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Im Ausland verehrt und bewundert als der Mann, der das Tor zu einem neuen Zeitalter aufstieß, gilt er bei seinen Landsleuten als Schwächling und Totengräber des sowjetischen Imperiums: Michail Gorbatschow ist für die einen ein überragender Staatsmann und für die anderen ein Versager. Pulitzerpreisträger William Taubman legt nun die grundlegende Biographie dieser Jahrhundertgestalt vor – akribisch recherchiert, fundiert im Urteil und fesselnd geschrieben. Als Michail Gorbatschow 1985 mit 54 Jahren jüngster Generalsekretär in der Geschichte der KPdSU wurde, war die Sowjetunion eine von zwei Supermächten. Doch nur vier Jahre später hatten Perestroika und Glasnost die Sowjetunion für immer verändert und Gorbatschow mehr Feinde als Freunde. Seine Politik beendete den Kalten Krieg. Doch im Jahr darauf musste er nach einem gescheiterten Putsch – ohne es zu wollen – dem Kollaps jenes Imperiums zuschauen, das er zu retten versucht hatte. William Taubman schildert in seinem Buch, wie ein Bauernjunge vom Lande es bis an die Spitze im Kreml bringt, sich mit Amerikas erzkonservativem Präsidenten Ronald Reagan anfreundet und es der UdSSR und dem Ostblock erlaubt, sich aufzulösen, ohne Zuflucht zur Gewalt zu nehmen. Wer war dieses „Rätsel Gorbatschow“ – ein wahrhaft großer Politiker oder ein Mann, der an seinen eigenen Fehlern scheiterte und an Mächten, gegen die er nicht gewinnen konnte?
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William Taubman
Gorbatschow
Der Mann und seine Zeit
Eine Biographie
Aus dem Englischen übersetzt von Helmut Dierlamm und Norbert Juraschitz
C.H.Beck
Im Ausland verehrt und bewundert als der Mann, der das Tor zu einem neuen Zeitalter aufstieß, gilt er bei seinen Landsleuten als Schwächling und Totengräber des sowjetischen Imperiums: Michail Gorbatschow ist für die einen ein überragender Staatsmann und für die anderen ein Versager. Pulitzerpreisträger William Taubman legt nun die grundlegende Biographie dieser Jahrhundertgestalt vor – akribisch recherchiert, fundiert im Urteil und glänzend geschrieben.
«In hundert Jahren vielleicht, wenn wir Russlands Rolle in der Welt klarer sehen, werden wir eine neue Biographie brauchen. Aber bis dahin ist William Taubmans ‹Gorbatschow› so nah am letzten Wort, wie es Geschichte überhaupt erlaubt.»
Joseph Ellis, Pulitzerpreisträger
«William Taubmans ‹Gorbatschow› ist eine außergewöhnliche Leistung, voller neuer Informationen, reich an klugen Urteilen, ein Triumph der Biographie.»
John Lewis Gaddis, Pulitzerpreisträger
«Mit dem Blick eines Tolstoi schaut Taubman auf die jüngste russische Geschichte und entfaltet kunstvoll die Facetten eines Lebens, das viel mehr war als nur Politik.»
The Economist
William Taubman ist Professor für Politikwissenschaft am Amherst College und einer der führenden amerikanischen Experten für sowjetische Geschichte. Sein Buch «Khrushchev. The man and his era» wurde 2004 mit dem Pulitzer-Preis für die beste Biographie des Jahres ausgezeichnet.
Anmerkung des Autors
Liste der Akteure
Einleitung: «Gorbatschow ist schwer zu verstehen»
Kapitel 1: Kindheit, Knabenalter und Jugend – 1931–1949
Kapitel 2: Staatliche Universität Moskau – 1950–1955
Kapitel 3: Auf der Karriereleiter – 1955–1968
Kapitel 4: Parteisekretär der Region – 1969–1978
Kapitel 5: Rückkehr nach Moskau – 1978–1985
Kapitel 6: Was tun? – 1985–1986
Kapitel 7: Auf der Weltbühne – März 1985–Dezember 1986
Kapitel 8: Zwei Skorpione in einer Flasche – 1987
Kapitel 9: Wer hat Angst vor Nina Andrejewa? – 1988
Kapitel 10: Vor dem Sturm – 1987–1988
Kapitel 11: Von Gipfel zu Gipfel – 1987–1988
Kapitel 12: Triumph und Probleme im Inneren – 1989
Kapitel 13: Triumph und Probleme im Ausland – 1989
Kapitel 14: Zerfall? – 1990
Kapitel 15: Vereinigung? – 1990
Kapitel 16: Vor dem Putsch – Januar–August 1991
Kapitel 17: Der Putsch – August 1991
Kapitel 18: Die letzten Tage – August–Dezember 1991
Kapitel 19: Nach der Macht – 1992–2016
Schluss: Gorbatschow verstehen
Anhang
Glossar
Anmerkungen
Anmerkung des Autors
Einleitung: «Gorbatschow ist schwer zu verstehen»
Kapitel 1: Kindheit, Knabenalter und Jugend
Kapitel 2: Staatliche Universität Moskau
Kapitel 3: Auf der Karriereleiter
Kapitel 4: Parteisekretär der Region
Kapitel 5: Rückkehr nach Moskau
Kapitel 6: Was tun?
Kapitel 7: Auf der Weltbühne
Kapitel 8: Zwei Skorpione in einer Flasche
Kapitel 9: Wer hat Angst vor Nina Andrejewa?
Kapitel 10: Vor dem Sturm
Kapitel 11: Von Gipfel zu Gipfel
Kapitel 12: Triumph und Probleme im Inneren
Kapitel 13: Triumph und Tragödie im Ausland
Kapitel 14: Zerfall?
Kapitel 15: Vereinigung?
Kapitel 16: Vor dem Putsch
Kapitel 17: Der Putsch
Kapitel 18: Die letzten Tage
Kapitel 19: Nach der Macht
Schluss: Gorbatschow verstehen
Abkürzungen
Bibliographie
Archivquellen
Zeitschriften
Veröffentlichte Dokumente und veröffentlichte Sammlungen von Dokumenten
Unveröffentlichte Dokumente
Memoiren
Unveröffentlichte Memoiren
Interviews des Autors
Andere Interviews
BBC-Interviews in «The Second Russian Revolution»-Transkripte (TSRRT)
Bücher
Zeitschriftenartikel
Bildnachweis
Dank
Personenregister
Für Janeund unsere EnkelkinderMilo, Jacob und Nora
Drei Punkte – mit Blick auf politische Etiketten, die Protokolle der Sitzungen des Politbüros der kommunistischen Partei und die Transkription der kyrillischen Schrift – sollen hier kurz angesprochen werden.
Während der Jahre Gorbatschows an der Macht hat es sich bei sowjetischen (und westlichen) Kommentatoren eingebürgert, seine Gegner als links- und rechtsgerichtet zu bezeichnen. Die Hardliner in der kommunistischen Partei, im Militär, in der Geheimpolizei und anderswo, die sich Gorbatschows Reformen widersetzten, wurden dem rechten Flügel zugeordnet. Demokraten, insbesondere radikale Demokraten, die Gorbatschow drängten, sich beim Aufbau einer Marktwirtschaft zu beeilen, galten als der linke Flügel. Aber mit Blick darauf, wie derartige Etiketten für gewöhnlich außerhalb der UdSSR verwendet werden – wo Kommunisten meist als links und wahre Anhänger der Marktwirtschaft als rechts bezeichnet werden –, wäre es irreführend, diese Bezeichnungen in diesem Buch zu übernehmen. Deshalb nenne ich diejenigen, die sich den Reformen widersetzten, in der Regel Hardliner, Linientreue oder Konservative (obwohl auch Letzteres irreführend sein kann) und diejenigen, die Gorbatschow kritisierten, weil er zu langsam vorging, Radikale beziehungsweise, sofern sie eine moderatere Haltung vertraten, Liberale.
Seit dem Jahr 1966 wurden offizielle Arbeitstranskripte (rabotschije sapissi) von den Politbürositzungen angefertigt, anfangs auf der Basis der Notizen, die der Leiter der allgemeinen Abteilung des Zentralkomitees der kommunistischen Partei mitschrieb, und später von professionellen Stenographen.[1] Während Gorbatschows Amtszeit als Generalsekretär machten sich seine Berater Anatoli Tschernjajew, Georgi Schachnasarow und Wadim Medwedew, die an den Sitzungen teilnahmen, aber kein Rederecht hatten, ebenfalls detaillierte Notizen. Viele Darstellungen dieser Berater werden im Archiv der Gorbatschow-Stiftung (Fond Gorbatschow) in Moskau aufbewahrt. Eine ansehnliche Menge «offizieller» Arbeitstranskripte ist ebenfalls zugänglich gemacht worden, von denen viele in einer Sammlung namens Fond 89 (Bestand 89) enthalten sind, die im Jahr 1992 vom damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin für die Öffentlichkeit frei gegeben wurden. Die Dokumente aus Fond 89 im Russischen Staatsarchiv für neueste Geschichte (RGANI) in Moskau sind in der Folge von der Hoover Institution an der Stanford University gekauft worden. Die sogenannte Dmitry Volkogonov Collection in der Library of Congress enthält Wolkogonows eigene Auswahl der Transkripte des Politbüros. Das National Security Archive (NSA) in Washington, wo ich einen großen Teil meiner Forschungsarbeit erledigte, besitzt Arbeitstranskripte aus Fond 89 und aus Wolkogonows Sammlung sowie andere Politbüro-Dokumente, die die Archivmitarbeiter zusammengetragen hatten. Nach meiner Einschätzung weichen die offiziellen Transkripte und die Notizen der Berater Gorbatschows über die Politbürositzungen nicht wesentlich voneinander ab, wenn sie die gleichen Gespräche wiedergeben, aber die offiziellen Protokolle sind umfangreicher, weil Gorbatschows Berater naturgemäß besonders stark auf seine Äußerungen achteten. Die offiziellen Transkripte schenken den Kommentaren anderer Politbüromitglieder mehr Beachtung, von denen einige Gorbatschow kritisieren. Womöglich waren sie auch beeinflusst von dem Mann, der die Anfertigung dieser Transkripte beaufsichtigte, Gorbatschows Mitarbeiter Waleri Boldin, der zunehmend unzufrieden mit seinem Vorgesetzten war.[2]
Beide Bestände an Politbüroquellen werden in diesem Buch zitiert. Sofern nicht anders vermerkt, kann der Leser davon ausgehen, dass es sich bei den Dokumenten aus der READD-RADD-Sammlung im National Security Archive um offizielle Transkripte handelt, während die im Archiv des Gorbatschow-Fonds (GFA) rezipierten Dokumente Notizen sind, die Tschernjajew, Schachnasarow oder Medwedew anfertigten. Die Betreffenden werden in den Anmerkungen genannt, sofern die Notizen ausdrücklich ihnen in den Dokumenten zugeordnet werden. Die Zitate aus Aufzeichnungen, die ich anderen Büchern entnommen habe, darunter auch die (bislang) 26 Bände der gesammelten Werke Gorbatschows, Sobranije sotschineni, und andere Dokumentensammlungen, die in Russland und im Westen veröffentlicht wurden, werden in diesen Büchern genau bezeichnet.
Es gibt mehrere Systeme für die Transliteration der kyrillischen Schrift des Russischen. Im Text des Buches wurde durchweg eine Umschrift verwendet, die dem nichtrussischen Leser am vertrautesten oder am leichtesten verständlich erscheinen dürfte. Wenn in den Anmerkungen und in der Bibliographie auf russischsprachiges Material verwiesen wird, wird hingegen konsequent nach der Duden-Umschrift transkribiert. Das betrifft in erster Linie Vornamen, die auch im Westen gebräuchlich sind, etwa Viktor, laut Duden-Regel jedoch Wiktor.
In der Zeitspanne, die im größten Teil dieses Buches behandelt wird, war die Ukraine Teil der Sowjetunion. Damals wurden russische Schreibweisen ukrainischer Personen- und Ortsnamen im offiziellen, und oft auch im inoffiziellen, Sprachgebrauch verwendet. Aus diesem Grund, und um den Leser nicht unnötig zu verwirren, werden hier die russischen Varianten verwendet – mit Ausnahme von Material, das veröffentlicht wurde, nachdem die Ukraine ein unabhängiger Staat wurde.
Abalkin, Leonid Wirtschaftsexperte, stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR, 1990–1991.
Abuladse, Tengis georgischer Regisseur des Films Die Reue.
Achmatowa, Anna russische Dichterin (1889–1966).
Achromejew, Sergej Marschall der Sowjetunion; Generalstabschef der sowjetischen Streitkräfte, 1984–1988; militärischer Berater Gorbatschows, 1988–1991.
Adamowitsch, Ales weißrussischer Schriftsteller und Kritiker, der nach 1989 als Deputierter des Obersten Sowjets der UdSSR diente.
Afanasjew, Juri Volksdeputierter der UdSSR, Ko-Vorsitzender der interregionalen Gruppe der Deputierten, 1989–1991.
Afanasjew, Viktor Chefredakteur der Prawda, 1976–1989.
Aitmatow, Tschingis sowjetischer und kirgisischer Schriftsteller.
Alexandrow-Agentow, Andrej außenpolitischer Berater der Generalsekretäre der kommunistischen Partei von Breschnew bis Gorbatschow, 1966–1986.
Alijew, Geidar Erster Sekretär der aserbaidschanischen kommunistischen Partei, 1969–1982; Erster Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR, 1982–1987; Mitglied des Politbüros, 1982–1987.
Allison, Graham Professor an der Harvard University Kennedy School of Government.
Andrejewa, Nina Chemielehrerin und Mitglied der kommunistischen Partei, die 1988 einen Artikel in der Sowetskaja Rossija schrieb, in dem sie Gorbatschow vorwarf, er gehe mit seinen Reformen zu weit.
Andreotti, Giulio italienischer Außenminister, 1983–1989; Ministerpräsident, 1989–1992.
Andropow, Juri Generalsekretär des ZK der KPdSU, November 1982–Februar 1984; Vorsitzender des KGB, Mai 1967–Mai 1982.
Arbatow, Georgi Gründer und Leiter des Instituts für amerikanische und kanadische Studien an der Akademie der Wissenschaften, 1967–1995; Mitglied des Zentralkomitees; Deputierter des Obersten Sowjets der UdSSR, 1985–1991; enger Berater von Andropow und Gorbatschow.
Bakatin, Wadim Innenminister, 1988–1990; Mitglied des Präsidialrats, 1990–1991; Vorsitzender des KGB, September–November 1991.
Baker, James, III., George H. W. Bushs Außenminister, 1989–1992; Reagans Stabschef, 1981–1985; Schatzmeister, 1985–1988.
Baklanow, Grigori russischer Schriftsteller.
Baklanow, Oleg Teilnehmer an dem August-Putsch 1991; Sekretär des Zentralkomitees, zuständig für militärisch-industrielle Angelegenheiten, 1988–1991; Minister für allgemeinen Maschinenbau, 1983–1988.
Bekowa, Soja Kommilitonin Gorbatschows an der Moskauer Staatsuniversität.
Bikkenin, Nail Funktionär des Zentralkomitees.
Bilak, Vasil Führer der slowakischen Kommunisten.
Billington, James Direktor der Library of Congress, 1987–2015.
Blackwill, Robert Sonderberater von Präsident George H. W. Bush in Fragen der nationalen Sicherheit, 1989–1991.
Bogoljubow, Klawdi Leiter der allgemeinen Abteilung des Zentralkomitees, 1982–1985.
Bogomolow, Oleg Wirtschaftsexperte, Berater von Andropow und Gorbatschow; Direktor des Instituts für die Wirtschaft des sozialistischen Weltsystems.
Boldin, Waleri Teilnehmer am August-Putsch 1991; Berater von Gorbatschow, 1982–1991; Leiter der allgemeinen Abteilung des Zentralkomitees, 1987–1991; Mitglied des Präsidialrats, 1990–1991; Stabschef des Präsidenten, 1990–1991.
Bondarew, Juri russischer Schriftsteller.
Bonner, Jelena Frau von Andrej Sacharow.
Bowin, Alexander außenpolitischer Berater der Generalsekretäre der kommunistischen Partei.
Braithwaite, Rodric britischer Botschafter in der Sowjetunion, 1988–1991.
Brazauskas, Algirdas Erster Sekretär der litauischen kommunistischen Partei, 1988–1989; Vorsitzender des Präsidiums des litauischen Obersten Sowjets, 1990.
Breschnew, Leonid Generalsekretär der KPdSU, Oktober 1964–November 1982.
Browikow, Wladimir Vorsitzender des weißrussischen Ministerrats, 1983–1986; Botschafter in Polen, 1986–1990.
Brutenz, Karen erster stellvertretender Leiter der internationalen Abteilung des Zentralkomitees, 1986–1991; stellvertretender Direktor der internationalen Abteilung, 1976–1986.
Brzezinski, Zbigniew Nationaler Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter, 1977–1991.
Budyka, Alexander und Lydia enge Freunde Gorbatschows in Stawropol und Moskau.
Burlazki, Fjodor Chefredakteur der Literaturnaja gaseta.
Bush, George H. W. US-Präsident, 1989–1993.
Carter, Jimmy US-Präsident, 1977–1981.
Ceauşescu, Nicolae Generalsekretär der rumänischen Kommunistischen Partei, 1965–1989; Präsident Rumäniens, 1967–1989.
Chasbulatow, Ruslan Erster Stellvertretender Vorsitzender des Obersten Sowjets der RSFSR, 1990–1991; Vorsitzender des Obersten Sowjets der RSFSR, 1991–1993.
Cheney, Dick Verteidigungsminister unter George H. W. Bush, 1989–1992.
Chirac, Jacques französischer Ministerpräsident, 1986–1988.
Chruschtschow, Nikita Erster Sekretär der KPdSU, 1953–1964; Vorsitzender des Ministerrats, 1954–1964.
Clinton, Bill US-Präsident, 1993–2001.
Czyrek, Józef oberster Berater des polnischen Präsidenten und Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Wojciech Jaruzelski.
Danjuschewskaja, Galina Kommilitonin Gorbatschows an der MGU.
De Michelis, Gianni italienischer Außenminister, 1989–1992.
Demitschew, Pjotr Kandidat des Politbüros, 1965–1988; sowjetischer Kultusminister, 1974–1986.
Deng Xiaoping de facto Staatsoberhaupt Chinas, 1978–Anfang Neunzigerjahre.
Dobrynin, Anatoli sowjetischer Botschafter in Washington, 1962–1986; Leiter der internationalen Abteilung des Zentralkomitees, 1986–1988.
Dolgich, Wladimir Sekretär des Zentralkomitees, 1972–1988; Politbüromitglied, 1982–1988.
Dolinskaja, Ljubow Nachbarin der Gorbatschows in Stawropol.
Dubček, Alexander Erster Sekretär der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei während und unmittelbar nach dem Prager Frühling, Januar 1968–April 1969.
Dubinina, Ljana Frau des sowjetischen Botschafters in Washington.
Dubinin, Juri sowjetischer Botschafter in Washington, 1986–1990.
Falin, Valentin Leiter der internationalen Abteilung des Zentralkomitees, 1988–1991; Sekretär des Zentralkomitees, 1990–1991; sowjetischer Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, 1970–1978.
Frolow, Iwan Berater von Gorbatschow, 1987–1989; Chefredakteur der Prawda, 1989–1991; Sekretär des Zentralkomitees, 1989–1990; Politbüromitglied, 1990–1991.
Gandhi, Rajiv indischer Premierminister, 1984–1989.
Gates, RobertCIA-Direktor, 1991–1993; stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater, 1989–1991; stellvertretender CIA-Direktor, 1986–1989.
Generalow, Wjatscheslaw stellvertretender Leiter der 9. Verwaltung des KGB, zuständig für Gorbatschows Sicherheit.
Genscher, Hans-Dietrich Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland, 1974–1992.
Gerassimow, Gennadi Pressesprecher des sowjetischen Außenministeriums.
Golowanow, Dmitri Kommilitone von Gorbatschow an der MGU.
Gonotschenko, Alexej Gorbatschows Redenschreiber in Stawropol.
González, Felipe spanischer Regierungschef, 1982–1996.
Gopkalo, Pantelej Gorbatschows Großvater, mütterlicherseits.
Gopkalo, Wassilissa Gorbatschows Großmutter, mütterlicherseits.
Gorbatschow, Alexander Michail Gorbatschows Bruder.
Gorbatschow, Andrej Gorbatschows Großvater, väterlicherseits.
Gorbatschow, Sergej Gorbatschows Vater.
Gorbatschowa, Maria Gorbatschows Mutter.
Gorbatschowa, Raissa Gorbatschows Frau.
Gorbatschowa, Stepanida Gorbatschows Großmutter, väterlicherseits.
Granin, Daniil sowjetischer Schriftsteller und nach 1989 Volksdeputierter der UdSSR.
Gratschow, Andrej Gorbatschows Pressesprecher, 1991; stellvertretender Leiter der internationalen Abteilung des Zentralkomitees, 1989–1991; Abteilungsleiter in der internationalen Nachrichtenabteilung des Zentralkomitees, 1986–1989; Biograph von Gorbatschow.
Grischin, Viktor Erster Sekretär des Moskauer Stadtkomitees der kommunistischen Partei, 1967–1985; Politbüromitglied, 1971–1986.
Gromyko, Andrej sowjetischer Außenminister, 1957–1985; Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets, 1985–1988.
Grósz, Károly Generalsekretär der ungarischen kommunistischen Partei, 1988–1989; Regierungschef, 1987–1988.
Gurenko, Stanislaw Erster Sekretär der ukrainischen kommunistischen Partei, 1990–1991.
Gussenkow, Witali Raissa Gorbatschowas oberster Berater; in den Siebzigerjahren sowjetischer Diplomat in Paris.
Havel, Václav tschechischer Schriftsteller, Dissident; tschechoslowakischer Präsident, 1989–1992.
Honecker, Erich Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 1971–1989.
Howe, Sir Geoffrey britischer Außenminister, 1982–1989.
Hurd, Douglas britischer Außenminister, 1989–1995.
Husák, Gustáv Präsident der Tschechoslowakei, 1975–1989; Generalsekretär der tschechoslowakischen kommunistischen Partei, 1969–1987.
Ignatenko, Witali Chefredakteur von Nowoje wremja, 1986–1990; stellvertretender und dann Pressedirektor für Präsident Gorbatschow, 1990–1991.
Iwaschko, Wladimir Erster Sekretär der ukrainischen kommunistischen Partei, 1990; Stellvertreter von Generalsekretär Gorbatschow, 1991.
Jakeš, Miloš Generalsekretär der tschechoslowakischen kommunistischen Partei, 1987–1989.
Jakowlew, Alexander Politbüromitglied, 1987–1990; Sekretär des Zentralkomitees, 1986–1990; sowjetischer Botschafter in Kanada, 1973–1983.
Jakowlew, Jegor Chefredakteur von Moskowskije nowosti/Moscow News, 1986–1991.
Janajew, Gennadi Vizepräsident der Sowjetunion, Dezember 1990–August 1991; Führer der sowjetischen Gewerkschaften, 1986–1990; Teilnehmer am August-Putsch 1991.
Jaruzelski, Wojciech Präsident der Republik Polen, 1989–1990; Erster Sekretär der PUWP, 1981–1989; polnischer Regierungschef, 1981–1985.
Jasow, Dmitri sowjetischer Verteidigungsminister, 1987–1991; Teilnehmer am August-Putsch 1991.
Jawlinski, Grigori sowjetischer/russischer Wirtschaftsexperte; stellvertretender Vorsitzender des russischen Ministerrats und der Staatskommission für Wirtschaftsreform, 1990.
Jefremow, Leonid Erster Sekretär der Region Stawropol, 1964–1970.
Jelzin, Boris russischer Präsident 1991–1999; Vorsitzender des russischen Obersten Sowjets, 1990–1991; Kandidat zum Politbüro, 1986–1988; Sekretär des Zentralkomitees, 1985–1986; Erster Sekretär des Moskauer Stadtparteikomitees, 1985–1987.
Kádár, János Generalsekretär der ungarischen kommunistischen Partei, 1956–1988.
Kaganowitsch, Lasar enger Berater Stalins; Rivale von Chruschtschow.
Kaljagin, Viktor Bezirksparteisekretär in der Nähe von Stawropol.
Karagodina, Julia Kindheitsfreundin und Geliebte Gorbatschows in Priwolnoje.
Karmal, Babrak führender Kommunist Afghanistans, 1979–1986.
Kasnatschejew, Viktor Gorbatschows Mitarbeiter und Stellvertreter in Stawropol.
Kirilenko, Andrej Politbüromitglied, 1962–1982.
Kissinger, Henry US-Außenminister, 1973–1977; Nationaler Sicherheitsberater, 1969–1975.
Kotschemassow, Wjatscheslaw sowjetischer Botschafter in der DDR, 1983–1990.
Kohl, Helmut Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, 1982–1998.
Kolbin, Gennadi Erster Sekretär der kommunistischen Partei von Kasachstan, 1986–1989.
Koltschanow, Rudolf Kommilitone Gorbatschows an der MGU.
Kornijenko, Georgi Erster Stellvertretender Außenminister der UdSSR, 1977–1986; Erster Stellvertretender Leiter der internationalen Abteilung des ZK der KPdSU, 1986–1988.
Korobejnikow, Anatoli Gorbatschows Redenschreiber in Stawropol.
Kossygin, Alexej Vorsitzender des sowjetischen Ministerrats, 1964–1980; Politbüromitglied, 1948–1952, 1960–1980.
Kowaljow, Anatoli stellvertretender Außenminister der UdSSR, 1986–1991.
Krawtschenko, Leonid Vorsitzender des sowjetischen Rundfunks und Fernsehens, 1990–1991; Leiter der sowjetischen Telegrafenagentur, 1989–1990; Erster Stellvertretender Vorsitzender des Staatskomitees für Fernsehen und Rundfunk der UdSSR, 1985–1988.
Krawtschuk, Leonid Präsident der Ukraine, 1991–1994; Vorsitzender des Obersten Sowjets der Ukrainischen SSR, 1990–1991.
Krenz, Egon Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei der DDR, Oktober 1989–Dezember 1989.
Krjutschkow, Wladimir Anführer des August-Putsches 1991; KGB-Vorsitzender, 1988–1991; Politbüromitglied, 1989–1991.
Kulakow, Fjodor Erster Sekretär des Parteikomitees von Stawropol, 1960–1964; Sekretär des Zentralkomitees, 1965–1978; Politbüromitglied, 1971–1978.
Kunajew, Dinmuchamed Erster Sekretär der kommunistischen Partei Kasachstans, 1964–1986.
Kwizinski, Juli sowjetischer Botschafter in Westdeutschland, 1986–1990.
Lanina, Olga, und Tamara Alexandrowa Sekretärinnen von Anatoli Tschernjajew.
Laptew, Iwan Chefredakteur der Iswestija, 1984–1990; Vorsitzender des Unionsrats des Obersten Sowjets der UdSSR, 1990–1991.
Lazis, Otto Forscher am Institut für die Wirtschaft des sozialistischen Weltsystems, 1975–1986; Journalist, 1986–1991.
Lebed, Alexander sowjetischer General; Kandidat für das russische Präsidentenamt 1996.
Lenin, Wladimir Hauptorganisator der bolschewistischen Revolution 1917; Oberhaupt der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik, 1917–1922, und der Sowjetunion von 1922 bis zu seinem Tod im Jahr 1924.
Lewada, Juri Kommilitone Raissa Gorbatschowas; russischer Soziologe.
Liberman, Wolodja Kommilitone Gorbatschows an der MGU.
Lichatschow, Dmitri russischer Gelehrter; Volksdeputierter der UdSSR.
Ligatschow, Jegor Politbüromitglied, 1985–1990; Sekretär des Zentralkomitees, 1983–1990; Erster Sekretär des Tomsker Regionskomitees, 1965–1983.
Ljakischewa, Nina Kommilitonin Raissa Gorbatschowas an der MGU.
Lukjanow, Anatoli Vorsitzender des Obersten Sowjets der UdSSR, 1990–1991; Sekretär des Zentralkomitees, 1987–1988; der Beteiligung am August-Putsch 1991 angeklagt.
Malenkow, Georgi Mitarbeiter Stalins; Rivale Chruschtschows.
Mamardaschwili, Merab Kommilitone Raissa Gorbatschowas an der MGU; sowjetischer Philosoph.
Masljukow, Juri Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR, 1985–1988; Erster Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR und Vorsitzender der staatlichen Planungskommission, 1988–1991; Mitglied des Präsidialrats, 1990–1991; Politbüromitglied, 1989–1990.
Matlock, Jack F., Jr. US-Botschafter in der Sowjetunion, 1987–1991; Sonderberater Präsident Ronald Reagans für Angelegenheiten der nationalen Sicherheit, 1983–1986.
Matlock, Rebecca Frau von US-Botschafter Matlock.
Mazowiecki, Tadeusz polnischer Regierungschef, August 1989–Dezember 1990.
Medunow, Sergej Erster Parteisekretär der Region Krasnodar, 1973–1982.
Medwedew, Roy sowjetischer Dissident und Historiker; Volksdeputierter der UdSSR.
Medwedew, Wadim oberster Berater von Gorbatschow, 1991; Sekretär des Zentralkomitees, 1986–1990; Politbüromitglied, 1988–1990.
Medwedew, Wladimir Chef von Gorbatschows Sicherheitsdienst.
Michailenko, Witali Mitarbeiter Gorbatschows in Stawropol.
Michaljewa, Nadeschda Kommilitonin Gorbatschows an der MGU.
Mitterrand, François französischer Staatspräsident, 1981–1995.
Mlynář, Zdeněk enger Freund Gorbatschows an der MGU, 1950–1955; Sekretär der tschechischen kommunistischen Partei, 1968–1970, und Intellektueller, der maßgeblich am Prager Frühling beteiligt war.
Modrow, Hans Ministerpräsident der DDR, 1989–1990.
Molotow, Wjatscheslaw Mitarbeiter Stalins; Rivale Chruschtschows.
Murachowski, Wsewolod Erster Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR und Vorsitzender der staatlichen agro-industriellen Kommission (Agroprom), 1985–1989; Erster Sekretär des regionalen Parteikomitees von Stawropol, 1978–1985.
Muratow, Dmitri russischer Journalist, Chefredakteur der Nowaja gaseta; enger Freund Gorbatschows.
Mussatow, Waleri Funktionär des Zentralkomitees.
Mutalibow, Ajas Präsident von Aserbaidschan, 1990–1992; Erster Sekretär der aserbaidschanischen kommunistischen Partei, 1990–1991; Vorsitzender des Ministerrats von Aserbaidschan, 1989–1990.
Nadschibullah, Mohammed Präsident der Demokratischen Republik Afghanistan, 1987–1992.
Nasarbajew, Nursultan Erster Sekretär der kommunistischen Partei Kasachstans, 1989–1991; Präsident von Kasachstan, 1991–.
Németh, Miklós ungarischer Regierungschef, 1988–1990.
Nikolaus II. letzter russischer Zar, 1894–1917.
Nikonow, Viktor Sekretär des Zentralkomitees, mit Spezialgebiet Landwirtschaft, 1985–1989; Politbüromitglied, 1987–1989.
Nixon, Richard US-Präsident, 1969–1974.
Occhetto, Achille Generalsekretär der italienischen kommunistischen Partei, 1988–1994.
Palaschtschenko, Pawel Englisch-Dolmetscher für Gorbatschow und Schewardnadse, 1985–1991; Direktor der internationalen Beziehungen und Pressekontakte an der Gorbatschow-Stiftung.
Patjaschwili, Dschumber Erster Sekretär der georgischen kommunistischen Partei, 1985–1989.
Pawlow, Valentin sowjetischer Regierungschef, Januar–August 1991; Teilnehmer am August-Putsch 1991.
Petrakow, Nikolai wirtschaftlicher Berater von Gorbatschow, 1990.
Plechanow, Juri Leiter der für Gorbatschows Sicherheit zuständigen KGB-Verwaltung, 1983–1991; Teilnehmer am August-Putsch 1991.
Poltoranin, Michail Minister der Russischen Republik für Presse und Nachrichtenwesen, 1990–1992.
Ponomarjow, Boris Leiter der internationalen Abteilung des Zentralkomitees, 1957–1986; Sekretär des Zentralkomitees, 1961–1986.
Popow, Gawriil Bürgermeister von Moskau, 1990–1992; liberaler Politiker.
Porotow, Nikolai Vizedirektor der Kaderabteilung des Komsomol in Stawropol und Gorbatschows erster Vorgesetzter.
Portugalow, Nikolai Funktionär des Zentralkomitees.
Powell, Lord Charles Privatsekretär und außenpolitischer Berater der britischen Premierminister Margaret Thatcher und John Major, 1983–1991.
Powell, Colin Präsident Reagans Nationaler Sicherheitsberater, 1987–1989; Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff, 1989–1993.
Pozsgay, Imre ungarischer Politiker.
Prokofjew, Juri Erster Sekretär des Moskauer Stadtparteikomitees, 1989–1991; Politbüromitglied, 1990–1991.
Pugo, Boris Innenminister, 1990–1991; Erster Sekretär der lettischen kommunistischen Partei, 1984–1988; Teilnehmer am August-Putsch 1991.
Putin, Wladimir russischer Präsident, 2000–2008, 2012–; unter Präsident Boris Jelzin, 1999–2000, und Präsident Dmitri Medwedew, 2008–2012, Regierungschef.
Rachmanin, Oleg Erster Stellvertretender Leiter der ZK-Abteilung für Beziehungen zu kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder, 1968–1987.
Rakowski, Mieczysław polnischer Regierungschef, 1988–1990.
Reagan, Nancy First Lady, 1981–1989, Frau Ronald Reagans.
Reagan, Ronald US-Präsident, 1981–1989.
Regan, Donald Stabschef unter Präsident Reagan, 1985–1987.
Remnick, David Moskau-Korrespondent der Washington Post, 1988–1991.
Rewenko, Grigori Stabschef der Präsidialverwaltung Gorbatschows, Ende 1991.
Rice, Condoleezza Direktorin für sowjetische und osteuropäische Angelegenheiten, US-Sicherheitsrat, 1989–1991.
Rimaschewskaja, Natalja Kommilitonin Gorbatschows an der MGU.
Romanow, Grigori Sekretär des Zentralkomitees, 1983–1985; Erster Sekretär des Leningrader Regionskomitees, 1970–1983; Politbüromitglied, 1976–1985.
Russakow, Konstantin Sekretär des Zentralkomitees und Leiter der ZK-Abteilung für Beziehungen zu kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder, 1977–1986.
Rust, Matthias westdeutscher Amateurpilot, der mit seinem Flugzeug am 28. Mai 1987 auf dem Roten Platz landete.
Ruzkoi, Alexander Vizepräsident Russlands, 1991–1993.
Rjabow, Jakow Erster Sekretär der Provinz Swerdlowsk, 1971–1976.
Rybakow, Anatoli sowjetischer Schriftsteller.
Ryschkow, Nikolai Vorsitzender des Ministerrats, 1985–1991; Leiter der Wirtschaftsabteilung im Zentralkomitee, 1982–1985; Politbüromitglied, 1985–1990.
Sacharow, Andrej russischer Atomphysiker, der am Bau der Wasserstoffbombe beteiligt war; wurde später zum Dissidenten und Menschenrechtsaktivisten; 1986 Verbannung aufgehoben; Deputierter im Volkskongress 1989.
Sagdejew, Roald sowjetischer Weltraumforscher.
Sagladin, Wadim Berater von Gorbatschow, 1988–1991.
Saikow, Lew Erster Sekretär des Moskauer Stadtkomitees, 1987–1989.
Saslawskaja, Tatjana sowjetische Soziologin.
Saslawski, Ilja Volksdeputierter der UdSSR.
Schachnasarow, Georgi enger Berater Gorbatschows, mit Spezialgebiet Osteuropa und politische Reformen in der UdSSR, 1988–1991.
Schapko, Waleri Kommilitone Gorbatschows an der MGU.
Schaposchnikow, Jewgeni letzter sowjetischer Verteidigungsminister, August–Dezember 1991.
Schatalin, Stanislaw Mitglied der Staatskommission für Wirtschaftsreform, 1989; Mitglied des Präsidialrats, 1990–1991.
Schatrow, Michail sowjetischer Theaterautor.
Schenin, Oleg Sekretär des Zentralkomitees und Politbüromitglied, 1990–1991; Teilnehmer am August-Putsch 1991.
Schewardnadse, Eduard sowjetischer Außenminister, 1985–1990; Erster Sekretär der kommunistischen Partei Georgiens, 1972–1985.
Schiwkow, Todor bulgarischer Führer der kommunistischen Partei, 1954–1989.
Schmeljow, Nikolai sowjetischer Wirtschaftsexperte; Volksdeputierter der UdSSR.
Schtscherbizki, Wladimir Erster Sekretär der ukrainischen kommunistischen Partei, 1972–1989; Politbüromitglied, 1971–1989.
Schuschkewitsch, Stanislaw Vorsitzender des Obersten Sowjets von Weißrussland, 1991–1994.
Scowcroft, Brent Nationaler Sicherheitsberater unter Präsident George H. W. Bush, 1989–1993.
Sdrawomyslowa, Olga Geschäftsführerin der Gorbatschow-Stiftung.
Shultz, George US-Außenminister, 1982–1989.
Silajew, Iwan Vorsitzender des Ministerrats der RSFSR, Juni 1990–Ende 1991.
Simjanin, Michail Sekretär des Zentralkomitees, 1976–1987.
Sjuganow, Gennadi Führer der russischen kommunistischen Partei.
Sobtschak, Anatoli sowjetischer Jurist; Volksdeputierter der UdSSR; Mitglied des Präsidialrats; Bürgermeister von St. Petersburg, 1991–1996.
Sokolow, Sergej sowjetischer Verteidigungsminister, 1984–1987.
Solomenzew, Michail Politbüromitglied, 1983–1988.
Solowjow, Juri Erster Sekretär des Leningrader Parteikomitees, 1985–1989.
Stalin, Josef (auch: Jossif Dschugaschwili) Nachfolger Lenins als Führer der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, 1922; starb 1953 im Amt.
Stankewitsch, Sergej sowjetischer Gelehrter; Volksdeputierter der UdSSR; Führer der interregionalen Gruppe von Deputierten.
Starkow, Wladislaw Chefredakteur von Argumenty i fakty.
Starodubzew, Wassili Teilnehmer am August-Putsch 1991.
Strauss, Robert US-Botschafter in der UdSSR, 1991.
Štrougal, Lubomír Regierungschef der Tschechoslowakei, 1971–1988.
Subenko, Iwan Redenschreiber Gorbatschows in Stawropol.
Suslow, Michail Sekretär des Zentralkomitees, 1947–1982.
Tarassenko, Sergej wichtigster Berater des sowjetischen Außenministers Eduard Schewardnadse, 1985–1990.
Teltschik, Horst nationaler Sicherheitsberater von Bundeskanzler Helmut Kohl, 1982–1990.
Thatcher, Margaret britische Premierministerin, 1979–1990.
Tichonow, Nikolai Vorsitzender des Ministerrats, 1980–1985; Politbüromitglied, 1979–1985.
Titarenko, Alexandra Mutter von Raissa Gorbatschowa.
Titarenko, Jewgeni Raissa Gorbatschowas Bruder.
Titarenko, Ljudmila Raissa Gorbatschowas Schwester.
Titarenko, Maxim Vater von Raissa Gorbatschowa.
Tisjakow, Alexander Teilnehmer am August-Putsch 1991.
Topilin, Jura Kommilitone Gorbatschows an der MGU.
Trudeau, Pierre Elliott kanadischer Regierungschef, 1968–1979; 1980–1984.
Tschasow, Jewgeni Gesundheitsminister der UdSSR, 1987–1990; Leibarzt des Kreml.
Tschebrikow, Viktor Vorsitzender des KGB, 1982–1988; Sekretär des Zentralkomitees, 1988–1989; Politbüromitglied, 1985–1989.
Tschernenko, Konstantin Generalsekretär der KPdSU, Februar 1984–März 1985.
Tschernjajew, Anatoli enger Berater Gorbatschows seit 1986; hauptsächlich außenpolitischer Berater; Leiter der Beratergruppe der internationalen Abteilung im Zentralkomitee, 1961–1986; Mitglied des Zentralkomitees, 1986–1991.
Tschikin, Valentin Chefredakteur der Sowetskaja Rossija.
Twardowski, Alexander sowjetischer Schriftsteller; Chefredakteur von Nowy mir.
Uljanow, Michail sowjetischer Schauspieler; Volksdeputierter der UdSSR.
Ustinow, Dmitri sowjetischer Verteidigungsminister, 1976–1984; Politbüromitglied, 1976–1984.
Wałesa, Lech polnischer Präsident, 1990–1995; Gründer der Gewerkschaft Solidarność.
Warennikow, Valentin stellvertretender Verteidigungsminister und Befehlshaber der Bodentruppen, 1989–1991; Teilnehmer am August-Putsch 1991.
Warschawski, Michail und Inna enge Freunde der Gorbatschows in Stawropol.
Weizsäcker, Richard von Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, 1984–1994.
Welichow, Jewgeni Direktor des Instituts für Atomenergie; Volksdeputierter der UdSSR, 1989–1991; Mitglied des politischen Beraterkomitees von Präsident Gorbatschow, 1991.
Wirganskaja-Gorbatschowa, Irina Tochter von Michail und Raissa Gorbatschow.
Wirganskaja, Anastasia (Nastja) und Xenia Enkeltöchter von Michail und Raissa Gorbatschow, Irinas Töchter.
Wirganski, Anatoli Gorbatschows Schwiegersohn, verheiratet mit Tochter Irina.
Wlassow, Alexander Innenminister der UdSSR, 1986–1988; Vorsitzender des russischen Ministerrats, 1988–1990.
Wolski, Arkadi Leiter der ZK-Abteilung für Maschinenbau; Sonderbeauftragter für Bergkarabach, 1988–1990.
Woronzow, Juli sowjetischer Botschafter bei den Vereinten Nationen, 1990–1991; Botschafter in Afghanistan, 1988–1990; erster stellvertretender Außenminister, 1986–1989; Botschafter in Frankreich, 1983–1986.
Worotnikow, Witali Vorsitzender des Ministerrats der Russischen Republik, 1983–1988; Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der RSFSR, 1988–1990; Politbüromitglied, 1983–1990.
Wyssozki, Wladimir sowjetischer Schauspieler und Liedermacher.
Zoellick, Robert Berater des US-Außenministeriums, 1989–1992.
Einleitung
«Gorbatschow ist schwer zu verstehen», sagte er zu mir und sprach dabei, wie er es häufig tut, von sich in der dritten Person. Ich hatte 2005 mit der Arbeit an seiner Biographie begonnen, und ein Jahr später fragte er, wie es laufe. «Langsam», sagte ich entschuldigend. «Gorbatschow ist schwer zu verstehen.»
Das Ehepaar Gorbatschow im Urlaub in Foros, August 1998.
Er hat Sinn für Humor. Und er hatte recht. Die Welt ist zutiefst gespalten, wenn es darum geht, Gorbatschow zu verstehen. Insbesondere im Westen betrachten ihn viele als den größten Staatsmann der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In Russland dagegen wird er weithin verachtet und für den Zusammenbruch der Sowjetunion und die damit verbundene schwere Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht. Bewunderer staunen über seine Vision und seinen Mut. Kritiker, auch einige ehemalige Genossen aus dem Kreml, werfen ihm von der Naivität bis zum Hochverrat alles vor. Nur über eines sind sich alle einig: dass er fast allein sein Land und die Welt veränderte.
Bevor Gorbatschow im März 1985 an die Macht kam, war die Sowjetunion eine von zwei Supermächten auf der Welt. Bis 1989 hatte er das sowjetische System verändert. Bis 1990 hatte er, mehr als irgendjemand sonst, den Kalten Krieg beendet. Ende 1991 brach die Sowjetunion zusammen, und er war ein Präsident ohne Land.
Er handelte nicht allein. Wegen des traurigen Zustands, in dem sich das Sowjetsystem 1985 befand, wurde er von seinen Kollegen im Kreml dazu bestimmt, Reformen einzuleiten, die er allerdings sehr viel weiter trieb, als jene beabsichtigten.
Er hatte liberale russische Verbündete, die seine weitreichenden Reformen begrüßten und für ihre Durchsetzung arbeiteten, dann jedoch auf Boris Jelzin setzten, damit der sie ins gelobte Land führte. Sowjetische Hardliner leisteten Gorbatschow zunächst verdeckt, aber letztlich offen und mit allen Mitteln Widerstand. Er hatte persönliche Rivalen, darunter insbesondere Jelzin, die er peinigte. Und sie peinigten ihn, bis sie am Ende sowohl der UdSSR als auch Gorbatschow als deren Oberhaupt den Gnadenstoß versetzten. Die politischen Führer des Westens zweifelten zunächst an ihm, und dann umarmten sie ihn. Schließlich jedoch ließen sie ihn fallen, indem sie ihm die wirtschaftliche Unterstützung verweigerten, die er dringend benötigt hätte. Vor allem jedoch hatte er es mit Russland selbst zu tun, seinem traditionellen Autoritarismus und seinen antiwestlichen Einstellungen. Nachdem das Land sowohl Gorbatschow als auch Jelzin abgelehnt hatte, schloss es schließlich Wladimir Putin ins Herz.
Als Generalsekretär der kommunistischen Partei hatte Gorbatschow die Macht, fast alles zu verändern. Außerdem war er unter seinen Kollegen einzigartig. Viele Sowjetbürger, auch einige recht hochrangige, teilten seine Werte, aber in der obersten Führung nur ganz wenige. Im Politbüro unterstützten ihn nur drei Mitglieder fast bis zum Schluss: Alexander Jakowlew, Eduard Schewardnadse und Wadim Medwedew. Und sie waren nur deshalb dazu in der Lage, weil er sie ernannte oder im Politbüro hielt. Dazu schreibt der erfahrene britische Sowjetexperte Archie Brown: «Es gibt absolut keinen Grund für die Annahme, dass irgendeine denkbare Alternative zu Gorbatschow Mitte der Achtzigerjahre den Marxismus-Leninismus auf den Kopf gestellt und sein Land und das internationale System fundamental verändert hätte in dem Versuch, einen Niedergang aufzuhalten, der weder für ihn noch das [Sowjet-]System eine unmittelbare Bedrohung darstellte.»[1]
Der verstorbene russische Wissenschaftler Dmitri Furman stellte Gorbatschows Einzigartigkeit in einen größeren Rahmen: Er sei «der einzige Politiker in der russischen Geschichte, der sich, als er alle Macht in Händen hielt, freiwillig dafür entschied, diese im Namen prinzipieller moralischer Werte zu begrenzen und sogar zu verlieren». Für Gorbatschow wäre es «eine Niederlage» gewesen, hätte er zur Erhaltung seiner Macht Gewalt anwenden müssen. Angesichts seiner Prinzipien, fährt Furman fort, «war seine letztliche Niederlage ein Sieg», was, wie man hinzufügen muss, Gorbatschow damals ganz gewiss nicht so vorkam.[2]
Wie wurde Gorbatschow zu Gorbatschow? Wie konnte ein Bauernjunge, der als Schüler für eine hochfliegende Würdigung Stalins einen Preis bekam, zum Totengräber des Sowjetsystems werden? «Das weiß Gott allein», lamentierte Gorbatschows langjähriger Ministerpräsident Nikolai Ryschkow, der sich am Ende gegen ihn wandte.[3] Laut Andrej Gratschow, einem der engsten Berater Gorbatschows, war Gorbatschow «ein genetischer Fehler des Systems».[4] Gorbatschow selbst bezeichnete sich sowohl als «ein Produkt» des Systems als auch als sein «Antiprodukt».[5] Wie aber kam es, dass er beides wurde?
Wie konnte ein Mann wie er Parteichef werden, obwohl ein denkbar strenges System von Kontrollen und Sicherheitsvorkehrungen genau das verhindern sollte?[6] Wie kam es, fragte Gratschow, «dass ein nicht ganz normales Land einen Führer mit normalen moralischen Reflexen und gesundem Menschenverstand bekam»?[7] Einem amerikanischen Psychiater, der für die CIA Profile ausländischer Staatsführer erstellte, war es «ein Rätsel», wie ein so «rigides System» einen so «innovativen und kreativen» Führer hervorbringen konnte.[8]
Welche Veränderungen strebte Gorbatschow für sein Land an, als er 1985 an die Macht kam? Wollte er nur gemäßigte Wirtschaftsreformen durchführen, wie er damals sagte, und wurde erst radikalisiert, als diese keine Ergebnisse brachten? Oder wollte er von Anfang an den Totalitarismus abschaffen und verbarg sein Ziel, weil es den Politbüromitgliedern, die ihn ausgesucht hatten, ein Gräuel war? Was motivierte ihn letztlich dazu, den Kommunismus in der Sowjetunion umzugestalten? Warum glaubte er, eine Diktatur in eine Demokratie, eine Kommandowirtschaft in eine Marktwirtschaft, einen extrem zentralisierten Einheitsstaat in eine echte Sowjetföderation und einen Kalten Krieg in eine neue, auf Gewaltverzicht beruhende Weltordnung verwandeln zu können – alles gleichzeitig und, wie er selbst es formulierte, mit «evolutionären» Mitteln? Wie konnte er annehmen, er könne in ein paar wenigen Jahren politische, wirtschaftliche und soziale Strukturen überwinden, die Jahrhunderte zurückreichten: den Autoritarismus des Zarentums, der sich in den sowjetischen Totalitarismus verwandelt hatte; lange Zeiträume geradezu sklavischen Gehorsams gegenüber der Staatsgewalt, gelegentlich unterbrochen von blutigen Aufständen; minimale Erfahrung mit staatsbürgerlichem Verhalten, einschließlich dem Schließen von Kompromissen und der Herstellung von Konsens; eine fehlende Tradition demokratischer Selbstorganisation; das Fehlen echter Rechtsstaatlichkeit? Gorbatschow selbst sagte später über die russische Geisteshaltung, an der er gescheitert war: «Angesichts unserer russischen Mentalität hätte das neue Leben sofort auf dem Silbertablett serviert werden müssen, jetzt und hier, ohne eine Reform der Gesellschaft.»[9]
Hatte Gorbatschow einen Plan? Mit welcher Strategie machte er sich daran, sein Land und die Welt umzugestalten? Kritikern zufolge hatte er weder das eine noch das andere. Das wäre doch gar nicht möglich gewesen, halten Bewunderer dagegen. Niemand könne einen Plan haben, um zugleich sein Land und die Welt umzugestalten.
Selbst wenn Gorbatschow kein Meisterstratege war, war er doch ein brillanter Taktiker. Wie sonst hätte er eine Politbüromehrheit, die gegen seine radikalsten Reformen war, dazu bringen können, ihnen zuzustimmen? War er dennoch «nicht entschlossen und konsequent genug?», wie Georgi Schachnasarow, einer seiner engsten Berater, meinte.[10] Wie aber hätte er das sein können, obwohl ihm sechs Jahre lang ein plötzlicher Sturz oder gar eine Gefängnisstrafe drohten?
Wie reagierte Gorbatschow, als sich viele seiner Genossen im Kreml gegen ihn wandten und viele von ihm selbst ernannte Funktionsträger im August 1991 gegen ihn putschten? Oder hatte er sie verraten, weil er sie glauben machte, er wolle das Sowjetsystem reformieren, dann jedoch zu seiner Zerstörung beitrug?
War Gorbatschow rachsüchtig und unversöhnlich? Ist das vielleicht ein Grund für seine schicksalhafte Unfähigkeit, mit Boris Jelzin zurechtzukommen? Andererseits vergab oder vergaß er, dass ihn einige seiner engsten Berater aufs Schärfste kritisiert hatten, und behielt sie in der Stiftung, die er nach dem Verlust der Macht im Jahr 1991 gründete, als Mitarbeiter. «Ich kann mich nicht dazu durchringen, an irgendeiner Person Rache zu üben», sagte er als alter Mann. «Ich kann nicht nicht vergeben.»[11]
War er angesichts all der Hindernisse, die einem Erfolg im Weg standen, ein utopischer Idealist? Keineswegs, sagte er: «Ich darf Ihnen versichern, dass blauäugige Verträumtheit nicht typisch Gorbatschow ist.» Dennoch gab er selbst zu bedenken, dass «der weise Mose recht hatte, die Juden vierzig Jahre durch die Wüste irren zu lassen … damit sie das Erbe der Sklaverei in Ägypten loswurden».[12]
Für einen Führer und insbesondere für einen Sowjetführer war Gorbatschow ein bemerkenswert anständiger Mann. Zu anständig, sagen viele Russen und einige Westler, zu wenig bereit, Gewalt anzuwenden, als Gewalt nötig gewesen wäre, um die von ihm geschaffene neue demokratische Sowjetunion zu retten. Warum war er nicht bereit, Gewalt anzuwenden, um die von ihm eingeführte Freiheit zu retten, als seine Feinde zur Gewaltanwendung bereit waren, um sie zu zerstören?[13] War er zu der geistigen Überzeugung gelangt, dass nach all dem Blut, das in der russischen Geschichte und besonders in den Kriegen und Säuberungen des 20. Jahrhunderts geflossen war, kein Blut mehr vergossen werden durfte? Oder hatte er eine gefühlsmäßige Aversion gegen Gewalt, die auf seiner persönlichen Erfahrung mit den schrecklichen Kosten von Krieg und Gewalt beruhte?
Seine große Anständigkeit zeigte sich auch in seinem Familienleben. Seine Frau Raissa hatte einen wachen Verstand und einen guten Geschmack (auch wenn Nancy Reagan diese Ansicht nicht teilte). Im Gegensatz zu allzu vielen anderen Politikern liebte und schätzte Gorbatschow seine Frau und war, ungewöhnlich für einen sowjetischen Staatschef, seiner Tochter ein liebevoller und engagierter Vater und seinen zwei Enkeltöchtern ein ebensolcher Großvater. Warum sagte er dann, als seine Frau mit siebenundsechzig qualvoll an Leukämie starb, «Ich bin schuld. Ich habe ihren Tod verursacht»?[14]
Wenn er tatsächlich einzigartig war, weil sich seine Taten so drastisch von dem unterschieden, was andere politische Führer an seiner Stelle getan hätten, ist sein Charakter bestimmt eine wichtige Erklärung für sein Verhalten. Doch dieser Charakter ist schwer zu bestimmen. War er ein großartiger Zuhörer, wie manche sagen, ein grundsätzlich nicht ideologischer Mensch, bereit vom Leben zu lernen? Oder konnte er einfach nicht aufhören zu reden? Er war außerordentlich selbstbewusst und laut Aron Belkin ein zur Selbstverletzung neigender Narzisst. Belkin, ein führender sowjetischer Psychiater, kannte Gorbatschow nicht persönlich, doch Gorbatschows enger Berater Anatoli Tschernjajew fand seine Ferndiagnose glaubwürdig.[15] Betrachtet man freilich den Narzissmus als ein Spektrum von Eigenschaften, in dessen gesundem Bereich Eigenschaften wie «Egoismus» und «extremes Selbstvertrauen» angesiedelt sind, ist er bei politischen Führern keineswegs ungewöhnlich.[16] Gleichgültig, welchen Begriff man dafür verwendet, Gorbatschow hatte jedenfalls extremes Selbstvertrauen. Als er jedoch gefragt wurde, welche Eigenschaft er bei einer anderen Person am abstoßendsten finde, antwortete er: «Selbstvertrauen». Und auf die Frage, welche Eigenschaft ihn bei anderen generell am meisten empöre, sagte er: «Überheblichkeit».[17] Fühlte er sich durch andere selbstsichere Männer bedroht? Oder sah er sich selbst in anderen und mochte nicht, was er sah?
Alexander Jakowlew, Gorbatschows engstem Mitarbeiter in der Sowjetführung, der ihm später jedoch eher kritisch gegenüberstand, «kam es manchmal so vor, als fürchtete er (Gorbatschow) sich selbst davor, in sich hineinzusehen und mit sich selber zu reden, weil er dann etwas erführe, was er nicht wissen möchte». Laut Jakowlew «dürstete es ihn … ständig nach Resonanz, Lob, Unterstützung, Anteilnahme und Verständnis. Dies diente als Brennstoff für seine Eigenliebe und seinen Ehrgeiz ebenso wie für seine schöpferischen Handlungen».[18] Wenn dem so war, wie reagierte Gorbatschow, als er kurz vor dem Gipfel des Berges mit ansehen musste, wie sich so viel von seiner großartigen Vision in Nichts auflöste? War er tatsächlich ein wirklich großer Führer? Oder war er ein tragischer Held, der teilweise durch seine eigenen Schwächen, aber mehr noch durch die unerbittlichen Kräfte, denen er gegenüberstand, zu Fall gebracht wurde?
Kapitel 1
1931–1949
Michail Gorbatschow wurde am 2. März 1931 in dem Dorf Priwolnoje, etwa 150 Kilometer nördlich der russischen Stadt Stawropol im Nordkaukasus geboren. Seine Eltern nannten ihn Viktor, vielleicht eine kluge Art, den von Stalin vorausgesagten «Sieg» im ersten Fünfjahresplan zu würdigen. Gorbatschows Mutter und Großmutter jedoch bestanden auf einer heimlichen Taufe, und seine Großmutter gab ihm den Namen Michail, der mehr biblische Konnotationen hatte. Das portweinfarbige Muttermal auf der Stirn des Säuglings, das im russischen Volksglauben ein Zeichen des Teufels ist, störte offensichtlich weder seine Eltern noch seine Großeltern.
Priwolnoje lässt sich grob mit «frei und unbeschwert» übersetzen, aber in Gorbatschows Kindheit war es weder das eine noch das andere.[1] In der Ortschaft wurde das Land 1931 wie überall in der Sowjetunion kollektiviert, ein brutaler Prozess, der Millionen Bauern das Leben kostete. Während der schrecklichen Hungersnot von 1932/1933 kamen zwei Onkel und eine Tante Gorbatschows ums Leben. Beide Großväter Gorbatschows waren Opfer von Stalins Großem Terror in den Dreißigerjahren: Der Vater seiner Mutter wurde 1934 verhaftet und sein anderer Großvater 1937. Am 22. Juni 1941 marschierte die Wehrmacht in die UdSSR ein und besetzte 1942 viereinhalb Monate lang Priwolnoje. 1944 und 1946 waren erneut Hungerjahre. Als die Bevölkerung der Sowjetunion endlich auf ein besseres Leben zu hoffen wagte, schlug Stalin wieder zu und zwang sie noch einmal, für die glorreiche Zukunft, die der Kommunismus versprach, aber nie verwirklichte, Opfer zu bringen.
Eine schrecklichere Zeit ist kaum vorstellbar. Dass Gorbatschow sie durchlebte, hatte einen deutlichen Einfluss auf seine späteren Ansichten sowohl zum Stalinismus und der Notwendigkeit, ihn zu verurteilen, als auch zu Zwang und Gewalt und der Pflicht, ihre Anwendung zu vermeiden. Doch die Geschichte hat eine Kehrseite. In all dem Schrecken bestand das Regime darauf, dass die sowjetischen Kinder «dem Genossen Stalin» rituell für ihre «glückliche Kindheit» dankten, und in einem erstaunlichen Ausmaß hatte Gorbatschow tatsächlich eine glückliche Kindheit. Dies hatte etwas mit seinem von Natur aus sonnigen, optimistischen Gemüt zu tun. Aber es war auch eine Folge der Silberstreifen, die damals wunderbarerweise an den finsteren Wolken über seinem Haupt erschienen: Wie schrecklich konnte die Kollektivierung sein, wenn einer seiner Großväter, der ihn besonders ins Herz geschlossen hatte, eine Kollektivfarm leitete? Beide Großväter überlebten den Gulag und wurden bald wieder freigelassen. Gerade als die Deutschen Gorbatschow und seine Angehörigen festnehmen wollten, weil sie mit dem Leiter einer Kolchose verwandt waren, wurden sie zum Rückzug aus Priwolnoje gezwungen. Gorbatschows heißgeliebter Vater wurde als gefallen gemeldet, doch die Meldung war falsch: Er schaffte es irgendwie, die vier Jahre an der Front zu überleben, und kehrte im Triumph nach Hause zurück. Nach dem Krieg wurde sein Sohn nicht nur ein guter Schüler und ein Aktivist des Kommunistischen Jugendverbands Komsomol, sondern gewann auch noch den Orden des Roten Banners der Arbeit, eine der höchsten Auszeichnungen der UdSSR, weil er mit seinem Vater, einem Mähdrescherfahrer, bei der Ernte Rekorde aufstellte.
Psychologen haben festgestellt, dass die potenziellen Opfer persönlicher Schicksalsschläge und sich anbahnender Tragödien, wenn diese durch Glück oder eigene Anstrengung ein positives Ende nehmen, von den Ereignissen profitieren und mit erhöhtem Selbstvertrauen, gesteigertem Optimismus und geringerer Anfälligkeit für Depressionen aus ihnen hervorgehen.[2] Außerdem blieb Michail Gorbatschow nicht nur von den schlimmsten Dingen verschont, sondern wuchs in vieler Hinsicht auch unter Idealbedingungen auf. Sein Vater, Sergej Gorbatschow, war offensichtlich ein wundervoller Mann, geliebt und bewundert von seinem Sohn, der ihm «sehr nahe» stand. Die beiden sprachen nie aus, was sie füreinander empfanden. «Es war einfach da.»[3] Pantelej Gopkalo, Gorbatschows Großvater mütterlicherseits, behandelte seinen Enkel mit «Zärtlichkeit», und Zärtlichkeit ist kein Gefühl, zu dem sich russische Männer gern bekennen. Doch es gab auch Spannungen in der Großfamilie. Laut Michail war sein Großvater väterlicherseits Andrej Gorbatschow «sehr autoritär». Er und Gorbatschows Vater Sergej vertrugen sich laut Michail so schlecht, dass es mindestens einmal zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung kam. Dennoch hatte auch Großvater Andrej eine Schwäche für den kleinen Michail, und dasselbe galt für beide Großmütter. Seine Mutter Maria konnte kalt und strafend sein: Sie hatte Sergej eigentlich nicht heiraten wollen und disziplinierte ihren Sohn durch Schläge mit dem Gürtel, bis er dreizehn war. Diese Spannungen in der Familie forderten bei Michail ihren Tribut: Er hatte als Heranwachsender und auch als erwachsener Mann offenbar ein besonders ausgeprägtes Bedürfnis nach der Aufmerksamkeit und dem Respekt, die er seiner Ansicht nach verdiente.[4]
Seine Eltern waren arm, aber sie arbeiteten hart und gut und lehrten ihn, dasselbe zu tun. Um den Krieg zu überleben, durfte Gorbatschow schon mit knapp zehn Jahren kein Kind mehr sein. Nach dem Krieg wurde er ein ausgezeichneter Schüler und exemplarischer Staatsbürger. Im Jahr 1950, als er Priwolnoje verließ und an der Staatlichen Universität Moskau (MGU) ein Studium begann, war er stark und geistig unabhängig und selbstbewusst bis zur Arroganz. «Wir waren arm, praktisch Bettler, aber insgesamt fühlte ich mich großartig», fasste er selbst seine Lage zusammen.[5]
Der junge Michail Gorbatschow und seine Großeltern mütterlicherseits Pantelej Gopkalo und Wassilissa Lukjanowna.
Die Vorgeschichte des Gebiets um Stawropol, wo Gorbatschow aufwuchs, lässt sich bis ins erste Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen, als verschiedene Stämme in den Nordkaukasus einwanderten. Stawropol selbst wurde 1777 als Militärstützpunkt gegründet und 1785 zur Stadt erklärt. In seinem Zentrum befand sich eine der Festungen auf der Linie Asow, Mosdok, die (der Schöpfer der legendären Potemkinschen Dörfer) Fürst Grigori Potjomkin auf Befehl seiner Geliebten, Kaiserin Katharina der Großen, zur Verteidigung der Südgrenze des Russischen Reichs erbauen ließ. Kosaken besiedelten das Gebiet. Ihnen schlossen sich Bauern an, die vor repressiven Grundbesitzern geflohen waren, und später kamen noch weitere Bauern hinzu, die man in die Verbannung schickte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Gorbatschows Vorfahren väterlicherseits aus Woronesch im Süden Russlands und die seiner Mutter aus Tschernigow in der nördlichen Ukraine eingewandert. In den südlichen Randgebieten des Reiches bildete sich laut Gorbatschow «ein rebellischer Menschenschlag heraus»: Stepan Rasin und Jemeljan Pugatschow, die Führer zweier Bauernaufstände, stammten aus der Gegend, und desgleichen Jermak, ein Kosakenführer aus dem 16. Jahrhundert, der die Eroberung Sibiriens einleitete. «Offenbar», fuhr Gorbatschow stolz fort, gelangte der rebellische Geist «in das Blut der dort lebenden Menschen und wurde als Erbe von Generation zu Generation weitergegeben».[6] In der fruchtbaren Region wurde 1918 auch der konservative antisowjetische Dissident Alexander Solschenizyn geboren.
Das Dorf Priwolnoje liegt ganz im Nordwesten der Region Stawropol im Grenzgebiet zu den Regionen Rostow und Krasnodar und wurde 1861 gegründet. Um heute dorthin zu gelangen, fährt man von Stawropol aus auf einer von Weizen- und Sonnenblumenfeldern gesäumten Straße nach Nordwesten. Am Eingang des Dorfes empfängt den Besucher ein großes farbenprächtiges Schild mit der Aufschrift «Willkommen in Priwolnoje!» Vom Dorfplatz aus windet sich eine zunächst noch asphaltierte, dann unbefestigte Straße etwa eineinhalb Kilometer weit zu einer großen offenen Fläche, wo das Land sanft zu dem Fluss Jegorlyk hin abfällt. In den Dreißigerjahren war Priwolnoje fast genau zur Hälfte von Russen und Ukrainern bevölkert. In der Nähe des Dorfzentrums lebten die ethnischen Russen auf der einen Seite des Flusses und die Bauern ukrainischen Ursprungs auf der anderen. Das Land, wo die Gorbatschows siedelten, fällt zum Fluss hin ab und ist heute nicht mehr besiedelt. Ebenfalls leer, wenn man von Gras und Sträuchern absieht, ist das Terrain, das sich zur Steppe hinauf erstreckt. Am Horizont sind nur ein paar Wirtschaftsgebäude zu sehen. Der Rest von Priwolnoje, mit seinen Holzhäusern und einer großen Kirche, zu deren Bau der frühere Präsident der UdSSR Michail Gorbatschow einen erklecklichen Betrag beisteuerte, liegt hinter dem Horizont.
An dieser heute unbesiedelten Stelle ganz am Rand des Dorfes baute Gorbatschows Urgroßvater Moisej Gorbatschow ein Haus für seine Frau und seine drei Söhne Alexej, Grigori und Andrej. Viele Jahre später, als Michail heranwuchs, verließ die Familie den oft von Überschwemmungen heimgesuchten Platz und zog näher ans Dorf. Als Kind konnte Michail vor dem Haus, das etwa 200 Meter vom Fluss entfernt lag, nur eine russische Version der amerikanischen Prärie sehen: «Steppe, Steppe und noch einmal Steppe.»[7] Zur Zeit Moisej Gorbatschows drängte sich eine Großfamilie von 18 Mitgliedern in einem großen Holzhaus mit mehreren Kammern, und weitere Verwandte wohnten in der Nähe. Später bauten die drei Söhne eigene Häuser. Auch Gorbatschows damals frisch verheiratete Großeltern Andrej und Stepanida gründeten einen eigenen Hausstand. Dort wurde 1909 Gorbatschows Vater Sergej geboren.
Michails Großvater Andrej war allen Berichten zufolge ein harter, willensstarker Mann. «Er schonte weder sich noch andere», erinnerte sich sein Enkel. «Alles musste seine Richtigkeit haben.»[8] Er war «streng und gnadenlos».[9] «Geizig», sagt eine andere Quelle. «Missmutig und jähzornig, aber stark und willensstark», fügen weitere hinzu.[10] Doch der alte Mann, den so viele fürchteten, wurde weich, wenn er es mit seinem Enkel zu tun hatte. «Er forderte mich auf, ihn zu begleiten, erzählte mir Geschichten, fütterte mich und bestand darauf, dass ich esse.»[11] Stepanida war «herzensgut und fürsorglich», sie und ihr Enkel waren «Freunde». Auch in dieser Hinsicht hatte Gorbatschow «Glück».[12]
Andrej und Stepanida hatten sechs Kinder, aber nur zwei Jungen. Deshalb bekamen sie von der Bauernkommune, die bei der Zuteilung des Bodens nur männliche Mitglieder zählte, zu wenig Land, was laut Gorbatschow zur Folge hatte, dass alle Mitglieder der Familie, auch die kleinsten, «Tag und Nacht» arbeiten mussten. So gelang es der Familie, sich aus der Armut zu befreien und zu «Mittelbauern» aufzusteigen. Doch für die Mitgift der Töchter musste die Familie Getreide und Vieh verkaufen, und sie konnte ihren Status als Mittelbauern nur halten, weil sie über ein riesiges Gartengrundstück verfügte. Dort baute der Großvater fast alles an, was die Familie brauchte. «Der Garten war fantastisch», erinnerte sich sein Enkel. «Er erstreckte sich bis ganz hinunter zum Fluss. Großvater veredelte Apfelbäume, sodass manche rote und manche grüne Früchte trugen. Der Garten war wundervoll, gigantisch. Doch es war gefährlich, dort drunten wegzulaufen. Großvater war ein harter Mann, ein sehr harter.»[13]
Großvater Andrej war auch hart, was den Kommunismus betraf. Als einer von Gorbatschows Onkeln mütterlicherseits gefragt wurde, ob Andrej je der Kommunistischen Partei beigetreten sei, sagte er lachend: «Um nichts in der Welt.»[14] Andrej weigerte sich auch, einer Kolchose beizutreten, und kam damit, wenigstens eine Zeitlang, durch. Er blieb Einzelbauer, verpflichtet, eine bestimmte Menge Getreide anzubauen und einen Teil davon an den Staat zu verkaufen, und ohne die Erlaubnis, Eigentum zu besitzen. Als eine Hungersnot ausbrach und die Familie alles Essbare und auch einige nicht essbare Dinge essen musste, gab er seinen Angehörigen Frösche zu essen. Laut Gorbatschow war seine erste Erinnerung als Kind, dass er in einem großen Kessel Frösche kochen sah, bis sie mit den weißen Bäuchen an der Oberfläche trieben. Er weiß nicht mehr, ob er sie aß oder nicht, aber er weiß noch sehr gut, wie er und sein jüngster Onkel, der nur fünf Jahre älter war als er, «das Saatgut aßen, das ausgesät werden sollte».[15]
Im Jahr 1934 wurde Andrej, laut Gorbatschow, verhaftet, «weil er den Plan nicht erfüllte (und säte), weil nichts mehr da war, mit dem er ihn hätte erfüllen können». Er kam in ein Arbeitslager bei Irkutsk in Sibirien, wo die Gefangenen Holz schlagen und schleppen mussten. Dort gelang es ihm, zwei Auszeichnungen für seine Arbeit zu bekommen. Er wurde vorzeitig entlassen und kehrte missmutiger denn je nach Priwolnoje zurück (wo er die vier Orden aus dem Lager neben die religiösen Ikonen an die Wand hängte). Nun jedoch blieb ihm keine andere Wahl, als der Kolchose beizutreten. In den folgenden 17 Jahren war er dort für die Schweinezucht verantwortlich und machte sie zu einer der besten in der Region. «Sie sehen also», sagte Gorbatschow in einem Interview, «wo immer man ihn einsetzte, hat er hart gearbeitet und auch andere dazu gezwungen.»[16] Eine Lektion, die an seinen Enkel nicht verschwendet war.
Gorbatschows anderer Großvater Pantelej Gopkalo war politisch und psychologisch der Antipode von Andrej Gorbatschow. Er begrüßte die bolschewistische Revolution. «Die Sowjetmacht hat uns gerettet, sie hat uns Land gegeben», sagte der Spross einer bettelarmen Bauernfamilie, der im Ersten Weltkrieg unter elenden Bedingungen an der türkischen Front gekämpft hatte. Seine Worte wurden in der Familie Gopkalo ständig wiederholt und machten großen Eindruck auf den Enkel. Auch dass der Großvater nach seinem Aufstieg vom armen Bauern zum Mittelbauern in den Zwanzigerjahren eine neue Bauernkommune mit gründete, in der er mit seiner Frau Wassilissa (ebenfalls aus der Ukraine) und ihrer Tochter Maria (der Mutter Michail Gorbatschows) lebte, beeindruckte den Enkel. Im Jahr 1928 trat Pantelej Gopkalo in die Kommunistische Partei ein. Kurz darauf, 1929, half er, die erste Kolchose in Priwolnoje zu gründen. Als der junge Michail seine Großmutter fragte, was damit gemeint sei, «lachte sie und sagte: ‹Dein Großvater hat die ganze Nacht Leute organisiert, sie zusammengebracht, und am nächsten Morgen sind sie alle wieder davongerannt.›»[17] Später erzählte sie ihrem Enkel das Ereignis mit mehr Bitterkeit, wie er sich im Oktober 1987 bei einer Sitzung des Politbüros erinnern sollte: «Wie viel Feindschaft die Kollektivierung verursachte! Bruder gegen Bruder, Sohn gegen Vater, ganze Familien hat sie überrollt. Die Quoten kamen von oben: So und so viele Kulaken vertreiben, egal ob sie wirklich Kulaken waren oder nicht.»[18]
Die sogenannten Kulaken (das russische Wort heißt wörtlich «Faust») waren angeblich «reiche» Bauern. In Wirklichkeit jedoch waren sie größtenteils kleine Landbesitzer, die es durch harte Arbeit und Unternehmungsgeist etwas weiter gebracht hatten als die Mittelbauern. Gopkalos Sohn, der ebenfalls Sergej hieß, half bei den Anstrengungen, «die Blutsauger zu zermalmen». «Ich war in einer Zelle des Komsomol», berichtete Gorbatschows Onkel mütterlicherseits. «Wir gingen von Gehöft zu Gehöft und vertrieben die, die man uns zeigte. Wir warfen sie raus. Sie taten mir leid. Der Chef meiner Gruppe war immer betrunken. In einem Haus befahl er mir, auf den Speicher zu steigen und alles herauszuholen. Ich warf einen schnellen Blick rein und schrie: ‹Da ist nichts.› Er sagte: ‹Komm wieder raus, ich schaue selbst nach.› Und obwohl er so besoffen war, dass er kaum noch etwas sehen konnte, fand er mehrere Schaffellmäntel. Danach habe ich schwer eins aufs Dach gekriegt.»[19]
Die «Entkulakisierung» musste wie so vieles in der Sowjetunion nach einem Plan durchgeführt werden – mit monatlichen Planzielen. Familien wurden ihrer Habseligkeiten beraubt und ins Exil getrieben, manche kamen in das öde Steppengebiet nordöstlich von Stawropol, andere wurden in Viehwagen gepfercht und viel weiter nach Osten verfrachtet, sodass schon auf der Fahrt viele umkamen. Welche Rolle Pantelej Gopkalo bei alledem genau spielte, ist nicht bekannt, aber was er tat, muss seinen Herren gefallen haben, denn sie machten ihn zum Chef der Kolchose Roter Oktober.
Auch wenn er an dem brutalen Kollektivierungsprozess beteiligt war, verhielt er sich offenbar nach der Zwangskollektivierung als Chef der Kolchose sehr anständig. Laut einem Journalisten aus Stawropol, der die Bauern der Kolchose sehr viel später über Pantelej Gopkalo interviewte, hatten fast alle positive Erinnerungen an ihn.[20] Im Jahr 1937 wurde er Chef der Abteilung Grund und Boden des Bezirks. «Doch er war immer noch einer von uns», sagte Gorbatschow. «Er war ein hochinteressanter Mensch mit ganz viel Autorität, und er sprach ruhig und langsam.»[21] Gorbatschows Großväter standen für zwei verschiedene Modelle von Autorität: Andrej war hart, unabhängig und autoritär; Pantelej dagegen war, wenigstens soweit sein Enkel ihn kennenlernte, milder und aufmerksamer, und er hatte zur kollektivierten Landwirtschaft ein positives Verhältnis.
Michail Gorbatschow lebte ab seinem dritten Lebensjahr mehrere Jahre nicht bei seinen Eltern, sondern bei seinen Großeltern mütterlicherseits auf der Kolchose, etwa 35 Kilometer von Priwolnoje entfernt. Damals rannte er oft hinter dem langen, offenen Fuhrwerk seines Großvaters her. Bei seinen Großeltern «genoss ich völlige Freiheit», berichtete er. «Denn sie liebten mich abgöttisch. Bei ihnen hatte ich das Gefühl, dass ich es sei, der die Hosen anhatte. Wie oft man daher auch versuchte, mich bei den Eltern wohnen zu lassen, und sei es nur für kurze Zeit, es gelang kein einziges Mal. Am Ende aber waren alle mit diesem Zustand sehr zufrieden.»[22] Die Eltern, wie Gorbatschow an anderer Stelle sagte, «weil sie auf diese Art frei waren».[23]
Während der Hungersnot war es sinnvoll für Gorbatschows Eltern, ihren Sohn bei den liebevollen, relativ wohlhabenden und noch recht jungen Großeltern unterzubringen. (Gorbatschows Großmutter Wassilissa war damals erst achtunddreißig.) Aber war der Junge wirklich so zufrieden mit dem Arrangement, und wenn ja, was bedeutete es für die anderen Beteiligten? Einmal versuchte sein Großvater, ihn mit dem Fuhrwerk zu den Eltern zurückzubringen, doch der Junge sprang ab und lief etwa eineinhalb Kilometer zurück, bis der Großvater ihn einholte und wieder mit in die Kolchose nahm. Natürlich fühlte sich der Junge sehr wichtig im Leben seiner Großeltern, zumal Wassilissa häufig sagte, dass er ihr Lieblingsenkel sei. Wie aber ging es seinen Eltern?[24]
Gorbatschows Vater war nur vier Jahre offiziell zur Schule gegangen, wenngleich er später im Rahmen der bolschewistischen «Alphabetisierungskampagne» Unterricht bekam und eine Ausbildung als Traktorist machte. Laut seinem Sohn war er «ein einfacher Mann aus dem Dorf, aber von der Natur mit einem guten Verstand und viel Intelligenz, Wissbegierde und Menschlichkeit und einer Menge anderer guter Eigenschaften ausgestattet. All das unterschied ihn von den anderen Dorfbewohnern, doch sie achteten ihn und vertrauten ihm: Er war ein Mensch, auf den man ‹sich verlassen› konnte.»[25]
Gorbatschows Aussagen werden von anderen bestätigt. Sergej Gorbatschow «war ein gescheiter Mann», erinnerte sich ein Zeitgenosse, «bescheiden, aber extrem fleißig … Die Leute mochten ihn. Er war immer ruhig, ein guter Mann. Die Leute fragten ihn um Rat. Er sagte nicht viel, aber jedes Wort war gut durchdacht. Leere Worte waren ihm zuwider.»[26] Wie einer von Michails Komsomol-Genossen sagte, wurde Gorbatschows Vater «nie laut, war nüchtern, ordentlich und anständig».[27] «Michail Sergejewitsch und sein Vater waren sich sehr ähnlich», sagte Raissa Gorbatschowa. «Sie waren Freunde. Sergej Andrejewitsch bekam nie eine systematische Ausbildung, aber er war von Natur aus kultiviert. Er war irgendwie vornehm und hatte eine gewisse Vielfalt von Interessen.»[28]
Gorbatschows Vater Sergej Gorbatschow.
Diese Eigenschaften waren ganz andere als die von Sergejs Vater, und es ist kein Wunder, dass die beiden nicht miteinander zurechtkamen. Auch dass sich Sergej eher an seinem Schwiegervater als an seinem Vater orientierte, als er der Kolchose beitrat, dürfte das Verhältnis nicht verbessert haben. Als Sergej und Maria noch in Andrejs Haus lebten, wurde das Getreide auf dem Hof gelagert und dort zwischen den Familienmitgliedern aufgeteilt. Einmal zweigte Andrej, als Sergej auf dem Feld arbeitete, einen Teil des Getreides für sich ab und versteckte es auf dem Dachboden. Als Sergej Verdacht schöpfte und unter dem Dach nach dem Getreide suchte, griff ihn sein Vater an. Doch Sergej war damals schon dreiundzwanzig und so stark, dass er die Arme seines Vaters hinter seinem Rücken festhalten und ihn zu Boden werfen konnte. Dabei brach er ihm einen Arm. Sergej versuchte, den Vorfall geheim zu halten, und am Ende teilten sie sich das Getreide, aber laut Gorbatschow war «klar, dass die Beziehung zwischen den beiden dadurch nicht einfacher wurde».[29] Auf die Frage, ob das Verhältnis zwischen seinen beiden Großvätern weiterhin gespannt gewesen sei, sagte Gorbatschow: «Nein, es war normal», aber dann fügte er hinzu: «Natürlich war Andrej neidisch auf Pantelej.»[30]
Pantelejs Tochter Maria war siebzehn, als sie Sergej 1928 heiratete. «Sie war eine wunderschöne Frau», erinnerte sich Michail, «aber auch hart und willensstark.»[31] Andere empfanden Maria, die nie lesen und schreiben lernte, ebenfalls als «eine starke Frau, sehr direkt, mit einer scharfen Zunge und einem harten Charakter».[32] Nachbarn aus dem Dorf fanden sie grob im Vergleich zu ihrem Mann. Gorbatschow widersprach dem nicht: «Mein Vater und Pantelej schienen irgendwie der Intelligenzija zu entstammen; sie glichen einander in dieser Hinsicht und in ihrem Umgang mit anderen Menschen. Meine Mutter war völlig anders.»
In einem Interview verriet Gorbatschow, dass seine Mutter seinen Vater eigentlich nicht heiraten wollte. Mit siebzehn habe sie wegen ihrer großen Schönheit die Wahl zwischen mehreren Bewerbern gehabt. Der Vater dagegen liebte laut Gorbatschow «meine Mutter sehr. Als er uns später in Stawropol besuchte, ging er immer in ein Geschäft und kaufte etwas für Maria, bevor er (nach Priwolnoje) zurückkehrte. Wo er hinkam, kaufte er ihr Geschenke.»[33] Auf die Frage, ob Maria ihren Mann irgendwann lieben gelernt habe, sagte Gorbatschow nach einer Pause: «Später, glaube ich. Als sie eine Familie hatten, als sie Kinder hatten.» Die meisten russischen Bauersfrauen hatten damals viele Kinder, aber Maria nur zwei, und ihr zweites Kind, Gorbatschows Bruder Alexander, wurde erst 1947, als Michail schon siebzehn war, geboren. «Nach dem Krieg», sagte Gorbatschow, «verliebten sich alle Frauen in die Ehemänner, die es irgendwie geschafft hatten, lebend zurückzukehren.»[34]
Wie bei den Bauern üblich, wohnten Maria und Sergej am Anfang ihres Ehelebens im Haus von Sergejs Vater. Es war ein langes, strohgedecktes Haus mit Lehmziegelmauern, das sich von Osten nach Westen erstreckte. Als Gorbatschow es 2007 in einem Interview beschrieb, machte er eine Zeichnung auf ein Blatt Papier: «Das erste Zimmer, links, war der saubere, vorzeigbare Teil», der Lehmboden war zum Teil mit Teppichläufern bedeckt, die die Frauen in der Familie gewebt hatten. «Zum Empfang von Gästen?», wurde Gorbatschow gefragt. «Nein, nein. Wie kommen Sie auf Gäste? Ich kann mich noch gut an das Zimmer erinnern. In ihm stand das Bett meiner Großeltern. Und in der Ecke war eine riesige Ikonenwand, die aus zehn oder zwölf vergoldeten Ikonen bestand. Daneben war die Ikonenlampe.» (Im Haus des Kolchosenvorsitzenden Pantelej hingen Porträts von Lenin und Stalin an der Ikonenwand.) Hinter der Tür lag ein weiterer Raum mit einem riesigen Ofen, auf dem die Frauen Brot backten, und einem kleineren Ofen, auf dem sie alles andere zubereiteten. Auf dem großen Ofen schliefen Kinder. In einer Ecke dieses Zimmers stand der Esstisch mit einer Bank. Eine andere Ecke war für Gorbatschows Eltern abgeteilt, damit das frisch verheiratete Paar ein bisschen Privatsphäre hatte. Es habe kein Bad gegeben, fügte Gorbatschow hinzu. Sie hätten in Wasser gebadet, das in einer Wanne erhitzt wurde.[35]
Der nächste Raum lag jenseits eines kurzen Flurs und diente zur Aufbewahrung von landwirtschaftlichen Geräten, Pferdegeschirr, Peitschen usw., auch das Getreide wurde hier aufbewahrt. Gorbatschow kletterte gern auf den Dachboden, «ein stilles Plätzchen, wo ich oft einschlief». Er fand dort einen Sack mit dicken Papierbündeln: alten, von der Regierung Kerenski gedruckten Geldscheinen. «Sie lagen noch lange da. Großvater hoffte wohl darauf, sie könnten noch einmal von Nutzen sein.»[36]
Eine weitere Tür führte in einen Raum, wo Vieh gehalten wurde. Wärme spendete nur der Ofen, wenn man von der Körperwärme von Mensch und Tier absah. Mindestens einmal schlief Michail neben einem kürzlich geborenen Kalb, während ganz in der Nähe eine Gans ihre Eier ausbrütete.[37] «Ich kann mich gut an alles erinnern», sagte er. «Als kleiner Junge bin ich überall herumgeklettert.»
Wegen der beengten Verhältnisse und der Spannungen zwischen den Generationen gründeten Gorbatschows Eltern bald einen eigenen Hausstand. Pantelej baute unweit von Großvater Andrej eine Hütte für seine Tochter und seinen Schwiegersohn und sorgte dafür, dass Sergej Gorbatschow eine Ausbildung als Traktorist erhielt.
Im Jahr 1933 brach eine Hungersnot aus, die laut Michail Gorbatschow «etwa ein Drittel bis zur Hälfte der Dorfbewohner» das Leben kostete. «Ganze Familien kamen um, sodass schon lange vor dem Krieg halbzerstörte Hütten, von ihren Besitzern verlassen, wie Waisen im Dorf standen.»[38] Es folgte die Verhaftung von Großvater Andrej im Jahr 1934. Seine Frau Stepanida blieb mit zwei kleineren Kindern zurück, und Gorbatschows Vater musste für alle sorgen. Durch Andrejs Verhaftung war die Familie als eine, die «niemand brauchte», gebrandmarkt, und dass sie am Dorfrand wohnte, verschärfte noch ihre Isolation. Doch Andrej kehrte bald zurück, und Großvater Pantelej verschaffte seinem Schwiegersohn einen Arbeitsplatz bei der örtlichen Maschinen-Traktoren-Station (MTS). Im Gegensatz zu einer Kolchose war eine volkseigene MTS «eine höhere Form von Eigentum», deren Mitarbeiter als Proletarier und nicht als Bauern galten. Sergej hatte einen höheren Status und wurde besser bezahlt als seine bäuerlichen Verwandten, und er stellte bald schon Ernterekorde auf, für die ihn die Kreiszeitung feierte.[39]
Im Jahr 1937 wurde Pantelej zum Chef der Abteilung Grund und Boden des Bezirks befördert, die die Lieferung von Getreide und anderen Feldfrüchten überwachte. Noch im selben Jahr jedoch wurde er im Rahmen des Großen Terrors verhaftet. «Quoten», die aus Moskau kamen, schrieben ein Minimum an Verhaftungen vor. Als ein Polizeibeamter in einem benachbarten Bezirk später kritisiert wurde, weil er seine Quoten überschritten hatte, verteidigte er sich mit den Worten: «Aber die anderen haben so viele verhaftet. Warum hätte ich schlechter dastehen sollen?»[40] Pantelej war für alle, die ihn um seinen Posten beneideten oder unter seiner Amtsführung gelitten hatten, eine dankbare Zielscheibe. Eine tragische Ironie von Stalins Säuberungen bestand darin, dass sie bei den Bauern, die die lokalen Funktionäre für die Durchführung der Kollektivierung hassten, ausgesprochen populär waren.[41] Wie unter Stalin üblich, wurde Pantelej mitten in der Nacht abgeholt. Seine Frau Wassilissa zog nach Priwolnoje zu Gorbatschows Eltern. «Ich weiß noch», berichtete Gorbatschow, «wie die Nachbarn nach der Verhaftung unser Haus mieden, als ob wir die Pest hätten. Nur nachts kam manchmal jemand heimlich für einen Moment herüber. Selbst die Kinder aus der Nachbarschaft mieden den Kontakt mit mir. All das schockierte mich und ist mir mein Leben lang im Gedächtnis geblieben.»[42]