Schritt mit jedem Kapitel achtsam sprachlich zu wachsen. Lege am besten einen regelmäßigen Lektüretag fest und trage ihn unter „Zeit für Selbstwachstum – achtsamkeitsbasierte Sprache“ als hoch priorisierten Serientermin in deinen Kalender ein!

Achtsam-wohlwollender Umgang mit dir selbst beim Lernen

Wer etwas lernt, z. B. eine neue Sprache, macht Fehler. Menschen machen Fehler. Zum Erlernen der achtsamen Sprache gehört – und das ist wesentlich –, wohlwollend mit sich selbst umzugehen. Wenn du merkst, dass du gegen Prinzipien achtsamer Sprache verstoßen hast – vielleicht hast du in einem emotional erhitzten Gespräch negative Worte benutzt oder in einer Konferenz enthielt jeder zweite von dir vorgebrachte Satz ein Füllwort –, beglückwünsche dich dafür, dass du es gemerkt hast! Denn diese, auch erst im Nachhinein gewonnene Erkenntnis ist ein positiver Schritt auf dem Weg der Veränderung, auf den du stolz sein darfst.

Die Erkenntnis ist die Basis allen neuen Handelns. Sie zeigt, dass du bereits anders reflektierst, und dafür darfst du dir gerne selbst auf die Schultern klopfen! Diese Erkenntnis bedeutet, dass du aus dem automatisierten und unreflektierten Sprechen für diesen Moment ausgestiegen bist, und das ist ein sehr hilfreicher und lobenswerter Anfang.

Zum Schluss noch zwei Anmerkungen

Ich verwende das „Du“, um über das Medium Buch als Coach stets „an der Seite“ meiner Leserschaft zu sein.

Ich habe mich außerdem bewusst gegen das Gendern entschieden. Bei Verweisen auf Personen und Gruppen im Allgemeinen verwende ich die einfache männliche Form, angesprochen sind damit alle Menschen, unabhängig von ihrer geschlechtsspezifischen Identifikation. Ich bin der Überzeugung, dass Wertschätzung sprachlich sehr gut durch achtsame Worte transportiert werden kann und nicht von dem Suffix in oder einer Codierung in m / w / d abhängt. Eine bessere Lesbarkeit hat für mich Vorrang.

TEIL I

Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.
Dieses war im Anfang bei Gott.

Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist.

In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen.

1. Sprache: Worauf wir achten und worauf wir achtsam sein können

Sprache ist für uns alle etwas ganz Alltägliches. Gleichzeitig kommt dem Phänomen Sprache eine solche Wichtigkeit und Bedeutsamkeit zu, dass es kaum Worte gibt, sie angemessen und vollumfänglich auszudrücken. Ohne Sprache gäbe es wohl keine Bücher – auch dieses Buch nicht. Ohne Sprache, zu der auch die Körpersprache gehört, könnten wir nicht kommunizieren, wären wir keine sozialen Wesen.

Manche Menschen sprechen gleich mehrere Sprachen. Sie sind auf dem Arbeitsmarkt begehrt, weil sie sich multinational vernetzen und in unserer globalisierten Welt transkulturelle Forschungsvorhaben realisieren sowie Geschäftspartner auf der anderen Seite des Globus für ein Unternehmen gewinnen können. Doch bis es so weit ist, kämpfen wir uns in der Schulzeit mehr oder weniger mühsam durch Vokabeln und logisch oft nicht nachvollziehbare Grammatikregeln.

1.1 Wie wir Sprache erleben

Sprache folgt Regeln. Gleichzeitig ist keine natürliche Sprache ein vollends logisches System. Dieses Paradoxon ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Sprache nicht statisch ist. Sie ist in permanenter Entwicklung begriffen. Nicht nur Vokabular und Wortbedeutung verändern sich im Lauf der Zeit, sondern auch in der Grammatik gibt es Anpassungen. Sogar Aussprache und Lautsystem wandeln sich. Vielleicht hast du schon einmal den Begriff „Lautverschiebung“ gehört? Im europäischen Raum hat es hier bislang zwei maßgebliche Entwicklungen gegeben und es ist keineswegs ausgeschlossen, dass zukünftige Linguistengenerationen Neues entdecken werden.

Die fehlende Logik, in manchen Fällen sogar die Absurdität von Sprache wurde mir im Austausch mit meinem indischen Vater bewusst. Nach Bengalisch, Englisch, Hindi und Sanskrit war Deutsch seine fünfte Sprache. Er fragte mich einmal (ich ging damals noch zur Schule), weshalb es „die Frau“, jedoch „das Mädchen“ und „das Weib“ hieße. Ich konnte hier nur mutmaßen, dass das Mädchen eben noch nicht zur Frau gereift sei und deshalb als asexuell gesehen und folglich mit dem sächlichen Artikel benannt werde. Darauf konterte mein Vater: Würde das Mädchen altersbedingt wegen der fehlenden Geschlechtsreife nicht mit dem geschlechtsspezifischen Artikel die benannt, müsste man folgerichtig auch „das Junge“ sagen.

Die Herkunft des Wortes „Weib“ ist sprachwissenschaftlich nicht eindeutig geklärt. Warum aber ist es ein Neutrum und kein Femininum? Möglicherweise, um erwachsene Frauen in bestimmten Kontexten durch Versachlichung zu entwerten und zu entmenschlichen? Die Paradoxie der Artikel zeigt sich auch an dem Filmklassiker Und ewig lockt das Weib (1956). Es geht um eine Frau, die mit ihren weiblichen Reizen verführt und doch mit einem sächlichen Artikel bezeichnet wird! – Je unlogischer die Regeln einer Sprache sich darstellen, desto schwieriger sind sie natürlich für Nicht-Muttersprachler zu erlernen.

Neben logischen Absurditäten fiel mir vermehrt auf, dass wir Positives oft mit negativen Worten ausdrücken und paradoxerweise negativ konnotierte Begriffe positive Wortanteile aufweisen. Beispiele: rechtes Gedankengut und Konfliktpartner. Der Ausruf „Dasschlägtsich positivnieder!“ hingegen bedient sich eines negativ besetzten Gewaltbegriffs, um ein positives Gelingen auszudrücken.

Nach diesen ersten Ansätzen der Beschäftigung mit meiner Muttersprache Deutsch gehörten zu meiner Ausbildung als Psychologin die entwicklungspsychologische Betrachtung des Spracherwerbs, das Verstehen von Sprachstörungen in emotionalen Erregungszuständen, was bis zur Sprachlosigkeit während traumatischer Schockzustände reichen kann – wenn es Menschen im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlägt.

Zusammengesetzte Worte, deren einer Anteil Schlagen ist, lösen übrigens negative Assoziationen aus. Ein „guter Vorschlag“ wirkt deshalb automatisch bedrohlich und ist sprachlich leicht durch eine gute Empfehlung ersetzbar.

Im Zuge meiner Beschäftigung mit Achtsamkeit wurden mir kulturelle Unterschiede im sprachlichen Ausdruck bewusst. In der blumigen bengalischen Sprache Ostindiens gibt es beispielsweise Begriffe, für die es im Deutschen keine Entsprechung gibt. Beispiel: Das liebevolle Kosewort „Dadubai“ ist exklusiv dafür bestimmt, liebevolle Wertschätzung von Großvätern für ihre Enkel auszudrücken. Manchmal werden auch fremdsprachige Begriffe, für die es in der eigenen Sprache keine analoge Übersetzung gibt, in den Wortschatz übernommen. Ein Beispiel ist das deutsche Wort „Zeitgeist“, das Eingang ins Englische gefunden hat. Und andersherum nutzen wir im Deutschen das englische Wort „Mind“ (wie in mindfulness, engl. für Achtsamkeit), für das wir in seiner Gesamtbedeutung keine Entsprechung kennen. Begriffe wie Gedächtnis, Gehirn, Geist und Bewusstsein decken nur einzelne Aspekte, nicht aber die komplette und komplexe Bedeutung von „Mind“ ab.

1.2 Welche Funktion Sprache haben kann

Nicht nur wir Menschen, auch Tiere transportieren Bedeutung über Lautäußerungen. Mit Balzrufen z. B. locken Männchen paarungswillige Weibchen an, um die Art zu erhalten. Warnrufe werden ausgestoßen, wenn Raubtiere sich einer Herde nähern, Elterntiere haben für den Nachwuchs bestimmte Lockrufe. Im Endeffekt dient all das der Überlebenssicherung.

Hilflose Menschenbabys können anfangs auch nur über Schreien ihre überlebenswichtigen Grundbedürfnisse kundtun: Hunger, Schmerz und Einsamkeit. Dann folgen erste Silben, aus denen Wörter werden, die sich zu noch unbeholfen klingenden Sätzen zusammenfügen. Viele Eltern schreiben auf, was das erste gesprochene Wort des Kindes ist und wetteifern, ob es denn Ma bzw. Mama oder Pa bzw. Papa ist. Bis zur klaren Kommunikation ist es jedoch ein recht weiter Weg.

Wenn wir als Menschen gelernt haben, uns klar und deutlich auszudrücken, schaffen es manche Äußerungen sogar in die Geschichtsbücher. Man denke nur an den Satz „I have a dream!“, den Martin Luther King am 28.8.1963 in Washington ausrief. Seine Rede von damals, die bis heute Schulstoff ist, steht für Hoffnung, für eine weltweite, generationenübergreifende Bewegung.

Und noch ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte: Ohne Günter Schabowskis verlegene Antwort am 9.11.1989 „Und das gilt ab sofort!“ anlässlich einer internationalen Pressekonferenz hätte es die Wiedervereinigung vielleicht gar nicht oder zumindest nicht so friedlich und nicht zu diesem Zeitpunkt gegeben (Sieren & Schabowski 2009). So kann in Ausnahmefällen ein unachtsam vorgebrachter kurzer Satz zu etwas Positivem führen und ein gespaltenes Land einen.

„Ich bin sprachlos“ – das sagt man oft, wenn man sehr überrascht ist. Jemanden sprachlos machen, ihn seiner Sprache berauben, ist tatsächlich ein Akt der Gewalt. Und wie bedeutend Sprache ist, zeigt sich in extremer Form, wenn man sie nicht mehr hat. Schauen wir uns dafür zwei Beispiele an: