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Zu den Perlen der französischen Karibik gehören zweifelsohne die Inseln Guadeloupes. Wer hier einmal Palmenstrände, Regenwald, Mangrovensümpfe, Bergwelten und ein Bad im türkisfarbenen Meer genossen hat, wird immer wieder zurückkehren wollen. Im einzigen deutschprachigen Reiseführer zu dem Archipel werden neben den beiden Hauptinseln Basse-Terre und Grande-Terre auch die kleineren Inseln Marie-Galante und La Désirade sowie die Îles des Saintes und die Îles de la Petite-Terre vorgestellt. Das französische Département ist ideal für Selbstfahrer. Besonderen Wert legen die Autoren auf die vielfältigen Landschafts-, Sport- und kulinarischen Erlebnisse: Taucher, Segler, Surfer und Kite-Surfer finden zahlreiche Anregungen, detaillierte Wandervorschläge erschließen die Inselwelt und kleine Restaurants verführen mit großartiger Küche.
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Seitenzahl: 388
IWANOWSKI’S
GUADELOUPE – Top-Ziele
IWANOWSKI’S
GUADELOUPE– Autorentipps
Unsere Autoren Heidrun Brockmann und Stefan Sedlmair geben Ihnennützliche Tippsund individuelle Empfehlungen:
Heidrun Brockmann Stefan Sedlmair
Guadeloupeund seine Inseln
Guadeloupe und seine Inseln4. Auflage 2019
© Reisebuchverlag Iwanowski GmbH Salm-Reifferscheidt-Allee 37 • 41540 Dormagen Telefon 0 21 33/26 03 11 • Fax 0 21 33/26 03 [email protected]
Titelfoto: iStock/Oliver Hoffman Alle anderen Farbabbildungen: Heidrun Brockmann, außer: S. 77, 189, 193, 201, Autorentipps (Fremdenverkehrsamt Guadeloupe); Autorinnenbild (Stefan Sedlmair) Layout: Monika Golombek, Köln Karten: Astrid Fischer-Leitl, München Titelgestaltung: Point of Media, www.pom-online.de Redaktionelles Copyright, Konzeption und deren ständige Überarbeitung: Michael Iwanowski
Alle Rechte vorbehalten. Alle Informationen und Hinweise erfolgen ohne Gewähr für die Richtigkeit im Sinne des Produkthaftungsrechts. Verlag und Autoren können daher keine Verantwortung und Haftung für inhaltliche oder sachliche Fehler übernehmen. Auf den Inhalt aller in diesem ebook erwähnten Internetseiten Dritter haben Autoren und Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung dafür wird ebenso ausgeschlossen wie für den Inhalt der Internetseiten, die durch weiterführende Verknüpfungen (sog. „Links“) damit verbunden sind.
ISBN epub:978-3-86457-331-6ISBN Mobipocket:978-3-86457-332-3ISBN pdf: 978-3-86457-333-0
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In diesem Reisehandbuch sind alle Detailpläne mit sogenannten QR-Codes versehen, die per Smartphone oder Tablet-PC gescannt und bei einer bestehenden Internet-Verbindung auf das eigene Gerät geladen werden können. Alle Karten sind im PDF-Format angelegt, das nahezu jedes Gerät darstellen kann. Für den Stadtbummel oder die Besichtigung unterwegs hat man so die Karte mit besuchenswerten Zielen und Restaurants auf dem Telefon, Tablet-PC, Reader oder als praktischen DIN-A-4-Ausdruck dabei.
Sollten wider Erwarten Probleme beim Karten-Download auftreten, wenden Sie sich bitte direkt an den Verlag. Unter [email protected] erhalten Sie die entsprechende Linkliste zum Herunterladen der Karten.
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
1. LAND UND LEUTE
Überblick: Guadeloupe in Kürze
Historischer Überblick
Zeittafel von Guadeloupe und den Nachbarinseln
Die Ureinwohner der karibischen Inseln
Die Besiedlung Guadeloupes
Die Ankunft der Europäer
Karukera wird Guadalupe
Kolonisierung durch die Franzosen
Kolonialmächte und Kolonialkriege
Sklaven auf den „Zuckerinseln“ • Die Französische Revolution und ihre Folgen für Guadeloupe • Das Ende der Sklaverei • Immigration der Inder
Das 20. und 21. Jh.
Die Négritude-Bewegung • Gründung der karibischen Übersee-Départements • Autonomiebestrebungen
Wirtschaftlicher Überblick
Landwirtschaft und Industrie
Tourismus
Landschaftlicher Überblick
Was sind die Antillen?
Geologische Entwicklung
Die geologische Geschichte von Guadeloupe
Die jüngsten vulkanischen Aktivitäten • Das Meer
Klima und Reisezeit
Hurrikans
Tier- und Pflanzenwelt
Vegetation • Tiere • Unterwasserwelt
Karibisches Kaleidoskop – Gesellschaft, Kunst und Kultur
Bevölkerung
Soziale Lage
Religionen
Französisch und Créole
Literatur
Architektur
Kolonialarchitektur der Franzosen
Bildende Kunst
Musik – Calypso, Karneval und Steelbands
Essen und Trinken
Speisen • Getränke
2. DIE GELBEN SEITEN: GUADELOUPE ALS REISEZIEL
Allgemeine Reisetipps von A bis Z
Die grünen Seiten: Das kostet Sie Guadeloupe
3. UNTERWEGS AUF GUADELOUPE
Pointe-à-Pitre
Das Zentrum von Pointe-à-Pitre
Place de la Victoire • La Darse • Office du Tourisme und Unterpräfektur • Place Gourbeyre • Musée Schœlcher • Marché Saint-Antoine • Musée Saint-John Perse
Außerhalb des Zentrums von Pointe-à-Pitre
Umgebung von Pointe-à-Pitre
Basse-Terre: der südwestliche Flügel von Guadeloupe
Redaktionstipps
Überblick
Rundfahrt durch den Süden von Basse-Terre
Domaine de Valombreuse • Petit-Bourg • Montebello • Goyave • Sainte-Marie • Changy • Capesterre-Belle-Eau • Grand Étang • Chutes du Carbet • Bananier • Trois-Rivières • Vieux-Fort • Gourbeyre
Die Hauptstadt Basse-Terre
Allgemeiner Überblick • Stadtrundgang
Von Basse-Terre zur Soufrière
Saint-Claude • Matouba • Bains Jaunes
Baillif
Vieux-Habitants
Musée du Café • Domaine de Vanibel • Abstecher zur Habitation la Grivelière
Bouillante
Rundfahrt durch den Norden von Basse-Terre
Redaktionstipps
Allgemeiner Überblick
Die Route de la Traversée
Saut de la Lézarde • Cascade aux Écrevisses • Maison de la Forêt • Über den Col des Mamelles • Parc des Mamelles
Von Mahaut nach Pointe-Noire
Saut d’Acomat
Pointe-Noire
Écomusée Maison du Cacao • Parc aquacole • Habitation Côte Sous-le-Vent • Rêve de Sable & Kapelle Notre Dame des Larmes • Jardin Botanique de Deshaies
Deshaies
Sainte-Rose
Ecomusée CréoleArt de la Guadeloupe • Musée du Rhum • Domaine de Séverin
Le Lamentin
Grande-Terre: Der nordöstliche Flügel des „Schmetterlings“
Redaktionstipps
Allgemeiner Überblick
Der Süden von Grande-Terre
Die Strecke
Bas-du-Fort
Aquarium de la Guadeloupe • Fort Fleur d’épée
Le Gosier
Îlet du Gosier • La Bitasyon – Musée Costumes et traditions
Weiterfahrt: Le Gosier – Grands Fonds – Sainte-Anne
Les Grands Fonds
Alternativroute entlang der Südküste nach Sainte-Anne
Sainte-Anne
Bois-Jolan
Saint-François
Abstecher zur Pointe des Châteaux • In der Nähe von Saint-François
Sucrerie Gardel
Le Moule
Rumbrennerei Damoiseau
Durch die Grands Fonds an die Südküste von Grande-Terre
Der Norden von Grande-Terre
Die Strecke
Musée de Préhistoire amérindienne Edgar Clerc
Über die Ostküste zur nördlichsten Spitze von Grande-Terre
Lagune der Porte d’Enfer • Wanderweg entlang der „Grande Falaise“ • Pointe de la Grande Vigie
Von der Pointe de la Grande Vigie zurück nach Pointe-à-Pitre
Anse Bertrand • Port-Louis und Anse du Soffleur • Musée Le Pays de la Canne • Petit-Canal • Morne-à-l’Eau • Vieux-Bourg • Von Vieux-Bourg nach Pointe-à-Pitre
4. DIE INSELN LES SAINTES, MARIE-GALANTE UND LA DÉSIRADE
ÜberblickÎles des Saintes (Les Saintes)
Terre-de-Haut
Îlet à Cabrit • Fort Napoléon • Plage de Pompierre • Le Chameau • Le Grand Îlet
Terre-de-Bas
Grande-Anse • Petites Anses
Marie-Galante
Grand-Bourg
Ecomusée Habitation Murat
Capesterre-de-Marie-Galante
Moulin de Bézard
Destillerie Bielle
Destillerie Bellevue
Saint-Louis
Vieux-Fort
La Gueule Grand Gouffre
Zuckerfabrik von Grande-Anse
Habitation Trianon-Roussel
Destillerie Poisson
La Désirade
Beauséjour
Quartier des Sables • Quartier des Galets
Le Souffleur
Baie-Mahault
Grande Montagne
Petite-Terre
5. ANHANG
Kleines Sprachlexikon
Literatur
Stichwortverzeichnis
Weiterführende Informationen zu folgenden Themen
Christoph Kolumbus
Die Ankömmlinge aus der Alten Welt
Bukaniere und Filibuster – das Zeitalter der Piraten
Wie entsteht ein Hurrikan?
Karneval auf Guadeloupe
Die fahrende Imbissbude, der Boki und das Sorbet aux Cocos
Entstehung des Rums
Wanderung zu den Chutes de Moreau
Wanderungen zu den Chutes du Carbet
Louis Delgrès
Wanderungen ab Matouba
Wanderung zum Vulkan La Soufrière
Wanderungen im Norden von Basse-Terre
Grand Cul-de-Sac Marin
Das Gwoka-Festival
Karten und Grafiken
Die 4 Reisen von Christoph Kolumbus
Basse-Terre (Stadt)
Basse-Terre, Norden
Basse-Terre, Süden
Der Dreieckshandel im 17. Jahrhundert
Grande-Terre, Norden
Grande-Terre, Süden
Inselbögen
La Désirade
Le Gosier
Les Saintes
Marie-Galante
Plattentektonik in Mittelamerika
Pointe-à-Pitre
La Route de la Traversée
Sainte-Anne
Saint-François
Soufrière, Entstehung
Soufrière-Massiv mit Wanderwegen
Terre-de-Haut, „La Bourg“
Trois-Rivières
Übersicht Guadeloupe
Guadeloupe Basse-Terre
Guadeloupe Grande-Terre
Eigentlich fällt es nicht leicht, den Begriff Paradies zu verwenden. Zu oberflächlich, zu klischeebesetzt und niemals so richtig passend. Doch wer die Inseln Guadeloupes besucht, merkt, dass sich die Beziehung zu dem Wort ändert, man sich dem Zauber der Inselwelt mit all ihren unterschiedlichen Facetten, zu denen auch Probleme gehören, kaum entziehen kann. Wer einmal Palmenstrände, Regenwald, Mangrovensümpfe, Bergwelten, Vulkangesteine, Korallenriffe, warme Winde auf dem Segelboot und ein Bad im türkisfarbenen Meer genossen hat, wird seufzend zustimmen − kaum ein Ort kommt der Vorstellung vom Garten Eden so nah.
Eigentlich muss man das Wort Paradies beim Archipel Guadeloupe in den Plural setzen. Grande-Terre bietet weiße Sandstrände und korallengeschützte Badebuchten, Basse-Terre wuchert mit dem Nationalpark rund um den aktiven Vulkan Soufrière, die Saintes bieten eine der schönsten Buchten der Kleinen Antillen und Marie-Galante und La Désirade faszinieren mit dem Charme vergangener Tage.
Dazu kommt auf allen Inseln des Archipels eine faszinierende Vielfalt an Bevölkerungsgruppen, die mit ihrer Herkunft, ihren Religionen, Lebensweisen und Sprachen bunter kaum sein könnten − das Ergebnis einer aufgezwungenen, schmerzhaften Geschichte, deren Aufarbeitung noch lange nicht zu Ende ist. Einen großen verbindenden Rahmen bildet eine gehörige Portion des französischen Savoir-Vivre, die allerorts sichtbar ist. Zwar sind Europa und die EU, zu der Guadeloupe als französisches Département gehört, sehr fern. Doch Merkmale der französisch geprägten karibischen Kultur sind allenthalben in den Gassen, auf den Märkten der Innenstädte, bei den farbenfrohen Festen und an den Stränden, wenn die Sonne sich neigt, zu erleben.
Auf Guadeloupe und seinen Inseln kann man mittendrin sein. Es gibt nur wenige große Hotels, viele nette Gästehäuser sind eine Insel-typische Alternative, die Gastgeber geben gerne Auskunft, kleine Restaurants mit großartiger Küche verführen den Gaumen. Und jemand für einen netten Plausch, wenn auch mit Händen und Füßen, findet sich immer. Karibischer kann es nirgends sein und französischer auch nicht – ein Paradies eben.
Nicht versäumen möchten wir, uns bei allen zu bedanken, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben:
Für seine Text- und Recherchebeiträge bei Ulrich Quack. Für ihre wertvollen Hinweise und logistischen Hilfen besonders bei Philippe Boucard (Fremdenverkehrsamt Guadeloupe) sowie bei Guy Claude Germain (Leiter des Comité du tourisme des îles de Guadeloupe, CTIG, in Pointe-à-Pitre).
Ein besonderer Dank gilt auch Gisèle Maisonneuve (Vize-Präsidentin des Touristenamtes von Terre-de-Haut und Eigentümerin des Gästehauses „Chez Gisèle et Philipe“), die zwischen ihrem Ehrenamt beim Tourismusbüro, Bewirtung ihrer Gäste und der Einweihung einer neuen Fährverbindung auf Marie-Galante noch Zeit für wichtige Informationen und die Organisation von Treffen auf der Insel gefunden hat. Unser Dank gilt auch Lucie Soulard und ihrem Team, die während des Umbaus ihres Tourismusbüros auf La Désirade mit viel Ruhe ihre Insel vorstellten.
Und ganz besonders danken möchten wir auch den Lesern des Karibik-Reiseführers „Karibik – Kleine Antillen“, die mit ihren Hinweisen zu Veränderungen auf den Inseln auch zur Qualität dieses Reiseführers beitragen.
Hamburg, im Sommer 2018
Guadeloupe
Fläche
1.628 km² (Basse-Terre 848 km², Grande-Terre 589 km², Marie-Galante 158 km²; La Désirade 21 km²; Îles des Saintes 13 km²)
Einwohner
398.000 (inklusive der dazugehörigen Inseln)
Hauptstadt
Basse-Terre
Währung
Euro (€)
Status
Französisches Übersee-Departement
Guadeloupe zählt landschaftlich zu den abwechslungsreichsten und mit knapp 400.000 Einwohnern zu den bevölkerungsreichsten Inseln der Kleinen Antillen. Der aktive Vulkan La Soufrière ist mit 1.467 Metern zudem die höchste Erhebung der Region. Der oft gezogene Vergleich von Guadeloupes Umrissen mit einem Schmetterling hat seine Berechtigung: Auf natürliche Weise zerfällt die Insel in zwei deutlich voneinander unterscheidbare Hälften. Streng genommen handelt es sich um eine „Doppelinsel“, bestehend aus der Insel Basse-Terre (848 km²) mit dichtem tropischem Regenwald und gebirgiger Landschaft sowie der durch einen schmalen Meeresarm getrennten und durch zwei Brücken verbundenen, überwiegend flachen und trockenen Insel Grande-Terre (590 km²).
Etwa 7.000 Kilometer Luftlinie sind es von Paris, der Hauptstadt der Grande Nation, nach Guadeloupe. Das karibische Übersee-Département ist insgesamt 1.628 km² groß und umfasst neben der Hauptinsel die nahe gelegenen Inseln Marie-Galante (158 km²), La Désirade (21 km²), Îles des Saintes (13 km²) sowie Îles de la Petite-Terre (1,5 km²).
Damit ist das Département Guadeloupe die größte Verwaltungseinheit von „Les Antilles“, wie die Franzosen ihre karibischen Überseegebiete (zu denen auch Martinique gehört) nennen, die namensgebende Hauptinsel ist auch nach Trinidad die zweitgrößte Insel der Kleinen Antillen überhaupt. Das ca. 1.100 km² große Martinique ist demgegenüber von der Inselgröße her die „kleine Schwester“.
Zahlreiche Wanderwege führen durch Guadeloupes dichte Vegetation
Der westliche Teil Guadeloupes gehört dem vulkanischen inneren Bogen und der östliche dem äußeren Bogen der Inseln über dem Wind (s. S. 44) an und vereint so recht unterschiedliche Landschaftsformen: waldbedeckte Berge und einen tätigen Vulkan (Soufrière) einerseits und relativ flache Kalksteinplateaus andererseits.
Historisch stellen die karibischen Übersee-Départements die letzten bescheidenen Überreste eines ehemals weit ausgedehnten Kolonialbesitzes dar. Sie sind neben Quebec (Kanada) und Haiti auch die letzten rein französischen Sprachinseln in Amerika, wobei sich die Bevölkerung jedoch zumeist in der Mischsprache Créole verständigt. Im Verhältnis zu allen anderen Distrikten Frankreichs ist Guadeloupe absolut gleichberechtigt und kann von seinem Status vor allem wirtschaftlich profitieren (Gleiches gilt für Martinique wie für andere Außenbesitzungen wie Mayotte, Guayana und La Réunion).
Guadeloupe ist jedoch nicht bloß formales Département und Region, sondern ein wirklicher Landesteil, in dem wie im Mutterland die Sprache, die Kultur, die Lebensart und die Infrastruktur französisch sind – trotz aller Unterschiede der Landschaft, trotz der multiethnischen Bevölkerung und trotz aller Exotik.
Für Besucher bedeutet dies, dass Grundkenntnisse der französischen Sprache von großem Vorteil sind, mehr als auf den ehemaligen Dependancen und heutigen französischen Außengebieten St. Martin und Saint-Barthélemy, wo man auch aufgrund eines größeren Anteils amerikanischer Besucher mit Englisch weiterkommt.
Jedenfalls können Pointe-à-Pitre oder Basse-Terre auf den ersten Blick kaum von einer Provinzstadt an der südlichen Atlantikküste oder der Côte d’ Azur unterschieden werden: Ähnliche Schaufensterauslagen, ähnliche Regierungsgebäude, teilweise sogar ähnliche Straßencafés, in denen der obligatorische Milchkaffee getrunken wird. Die großen Orte haben eine Mairie (Rathaus) und eine Préfecture, in den Restaurants stehen Weinkaraffen, aus den Bäckereien holt man Baguettes und Croissants, und unter schattigen Bäumen gehen die Männer ihrem Lieblingsspiel, dem Boule, nach. Die Uniformierten tragen das „képi“, jene kreisrunde, halbhohe Kopfbedeckung, wie man sie von Pariser Polizisten kennt.
Feine Sandstrände säumen die Küste von Grande-Terre
Der Straßenverkehr wird nicht, wie auf den anderen Antillen-Inseln, von japanischen oder amerikanischen Modellen geprägt, sondern von französischen Kleinwagen der Firmen Renault, Citroën und Peugeot. Für den Touristen hat die enge Bindung der Insel an das Mutterland viele Vorteile: eine gute Infrastruktur, keine kulturell bedingten Barrieren, keine Gesundheitsrisiken und kaum wirkliche Armut. Denn trotz hoher Arbeitslosigkeit und Strukturkrisen gehören sie – auch dank Finanzierungen von Projekten durch die Europäische Union – zu den bestentwickelten Regionen des karibischen Raumes.
Wenn der Akzent des Départements mit seinem Savoir-vivre und seiner Atmosphäre also eindeutig französisch ist, wird der Grundton doch von einer starken karibischen Note bestimmt – nicht nur durch tropische Blumen, Palmenstrände und warme Temperaturen, sondern vor allem durch die multiethnische Bevölkerung mit ihrer kreolischen Lebensfreude. Auf diese Weise besitzen die Inseln ein unverwechselbares und einmaliges Kolorit, das notwendigerweise viele Unterschiede zum Mutterland einschließt, auch solche, die nicht auf die geografische Lage, das Klima oder die Vegetation zurückzuführen sind.
ab 5000–Jäger und Sammler besiedeln von Südamerika aus die karibischen
3500 v.Chr.Inseln.
ab ca.Ackerbautreibende Gruppen dringen von Venezuela aus auf die
500 v .Chr.Antillen vor. Ihre Kultur ist geprägt durch ihre reichhaltige Keramik.
1492Christoph Kolumbus entdeckt die Westindischen Inseln.
1493Christoph Kolumbus segelt an La Désirade vorbei, landet auf Marie-Galante und betritt auf Basse-Terre die heute Guadeloupe genannte Doppelinsel.
1496Erste europäische Stadtgründung auf dem neuen Kontinent: Santo Domingo auf Hispaniola.
1507Die Neue Welt wird erstmals Amerika genannt, nach dem Entdecker Amerigo Vespucci.
1524Die ersten schwarzen Sklaven treffen in der Karibik ein.
1635Die Franzosen kolonisieren Guadeloupe. Seitdem gehört es mit kurzen Ausnahmen zu Frankreich.
1648Die ersten französischen Kolonisten kommen auf die Îles des Saintes.
1652–1814Kämpfe zwischen Frankreich und England mit dem Ziel, die Îles des Saintes für sich zu gewinnen, die geschützte Ankerplätze für die Seeflotten bieten.
1676Die Niederländer plündern Marie-Galante.
17./18. Jh.Erbitterte Kriege zwischen den europäischen Mächten im karibi- schen Raum; die meisten Inseln wechseln mehrmals den Besitzer, Piraten und Freibeuter unterstützen die kämpfenden Parteien. Mehrmals besetzen die Briten Guadeloupe.
1725Deportation von Leprakranken von Guadeloupe nach La Désirade
1759–1763Während des Siebenjährigen Krieges dringen auf Guadeloupe bri- tische Einheiten ein und nehmen die Insel in Besitz.
1782Französisch-britische Seeschlacht bei den Îles des Saintes, durch die die Briten ihre Vorherrschaft über die Antillen sichern.
1789Beginn der Französischen Revolution, die auch auf Guadeloupe zu tief greifenden Umwälzungen führt.
1816Ende der Konflikte, die mit der Verteidigung Marie-Galantes ver- bunden waren.
1834Aufhebung der Sklaverei auf den britisch besetzten Inseln.
1843Starkes Erdbeben auf Guadeloupe mit ca. 3.000 Toten vor allem in Pointe-à-Pitre, wo die ersten beiden Zuckerfabriken entstehen. Bis 1863 werden es 11 Fabriken sein.
1848Auch Franzosen und Dänen verbieten die Sklaverei, es folgen die Niederländer (1863) und die Spanier (1886).
1854Beginn der Immigration indischer Arbeiter nach Guadeloupe.
1871III. Republik: Die Kolonien bekommen Repräsentanten in der Na- tionalversammlung. In Frankreich werden Reformen umgesetzt, die auch auf Guadeloupe zu spüren sind (kostenlose Schulbildung, Trennung von Staat und Kirche etc.).
1897Erdbeben auf Guadeloupe: Pointe-à-Pitre wird teilweise zerstört.
1914Eröffnung des Panama-Kanals.
1914–1918Der Erste Weltkrieg verschafft Guadeloupe bis 1922 Hochkonjunk- tur beim Rumexport.
1922Nach dem Einbruch der Zuckerindustrie werden die ersten Bananenpflanzen für den Export auf Guadeloupe angebaut.
1928Ein zerstörerischer Tropensturm wütet auf Guadeloupe.
1941–44Der Zweite Weltkrieg bringt deutsche U-Boote in die Karibik; enorme wirtschaftliche Probleme aufgrund der Blockade der Französischen Antillen durch die Alliierten.
1946Guadeloupe wird französisches Département.
1961–1965Unruhen auf Guadeloupe durch Unabhängigkeitsbewegungen.
1976Ausbruch des Vulkans Soufrière und Evakuierung der Region Basse-Terre.
1979Hurrikan „David“ wütet auf Guadeloupe.
1983Der Regionalrat nimmt in Basse-Terre seine Arbeit auf.
1989Der Hurrikan „Hugo“ verwüstet Guadeloupe und andere Inseln der Kleinen Antillen.
1991Installation einer Unterwasserleitung für Süßwasser (14 km) von Guadeloupe nach La Désirade.
1994Guadeloupe wird wegen extremer Wasserknappheit zum Katastrophengebiet erklärt.
2001Das französische Parlament erkennt die Sklaverei als Verbrechen an.
2002Auf Guadeloupe gilt der Euro als offizielles Zahlungsmittel.
200558,6 % stimmen in einem Referendum für die Europäische Verfas- sung; Wahlbeteiligung: 30%.
2007Das französische Saint-Martin sowie St. Barthélémy lösen sich aus dem Departement Guadeloupe heraus, das als gleichwertig zu den Départements des Festlands gezählt wird. Der Hurrikan „Dean“ der Kategorie 3 verwüstet einen großen Teil der Bananenplantagen auf Guadeloupe.
2009Ein Generalstreik legt mehrere Wochen die Wirtschaft und das öffentliche Leben auf Guadeloupe lahm. Nach gewalttätigen Ausschreitungen werden u. a. Zugeständnisse beim Mindestlohn gemacht.
2010Die Regenzeit auf den Französischen Antillen macht durch auffäl- lig wenig Niederschlag Schlagzeilen.
2011Erstmals macht eine Algenplage dem Archipel Guadeloupe zu schaffen und säumt vor allem die dem Atlantik zugewandten Strände mit den Meerespflanzen.
2014Die Bahnrad-EM findet in Guadeloupe statt, die Wettbewerbe werden auf einer Bahn unter freiem Himmel ausgetragen.
2015Eröffnung des Mémorial ACTe, auch „Karibisches Zentrum zum Ausdruck und zur Erinnerung an den Sklavenhandel und an die Sklaverei“ in Pointe-à-Pitre.
2017Der Hurrikan „Maria“ fegt über die Nachbarinsel Dominika hinweg. Ausläufer treffen den Süden und Westen von Basse-Terre.
Die Geschichte der Antillen reicht weit länger zurück als das Jahr 1492, in dem Chris-toph Kolumbus und seine Gefährten die Inseln der Karibik betraten. Rund 6.000 Jahre zuvor, möglicherweise auch noch früher, ließen sich hier Menschen nieder und begründeten eigenständige Kulturen, die sich im Laufe der Jahrtausende weiterentwickelten, immer wieder beeinflusst durch Kontakte zum Festland und neue Zuwanderer. Doch die Zeugnisse, die von den einstigen Bewohnern der Antillen künden, sind spärlich und oftmals schwer zu deuten. Sie selbst kannten keine Schrift. Die einzigen schriftlichen Dokumenten, die von den Ureinwohnern berichten, sind daher einige Aufzeichnungen der europäischen Eroberer. Diese aber beruhen vor allem auf Gerüchten und sind zumeist geprägt von Missverständnissen und Vorurteilen. Die Aussagen der vermeintlichen „Entdecker“ bieten tatsächlich nicht mehr als eine äußerst lückenhafte und stark verzerrte Momentaufnahme aus der Zeit um 1500, und alle späteren Berichte zeigen die indigenen Kulturen dann in einem Zustand, der bereits massiv durch das Vordringen der Europäer beeinflusst ist – in einer Phase des Rückzugs also, der Verteidigung und schließlich des Niedergangs bis hin zur vollständigen Auslöschung.
Felsmalereien der Ureinwohner auf Guadeloupe
Auskünfte über jene Menschen, die schon lange vor Kolumbus die Antillen bevölkerten, können daher einzig archäologische Funde bieten. Die ältesten Zeugnisse menschlicher Besiedlung der karibischen Inselwelt sind mehr als 7.000 Jahre alt und wurden auf Trinidad entdeckt. Vielleicht erreichten frühe Einwanderer die heute nahe der südamerikanischen Küste gelegene Insel, als diese noch über Landbrücken mit dem Festland verbunden war. Von dort gelangten Menschen vermutlich zunächst nach Tobago und weiter zur etwa 130 Kilometer entfernten Insel Grenada. Nur einige Jahrhunderte jünger als die ältesten Funde auf Trinidad sind jedoch Überreste am anderen Ende des Antillenbogens, im Westen Kubas. Viele Forscher nehmen deshalb an, dass Menschen diese Region zunächst von Mittelamerika aus erreichten: Die kürzeste Entfernung zwischen der Halbinsel Yucatán im heutigen Mexiko und der Westspitze Kubas beträgt rund 200 Kilometer. Die weitere Besiedlung erfolgte dann von beiden Seiten der Inselkette. Dabei mussten stets nur deutlich geringere Distanzen mit Booten über das offene Meer zurückgelegt werden, da die jeweils nächste Insel fast immer schon in Sichtweite lag. Die zwei Ausbreitungsbewegungen trafen sich möglicherweise vor rund 4.500 Jahren auf Puerto Rico. Die Zeugnisse, die inzwischen auf zahlreichen Inseln gefunden wurden, legen jedenfalls ein solches Szenario nahe.
Als Jäger und Sammler lebten die Mitglieder dieser ersten Kulturen auf den Antillen – Wissenschaftler sprechen von der „archaischen Phase“ – vermutlich in kleinen Gruppen, zogen von Lager zu Lager, ohne sich dauerhaft niederzulassen, und ernährten sich von Pflanzen und Landtieren, vor allem aber wohl von Meeresschnecken, Muscheln und Fischen. Neben vielfältigen Werkzeugen aus Stein fertigten sie auch figürliche Darstellungen und Schmuck. Die Materialien legen nahe, dass weiterhin Kontakte zum südamerikanischen Festland bestanden – wahrscheinlich besaßen die archaischen Bewohner hochseetüchtige Kanus.
Inzwischen gehen die Archäologen davon aus, dass auch die Nachfahren der ersten Siedler schon begannen, Pflanzen zu kultivieren und Gefäße aus Ton zu formen. Doch um etwa 500 v. Chr. erreichte eine neue Welle von Menschen die Antillen, die den Ackerbau (besonders Maniok) und das Wissen um die Herstellung von Keramik bereits aus Südamerika mitbrachten. Gefundene Überreste dieser Bewohner sind Kultplätze, wunderschöne Keramiken (Töpfe, Krüge, Figuren, Schmuck) sowie Arbeitsgerät, Schmuck, Waffen und Musikinstrumente. Rund 1.000 Jahre lang blieb der Stil der Keramikgefäße weitgehend gleich, die Forscher bezeichnen die Kultur dieser Zeit als das Saladoid.
Doch ab etwa 500 n. Chr. kamen neue Formen auf. Für die folgenden Jahrhunderte bis zum Eintreffen der Europäer unterscheiden Archäologen eine ganze Reihe von Keramik-Stilen, die sich offenbar zu verschiedenen Zeiten auf den einzelnen Inseln entwickelt haben. Während man früher dachte, solche Wandlungen seien ein Zeichen von größeren Siedlungsbewegungen, bei denen womöglich die Neuankömmlinge die vorherigen Bewohner gewaltsam unterwarfen, geht man heute davon aus, dass es einen permanenten Austausch auch von Menschen, vor allem aber von Kulturtechniken gab. Die Bewohner lebten keineswegs isoliert auf ihren jeweiligen Inseln, sondern waren hoch mobil, sie pflegten Kontakte zum Festland und entlang des gesamten Antillenbogens. So konnten sich Innovationen, Verzierungsstile und vermutlich auch Sprachen verbreiten – auch ohne große Wanderungen.
Die Spanier nannten die Menschen, denen sie ab 1492 auf Hispaniola (heute Haiti und Dominikanische Republik) und anderen Inseln der Großen Antillen begegneten „Taínos“. Vermutlich bezeichneten sich einige Bewohner selbst mit diesem Wort, das aber wohl nicht der Name ihres Volkes war, sondern „gut“ oder „nobel“ bedeutete. Ihre Sprache, die aus Ortsnamen und Aufzeichnungen der Europäer teilweise rekonstruiert werden kann, war verwandt mit dem Idiom der Arawak, eines Volks, das bis heute in Venezuela, Guyana und Surinam lebt, weshalb die Taínos häufig ebenfalls als Arawak bezeichnet werden.
Die „Entdeckung“ Amerikas – zeitgenössischer Holzschnitt
Obgleich die Taínos und ihre Sprache untergegangen sind, sind einige ihrer Wörter bis heute lebendig, denn sie bezeichnen Kulturtechniken, die in die westliche Zivilisation eingegangen sind: beispielsweise das Kanu (in der Taíno-Sprache canoa), den Tabak (tabaco) oder das Barbecue (barbacoa). Und aus hamaca wurde über das englische hammock im Deutschen die „Hängematte“.
Wasserfälle wie dieser in Acomat inspirierten wohl zum Namen „Insel der schönen Wasser“
Wohl ebenfalls auf ein Wort der Taínos geht die Bezeichnung der ganzen Region – der Karibik – zurück: cariba. Möglicherweise aufgrund eines Missverständnisses benutzten es die Spanier für die Menschen, die sie auf vielen Inseln der Kleinen Antillen antrafen – und die ihnen, anders als die Taínos, massiven Widerstand entgegenbrachten. Daraus entstand eine Art Mythos, der sich bis heute hartnäckig in vielen Darstellungen hält: Demnach lebten auf den Antillen vor allem zwei Völker, die friedfertigen Taínos und die kriegerischen Kariben. Letztere hätten die Kleinen Antillen erst relativ kurz vor dem Eintreffen der Europäer erobert, die männlichen Einwohner versklavt und die Frauen geraubt. Zudem seien sie Menschenfresser gewesen (auch das Wort „Kannibale“ ist von cariba, in anderer Schreibung caniba, abgeleitet).
Heute gehen Wissenschaftler davon aus, dass auf den Antillen um 1500 eine Vielzahl unterschiedlicher Völker und Stämme lebte, die untereinander rege Verbindungen und Handelskontakte pflegten, teils aber auch verfeindet waren. Die angebliche brutale Eroberung der Kleinen Antillen durch die Kariben dürfte dabei ebenso eine Fiktion sein wie ihr Kannibalismus – beides aber war den Spaniern ein willkommener Vorwand, die Bewohner zu versklaven oder gleich zu töten. Deren kriegerisches Verhalten wiederum hatte seinen Grund womöglich einfach darin, dass sich die wenig friedfertigen Absichten der Europäer, die sie bald schon auf Hispaniola offenbarten, schnell auch auf den anderen Inseln herumsprachen.
Die ersten Menschen erreichten Guadeloupe möglicherweise bereits um 3000 v. Chr. oder noch früher. Im Zuge jener Wanderungsbewegung, die vom südamerikanischen Festland und Trinidad aus entlang des Antillenbogens bis nach Puerto Rico vordrang, sind höchstwahrscheinlich immer wieder Gruppen an Guadeloupe vorbeigekommen. Doch ob die Menschen dieser frühen Epoche den Archipel nur als Zwischenstation nutzten oder auch dauerhaft hier lebten, lässt sich nicht sagen. Die ältesten bekannten Zeugnisse fester Besiedlung stammen erst aus einer Phase ab etwa 300 v. Chr., als sich Ackerbau treibende Angehörige der Saladoid-Kultur auf den Kleinen Antillen ausbreiteten. Anhand der gefundenen Keramikgefäße unterschied Edgar Clerc, der Pionier der Archäologie auf Guadeloupe, für die Zeit bis zum Eintreffen der Europäer um 1500 vier aufeinanderfolgende Phasen, die von jüngeren Forschern inzwischen noch weiter unterteilt werden. Viele Artefakte aus großen Fundstätten im Norden von Grande-Terre sowie auf La Désirade sind im nach Clerc benannten Museum in Le Moule ausgestellt, darunter Schmuck und Grabbeigaben mit figürlichen Darstellungen von Tieren. Die Vielfalt der benutzen Materialien und Formen belegt, dass die Bewohner Guadeloupes intensiven Austausch mit den anderen Inseln und dem Festland pflegten. Den Spaniern, die hier ab 1493 landeten, galten sie indes als kriegerische, feindselige Kariben – denn sie versuchten, sich der Unterwerfung durch die Europäer zu widersetzen. Der Überlieferung zufolge nannten die Bewohner ihre Heimat Karukera, was so viel bedeutet wie „die Insel der schönen Wasser“.
Dass Kolumbus nicht der erste Europäer in der Neuen Welt war, hat sich inzwischen herumgesprochen. Durch archäologische Ausgrabungen auf Neufundland sind mittlerweile etwa die Fahrten der Wikinger nachgewiesen, die um das Jahr 1000 für eine Zeit lang kleinere Kolonien gründeten und den Nordatlantik regelmäßig auf der Route Island – Grönland – Nordamerika befuhren. Dass Europäer auch schon früher die Karibik erreichten, ist zwar nicht dokumentiert, aber durchaus plausibel: Die im Atlantik liegenden Inseln wie die Kanaren und die Kapverden waren schon den Seefahrern der Antike bekannt; wer aber in diesen Gewässern mit Segelschiffen unterwegs ist, kann durch die vorherrschenden Winde und Strömungen leicht weit nach Westen abdriften – zum südamerikanischen Festland oder auch zu den Antillen. Genau auf diese Wind- und Strömungsverhältnisse im Atlantik waren später dann auch die Routen des sogenannten Dreieckshandels zwischen Europa, Westafrika und der Karibik im 17. und 18. Jh. abgestimmt.
Gleichwohl: Die Geschichte der Inbesitznahme Amerikas durch die Europäer beginnt mit der Fahrt des Christoph Kolumbus im Jahr 1492. Für Europa bedeutete dies in politischer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht Umwälzungen allergrößten Ausmaßes – und für Amerika den Untergang der alten Kulturen. Es ist erstaunlich, wie schnell der Doppelkontinent und besonders auch die Inseln der Karibik erforscht und erobert werden konnten. Eine Lawine war losgetreten worden, die nahezu in jedem Jahr zu neuen Expeditionen, Entdeckungen und Koloniegründungen führte. Bereits 1496 konnte Kolumbus’ Bruder Bartolomeo auf Hispaniola die erste europäische Stadt auf amerikanischem Boden gründen: Santo Domingo, heute die Hauptstadt der Dominikanischen Republik. Ab 1499 nahm der Florentiner Amerigo Vespucci an mehreren Fahrten teil, bei denen er die Küste Südamerikas erkundete – und zu der Gewissheit gelangte, dass Kolumbus nicht den Westweg nach Indien, sondern einen völlig neuen Erdteil gefunden hatte. 1507 benannte dann der deutsche Kartograf Martin Waldseemüller die Neue Welt nach Vespuccis Vornamen: Amerika.
In Konkurrenz zu den Spaniern bemühten sich schon früh auch die Portugiesen um Besitztümer – so nahm Pedro Álvarez Cabral im Jahr 1500 Brasilien für den portugiesischen König in Besitz. 1503 erreichte der Spanier Juan Bermúdez die nach ihm benannten Bermuda-Insel. Fünf Jahre später gründete Juan Ponce de León, der auch zu den Begleitern von Kolumbus gezählt hatte, eine erste Kolonie auf Puerto Rico, 1513 entdeckte er Florida. Spätestens 1536, als der portugiesische Seefahrer Pedro a Campos auf Barbados landete, waren die Kleinen Antillen dem europäischen Horizont erschlossen. Im Vergleich zu den riesigen Gebieten Mittel- und Südamerikas und zu den Inseln der Großen Antillen schienen sie jedoch wirtschaftlich nur wenig attraktiv und besaßen allenfalls strategische Bedeutung. Gold- und Silberschätze, wie sie sich schon Kolumbus erhofft hatte, gab es – anders als in Peru oder Mexiko – hier nicht.
Zwar beanspruchten die Spanier den Besitz der Kleinen Antillen, doch beschränkten sich ihre Aktivitäten vor allem auf Raubexpeditionen mit dem Ziel, Bewohner der Inseln zu versklaven und nach Hispaniola zu verschleppen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts aber weckten die Eilande mehr und mehr das Interesse von Europäern aus anderen Staaten, darunter vor allem Engländer, Niederländer und Franzosen, später auch Dänen, Deutsche und Schweden. Sie waren es, die in der Folgezeit die Geschichte der Kleinen Antillen prägten.
Auf seiner berühmten ersten Reise 1492/93 erreichte Christoph Kolumbus zunächst eine vermutlich zu den Bahamas zählende Insel und besuchte dann Kuba und Hispaniola. Zu den Kleinen Antillen gelangte er erst bei seiner zweiten Reise. Die erste kleine Insel, die seine Männer nach der Fahrt über den Atlantik am 2. November 1493 sichteten, nannte er Desiderada, „die Ersehnte“. Am folgenden Tag (einem Sonntag) ging er auf einer Insel an Land, die er nach der lateinischen Bezeichnung des Wochentages Dominica nannte, um sich dann wieder nach Norden zu wenden. Noch am gleichen Tag besuchte er ein Eiland, das er Santa María la Galante taufte. Am 4. November schließlich ging er an der südöstlichen Küste von Basse-Terre an Land. Kolumbus nannte seine neue Entdeckung Santa María de Guadalupe, zu Ehren des Real Monasterio de Nuestra Señora de Guadalupe. Das „Königliche Kloster unserer Frau“, 180 Kilometer südwestlich von Madrid an einem Flüsschen namens Guadalupe gelegen, beherbergt ein hoch verehrtes Madonnenbild und ist einer der wichtigsten Wallfahrtsorte in Spanien.
Einem Bericht zufolge sahen sich Kolumbus und seine Männer bei ihrer Landung einer Gruppe von wild aussehenden, mit roter Farbe eingeschmierten Menschen gegenüber. Allerdings waren es nur Frauen, Männer befanden sich nicht unter ihnen. Diese hatten sich aus dem Dorf zurückgezogen, um einen Angriff auf die weißen Eindringlinge zu organisieren. Tatsächlich versuchten die Bewohner von Guadeloupe in den folgenden mehr als 100 Jahren zäh und mitunter auch erfolgreich, sich kriegerisch gegen Sklavenraubzüge und andere Übergriffe zu wehren. Immerhin gelang es ihnen, eine dauerhafte Besiedlung des Archipels durch die Spanier zu verhindern. Bedeutsam blieb Guadeloupe gleichwohl als Zwischenstation für spanische Schiffe, um sich mit Trinkwasser zu versorgen. Darüber hinaus besuchten auch andere Europäer die Insel: Englische, französische und niederländische Abenteurer und Freibeuter nutzten Guadeloupe als Stützpunkt. Zumeist verfolgten sie vor allem das Ziel, die Spanier zu überfallen – den Ureinwohnern aber waren sie nicht selten Handelspartner und Verbündete im Kampf gegen den gemeinsamen Feind.
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Der 1451 in Genua geborene Seefahrer Christoph Kolumbus (ital.: Cristoforo Colombo; span.: Cristóbal Colón) fasste im Glauben an die Kugelgestalt der Erde schon in jungen Jahren Pläne, den Westweg nach Indien zu finden. Portugal, die größte europäische Seemacht der damaligen Zeit, gab ihm Gelegenheit, auf ausgedehnten Reisen bis nach Island im Norden, den atlantischen Inselgruppen im Westen und Afrika im Süden nautische Erfahrungen zu sammeln. Weil er bei der portugiesischen Krone kein Gehör für seinen eigentlichen Traum fand, trat er in spanische Dienste. Doch auch hier dauerte es noch viele Jahre, bis er schließlich, nach langem Hin und Her, die Königin Isabella auf seine Seite ziehen und für das Projekt gewinnen konnte.
Am 3. August 1492 verließ Kolumbus als Großadmiral und zukünftiger Vizekönig aller neuentdeckten Gebiete die südspanische Atlantikküste in westlicher Richtung. Seine kleine Flotte umfasste die drei Karavellen „Santa Maria“, „Pinta“ und „Niña“. Als er nach drei Monaten, am 12. Oktober 1492, endlich eine Insel sichtete, glaubte er, Indien erreicht zu haben. Deswegen nannte er die Inselgruppe auch „Westindische Inseln“ und ihre Einwohner „Indianer“ (Indios).
Christoph Kolumbus
Nach überwiegender Forschermeinung war das erste Eiland, das Kolumbus betrat und auf den Namen „San Salvador“ taufte, die Insel Guanahani (= Watling’sIsland), die zu den Bahamas gehört. Weitere Anlaufpunkte der „Santa Maria“ waren Kuba und Hispaniola, bevor Kolumbus in die Heimat zurückkehrte. Noch insgesamt dreimal sollte der Seefahrer später in Richtung des vermeintlichen Westindien den Atlantik überqueren:
2. Fahrt 1493–1496
Entdeckung der Kleinen Antillen – u. a. Dominica, Guadeloupe und Jungferninseln – sowie Puerto Ricos und Jamaikas.
3. Fahrt 1498–1500
Entdeckung von Trinidad und der Nordküste Südamerikas (Venezuela).
4. Fahrt 1502–1504
Entdeckung von Teilen der Küste Mittelamerikas (Honduras) und weiterer Inseln der Kleinen Antillen (u. a. Martinique).
Persönlich konnte Kolumbus durch seine Fahrten nicht den erhofften Aufstieg erzielen. Die entdeckten Inseln und Landstriche bargen nur wenige Reichtümer, Intrigen und Missgunst verhinderten eine steile Karriere. So starb er enttäuscht und unbeachtet im Jahre 1506 in Valladolid – bis zum Schluss im Glauben, den Seeweg nach Indien gefunden zu haben, und ohne die Tragweite seiner Entdeckungen zu ahnen.
Während der Doppelkontinent nach dem Italiener Amerigo Vespucci getauft wurde, lebt der Name Kolumbus u. a. in der kanadischen Provinz Columbia, im Columbia River und im südamerikanischen Staat Kolumbien weiter fort. Viele Inseln der Kleinen Antillen tragen heute noch den Namen, den ihnen Kolumbus bei seinen Entdeckungsfahrten gegeben hatte.
Während und nachdem in Europa Frankreichs Machtstellung unter den Kardinälen Richelieu (ab 1624) und Mazarin (ab 1642) sowie vom „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. (ab 1661) ausgebaut wurde, bemühte sich das Königreich um überseeische Gebiete. Dies war umso dringender, als die merkantilistische Wirtschaftspolitik des Finanzministers Colbert darauf angewiesen war, fremde Rohstoffe (wozu auch Gewürze gehörten) zu importieren, ohne hohe Zölle zahlen zu müssen. Zu den Territorien, die sich Frankreich in heftigen Kämpfen gegen die spanische, niederländische und britische Konkurrenz aneignete, gehörten außer Louisiana (Nordamerika), Indochina und später Madagaskar auch mehrere der westindischen Inseln.
Kardinal Richelieu hatte die Compagnie des Îles de l’Amérique unter der Führung des Abenteurers Pierre Belain d’Esnambuc beauftragt, alle Insel zu kolonialisieren, die noch nicht von Christen bewohnt waren. Noch im 17. Jh. konnten die Franzosen in schneller Folge in der Karibik Fuß fassen: 1625 auf St. Kitts, 1635 auf Guadeloupe, Martinique, La Désirade und Marie-Galante, 1648 auf St. Barthélémy und auf St. Martin, 1650 auf St. Croix, 1659 auf Grenada und auf St. Lucia, 1663 auf Tobago sowie 1664 auf Montserrat. Nach langem Streit mit Spanien wurde 1697 sogar das große St. Domingue den Franzosen zugesprochen, die 1719 ebenfalls St. Vincent und die Grenadinen erwarben.
Nach Guadeloupe kamen Charles Liénard de l’Olive und Jean Duplessis d’Ossonville, die unter Vertrag der Kompanie standen. D‘Ossonville starb bald, während l’Olive weiter mit den Kariben Krieg führte und sie tötete oder von der Insel vertrieb. Nach jahrelangem Blutvergießen und mehreren Massakern wurde 1660 ein sogenannter „Friedensvertrag“ zwischen Franzosen, Engländern und den noch verbliebenen Kariben unterzeichnet, woraufhin fast alle Kariben nach Dominica gingen. Wenige jedoch fanden Zuflucht im Norden und Osten von Grande Terre (Pointe de la Grande-Vigie und Anse-Bertrand) und überleben dort bis zum Ende des 19. Jh.
Das Fort Napoléon auf den Îles des Saintes
Von 1643 bis 1656 war Charles Houël Gouverneur der Compagnie des Îles de l’Amérique. Er gründete die Hauptstadt Basse-Terre. Die Handelsgesellschaft geriet alsbald in finanzielle Schwierigkeiten und musste Guadeloupe verkaufen, um die entstandenen Schulden zu begleichen. Der aus der Normandie stammende Houël wurde zusammen mit seinem Schwager neuer Eigentümer von Guadeloupe und den umliegenden Inseln.
Mit dem Blick auf den wirtschaftlichen Erfolg durch den Anbau von Zuckerrohr holte Houël 1654 holländische Kolonisten, die von den Portugiesen aus Brasilien gedrängt worden waren, ins Land. Sie verfügten über Kenntnisse der Zuckerraffinerie. Aber es fehlte an Arbeitskräften, weshalb Houël auf den Dreieckshandel (s. Abb. S. 30.) zurückgriff, durch den afrikanische Sklaven zu den weißen Plantagenbesitzern „geliefert“ wurden. 1656 zählte man auf Guadeloupe bereits 3.000 Sklaven bei einer Gesamtbevölkerung von 15.000 Menschen.
1664 kaufte Colbert, der erste Minister des französischen Königs Ludwig XIV., die Insel zurück und übergab sie der Compagnie des Indes Occidentales unter der Leitung von Claude François du Lion mit dem Ziel, sie wie die französischen Antillen insgesamt stärker durch Frankreich zu kontrollieren und Profite zu erzielen. 1676 wurde Guadeloupe dem Königreich unterstellt und eine französische Kolonie. Die Kolonialherren bauten Zuckerrohr und Kaffee an.
Dafür, dass diese Herrschaftsverhältnisse nicht stabil blieben, sorgte der sogenannte Spanische Erbfolgekrieg (1701–1713/14), in dem sich England, die Niederlande und andere Länder gegen Frankreich zusammenschlossen und der in Spanien, Oberitalien, Deutschland, den Niederlanden und in Amerika geführt wurde.
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Die Normandie und die Bretagne sind die französischen Küstenregionen, die heutzutage als die Ursprungsorte der Kolonisierung der französischen Antillen ab 1635 gelten. Einmal ansässig geworden, legten die Kolonisten den Grundstein für weitere Besiedlung.
Die Ankömmlinge aus der Alten Welt kamen nach und nach, ihre Schicksale waren vielfältig und unterschiedlich: tot bei der Ankunft, Enttäuschte, von denen jede Spur fehlt, auf Weiterreise oder Rückkehr nach Frankreich, überstürzte Exile, Zwangsreisen aufgrund von Stürmen, Religionszugehörigkeit oder Kriegen. Nur wenige Namen der französischen Kolonisten haben es geschafft, durch die vergangenen Epochen bis heute durchzudringen. Und unter ihnen gibt es Beispiele von Franzosen, die auf die Insel versetzt wurden, sich dann aber entschlossen zu bleiben. Die Gründe der Ansiedlung sind so unterschiedlich, dass es nicht möglich ist, die Beweggründe der Menschen damals unter einen Oberbegriff zu bringen oder etwa kulturelle Gemeinsamkeiten auszumachen.
Der Fall der illustren Marie Josephe Rose Tascher de la Pagerie, besser bekannt als Kaiserin Joséphine und Ehefrau Napoleons, ist nur ein Beispiel. Gewöhnlich wird ihr Name mit dem Kolonialismus gleichgesetzt und allem, was dieser symbolisiert. Ihr Großvater Gaspard Joseph Tascher de la Pagerie (Orléans) kam 1726 als Oberleutnant der französischen königlichen Armee nach Martinique. Sein Sohn Joseph-Gaspard Tascher de la Pagerie (1735–1790) machte ebenfalls Karriere beim Militär, wurde Plantagenbesitzer und heiratete 1761 Rose Claire des Vergers de Sannois (1736–1807). Sie brachte 1763 Joséphine zur Welt, une créole, wie man zu der Zeit sagte, eine in Übersee geborene Französin, die dann in Frankreich zur Schule ging.
Die Gründe, weshalb es in der ersten Zeit der Kolonisation nur wenige Frauen auf Guadeloupe gab, sind leicht nachzuvollziehen. Als Soldaten und Siedler begannen, sich fest anzusiedeln, kamen langsam nach und nach auch mehr Französinnen. Schiffskonvois wurden bis zum Ende des 17. Jh. regelmäßig organisiert, mit denen sich der Frauenanteil erhöhte.
Die unabhängigen Kolonisten hoben sich von den übrigen ab. Sie hatten ihre Reise selbst finanziert und wurden, einmal auf der Insel, die maîtres de case, was ihnen ein Leben unter besten Bedingungen eröffnete, so wie sie es erhofft hatten. Teilweise wurden sie von Bediensteten auf der Reise begleitet, deren Kosten ihr Herr übernahm. Dafür mussten diese 36 Monate rund um die Uhr im Dienst sein – die Dauer variierte im Laufe der Epochen.
Landwirtschaft
Die Gewinne der Plantagenbesitzer stützen sich zunächst vor allem auf Tabakanbau. Ihm folgte der Anbau von Baumwolle, ein weiteres Erbe der Ureinwohner, der im 18. Jh. große Ausmaße angenommen hatte und als Seidenvariante longue soie in Frankreich sehr stark nachgefragt wurde.
Früh hatten die Spanier Indigo auf die Kleinen Antillen eingeführt, das aber erst im Kurs stieg, als sich der Tabakanbau aufgrund von Überproduktion in den 1640er-Jahren nicht mehr rentierte. Der Indigoanbau dehnte sich bis zum Ende des Jh. weiter aus, als man um die hundert Indigo-verarbeitende Betriebe auf dem Archipel ausmachen konnte – vor allem auf Marie-Galante und Grande-Terre. Da die Produktion von Indigo jedoch sehr zeitraubend und die Konkurrenz hoch waren, verschwand er ab 1730 wieder. Diverse Produkte von mittelmäßiger Qualität, die jedoch in Europa nachgefragt wurden, wie Tee oder exotische Früchte, vervollständigten die Liste. Erwähnt sei auch noch, dass die Verwendung von Ingwer im 17. Jh. sehr verbreitet war.
Zuckerrohr, das die Portugiesen Ende des 16. Jh. in Brasilien eingeführt hatten, kam um 1630 auf die französischen Antillen. Dreißig Jahre später beherrschte es die gesamte Landwirtschaft auf Guadeloupe. Es verdrängte den Tabakanbau und, weil es große Anbauflächen benötigte, führte es dazu, dass schon bald das Land sich in Besitz weniger Plantagenbesitzer befand. Der Beginn der Anpflanzung des Zuckerrohrs beeinflusst maßgeblich die soziale Organisation, die sich von nun an rund um das Anwesen der Plantage abspielt und die städtische Entwicklung in den Hintergrund treten lässt. Auf den Anwesen, die ihr Eigenleben mit internen Regeln entwickeln, spielen sich alle Vorgänge der Verarbeitung ab.
Für den Handel weniger Vermögender wurde das Zuckerrohr immer wichtiger, waren aber gleichzeitig vom Gros der Bevölkerung in sozialer, politischer und kultureller Hinsicht durch eine tiefe Kluft getrennt. Dabei waren sie von der wichtigen Handarbeit abhängig, die durch afrikanische Sklaven ausgeführt wurde. Von ihr hing der Handel der französischen Antillen ab. Das Zuckerrohr bekam einen so großen Stellenwert für die Wirtschaft des Königreiches, dass die Engländer die französischen Antillen nur noch „îles à sucre françaises“, die Inseln des französischen Zuckers nannten … Mit der Ankunft eines industriell hergestellten Materials wurde ein Teil der plantageneigenen Produktion eingestellt.
Eine Gruppe von Arbeitern vor ihren Strohhütten
Das Zeitalter des Kolonialismus bzw. später die Epoche des Imperialismus brachte alle führenden Seemächte der Zeit zu den Antillen, wo in sogenannten Stellvertreterkriegen europäische Zwistigkeiten ausgetragen wurden. Ob nun Holländer gegen Spanier, Spanier gegen Briten, Briten gegen Franzosen oder Franzosen gegen Holländer kämpften, ob der kriegerische Hauptschauplatz nun Amerika oder Europa war – die karibische Inselwelt war immer mit betroffen.
Mit dem Verfall der spanischen und dem Aufstieg der anderen europäischen Mächte begann ein wahrer Wettlauf in die Karibik, bei dem die Inseln zu einem Spielball der wechselnden Koalitionen und andauernden Kriege wurden. Auch vor den Antillen verloren die Franzosen kurzzeitig viele Inseln, andere veräußerten sie aus wirtschaftlichen Erwägungen an Schweden und Dänemark. Trotzdem blieben sie die bestimmende Großmacht in Westindien, auch nachdem sie 1763 von den Briten endgültig aus Nordamerika vertrieben worden waren.
Zeitweilig sah es sogar so aus, als könnte Frankreich dem gesamten karibischen Raum seinen Stempel aufdrücken. Bis 1782 hatte das Königreich fast alle britischen Inseln eingenommen. Der letzte Schritt, um die Eroberung Westindiens zu vollenden, geriet den Franzosen dann zur Katastrophe: Trotz eines Aufgebotes von 35 Kriegs- und 150 Frachtschiffen waren sie am 17. April 1782 während des Unabhängigkeitskrieges der Vereinigten Staaten in der entscheidenden Seeschlacht vor der Südküste von Guadeloupe der englischen Flotte des gefürchteten Admirals George Rodney unterlegen. Frankreich hatte den Verlust von 1.500 Menschenleben und allen Schiffen zu beklagen. 1783 unterzeichneten Großbritannien, Spanien und Frankreich einen Friedensvertrag, der die Grenzen zwischen den britischen, spanischen und französischen Kolonien auf den Antillen-Inseln festlegte.
Das Fort Saint-Charles ist heute unter dem Namen Fort Delgrès bekannt
Kurze Zeit später veränderten die Ideen der Französischen Revolution das gesellschaftliche Gefüge auf den Antillen (s. S. 32). Und fast gleichzeitig (1791–1803) brach der Aufstand der Haitianer gegen ihre Kolonialherren aus, der in der Etablierung des Kaiserreichs von Haiti und somit zum zweiten unabhängigen Staat Amerikas mündete. Damit war Frankreichs Großmachtrolle endgültig gebrochen, was nicht bedeutete, dass nun die Zeiten friedlicher wurden.
Neue Kämpfe flammten auf, in denen einerseits die Franzosen Eroberungen machten, andererseits die Engländer Martinique und Guadeloupe einnehmen konnten. Heute nehmen sich die „Französischen Antillen“ im Vergleich zum ehemaligen Besitz bescheiden aus, wenn auch Inseln wie Martinique und Guadeloupe zu den größten des Raumes gehören.
Ungebrochen ist der französische Einfluss in Sprache, Orts- und topografischen Namen, Religion und Gebräuchen in der gesamten Karibik. Von Trinidad im Süden bis hinaus nach St. Thomas haben sich französische Kulturgruppen erhalten, das Créole ist die übliche Umgangssprache, und die kreolische Kolonialarchitektur zeigt eindeutig französische Eleganz.
Die europäische Ausbeutung der karibischen Inselwelt begann praktisch mit ihrer Entdeckung durch Kolumbus. Und da der Genuese bald merkte, dass die Antillen nicht über die erwarteten Edelmetalle verfügten, wurde er nach seinen Fahrten nicht müde, der Krone vom anderweitigen Wirtschaftsnutzen der Gebiete vorzuschwärmen. „Gewürze, Baumwolle und Mastixharz“, so schreibt er, stünden im Übermaß zur Verfügung, selbst Rhabarber und Zimt glaubt er gefunden zu haben. Und schließlich seien da die Menschen selbst, die man versklaven und zur Arbeit nach Spanien schicken könne.
Gemeint hatte er damit die Kariben, die sich gegen die Europäer zur Wehr setzten und sich nicht scheuten, mit ihren Kanus sogar die Schiffe der Eroberer anzugreifen. Folglich nahmen die Spanier alle Kariben gefangen, falls diese nicht im Kampf getötet wurden oder fliehen konnten. Dies war nach Kolumbus’ Meinung auch moralisch gerechtfertigt; schließlich seien die Ureinwohner „Wilde“ und „Menschenfresser“ und würden die „friedliche Besiedlung der Inseln“ verhindern.
Kolumbus selbst beteiligte sich mehrfach an diesem ersten transatlantischen Sklavenhandel: Im Februar 1495 z. B. schickte er vier Schiffe nach Spanien mit 500 Sklaven im Alter zwischen zwölf und 35 Jahren an Bord, vier Monate später nochmals 300 Sklaven. Dem Klimawechsel und der anstrengenden Arbeit fielen alle Indianer innerhalb von fünf Jahren zum Opfer. Vielleicht war dies der Grund, dass man im Jahre 1500 die Verschiffung von Indianersklaven nach Spanien verbot.
Auf den Antillen jedoch blieb die Indianersklaverei