Glück in Gefahr - Toni Waidacher - E-Book

Glück in Gefahr E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Der Mond hatte sich hinter den Wolken verkrochen. Nur der Schein der Straßenlaterne warf einen Lichtstreifen auf die Eingangstür des Mietshauses und auf die Namensschilder neben den Klingelknöpfen. Das Schild mit der Aufschrift Mathilde Berger hätte Mona allerdings auch im Dunkeln gefunden. Immerhin hatte sie lange bei ihrer Tante gewohnt. Von ihrem sechsten Lebensjahr an bis zum Beginn ihres Studiums. Mona drückte auf die Klingel. Eine ganze Weile tat sich nichts, bis ein Rollladen hochgezogen wurde und ein Fenster aufging. Mona trat einen Schritt zurück und sah ihre Tante, wie sie sich im dritten Stock aus ihrem Wohnzimmerfenster beugte. »Hallo, Tante Mathilde! Ich bin's, Mona«, rief sie hinauf. Tante Mathilde stutzte. »Mona, du? Das …, das ist vielleicht eine schöne Überraschung. Wo kommst du denn her? Und warum hast du net vorher angerufen?« Noch ehe Mona hätte antworten können, wurde das Fenster wieder geschlossen, und im Treppenhaus ging das Licht an. Eilige Schritte trippelten näher. »Ich hab extra herunterkommen müssen. Der elektrische Türöffner ist kaputt«

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Der Bergpfarrer – 272 –

Glück in Gefahr

Monas Suche bringt alles Durcheinander...

Toni Waidacher

Der Mond hatte sich hinter den Wolken verkrochen. Nur der Schein der Straßenlaterne warf einen Lichtstreifen auf die Eingangstür des Mietshauses und auf die Namensschilder neben den Klingelknöpfen. Das Schild mit der Aufschrift Mathilde Berger hätte Mona allerdings auch im Dunkeln gefunden. Immerhin hatte sie lange bei ihrer Tante gewohnt. Von ihrem sechsten Lebensjahr an bis zum Beginn ihres Studiums.

Mona drückte auf die Klingel. Eine ganze Weile tat sich nichts, bis ein Rollladen hochgezogen wurde und ein Fenster aufging.

Mona trat einen Schritt zurück und sah ihre Tante, wie sie sich im dritten Stock aus ihrem Wohnzimmerfenster beugte.

»Hallo, Tante Mathilde! Ich bin’s, Mona«, rief sie hinauf.

Tante Mathilde stutzte.

»Mona, du? Das …, das ist vielleicht eine schöne Überraschung. Wo kommst du denn her? Und warum hast du net vorher angerufen?«

Noch ehe Mona hätte antworten können, wurde das Fenster wieder geschlossen, und im Treppenhaus ging das Licht an. Eilige Schritte trippelten näher.

»Ich hab extra herunterkommen müssen. Der elektrische Türöffner ist kaputt«, hörte Mona Tante Mathildes Stimme von innen. Dann wurde ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und umgedreht.

Kurze Zeit später lagen Mona und ihre Tante sich in den Armen.

»Mit dir hätt ich heut Abend am allerwenigsten gerechnet, Mona«, erklärte Tante Mathilde. »Umso mehr freut es mich, dass du wieder einmal bei mir auftauchst. Du fehlst mir. Auch wenn seit deinem Auszug schon fünf Jahre vergangen sind, hab ich mich noch net ans Alleinsein gewöhnt. Gibt’s einen besonderen Grund für deinen Besuch?«

Mathilde schob Mona ein Stück von sich und blickte ihr prüfend ins Gesicht. Sie runzelte die Stirn, als sie die Tränenspuren um Monas Augen sah.

»Mona, was ist denn los? Hast du geweint? Hast du Kummer?«, fragte sie.

Mona presste nur stumm die Lippen aufeinander und nickte.

Tante Mathilde legte fürsorglich ihren Arm um Monas Schultern.

»Das tut mir leid für dich. Hoffentlich ist nix gar zu Schlimmes passiert. Jedenfalls kommst du jetzt erst einmal mit herauf zu mir«, schlug sie vor. »Ich mach dir eine schöne Tasse Kakao. Mit viel Zucker, Zimt und Sahne. Und du erzählst mir, was dich bedrückt. Wie früher, als du noch mein kleines Madl warst.«

Mona lächelte dankbar und folgte Tante Mathilde in das gemütliche Wohnzimmer. Es war ihr immer noch so vertraut, als wäre sie erst vor wenigen Tagen ausgezogen. Trotz ihres Kummers durchströmte sie ein behagliches Gefühl, während sie sich auf dem Sofa niederließ.

Tante Mathilde war für Mona Ersatzmutter gewesen, seit sie denken konnte.

Nachdem Monas Mutter bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen war, hatte sie sich der kleinen Waisen angenommen. Sie hatte damit ihrer geliebten Schwester, mit der sie sich immer ausgezeichnet verstanden hatte, einen letzten Dienst erweisen wollen und hatte die kleine Mona auch schon bald in ihr Herz geschlossen. Wie eine Löwin kämpfte sie um die Erlaubnis des Jugendamts, Mona behalten zu dürfen, auch wenn die Behörden es ihr als alleinstehender Frau nicht eben leicht machten. Aber Mathilde setzte sich durch. Obwohl sie normalerweise eher schüchtern und zurückhaltend auftrat.

Mona war also das Waisenhaus erspart geblieben. Sie hatte in Mathildes kleiner Wohnung im Münchner Stadtteil Milbertshofen bleiben dürfen und hatte dort eine unbeschwerte Kindheit und Jugend verlebt.

Mit dem Beginn ihres Jurastudiums hatte Mona eine Studentenbude in München-Schwabing bezogen. Von da an waren ihre Besuche seltener geworden, aber vergessen hatte sie Tante Mathilde nie.

»Nun? Wo drückt der Schuh?«, fragte Tante Mathilde, als sie nach ein paar Minuten mit einem Tablett ins Zimmer kam, auf dem sich eine dampfende Tasse Kakao und eine Schale mit selbst gebackenen Keksen befanden.

Mona machte ein unglückliches Gesicht.

Sie griff nach der Kakaotasse und nippte daran.

»Es ist aus, Tante Mathilde. Alles ist aus«, sagte sie dann tonlos.

Tante Mathilde hielt Mona die Schale mit den Keksen hin.

»Aus?«, erkundigte sie sich verwirrt. »Ich versteh’ dich net, Mona. Was soll denn aus sein? Dein Leben fängt doch gerade erst richtig an. Du hast dein zweites Staatsexamen mit Bravour bestanden und bist mit einem attraktiven jungen Mann verlobt, den du über alles liebst und mit dem du privat und beruflich aufs Beste harmonierst. Und da redest du davon, dass alles aus sein soll. Also, ich weiß wirklich net, wieso ihr jungen Leute manchmal dazu neigt, die Welt schwärzer als schwarz …«

Tante Mathilde verstummte unter Monas verzweifeltem Blick.

»Ich bin nimmer verlobt«, stieß Mona schließlich hervor. »Und die Arbeit in der Kanzlei von Stefans Vater soll der Teufel holen. Nie und nimmer trete ich in die Kanzlei Gropius & Sohn ein. Da hab ich lieber keinen einzigen Cent in der Tasche und behalt meinen Stolz.«

Tante Mathilde starrte ihre Nichte entgeistert an, dann schüttelte sie den Kopf und steckte sich einen Keks in den Mund. Und gleich darauf noch einen.

»Wieso nimmer verlobt?«, fragte sie schließlich mit vollem Mund nach.

»Weil ich Stefan den Laufpass gegeben hab!«, erwiderte Mona heftig. »Zwischen mir und Stefan ist es aus. Für immer. Er hat eine andere Frau geküsst. Vor meinen Augen. So tief lass ich mich von einem Mann net demütigen.«

Mathilde Berger knabberte nervös an einem weiteren Keks. Was Mona da von sich gab, wollte ihr nicht in den Kopf. »Und du bist dir wirklich sicher, dass du dich net getäuscht hast?«, mahnte sie zur Besonnenheit. »Es könnte doch sein, dass einfach nur ein dummes Missverständnis vorliegt.«

Monas Züge verfinsterten sich.

»Ich bin doch net blind«, gab sie ärgerlich zurück.

Mathilde setzte sich neben Mona auf die Couch.

»Dass du blind bist, hab ich auch net behauptet«, verteidigte sie sich. »Ich mein’ ja nur, dass die Dinge manchmal viel harmloser sind, als sie aussehen.«

»Pah, harmlos!«, widersprach Mona und warf entrüstet ihren Kopf zurück. »Wenn du einen Seitensprung harmlos nennst …«

Die Tante konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

»Du hast mir bis jetzt nur von einem Kuss berichtet«, wies sie ihre Nichte zurecht. »Und ein Kuss ist bekanntlich kein Seitensprung.«

»Kuss, Seitensprung. Im Grunde ist das alles nur Wortklauberei, weil sowieso beides aufs Gleiche hinausläuft. Nämlich darauf, dass Stefan net treu sein kann. Und ein Mann, der mich schon vor der Ehe betrügt, kann mir gestohlen bleiben.«

Tante Mathilde tastete nach ihrem Nackenknoten und steckte eine locker gewordene Haarnadel fest.

»Ich hab deinen Stefan noch net oft gesehen«, sagte sie. »Genau genommen nur zweimal. Das eine Mal hast du ihn hierhergebracht, um ihn mir vorzustellen. Das andere Mal war ich bei eurer Verlobungsfeier. Auf mich hat er einen guten Eindruck gemacht. Von Frauenheld und Schwerenöter keine Spur. Ganz im Gegenteil. Deshalb will es mir einfach net in den Kopf, dass er …« Mathilde unterbrach sich, beugte sich vor und legte ihre Hand auf den Arm ihrer Nichte. »Wie hat er dir sein Verhalten denn erklärt, als du ihn zur Rede gestellt hast?«

Mona schaute ihre Tante entgeistert an.

»Zur Rede gestellt?«, wiederholte sie. »Mir auch noch seine dreisten Ausreden anhören?«

Sie trank ihren Kakao leer und stellte die Tasse auf das Tablett.

»Aber jeder Mensch, egal was er verbrochen hat, hat doch das Recht, sich zu verteidigen«, wandte Mathilde ein. »Es ist einfach net richtig, über jemanden den Stab zu brechen, ohne ihm zumindest eine Gelegenheit zu geben …«

Mona verdrehte die Augen.

»Bitte sei mir net bös«, fiel sie ihrer Tante ins Wort. »Aber warum hältst du eigentlich mir, die ich vollkommen unschuldig bin, eine Moralpredigt? Und wieso nimmst du stattdessen denjenigen, der den Fehler begangen hat, in Schutz? Könnte es sein, dass du, was Stefan betrifft, ein bissel parteiisch bist?«

»Ich? Parteiisch? Nein, Madl!«, erklärte Mathilde Berger mit Bestimmtheit. »Ich versuche nur, dich davon abzuhalten, einen Fehler zu machen, den du später vielleicht einmal bitter bereust.«

Mona schwieg.

Eine Weile blieb es still im Raum, nur das Ticken der altmodischen Standuhr, die Tante Mathilde jeden Morgen gewissenhaft aufzog, war zu vernehmen.

Schließlich erhob Mathilde sich und trug das Tablett mit Kakaotasse und Plätzchenschale in die Küche, wobei sie sich ein letztes Mal an den Plätzchen bediente.

Mona blieb allein zurück.

Mit leeren Blicken starrte sie vor sich hin, während sie ihre Tante in der Küche hantieren hörte.

»Ich hab nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass du ein bissel Urlaub machen solltest, Mona«, sagte Tante Mathilde, als sie wieder ins Wohnzimmer zurückkehrte. »Vor allem, um Abstand zu gewinnen. Ich hab ein paar Hundert Euro auf der hohen Kante. Die spendiere ich dir gerne. Am besten gehst du gleich morgen früh in ein Reisebüro und suchst dir ein schönes Ferienziel aus. Es muss ja net Amerika oder Australien sein. Bestimmt findest du etwas, das net ganz so weit weg ist und sich eher im passenden finanziellen Rahmen bewegt.«

Mona fiel aus allen Wolken.

»Aber …, aber das kann ich doch net annehmen, Tante Mathilde. Du kannst mir doch net einen Urlaubsaufenthalt schenken. Einfach so«, entfuhr es ihr.

Im Stillen leistete sie der Tante Abbitte.

Trotz ihrer Kritik war Tante Mathilde verständnisvoller, als sie geglaubt hatte.

Abstand war wirklich eine gute Idee. Fort aus München. Fort von allem, was sie an die Zeit mit Stefan erinnerte. Je länger Mona überlegte, desto mehr Gefallen fand sie an dieser Lösung.

»Das kannst du net annehmen, Mona? Von wegen! Das musst du einfach annehmen«, widersprach indessen die Tante. »Schon, um mir einen Gefallen zu tun. Es macht mich nämlich ganz krank, wenn du so ein trauriges Gesicht machst. Bevor du net wieder lachen kannst, Madl, werd’ auch ich nimmer richtig froh.«

*

Mona stand im Reisebüro und wartete geduldig, bis sie an der Reihe war. Sie vertrieb sich die Zeit, indem sie die bunten Bilder an den Wänden und auf dem Verkaufstresen betrachtete.

Mittelmeerküsten, Kreuz­fahrt­schif­fe, die Pyramiden …

Mona hatte nicht die geringste Ahnung, wofür sie sich entscheiden sollte. Bis ihr Blick auf ein Plakat fiel, das sie nicht mehr losließ.

»St. Johann, die Perle des Wachnertals«, las sie die Überschrift.

St. Johann im Wachnertal … Die Erinnerung durchzuckte Mona wie ein Blitz.

Das Fotomotiv, das zu sehen war, war exakt dasselbe, das sie einmal in den alten Fotoalben ihrer Mutter entdeckt hatte: eine Barockkirche mit einem von einem goldenen Kreuz gekrönten Zwiebelturm, blauer Himmel, grüne Wiesen und die alles überragenden Zwillingsgipfel Himmelsspitz und Wintermaid.

Sie hatte Tante Mathilde damals nach dem Foto gefragt, und die Tante hatte ihr die Geschichte erzählt, die dazu gehörte.

Die Geschichte, der Mona ihr Dasein verdankte.

Ihre Mutter war damals noch sehr jung gewesen. Nicht einmal zwanzig Jahre alt. Sie hatte gerade das Abitur gemacht und beschlossen, sich zur Belohnung eine Radtour durch die Berge zu gönnen. Dass sie ausgerechnet in St. Johann im Wachnertal gelandet war, war allerdings Zufall gewesen.

Sie war kurz vor St. Johann in ein heftiges Gewitter geraten. Völlig durchnässt hatte ihre Mutter in einem Heuschober Zuflucht gesucht. Da der Regen auch nach ein paar Stunden noch nicht nachgelassen hatte, beschloss sie, dort ihr Nachtquartier aufzuschlagen.

Nicht zuletzt dank der ungewohnten Anstrengung der kilometerlangen Radtour hatte sie im würzig duftenden Heu geschlafen wie ein Murmeltier.

Der neue Tag hatte ihr dann allerdings ein unsanftes Erwachen beschert. Wuchtige Hammerschläge, die den Heuschober erzittern ließen, hatten sie aus dem Schlaf gerissen.

Kein Wunder, dass sie erschrocken aus ihrem Heubett hochgefahren war und panisch ins Freie flüchtete.

Dort war sie direkt in die Arme Albert Kronauers gerannt, des einzigen Sohns vom Kronauer-Hof. Er war gerade dabei gewesen, den Heuschober zu flicken, um das Heu auch für den Rest des Sommers vor drohender Nässe zu bewahren. Monas Mutter und der junge Kronauer hatten sich angeschaut, und es hatte sofort gefunkt. Es musste die berühmte Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. So hatte Tante Mathilde es jedenfalls geschildert. Ein verzauberter Sommer war gefolgt. Ein Sommer voller Liebe und Glück. Ein Sommer, wie ihn sich wohl jede junge Frau erträumte.

»Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«

Die zuvorkommende Frage der Angestellten des Reisebüros riss Mona aus ihren Gedanken.

Sie wusste einen Moment lang nicht, was sie darauf erwidern sollte, weil sie erst wieder ins Hier und Jetzt zurückfinden musste.

»Ich …, ich möchte einen Ferienaufenthalt buchen. In St. Johann im Wachnertal«, hörte sie sich dann plötzlich sagen.

»Sehr gern«, kam prompt die Antwort der Beraterin.

Sie legte Mona ein Prospekt des Hotels »Zum Löwen« und anschließend noch etliche Hausprospekte von anderen, preiswerteren Unterkünften vor.

Mona entschied sich für ein Zimmer in der Pension Stubler, und wenige Minuten später war ihre Reise fest gebucht.

Noch ganz aufgeregt verließ sie, die Buchungsunterlagen fein säuberlich in einer Mappe verstaut, das Reisebüro und trat den Rückweg zu Tante Mathildes Wohnung an, wo sie fürs Erste ihr altes Mädchenzimmer wieder bezogen hatte.

*

»Und? Hast’ dir etwas Schönes ausgesucht?«, wollte Tante Mathilde wissen.

Sie musterte die bunte Mappe, die Mona sich unter den Arm geklemmt hatte, mit neugierigen Blicken.

Mit einem Mal bekam Mona nun doch ein flaues Gefühl in der Magengegend. Was würde Tante Mathilde wohl dazu sagen, wenn sie ausgerechnet nach St. Johann …

»Ja, natürlich«, nickte Mona. »Etwas sehr Schönes sogar.«

Die Tante strahlte.

»Das freut mich. Und wohin fährst du? Erzähl doch endlich«, drängte sie.

»Ich hab mich für St. Johann entschieden. Ich werd’ nach St. Johann ins Wachnertal fahren«, antwortete Mona.

Das Strahlen in Tante Mathildes Gesicht verschwand wie die Sonne hinter einer Regenwolke.

»Nach … Aber warum denn das? Warum ausgerechnet nach St. Johann?«, erkundigte sie sich mit ernster Miene.

Mona legte die Reiseunterlagen auf den Küchentisch und setzte sich auf einen der Stühle.

»Ehrlich gesagt, war das ein spontaner Entschluss«, räumte sie ein. »Ich hab im Reisebüro ein Plakat hängen sehen und dabei auf einmal an meine Mutter denken müssen. Und an das, was du mir über ihren damaligen Aufenthalt in St. Johann erzählt hast, Tante Mathilde. Und plötzlich war meine Entscheidung gefallen.«

Tante Mathildes Miene wurde eher noch düsterer.

»St. Johann hat deiner Mutter nur Unglück gebracht«, stellte sie klar. »Bleibt nur zu hoffen, dass es dir net genauso ergeht.«

Mona winkte ab.

»Ich hab die schlimmste Enttäuschung meines Lebens schon hinter mir. Ganz ohne St. Johann«, sagte sie. »Aber ich …, ich möchte einfach wissen, was für ein Mensch mein Vater ist. Das ist der eigentliche Grund für meine Reise. Auch wenn ich eine ganze Weile gebraucht hab, bis mir das klar geworden ist.«

Tante Mathilde schüttelte verständnislos den Kopf.