Guns and Devils 4-6 - Natasha Doyle - E-Book

Guns and Devils 4-6 E-Book

Natasha Doyle

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Beschreibung

Dieser Sammelband beinhaltet die Bände vier bis sechs der Guns and Devils Reihe. UNICORNGIRL Ich bin in der Informations- und Objektbeschaffungsbranche tätig oder kurz: Ich bin eine Diebin. Ab und zu spioniere ich auch. Je nach Wunsch und Bezahlung. Ich wohne mit Spider und meinen zwölf „Brüdern“ in einem Haus und mir geht es bestens. Meine Jobs laufen super, denn ich mache keine Fehler. Aber wie heißt es so schön? Einmal ist immer das erste Mal. Wir haben Sebastian Santos beklaut, den dunklen Kronprinzen des Alvarez-Kartells. Das war ein Auftrag von Lord, aber nicht wirklich eine gute Idee. Santoz ist gefährlich und er vergibt nicht. Ich fühlte mich sicher, aber er hat herausgefunden, wer der Schuldige ist, mich eingefangen und festgesetzt. Das ist ein Problem. Das viel größere Problem ist die verdammte Anziehung zwischen uns. Ich arbeite natürlich an meiner Flucht. Aber will ich das eigentlich noch? CRYSTALGIRL Auf der Flucht vor meinem elenden Leben und ein paar kleineren … okay, ein paar ziemlich großen Problemen, bin ich in Georgetown gestrandet. Am Ende meines Geldes und auch so am Ende. Ein normaler Job kommt nicht infrage. Ich verstoße gerade gegen meine Bewährungsauflagen, indem ich meinen Staat verlassen habe. Aber es ging nicht anders, sonst kriege ich mein Leben nie auf die Reihe. Zuerst dachte ich, das Casting bei den „Devils“ könnte mir weiterhelfen. Hat es letztendlich. Wenn auch nicht so wie ursprünglich geplant. Neuer Staat, neuer Ort, neues Leben. Kann doch nicht so schwer sein. Doch, es kann. Nämlich dann, wenn dich deine Vergangenheit einholt und der President des herrschenden MC dich dorthin zurückschickt, von wo du geflohen bist. Man kann Männern nicht vertrauen und Bikern erst recht nicht. Das ist der Grundsatz meines Lebens und trotzdem habe ich mich verliebt. In einen riesigen Biker. Das kann gar nicht gut ausgehen. PAINTERGIRL Mein Leben ist strukturiert und sehr überschaubar. Man könnte es langweilig nennen. Aber genauso will ich es. Ich bin Rosa Pisani. Eine vierunddreißigjährige Malerin, die kaum Freunde hat, aber viele One-Night-Stands. Was gibt es über mich außerdem zu sagen? Ich liebe Georgetown, Rosinenbrötchen von Katakis und bin seit dreizehn Jahren auf der Flucht vor meinem Vater. Außer Benjamin Wigley, dem ehemaligen Anwalt der „Black Devils“, weiß niemand davon. Ich versuche unauffällig zu sein, bin wachsam und nicht interessiert an einer ernsthaften Beziehung. Trotz aller Vorsicht habe ich mich eines Tages verliebt

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UNICORNGIRL
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
EPILOG
CRYSTALGIRL
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
EPILOG
PAINTERGIRL
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEl 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
KAPITEL 28
KAPITEL 29
KAPITEL 30
EPILOG
Impressum

Alle in diesem Roman vorkommenden Personen, geschilderten Schauplätze, Ereignisse und Handlungen sind frei erfunden.

Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen oder Ereignissen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

 

 

 

Covergestaltung: Tom Jay - bookcover4everyone

 

Copyright-Angabe für das Titelbild Sammelband: (c) Hlib Shabashnyi / Shutterstock

Copyright für Cover Unicorngirl: (c) solarseven / Shutterstock

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unicorngirl

von

Natasha Doyle

 

UNICORNGIRL

KAPITEL 1

 

Kitten steckt seinen blonden Kopf durch meine Tür.

„Spider sagt, es geht los.“

„Wann genau?“, frage ich, ohne mich von meinem Bett zu erheben.

„Du hast dreißig Minuten, Uni.“

Der Kopf verschwindet und ich höre, wie der Kleine die Treppe herunterrennt. Unten trifft er anscheinend auf den Rest der Bande, denn lautes Stimmengewirr dringt zu mir hoch.

Ich rolle mich vom Bett und sammle die Klamotten für heute Nacht zusammen. Mein Part ist klein. Ich muss lediglich die Tür öffnen, damit die anderen ins Haus kommen.

Den Hauptjob macht Spider, der Meisterdieb. Wir anderen sind auch gut, aber keiner reicht an ihn heran.

Ich lebe seit neun Jahren mit ihm zusammen, seit er mich damals von der Straße geholt hat.

Ich war vierzehn und aus der achten Pflegefamilie abgehauen. Tommy, meinen kleinen Bruder musste ich zurücklassen. Sie wollten ihn adoptieren, mich nicht. Ich stand im Weg und vor allem begann der Bruder der Frau mich so anzugucken, dass mir schlecht wurde.

Also bin ich weg und hab mich ein Jahr durchgeschlagen, vorrangig mit Diebstählen und Betteln. Das ging besser als erwartet. Spider hat mich dabei ertappt, wie ich einem Mann die Brieftasche geklaut habe.

Er hat mich mein Ding durchziehen lassen und mich danach mit sich mit gezerrt.

Groß rumschreien konnte ich nicht, weil die Leute aufmerksam geworden wären.

Also bin ich mitgetrottet – was blieb mir anderes übrig. Ich dachte echt, dass er was Mieses mit mir vorhätte. War aber nicht so.

Er hat mir was zu essen gekauft, mich ausgefragt und am Ende mit zu sich genommen.

Er war damals einundzwanzig und besaß ein heruntergekommenes Haus am Rande von Georgetown. Hatte er von seinen Eltern geerbt. Keine Ahnung, wie die umgekommen sind. Sehr viel Platz, den er auch brauchte.

Denn ich war nicht die Einzige, die er „gefunden“ hatte.

Spider sammelt verlorene Kinder auf der Straße ein. Das macht er nicht nur, weil er Mitleid mit uns allen hat, sondern weil er ein moderner Fagin ist. Er nutzt unsere natürlichen Fähigkeiten und bildet uns zu Dieben und Betrügern aus. Genauso wie es Fagin in „Oliver Twist“ macht.

Ich bin das einzige weibliche Wesen hier, wenn man mal von Larissa absieht.

Sie ist eine Nutte und Spiders Freundin. Wenn man es so nennen kann. Sie ficken genauso oft miteinander, wie sie sich streiten. So ist meine Vorstellung von Ehepaaren. Nicht, dass ich eine Expertin wäre. Alle Paare, die ich getroffen habe, waren Pflegeeltern und da hat entweder ein Teil gesoffen oder alle beide. Es gab viel Krach und häufig Schläge.

Bei Spider geht es mir besser. Er hat mich gerettet und mir beigebracht zu überleben. Lauter nützliche Fähigkeiten.

Ich werfe einen letzten Blick in den Spiegel. Zurück sieht ein Gesicht, dessen auffälligstes Merkmal mandelförmige, graublaue Augen sind. Sie sind runder, als es bei Asiaten normalerweise üblich ist – mein amerikanischer Genanteil – stehen aber schräg. Ihnen verdanke ich meinen Spitznamen – Unicorn.

Als ich damals ins Haus einzog, gab es bereits vier Jungs, die hier wohnten.

Einer davon, Raphi, hat mich angeguckt, gegluckst und gesagt, ich sähe aus wie ein Einhorn. Bam, hatte ich den Namen. Zuerst fand ich ihn echt Scheiße, weil er mich an glitzernden Mädchenkram erinnerte und ich wollte absolut nicht in so eine Schublade. Hey, ich war ein hartes Streetgirl, ich wollte lieber Runner heißen oder so. Aber nichts da, der Name blieb und verkürzte sich auf Uni.

Damit kann ich leben. Auf Nachfragen behaupte ich entweder, das sei die Abkürzung für Uniform oder Universe. Je nachdem wer fragt. Da ich meistens dunkle Cargos oder Baggys trage, passt die militärische Verbindung. Wenn ich einen Tag mit überbordendem Selbstbewusstsein habe, beziehe ich das aufs Universum. Ich bin dann die Größte, Beste, Schnellste.

An meine Eltern erinnere ich mich nur selten. Dad war ein reinblütiger Texaner, meine Mutter amerikanische Chinesin der dritten Generation. In ihrer Familie wurde bis dahin immer standesgemäß geheiratet, sprich: Man blieb unter sich.

James Wilson Hamilton war ein großer Kerl, der wie ein Baumfäller aussah. Meine Mutter, Luhan Ming Woo, wirkte gegen ihn wie eine Puppe. Tommy sah bereits mit neun so aus wie er. Der asiatische Anteil hat sich bei ihm nicht besonders stark durchgesetzt. Wie es jetzt ist, weiß ich nicht. Ich habe ihn seit meinem „Weggang“ nicht mehr gesehen.

Ich habe die Figur meiner Mutter und ein wenig von ihren Gesichtszügen, bin aber auch mehr Amerikanerin als Chinesin. Besonders, weil ich keine braunen Augen habe, sondern blaue. Nicht die strahlende Sorte, sondern eher ein verwaschenes blaugrau.

Als meine Eltern starben, war ich acht Jahre alt und Tommy drei. Er hatte keinerlei Erinnerung an sie. Ich schon.

Wie gesagt, habe ich die Figur meiner Mutter. Ich bin klein und dünn. Obwohl ich den Begriff ‚drahtig‘ bevorzuge. Mit meinen eins vierundfünfzig bin ich leider bereits am Ende meines Wachstums angekommen, mehr wird's nicht.

Hat auch Vorteile, ich gehe problemlos als fünfzehnjähriger Junge durch. Jedenfalls solange ich mich wie einer kleide und meine taillenlangen schwarzen Haare verstecke. Dafür habe ich eine große Auswahl Beaniemützen – in so ziemlich jeder Farbe. Ich sammle die Dinger wie eine Besessene.

Manchmal bringt mir einer der Jungs auch eine mit. Wahrscheinlich geklaut. Wen stört's?

Ich hab in meinem Leben so gut wie nie Geschenke gekriegt, nicht mal an Geburtstagen. Hat eh nie einer dran gedacht, wann der ist.

Hier im Haus spielt sowas auch keine Rolle. Von den Meisten weiß ich nicht mal den richtigen Namen und sie kennen meinen nicht. Außer Spider, der weiß alles. Er ist schließlich unser Anführer. Sowas zu wissen, ist seine Pflicht. Wir alle verdanken ihm viel. Klar sind wir kriminell, aber das waren wir auch vorher schon. Er hat lediglich unsere Fähigkeiten verbessert und vorhandenes Talent genutzt.

Ich bin schmal und gelenkig und passe in so ziemlich jede Öffnung, selbst durch Hundeklappen. Außerdem bin ich schnell und eine sehr gute Beobachterin. Ich kann total charmant sein und die meisten Menschen dazu bringen, mit mir zu reden. Ich kann dir so ziemlich jede Info von der Straße beschaffen, die du haben willst. Das ist sozusagen mein Fachgebiet.

Das ist es, wovon wir alle leben.

Informations- und Objektbeschaffung. So nennt es Spider. Klingt doch viel netter als Diebstahl und Spionage, oder?

Wir kriegen Aufträge von den „Black Devils“, den Iren, den Russen und wer sonst noch bezahlt. Spider kümmert sich um die Organisation und ums Geld.

Keine Ahnung, ob er die Einnahmen gerecht verteilt, ist mir auch egal. Wir leben in seinem Haus, bekommen was zu essen und einen Anteil vom Gewinn. Für mich passt das.

Ich rücke ein letztes Mal die Beanie zurecht, damit auch ja kein Haar zu sehen ist. Dann noch schwarze Farbe ins Gesicht – fertig.

Mein Job für heute Nacht? Durchs Fenster klettern, die Haustür öffnen und wenn die Jungs fertig sind, das Ganze rückwärts. Einfach und schnell. Wir haben das schon dutzende Male gemacht und sind ein eingespieltes Team.

Richtig große Brüche machen wir nicht. Zu gefährlich, sagt Spider. Mehr Aufwand als Nutzen und die Gefahr zu groß, geschnappt zu werden.

Bis jetzt haben wir es geschafft, unter dem Radar der Polizei zu fliegen. Spider überlegt immer ganz genau, welche Aufträge er annimmt und welche nicht. Nur deshalb funktioniert das Ganze hier auch schon so lange. Er ist ein Organisationsgenie und für alle von uns das Familienoberhaupt. Keiner würde auf die Idee kommen, einen von uns zu verpfeifen, schon gar nicht unseren Boss. Wir sind 'ne Familie.

Na gut eine ungewöhnliche, deren „Vater“ dreißig ist und für dreizehn „Kinder“ verantwortlich. Ich bin mit vierundzwanzig Jahren die Älteste. Der Jüngste ist zehn und alle anderen befinden sich irgendwo dazwischen. Alle männlich und in unterschiedlichen Stadien der Pubertät.

Da ich das einzige Mädchen bin, hab ich ein paar Privilegien. Ein eigenes Zimmer zum Beispiel und Spider lässt mich öfter weg, um „Mädchenkrams“ zu machen. Mit dem Haufen Testosteron um mich herum würde ich sonst auch regelmäßig ausrasten.

Ich habe eine Freundin, zu der ich gehe. Ayumi.

Sie ist Japanerin und betreibt einen Escortservice. Oleg Ponedin hat mich mit ihr bekannt gemacht.

Genauer gesagt, hat er mich eines Tages in sein Auto gepackt und zu ihr gefahren. Er hat mich direkt in ihrem Büro abgesetzt und gesagt: „Hier, kümmere dich um sie.“

Dann ist er wieder gegangen. Das einzige Mal, dass ich den Mann zu Gesicht bekommen habe. Das war vor vier Jahren und seitdem treffe ich mich regelmäßig mit ihr.

Ayumi ist wunderschön, hat Stil und ist klug.

Von ihr habe ich gelernt, mich wie eine Frau zu kleiden, zu benehmen und auszusehen. Innendrin bin ich immer noch die kriminelle Straßengöre, aber ich kann auch anders, wenn es drauf ankommt.

Ich habe schon immer viel und gern gelesen. Mein Zimmer quillt über vor Büchern. Durch die vielen Pflegefamilien musste ich öfter die Schule wechseln. War mir egal, Freunde hatte ich sowieso nicht, also blieb da auch niemand zurück. Das Lernen war das, worauf es mir ankam. Ich liebe es, neues Wissen in mich hineinzustopfen, wie ein Fresssüchtiger seine Burger.

Als ich abgehauen bin und auf der Straße lebte, hat mir die Schule gefehlt. Ich würde das nie laut sagen, aber ich habe gern gelernt und hatte auch nie Probleme mit irgendeinem der Lehrer.

Damit war es nach meinem Abgang natürlich vorbei.

Also habe ich versucht, so viel wie möglich aus Büchern zu lernen. Mein Mathewissen wird nie besser sein als achte Klasse, dafür kenne ich mich hervorragend in Geschichte aus. Wozu man das auch immer braucht. Wissen gibt mir Sicherheit.

Ich hasse es, das Gefühl zu haben, dumm zu sein. Das gibt anderen Macht über mich und das werde ich nicht zulassen. Keiner soll mir überlegen sein, weil ich ein Doofie bin.

Ich schnüre meine Boots, ziehe die Baggys ein bisschen nach unten, damit sie noch sackartiger wirken und gehe mit typischem Jungslatschen zu den anderen.

Ich werde schon erwartet.

Wir sind heute zu dritt. Spider, ich und Jess. Jess ist gerade achtzehn geworden. Er ist groß - aber wer ist das aus meiner Sicht nicht? - hat tiefschwarze Haut und Muskeln an Stellen, von denen ich nicht mal wusste, dass man da welche haben kann.

Spider geht den Plan nochmal kurz mit uns durch.

„Okay, Jess öffnet das Fenster, Uni klettert durch und öffnet die Tür. Die haben eine Alarmanlage, aber Mooner hat versichert, dass er sie zu dem Zeitpunkt abgestellt hat. Jess hält die Stellung vor der Tür und gibt im Notfall das vereinbarte Signal. Ich hole das Objekt und danach verschwinden wir. Sollte nicht länger als fünf Minuten dauern. Uni, vergiss nicht, die Anlage wieder scharf zu machen.“

Er drückt mir einen Zettel mit dem Code in die Hand. Eigentlich brauche ich den nicht, da ich ein gutes Gedächtnis habe, aber sicher ist sicher.

Spider gibt den Zurückbleibenden noch ein paar Anweisungen, während Jess und ich schon ins Auto steigen.

„Na aufgeregt?“, erkundigt er sich grinsend und seine weißen Zähne blitzen in der Dunkelheit.

„Träum weiter.“

Solche Kleinigkeiten regen mich nicht auf. Wir machen das so oft, dass es beinahe Gewohnheit ist. Man darf nur nicht unvorsichtig werden. Gerade wenn was Routine wird, neigen Leute dazu, die Dinge zu locker anzugehen. Das bringt einen schneller in den Knast, als man Fuck sagen kann.

Die Fahrertür wird geöffnet, Spider schiebt sich auf den Sitz, lässt den Wagen an und los gehts.

„Holen wir danach 'ne Pizza?“, frage ich die beiden.

Spider holt tief Luft und stößt sie langsam wieder aus. „Ich schwöre, Uni, du frisst mir die Haare vom Kopf.“

Jess lacht und es ist beschlossene Sache.

Andere holen sich Pizza und sehen einen Film. Wir drehen 'n Ding und essen dann Pizza.

Verschiedene Welten.

 

 

KAPITEL 2

 

„Geh langsamer, du trampelst“, schimpft Ayumi.

„Menno, die Dinger sind scheißhoch. Wer zieht sowas freiwillig an?“, beschwere ich mich zum x-ten Mal. Klar, die Schuhe sehen total abgefahren aus und sind auch überhaupt nicht unbequem, aber …

„Wieso willst du, dass ich sowas anziehe?“, maule ich weiter.

„Weil es deine Schönheit hervorbringt“, sagt Ayumi schlicht und nimmt mir damit jeglichen weiteren Protest.

Sie ist die Einzige, die mich für schön hält.

Als sie es das erste Mal gesagt hat, bin ich vor Lachen auf dem Boden herumgerollt.

Ich meine, ernsthaft?

Meine Figur ist so wenig fraulich, dass ich locker als Junge durchgehe, ohne mir groß Mühe geben zu müssen. Meine Brüste füllen nur ganz knapp ein B-Cup und das auch nur, wenn der Stoff extrem eng anliegt.

Richtig geile Unterwäsche, mit Spitze und so, lässt mich nur gut aussehen, wenn sie von irgendeinem Designer ist. Billigzeug passt nie.

Für das bisschen Sex, das ich habe, lohnt der Aufwand nicht.

Heute hat Ayumi mich in einen Push-up gesteckt und ich sehe aus, als hätte ich was zu bieten. Das Kleid ist dunkelblau und liegt wie eine zweite Haut an. Sie hat mich komplett aufgestylt, inklusive Gesichtsbemalung und Locken in den Haaren.

Ich weiß zwar nicht, wozu das gut sein soll, aber um die Wahrheit zu sagen: Ich sehe absolut heiß aus. Zum Ficken zu schade, aber tauglich für jeden Opernball. Nicht, dass ich da schon mal war.

Schade, dass es keinen Typen in meinem Leben gibt, den ich beeindrucken könnte. Meine letzte „Beziehung“ Avri, hätte wahrscheinlich gefragt, warum ich mich so verfickt verkleide, mir die Klamotten vom Leib gerissen und mich auf dem nächsten freien Stück Boden flachgelegt.

Aus mehr bestand unsere Verbindung auch nicht. Ficken und über Autos reden – seine Leidenschaft. Die Unterhaltung lief immer sehr einseitig ab. Avri redete und ich hörte zu, mal mehr mal weniger.

Irgendwann, so nach drei Monaten etwa, war die Luft raus und er hat sich sone Püppi mit aufgespritzten Lippen und ordentlich Holz vor der Hütte angelacht.

Er hat's mir nicht selber gesagt. Das war Jess. Der hatte ihn in der Stadt gesehen, wie er die Barbie beinahe öffentlich gevögelt hat.

Jess hat versucht, taktvoll zu sein – absolut nicht seine Stärke. Es ist unglaublich witzig, wenn er vor mir steht und sich peinlich berührt die Haare rauft, auf den Boden sieht, um nicht mich angucken zu müssen und vor sich hin stammelt.

Das klingt dann in etwa so:

„Öh… Hm… Ja, Uni, ich denke, da ist was, was du wissen solltest… Äh… Also Avri, der… Na ja…“

Mir war beim ersten Öh schon klar, was kommt. Ist nicht der erste Kerl, der mich Klappergestell gegen ein vollbusigeres Modell tauscht, aber es ist immer wieder lustig, wenn Jess den Boten macht.

Ich denke die Jungs losen aus, wer mir Bescheid sagen muss. Sie haben Angst, dass ich in Tränen ausbreche oder so einen Mist. Ich doch nicht. Keiner von den Typen hat jemals mein Herz berührt. Ergo kann da auch nichts gebrochen werden.

So eine richtige Beziehung, die länger als drei Monate hält, hatte ich noch nie. Bin allerdings auch nicht wirklich scharf drauf, wenn ich mir Spider und Larissa so ansehe. Ich glaube nicht, dass ich in puncto Beziehung was verpasse.

Larissa ist die Verbindungsfrau zu Ponedin und außer wunderschön auch ziemlich klug. Die Frau hat studiert.

Was sie mit Spider will, verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Sie könnte wen viel Besseres kriegen. Nichts gegen Spider, ich liebe ihn und er ist absolut heiß und ein cooler Typ, aber …

Der Mann lebt in einem Haus mit dreizehn Gören, von denen einige echt abgefuckt sind. Und das schon seit Jahren.

Falls sie mal zusammen eine Familie gründen, hat er jedenfalls genug Ahnung von Erziehung.

Vielleicht ist es das. Außer dem Sex.

Da scheint er echt was draufzuhaben, wenn ich daran denke, dass Larissa immer aussieht wie mondsüchtig, nachdem sie es miteinander getrieben haben.

Von ihrem Sexleben haben wir alle was. So dick sind die Wände im Haus nicht. Da wir alle, selbst Kitten mit seinen zehn Jahren, nicht besonders prüde sind, ist das eher Hintergrundrauschen.

Die meisten haben bereits in jungen Jahren sexuelle Erfahrungen gemacht, selten von der guten Art. Im Grunde genommen bräuchten wir alle 'nen Therapeuten.

Aber braucht den nicht jeder?

Unsere Therapie war und ist das Leben im Haus, Diebstähle, manchmal Schlägereien und unsere Aufträge.

Das gibt uns Struktur und verschafft uns das Geld zum Überleben. Es hätte für uns alle schlechter laufen können.

Ich hab mich schon oft gefragt, wie Spider es hinkriegt, uns das Jugendamt oder überhaupt sämtliche Ämter vom Hals zu halten. Aber das bleibt sein Geheimnis.

Fakt ist, wir wurden noch nie von irgendwem besucht. Ich tippe auf die Iren oder die Biker. Die haben Connections. Im Grunde genommen ist es mir aber egal.

Ich gehe ununterbrochen den Catwalk auf und ab.

Ja, Ayumi besitzt so einen Laufsteg und darauf werden ihre Mädchen trainiert.

Ich bin keins ihrer Mädchen und hab auch nicht vor eins zu werden. Für mich tut sie das, weil sie mich mag. Ich soll lernen, mich wie eine Frau zu bewegen und eben nicht wie ein Junge.

„Schon besser. Schultern zurück und drück den Rücken durch. Du siehst aus, als wärst du bucklig.“

Sie ist eine strenge Lehrmeisterin, die das Beste aus einem herausholt. Ayumi ist Perfektionistin und die unbestrittene Königin, wenn es um Weiblichkeit und Stil geht.

Ihre Methoden funktionieren für alle hervorragend.

Zuckerbrot und Peitsche.

Hast du dich stundenlang wirklich geschunden und dir tut jeder verdammte Knochen weh, gibts danach irgendwas Tolles als Belohnung.

Man bekommt sein Lieblingseis, ein kleines Geschenk oder sie umarmt einen einfach. Das reicht schon, damit man sich für sie ein Bein ausreißen will und sich in jeden Kampf stürzen, nur um sie lächeln zu sehen.

Wie ich gehört habe, geht es Ponedin genauso. Die Mädchen bei Ayumi tratschen viel.

Sie und der Russe sind kein Paar, nur Geschäftspartner, wie Ayumi immer wieder betont. Ein bisschen zu sehr finde ich. Das macht mich misstrauisch.

Ihr Privatleben geht mich aber nichts an und ich bin auch kein Gossip Girl. Sehr zum Ärger der Mädchen. Von mir erfährt niemand etwas. Das habe ich schon mit fünf tief verinnerlicht: Geheimnisse, gerade die von anderen, sollten Geheimnisse bleiben. Außer, ich werde genau dafür bezahlt sie aufzudecken.

Das ist was anderes.

Ich vertraue Ayumi und sie mir. Ihre Geheimnisse würde ich auch für einen Haufen Kohle nicht rausrücken. Niemals.

Im Moment geht es allerdings um nichts Geheimnisvolleres, als in High Heels zu laufen und dabei umwerfend und elegant zu wirken.

„Besser, Ariana“, sagt Ayumi mit dieser Glockenstimme, wobei sie jedes einzelne Wort moduliert. Wenn sie spricht, ist es ein angenehmer Singsang, der dich einlullt. Sie ist die Einzige, die mich bei meinem richtigen Namen nennt und der ich es erlaube.

„Ich werde dich nicht Uni nennen“, hatte sie bei unserem ersten Treffen mit leicht angewidertem Blick erklärt. „Das ist kein Name für eine schöne junge Frau wie dich.“ Das war auch das erste Mal gewesen, dass jemand die Worte 'schön' und 'Frau' im Zusammenhang mit mir verwendet hat.

Da wo ich lebe, hat das keine Bedeutung. Die Jungs sind alle meine Brüder.

Denen ist egal, ob ich Frau oder schön bin. Hauptsache, sie können sich auf mich verlassen, mir ab und zu ihre Probleme mit irgendwelchen Mädchen erzählen und sich einen Rat abholen. Ausgerechnet bei mir.

Ich habe nun wirklich keine Ahnung von Beziehungen und wie das normalerweise so zwischen Jungs und Mädchen ist. Ich kenne keine Mädchen, hatte nie wirklich mit welchen zu tun. Nicht mal in der Schule.

Da war ich der Freak, der Jungsklamotten anzog und Telleraugen hatte.

Aber Raphi und die anderen glauben, dass man das Mädchenkram-Wissen genetisch mitgeliefert bekommt.

Bist du weiblich, weißt du quasi von Geburt an, wie Mädchen ticken und wie der Subtext lautet, wenn sie etwas zu einem Jungen sagen, aber etwas anderes meinen.

Ich verstehe das auch nicht und komme nicht mal mit Logik dahinter.

Warum machen die das überhaupt?

Wenn ich mit einem Typen ins Bett will, dann sag ich ihm das. Genauso wenn ich nicht will. Sowas Blödes wie „Du hast der da auf die Titten geglotzt. Ich dachte du liebst mich“, würde mir im Leben nicht über die Zunge kommen.

Oder Raphis derzeitiges Problem mit seiner Kuh. Ich habs versucht, aber ich kann sie nicht ausstehen.

Sie heißt Madison und hat einen fetten Arsch. Raphi liebt gerade das an ihr. Soll er.

Mein Problem ist, dass sie ständig an ihm herummeckert und er ihr nichts recht machen kann. Dabei ist Raphi der netteste Junge, den ich kenne.

Also versucht er, so zu sein, wie sie ihn haben will. Dafür verabscheue ich sie besonders. Wenn sie ihn so sehr liebt, wie sie immer behauptet, warum will sie dann, dass er anders ist?

Madison erwartet von ihm, dass er „spüren“ muss, was sie braucht. Er darf auch nicht mit seinen Kumpels abhängen, wenn sie es ihm verbietet. Ich würde mir nie etwas von dem Mann verbieten lassen, der behauptet mich zu lieben.

Was für eine Liebe soll das sein?

Mit Ayumi habe ich auch mal darüber geredet, vor allem, weil ich was über ihr Liebesleben rausfinden wollte. Aber sie weicht solchen Gesprächen immer aus. Deswegen habe ich es irgendwann gelassen.

Ich könnte ihr stundenlang einfach nur zuhören.

Ayumi ist perfekt - in allem. Sie ist schön, gebildet und könnte auch mit dem Präsidenten reden, ohne das sie auffallen würde. Sie hat Stil und ist das, was ich unter kultiviert verstehe. Ich habe viel darüber gelesen und sie verkörpert es.

Alle guten Dinge in einer Person.

Ob sie schon immer so war?

Keiner weiß, wo sie herkommt und wie sie aufgewachsen ist, sonst hätte ich schon davon gehört. Georgetown ist nicht New York und Menschen unserer Schicht kennen einander. Da bleibt nicht viel verborgen.

Im Prinzip weiß ich nichts von ihr.

Sie von mir dagegen schon. Eigentlich weiß Ayumi alles, was man über mich wissen kann.

Wie meine Eltern starben – in ihren Betten erschossen, wie ich und Tommy von Pflegeeltern zu Pflegeeltern gereicht wurden, die Misshandlungen, der seelische Missbrauch, mein Leben auf der Straße und letztendlich bei Spider.

Ayumi hat mich nie verurteilt, nie bemitleidet, sondern mir zugehört und angeboten, für mich da zu sein, wann immer ich sie brauche.

Ich weiß nicht einmal, wie alt sie ist. Man könnte sie für Ende zwanzig halten, aber sie ist mindestens zweiunddreißig. Das hat eins der Mädchen gesagt. Die war mal dabei, als Ayumi von einem Kunden zum Geburtstag gratuliert wurde. Der Mann kannte sie schon seit zwölf Jahren als Mademoiselle Ayumi - Chefin des gleichnamigen Escortservices. Vielleicht ist sie also auch schon sechsunddreißig. Wirklich schwer zu sagen.

Ayumi ist endlich zufrieden mit meiner Art zu laufen.

„Setz dich da hin.“

Sie zeigt auf ein Möbelstück, das ich für ein Sofa halte. Sie nennt es beharrlich Ottomane. Von mir aus.

Ich setze mich so elegant wie möglich und ernte einen anerkennenden Blick.

„Wir machen ein paar Fotos.“

„Wozu?“, platze ich überrascht heraus. Spider hat uns eingebläut: Lasst euch nicht fotografieren. Fotos sind Beweise.

„Damit du nicht vergisst, wer du sein kannst“, sagt sie und zwinkert mir zu. „Außerdem weißt du nie, ob du sie nicht mal gebrauchen kannst“, ergänzt sie pragmatischer.

Bei welcher Gelegenheit sollte das sein?

Wie auch immer. Wenn Ayumi etwas will, bekommt sie es. Wenn sie möchte, dass ich mich lege, setze oder hinstelle, mache ich das.

Für sie tue ich alles.

***

Einer der Jungs hat gesagt, dass Spider mich sehen will. Also gehe ich in den Garten hinterm Haus und da finde ich ihn wie erwartet. Spider hat seinen Namen, weil er ein wahnsinnig guter Kletterer ist. Bäume, Fassaden, egal was, er kommt in Sekundenschnelle bis ganz nach oben.

Mal abgesehen davon, dass er von Natur aus schnell und gelenkig ist, braucht man dafür einen Haufen Training.

Deshalb gibt es im Garten Kletterwände, gespannte Seile und noch eine Menge anderer bekletterbarer Dinge.

Wir alle turnen hier regelmäßig herum, aber niemand ist so gut wie er.

Was man über Ballerinas im Bett behauptet, bezüglich ihrer Gelenkigkeit, gilt wahrscheinlich auch für Männer wie Spider. Das würde viel von Larissas Mondsüchtigkeit erklären.

Er macht einen Flic Flac, danach einen Handstand und springt dann auf die Füße. Olympiareif.

„Du wolltest mich sprechen?“

„Ja. Wir haben einen neuen Auftrag und diesmal brauchen wir einen ausgeklügelten Plan und Training“, sagt er ein bisschen außer Atem.

Klingt gut. Ich habe gerade angefangen, mich zu langweilen.

Spider reibt sich mit einem Handtuch den Schweiß vom Körper und lotst mich zu einer Bank.

Im Garten ist man ungestört. Hohe Hecken versperren die Sicht und er ist so weitläufig, dass keiner dicht genug herankommt, ohne bemerkt zu werden.

„Erinnerst du dich an den Mist mit den Mexikanern und den Devils vor ein paar Monaten? Als diese Anwältin den Deal mit Alvarez gemacht hat?“

Wer würde sich daran nicht erinnern. Die Frau, Olivia Martin, hatte den Karren aus dem Dreck gezogen und uns allen den Arsch gerettet. Sie ist wirklich tough.

„Sicher. Alvarez hat seinen gestörten Sohn eingesackt und dessen Hintern zurück nach Kolumbien verfrachtet. Wurde Zeit, dass dieses psychotische Arschloch von hier verschwindet.“

Mir wäre lieber gewesen, irgendwer hätte ihn umgebracht.

Man kann nicht immer Glück haben.

Spider nickt zustimmend.

„Der Hexer ist weg, aber sein zweiter Mann treibt sich noch hier rum. Renato Irgendwas. Der ist genauso gestört wie sein ehemaliger Boss und hat ein paar echt widerliche Sachen gemacht. Wie auch immer, das geht uns nichts an. Renato hat eine fette Narbe im Gesicht, was ihn einmalig macht. Also versteckt er sich und leitet seinen verfickten Mädchenhandel aus irgendeinem Versteck heraus.“

Mädchenhandel ist das Letzte. Selbst die Iren und die Russen lehnen diese Art Geschäfte ab und machen jeden platt, der es in ihrem Revier versucht.

Irgendwer scheint einen Scheiß darauf zu geben und ihnen durch die Netze geschlüpft zu sein. Dieser Renato ist also offenbar kein Blödmann, sondern lediglich ein Wichser.

Ich höre Spider weiter zu.

„Trader, der Boss dieser Bastards-Bikerärsche, macht mit Narbenfresse gemeinsame Sache. Das und noch ein paar andere Sachen haben Lord auf den Plan gerufen. Mir persönlich ist deren Krieg scheißegal. Von mir aus können die sich alle gegenseitig killen. Es fängt an, mich zu interessieren, wenn wir von den Devils einen Auftrag kriegen. Und den haben wir.

Alvarez ist stinksauer, dass sein Sohn so ein Chaos hinterlassen hat und schickt nun seinen Ältesten, um hier aufzuräumen. Lord hat mit dem Alten ein Abkommen getroffen, sich nicht einzumischen. Was ihn nicht daran hindert eigene Erkundigungen einzuziehen. Und er will unbedingt wissen, wo Renato sich aufhält.

Warum, hat er mir nicht gesagt. Interessiert mich auch nicht. Sebastian kennt sich hier nicht aus und hat von seinem Bruder und seinem Vater alle Infos in Form von Dateien mitbekommen. Lord will die haben und wir sollen sie besorgen.“

Klingt bisher nicht so kompliziert. Okay der Typ kommt garantiert mit einem Heer an Bodyguards, aber jedes Haus und jedes Zimmer hat eine Schwachstelle. Besser wäre allerdings, den Mann vorher abzufangen. Das ist offenbar auch Spiders Gedankengang.

„Damit er die Daten immer bei sich hat, trägt er einen fetten Siegelring, in dem eine Speicherkarte steckt. Den müssen wir uns holen. Dein Job, Uni.“

Okay, doch nicht so einfach.

„Wie viel Zeit haben wir für die Planung?“

„Vier Tage.“

Das sollte genügen.

„Sag mir alles, was ich wissen muss.“

KAPITEL 3

 

Alle sind auf ihren Plätzen. Wir haben die ganzen vier Tage lang meinen Ablauf geprobt. Jetzt hängt alles davon ab, ob Spiders Informationen stimmen.

Der Plan basiert auf Verwirrung und Ablenkung.

Sebastian Esteban Alvarez Santos wird mit einem Auto vor dem Hotel ankommen. Drei Bodyguards, mehr würde zu viel Aufsehen erregen. Darauf baut alles auf.

Sind es mehr Leute, ist das Ganze schon vor Beginn gescheitert und es geht zurück nach Hause.

Das wäre wirklich beschissen, weil es unendlich viel zu bedenken gibt, wenn jemand sich in einem bewachten Haus befindet. Soweit ich verstanden habe, ist das Hotel nur eine Übergangslösung.

Wir sind alle vor Ort. Spider hält sich im Hintergrund und beobachtet. Sollte etwas schiefgehen, sorgt er dafür, dass wir alle abhauen können. Die Details kenne ich nicht. Ich vertraue darauf, dass er zu gegebener Zeit was aus dem Ärmel zieht.

Ich habe mir folgendes ausgedacht:

Sobald die vier Männer auf der Straße stehen, kommen drei der Jungs mit dem Skateboard angerauscht und kacheln in die Bewacher. Ich komme zeitgleich mit vier der anderen ballspielend von vorn. Ich werde rückwärts und „ganz aus Versehen“ in Santos reinrennen und bei der Gelegenheit den Ring besorgen.

Dann kommen Jess und die restlichen „Erwachsenen“, alle um die achtzehn und „sorgen für Ruhe“, indem sie sich entschuldigen und die Kleinen mit den Skateboards mitnehmen.

Das alles muss mit viel Lärm und Hektik passieren und so schnell wie möglich, bevor einer der Männer merkt, dass was faul ist und entsprechend reagiert.

Ich setze darauf, dass nicht mal der härteste Mann seine Waffe auf ein spielendes, unvorsichtiges Kind richtet. Soweit ich gehört habe, sind die Kolumbianer Familienmenschen und besonders kinderlieb. Das ganze Kartell ist immerhin ein verficktes Familienunternehmen. Also sollte das klappen.

Ein bisschen nervös, zupfe ich an meiner Beanie herum. Ich sehe wieder aus wie ein Junge, im selben Alter wie meine Mitspieler.

„Mach dir keinen Stress, das wird schon“, muntert mich Raphi auf und lässt den Ball locker auftippen. Sie vertrauen mir. Das ist genau das, was mich daran nervös macht.

Ich habe die Verantwortung dafür, dass ihnen nichts passiert.

Wir stellen uns locker im Halbkreis auf und werfen uns den Ball zu. Schließlich soll es echt aussehen, wenn es losgeht.

Der Wagen kommt in Sichtweite und die Skateboarder gehen, auf mein Zeichen hin, in Position.

Wir fangen an, uns Beleidigungen an den Kopf zu werfen und durcheinander zu rennen.

Aus den Augenwinkeln beobachte ich das Auto, ein schwarzer Mercedes mit Panzerglas.

Das müssen sie sein.

Raphi und die Jungs halten mich aus ihrer Werferei ein wenig raus, weil sie wissen, dass ich mich ab jetzt konzentrieren muss.

Sie verdecken mich, sodass ein Beobachter nicht bemerken würde, dass ich nicht wirklich mit von der Partie bin.

Der Fahrer steigt aus, die Skateboards beginnen zu rollen, erst einmal von links nach rechts. Sie fahren sich warm.

Zwei weitere Männer kommen aus dem Fahrzeug heraus und postieren sich vor der hinteren Tür, die direkt am Gehweg liegt. Sie sehen sich prüfend um. Ihre Blicke gleiten über uns hinweg. Sie stufen uns als ungefährlich ein.

Perfekt.

Einer der Bodyguards klopft kurz auf das Dach, die Tür öffnet sich und ein großer, breitschultriger Mann mit olivfarbenem Teint gleitet geschmeidig heraus. Wie eine übergroße Katze.

Er sieht sich mit dem typischen Blick eines Mannes um, der zwar seiner Security vertraut, dennoch lieber noch einmal selber die Lage prüft. So trainiert wie er aussieht, kann er mit Sicherheit auch prima selbst für sich sorgen.

Ich gebe den Skatern das Startsignal. Sie geben den Boards ordentlich Schwung. Die Straße ist leicht abschüssig, was für zusätzliches Tempo sorgt.

Meine Jungs schießen gemeinsam mit mir los. Laut johlend und den Ball zwischen uns hin und her werfend.

Fast da.

Ich mache mein Ziel aus, speichere seinen genauen Standort ab, drehe mich, mache schnelle hastige Schritte und … krache in ihn hinein.

Gleichzeitig höre ich, wie ein Skateboard scheppernd zur Seite fliegt, eine schimpfende Männerstimme und aufgeregtes Geschnatter von den Kleinen.

Wilde Entschuldigen und gegenseitige Vorwürfe.

Raphi und die Jungen beginnen mich laut zu beschimpfen und zu verspotten. Sie schließen einen engen Kreis um mich und Santos.

Ich drehe mich, drücke mich eng an seinen Körper – verdammt er riecht gut – zerre mit einer Hand an dem Revers seines Sakkos, als würde ich mich irgendwo festhalten müssen und ziehe ihm parallel dazu den Ring vom Finger.

Ratzbatz, das wars.

Man, bin ich gut!

Jess und die beiden anderen stoßen zu uns und lenken die Aufmerksamkeit auf sich.

Santos zerrt meine Hand von seinem Revers – ich mache es ihm leicht - und wendet sich seinen Männern zu.

Ich nutze den Moment und verschwinde, so schnell ich kann.

Alles in allem haben wir zwei Minuten gebraucht, nicht länger.

Ich schieße um die nächste Ecke, drücke dem dort wartenden Spider den Ring in die Hand und renne dann noch hundert Meter weiter, bevor ich langsamer werde.

In einem Hausflur ziehe ich die Beanie ab, lasse meine Haare herumwirbeln, ziehe die Hose hoch und drehe meinen Hoodie um. Jetzt ist er rot. Ich liebe zweifarbige Klamotten.

Als ich wieder auf die Straße trete, bewege ich mich wie ein Mädchen, das mal eben so durch die Gegend schlendert.

An einer Eisdiele halte ich an und kaufe mir eine Waffel mit vier Kugeln.

Belohnung muss sein. Immerhin habe ich gerade hervorragende Arbeit abgeliefert.

Fröhlich vor mich hinschleckend, mache ich mich auf den Heimweg.

 

 

KAPITEL 4

 

„Man Spider, hör auf rumzuglucken. Ich hänge hier seit Tagen sinnlos rum.“

„Es waren exakt sechsunddreißig Stunden, übertreib nicht. Du kannst da jetzt nicht raus.“

Spider ist der Meinung, dass man nach mir sucht und es zu gefährlich ist, wenn ich mich in der Stadt blicken lasse. Ich dagegen kriege eine Krise, wenn ich noch länger eingesperrt bin.

„Santos hat mich nicht mal angesehen, die anderen drei sowieso nicht. Die wissen nicht, wie ich aussehe.“

Mal abgesehen davon, dass ich vierundzwanzig bin und er mir sowieso nicht vorschreiben kann, was ich mache.

„Uni, denk doch mal einen Moment nach. Was ist so wichtig, dass es nicht ein paar Tage warten kann? Die Kolumbianer verschwinden irgendwann und dann ist es, als wäre nie etwas gewesen. Jetzt läuft in Georgetown ein mega-angepisster Drogenboss rum, der nach dir sucht.“

Ich verschränke die Arme vor der Brust.

„Er sucht nicht nach mir, sondern nach einer Horde Teenager, die ihn mit 'nem Ball umgerannt haben.“

Spider starrt mich wütend an, wirft die Arme in die Luft und brüllt genervt: „Mach doch was du willst, aber komm nicht zu mir gerannt, wenn sie dich umbringen.“

Ich verkneife mir das Lachen. Ihm ist gar nicht bewusst, wie dämlich das war, was er gerade gesagt hat. Er macht sich einfach Sorgen. Ist ein schönes Gefühl, jemanden zu haben, dem man wichtig ist.

Er muss sich gar nicht so aufregen. Ich will nur schnell in den Buchladen.

Hab 'ne Reihe angefangen, die total spannend ist und mir fehlt der nächste Band. Darauf zu warten, dass Spider das Rausgehen als ungefährlich einstuft, würde mich um den Verstand bringen. Ich muss jetzt wissen, wie es mit dem Erzengel und der Jägerin weitergeht .

Ich stopfe meine Haare unter eine schwarze Mütze und auch der Rest der Kleidung ist schwarz. Bei der Santos-Aktion hatte ich Tarnhosen an und alles andere war grün. Falls sich jemand die Mühe gemacht haben sollte auf die Farbe meiner Klamotten zu achten.

Die Jungs müssen auch nicht im Haus bleiben, wieso eigentlich ich?

Für Fremde sieht doch ein Teenager aus wie der andere, besonders wenn alle das gleiche Outfit anhaben.

„Bringst du mir 'n Schokoriegel mit?“, fragt mich Kitten, als ich schon halb aus der Tür bin.

„Klar, mein Kleiner, mache ich. Mit Karamell?“

Er nickt begeistert.

„Wird erledigt, Chef.“

Wir grinsen uns zum Abschied an und ich mache mich auf den Weg.

Der Buchladen fügt sich wundervoll in die Umgebung ein. Die Fassade könnte dringend einen neuen Anstrich vertragen und alles, selbst die Fenster, ist voll mit Graffiti.

Der Besitzer macht sich schon lange nicht mehr die Mühe es zu entfernen. Wäre auch sinnlos. Die Sprayer betrachten eine frisch gestrichene Fläche nur als neue Gratisleinwand.

Ich öffne die Tür und die kleinen Glöckchen beginnen zu läuten. Ich liebe das Geräusch.

„Hi Seamus“, sage ich und gehe zum Ladentisch.

„Uni, hab dich eine ganze Weile nicht gesehen. Wie geht es dir?“ Er freut sich offenbar über meinen Besuch.

Umständlich humpelt er um den Tresen herum. Seamus war in irgendeinem Krieg und hat ein steifes Bein zurückbehalten, zusammen mit ein paar Erinnerungen, die er lieber vergessen würde. Damit ist er nicht alleine.

Wir setzen uns an einen kleinen Tisch und er serviert mir eine Tasse Tee.

Seamus ist überzeugt, dass man Tee braucht, um in anständiger Form über Bücher zu reden. Ich muss mal Ayumi fragen, was sie dazu zu sagen hat. Etiketteregeln bei Buchdiskussionen. Sollte es welche geben, kennt sie sie garantiert.

Da sich selten jemand in den Laden verirrt, ist nicht so die Gegend für massenhaft Leser, haben wir Zeit. Ich liebe es, hier zu sitzen und mein Gehirn für andere Dinge nutzen zu können als für was Kriminelles.

Stunden später, es wird bereits dunkel, verlasse ich Seamus mit neuem Lesestoff und einem Haufen Gedanken über Philosophie.

Es hat verdammt viel Spaß gemacht mit ihm über Gedankenexperimente zu reden. Während ich darüber nachgrübele, achte ich nicht auf meinen Weg und erst recht nicht auf die Umgebung.

Ein sehr großer Fehler.

Jemand legt mir eine große schwere Hand auf den Mund, während ich von hinten gepackt werde. Der Mann hält mich in einem Klammergriff, der verrät, dass er sowas nicht zum ersten Mal macht. Ich habe absolut keine Chance, mich zu bewegen.

Also mache ich das Gegenteil und werde steif wie ein Brett. Die Absicht dahinter ist, zu sperrig zu sein, um durch eine Autotür zu passen.

Was nichts nutzt, wenn es sich um einen SUV mit geräumigem Kofferraum handelt und man selber ziemlich handlich ist. Sie legen meine Hände und Füße in Handschellen, was keine Sekunde dauert, und stopfen mich dann unsanft hinein.

Ich hätte auf Spider hören sollen.

***

Ich bin schon lange im Geschäft und abgebrüht genug, um mich nicht wie ein frisch entführtes Mädchen zu verhalten. Sprich: kein Schreien, keine Versuche abzuhauen. Würde sowieso schwer werden mit den Handschellen und so.

Ich warte erst einmal ab. Vielleicht kann ich mich ja irgendwie rausreden. Kommt drauf an, wo sie mich hinbringen.

Die Fahrt dauert nicht lange. Die Klappe öffnet sich und ich bin … im Wald. Fuck. Das kann überall sein. Georgetown ist von Bäumen umzingelt.

Einer der Männer, in dem ich den Fahrer des Mercedes wiedererkenne – nochmal Fuck – nimmt mir die Fessel von den Füßen. Hat wohl keine Lust, mich zu tragen.

„Wehe, du versuchst wegzurennen.“

Ich sehe mich mit hochgezogenen Augenbrauen um und werfe ihm einen genervten Blick zu.

Was glaubt er, wo ich hinwill?

„Ich sehe wir verstehen uns Bengel“, sagt er belustigt.

Ha! Er hält mich für einen Jungen. Cool.

Ich senke den Kopf und mache einen auf unterwürfig. Dann unterschätzen sie mich hoffentlich.

Das Haus, das wir betreten, ist groß und solide gebaut. Und es ist alt.

Wer weiß, wem das früher mal gehört hat. Jetzt jedenfalls gehört es den Kolumbianern und die scheinen über einen Haufen Waffen zu verfügen.

An jeder Tür steht mindestens ein Kerl in Militärkleidung, der bis an die Zähne bewaffnet ist.

Hurra, ich scheine das Hauptquartier des Kartells gefunden zu haben. Etwas für die Kategorie unnützes Wissen.

Sie bringen mich in einen Raum, in dem bereits ein Haufen Männer sind und schubsen mich auf einen Stuhl, der in einer Ecke steht.

Die Männer sehen auf den ersten Blick alle gleich aus. Ist wie 'n Militärcamp, das ich mal in einer Doku gesehen habe. Nur dass alle spanisch sprechen und ich kein Wort verstehe.

Kommt auf meine Bildungsliste: Erlernen mindestens einer Fremdsprache.

Wahrscheinlich bietet sich Spanisch an.

Wie es aussieht, sind wir in eine hitzige Diskussion geplatzt.

Das heißt, mehrere Männer diskutieren und einer – Sebastian Santos – steht vor ihnen und hört zu. Sein Gesicht ist vollkommen ausdruckslos und seine Augen, fast schwarz, blicken hart. Er ist ganz bestimmt kein Weichei.

Ich hab Bilder vom Hexer gesehen. Man sieht, dass sie Brüder sind.

Der hier ist genauso attraktiv wie Mateo. Auf diese gefährliche Art, die Frauenslips nass macht.

Hoffentlich ist er nicht auch genauso verrückt wie der Hexer.

Hätte ich ihn unter anderen Umständen kennengelernt, würde ich ihn mir unter einem rein weiblichen Aspekt angucken und wahrscheinlich anfangen zu hecheln. Das ist mal was ganz anderes als die Jungs, mit denen ich normalerweise zu tun habe.

Dass mein Leben wortwörtlich in seinen Händen liegt, ruiniert meine erotische Schwärmerei gewaltig.

Ich sollte Angst haben, aber dafür bin ich viel zu überdreht.

Gefährliche Situationen sind ein Kick für mich. Das Adrenalin rauscht durch meinen Körper, verstärkt alle Sinne und bringt mich auf ein Level, wo ich zu Höchstleistungen in der Lage bin.

Rumsitzen ist nicht unbedingt das, was meiner Unruhe guttut, aber mir bleibt keine Wahl.

Um den Eindruck zu verstärken, dass ich männlich bin, sitze ich mit gespreizten Beinen da, den Hintern fast bis zur Kante vorgeschoben, den Kopf zurückgelehnt und die Augen halb geschlossen.

Ein Bild vollkommener Entspannung. Als würde mir das hier am Arsch vorbeigehen.

Cool aussehen? Kann ich.

„Genug!“, donnert es durch den Raum und schlagartig kehrt Stille ein. Santos hat gesprochen.

Er schickt alle hinaus, bis auf mich und meine beiden Bewacher.

Super, eine Privataudienz.

Schnell ziehe ich meine Mütze weiter in die Stirn und kneife die Augen noch mehr zusammen. Dann sehen sie hoffentlich weniger einhornmäßig aus.

Ayumi findet, sie seien etwas ganz Besonderes. Das ist, wenn man eine Diebin ist, nichts Gutes. Zu hoher Wiedererkennungswert.

„Wir haben ihn auf der Straße geschnappt“, sagt der Typ links von mir.

Santos lehnt sich gegen seinen Schreibtisch und mustert mich ausgiebig. Ich halte den Blick gesenkt.

„Wo ist mein Ring?“, sagt er und wendet sich nun direkt an mich. Ich habe beschlossen, stumm zu bleiben. Ich mag ja aussehen wie ein Junge, aber ich klinge ganz bestimmt nicht so.

„Antworte“, verlangt Santos mit leiser, bedrohlicher Stimme.

Ich zucke mit den Schultern. Ich weiß wirklich nicht, wo er ist, nachdem ich ihn Spider gegeben habe.

„Du wirst reden, glaub mir.“ Keine Drohung, lediglich eine Feststellung.

Die Tür wird aufgerissen und eine Frau stürmt herein.

Sie ist schön, hat blonde Haare, die sie zu einem Knoten im Nacken gewunden hat, trägt ein Kleid, welches ihre Figur – die übrigens beeindruckend ist – vorteilhaft betont und dazu so hohe Schuhe, dass ich befürchte, sie wird umfallen.

Das passiert nicht.

Im Gegenteil, mit einer Sicherheit, die ich nur hinbekomme, wenn ich Turnschuhe anhabe, steuert sie auf den Boss zu.

„Sebastian, wieso erfahre ich erst jetzt, dass du da bist?“, keift sie ihn an. Ihre Stimme ist nicht so schön wie ihr Äußeres.

„Wieso hast du es überhaupt erfahren?“, fragt er sie ruhig und nimmt ihr damit den Wind aus den Segeln. Ich verbeiße mir mit Mühe ein Grinsen.

Sehr gut, Mr. Colombia-Man, gibs ihr.

Sie schnappt nach Luft und läuft rot an. Steht ihr auch nicht.

„Immerhin bin ich deine Verlobte. Ich sollte nicht von anderen erfahren, dass du im Land bist, sondern von dir persönlich.“

Lady, genau das würde mir zu denken geben, wenn ich du wäre.

„Ava, ich habe hier gerade etwas Wichtiges zu tun. Meinst du, wir können diese Unterhaltung auf später verlegen?“ Seine Stimme klingt sanft, einschmeichelnd, verführerisch.

Verdammt, der Kerl könnte jede Frau ins Bett quatschen. Wenn sie das nicht beruhigt, ist ihr nicht zu helfen.

Gekränkt sieht sie ihn an und wirft ihm einen Blick zu, der die Polkappen zum Schmelzen bringen würde. Wo lernen Frauen diese Dinge? Ich werde das nie können.

Vielleicht brauche ich das auch nie. Ich sage immer, was ich denke und solche Showeinlagen liegen mir sowieso nicht.

Santos stößt sich vom Schreibtisch ab, geht zu ihr und nimmt sie in die Arme. Ich sehe zu und… beneide die Frau.

Was stimmt mit mir nicht?

Der Mann wird mich wahrscheinlich töten und ich sitze hier und stelle mir vor, an ihrer Stelle zu sein.

Jemand wie Sebastian Santos würde mich nicht mal wollen, wenn ich so aussehe wie auf den Fotos, die Ayumi gemacht hat. Er steht auf Frauen wie diese Ava. Groß, Modelmaße, umwerfend schön. Jedenfalls solange sie den Mund nicht aufmacht.

Er löst die Arme von seiner Verlobten, schiebt sie ein Stück von sich, sieht ihr tief in die Augen und sagt leise ein paar Worte zu ihr. Zu leise, um sie zu verstehen.

Scheint etwas Gutes gewesen zu sein, denn Ava lächelt ihn strahlend und offensichtlich versöhnt an. Dann beugt sie sich vor, küsst ihn kurz und verlässt beschwingt den Raum.

Ich sehe ihr interessiert nach.

Wahnsinn, wie sie mit diesen Schuhen klarkommt.

„Lasst uns allein“, sagt Santos und ich zucke zusammen.

Kommt sofort zurück, ist mein erster Gedanke.

Was für ein Unsinn. Sie würden auf seinen Befehl hin alles mit mir tun, egal was. Außerdem sind meine Chancen zu entkommen größer, wenn ich nur einen Gegner habe.

Wem will ich hier was vormachen?

Der Mann wirkt wie eine Ein-Mann-Armee, ist mindestens 30 Zentimeter größer als ich und doppelt so schwer. Selbst wenn er keine Kampfausbildung hätte und ich bin sicher, dass er die hat, bräuchte er sich nur auf mich zu setzen und ich hätte verloren.

Sich auf mich setzen … Ein verlockender Gedanke.

Krieg dich mal ein. Das hier ist keine verdammte Seifenoper.

Er steht jetzt direkt vor mir und sieht mit schwarzen Teufelsaugen auf mich herab.

„Steh auf“, befiehlt er leise und ich bin bereits dabei, es zu tun, bevor ich überhaupt darüber nachgedacht habe.

Verdammte Stimme. Die funktioniert bei mir wie eine scheiß Hypnose.

Ich stecke die Hände in die Hosentaschen und starre auf meine Füße.

„Sieh mich an.“

Ich tue es.

Langsam hebt er die Hand und streift mir die Mütze vom Kopf. Meine Haare quellen hervor und fallen meinen Rücken herunter.

„Dachte ich es mir doch. Ein Mädchen.“

Eine Frau, empört sich eine Stimme in mir. Ich bin kein verdammtes Mädchen. Ich bin eine Frau.

Als ob das eine Rolle spielen würde.

„Wie ist deine Name, Kind?“

Am liebsten würde ich meine Faust in seinem Magen versenken.

ICH BIN KEIN VERFLUCHTES KIND!

Wütend sehe ich ihn an.

„So viel Ungehorsam. Es könnte Spaß machen, ihn dir auszutreiben“, sagt er kopfschüttelnd.

In seinen Augen blitzt Belustigung auf. Das was er sagt und wie er es sagt, macht klar, dass er über Sex redet. Der verdammte Kerl weiß, dass ich kein Kind bin.

Er spielt mit mir.

„Dein Name, Kleine. Lass mich nicht noch einmal fragen.“ Der Befehlston enthält diesmal mehr Nachdruck.

„Uni“, presse ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

Er zieht die Augenbrauen zusammen. „Den richtigen Namen, wenn ich bitten darf.“

Sein bezwingender Blick erschüttert mich, scheint mich bloßzustellen und jeden Winkel meines Ichs zu durchleuchten.

Verdammter kolumbianischer Teufel.

„Ariana“, sage ich hastig und sehe schnell zur Seite.

Schlanke Finger legen sich um mein Kinn und drehen meinen Kopf zurück. Er zwingt mich, ihn anzusehen.

„Du hast bemerkenswerte Augen, Ariana.“

So wie er meinen Namen ausspricht, ganz weich und wieder mit dieser verführerischen Stimme, bin ich nicht in der Lage, ihm Widerstand zu leisten.

„Leider“, sage ich und meine es so.

Er lacht leise.

Oh Gott, ist der Mann schön. Einfach … hinreißend.

Sofort will ich mich für meinen Gedanken in den Hintern treten.

Hinreißend? Echt jetzt? Der Kerl ist ein high quality Krimineller und du schmilzt gerade dahin. Bist du vollkommen bescheuert?

„Wie alt bist du, Ariana?“

Hör verdammt nochmal auf, meinen Namen in diesem Sextonfall zu sagen.

„Spielt das eine Rolle?“, höre ich mich fragen. Gut, irgendwo in mir gibt es noch funktionierenden Widerstand.

„Eigentlich nicht“, sagt er schulterzuckend und lässt endlich mein Kinn los. „Nun, Ariana. Du hast etwas, das mir gehört und ich will es zurückhaben.“

Santos setzt sich auf die Schreibtischkante. Wenigstens ragt er jetzt nicht mehr so gewaltig über mir auf. Einschüchternd ist er trotzdem.

„Ich weiß nicht, wovon Sie reden.“

Blöd, ich weiß. Aber einen Versuch wert.

Einer seiner Mundwinkel zuckt.

„Versuch's nochmal.“

„Ich weiß nicht, wo Ihr Ring ist, okay?“, schnaube ich.

„Nein. Gar nicht okay. Du hast keine Ahnung, in was du dich da reingeritten hast.“

Oh doch, die habe ich.

Ein bisschen süß auszusehen, krieg ich hin. Ich ziehe also die Unterlippe zwischen die Zähne, kaue darauf herum und frage leise und mit großen Augen: „Bringen Sie mich jetzt um?“

„Das sollte ich, nicht wahr?“, erwidert er sachlich und lässt sich von meinem Auftreten kein Stück beeindrucken.

„Wie kann ich es wiedergutmachen?“, schalte ich auf mein normales Selbst um. Wenn er einen guten Deal hat und ich wieder nach Hause kann, bin ich dabei.

Er mustert mich nachdenklich, dann streckt er die Arme aus und zieht mich langsam an seine Brust.

Oh, wow, das ist …

Wieder steigt mir sein Duft in die Nase. Irgendein teures, gut riechendes Parfüm, vermischt mit seinem ganz persönlichen Geruch nach Mann. Das bringt mich völlig aus dem Konzept.

Santos streicht meine Haare zurück, beugt sich vor und flüstert leise in mein Ohr:

„Hol ihn zurück oder du stirbst tatsächlich.“

Wie kann eine derartige Drohung erotisch sein? Verfluchte Stimme.

„Ich weiß nicht wie“, sage ich in echter Verzweiflung.

Erwischt zu werden, war bestimmt kein Teil meiner Planung. Ich habe nicht darüber nachgedacht, was in so einem Fall passieren könnte und schon gar nicht, wie ich den Ring wiederbeschaffen kann.

Ich vermute, Lord hat ihn. Da ist er so sicher wie in Fort Knox. Ich bin nicht so blöd, die Biker zu bestehlen. Dann bin ich genauso tot, als würde ich Santos den Befehl verweigern.

Wo liegt da der Vorteil?

„Dann wirst du anscheinend eine Weile mein Gast sein“, sagt er gleichgültig.

Er lässt mich los und im ersten Moment bin ich enttäuscht darüber.

Gehts noch?

„Setz die Mütze wieder auf“, befiehlt er.

Hastig stopfe ich die Haare in die Beanie.

„Du redest mit niemandem, außer ich gestatte es dir. Dein Name ist Uni und du bist ein Junge. Sieh zu, dass das so bleibt.“

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, ruft er nach den Männern, die sofort im Raum erscheinen.

„Bringt ihn in eins der bewachten Zimmer und lasst ihn in Ruhe. Ich werde mich persönlich um ihn kümmern.“

Wir sind entlassen.

***

SEBASTIAN

Ein kleines Mädchen mit riesigen Augen hatte ihm die wichtigsten Unterlagen gestohlen, die er besaß. Nicht zu fassen. Wann hatte ihn jemand das letzte Mal in der Form überrumpelt?

Konnte jemand so unschuldig aussehen und dann so eine gewiefte Diebin sein?

Offensichtlich. Wenn die Aktion auf ihrem Mist gewachsen war, sollte er ihr Respekt zollen.

Normalerweise hätte Sebastian sie, ohne zu zögern und eigenhändig, ins Jenseits befördert.

Aber sie hatte sein Interesse geweckt und so hatte er die Entscheidung aufgeschoben. Er brauchte den Ring nicht wirklich und dem jetzigen Besitzer würde er nichts nutzen. Die Codes waren nicht zu knacken.

Er hatte sie einfangen lassen, weil er es konnte. Eine Machtdemonstration.

Der Arm des Kartells war lang und einen Sebastian Santos sollte man nie unterschätzen. Auch dann nicht, wenn er sich außerhalb seines normalen Radius bewegte. Sehr viel außerhalb. In Kolumbien hätte es keiner gewagt, auch nur so dicht an ihn heranzukommen, geschweige denn sich an ihn zu pressen.

NIEMAND BESTAHL IHN.

Das war es, worum es ging.

Hereingelegt von einem verdammten Kind!

Bereits als sie das Zimmer betreten hatte, war ihm klar gewesen, dass sich unter der sackartigen Kleidung ein weiblicher Körper befinden musste.

Wie genau der aussah, konnte man nicht beurteilen. Was ihm persönlich egal war, da er keinerlei Interesse an kleinen Mädchen hatte. Wie alt war sie? Sechzehn? Siebzehn?

Sie schien hübsch zu sein, soweit man es erkennen konnte, und ihre Augen waren absolut faszinierend.

Irgendjemand würde sie vermissen und nach ihr suchen. Seine Männer waren bereits aktiv geworden.

Sobald sich jemand nach ihr erkundigte, hätte er denjenigen, der den Ring besaß.

Frauen ließen sich meist einschüchtern oder verführen. In beiden Methoden war Sebastian Santos unangefochtener Meister.

Verführung war in Arianas Fall keine Option. Sie war einfach zu jung.

Er schätzte es, wenn eine Frau wusste, was sie tat. Das kleine Ding war wahrscheinlich sogar noch Jungfrau. Im schlechtesten Fall würde sie sich in ihn verlieben und an tiefen Gefühlen hatte Sebastian definitiv kein Interesse.

Deshalb die Verbindung mit Ava. Sie war ein berechnendes Biest und sah in ihm lediglich eine gute Gelegenheit ihren Status zu verbessern. Seine Gefühle für sie waren klar – er hatte keine.

Sebastian war noch nie verliebt gewesen, geschweige denn in tiefer Liebe zu irgendeiner Frau entflammt. Solche Emotionen konnte er sich in seiner Position nicht leisten. Wie er bei anderen beobachtet hatte, machten sie das Leben nur unnötig kompliziert.

Dennoch konnte Freundlichkeit ihn möglicherweise weiterbringen als Androhung von Gewalt.

Man würde sehen.

Sein verrückter Bruder zog es vor, Frauen zu verstümmeln und zu quälen. Sebastian hatte sich schon immer gefragt, warum Mateo so anders war als der Rest der Familie.

Sie alle waren elende Bastarde und jeder von ihnen hatte schon gefoltert und getötet.

Aber nie aus Spaß, sondern lediglich aus Notwendigkeit. Man war kein Mitglied des Alvarez-Kartells und konnte dem brutalen Alltag entgehen.

Allein bei dem Versuch würde Sebastian sterben. Wahrscheinlich sogar durch die Hand seines eigenen Vaters.

Er hätte das Alter von vierunddreißig Jahren nie erreicht und wäre auch nicht die rechte Hand von Esteban Alvarez geworden, wenn er jemals versucht hätte, aus dem Familiengeschäft auszusteigen.

In seiner Welt gab es keine Kompromisse und man hatte zu seinem Wort zu stehen. Selbst wenn sich eine Entscheidung als Fehler erwies, war es schwer, sie rückgängig zu machen.

Alles drehte sich um Respekt.

Um in den Augen der Männer als Alpharaubtier anerkannt zu werden, musste man gelegentlich jemanden umbringen. Als reine Machtdemonstration.

Ein Mann tat eben, was er tun musste. Für die Alvarez-Männer galt das mehr als für jeden anderen. War es notwendig, einen Zeugen zu beseitigen oder Respektlosigkeit zu ahnden, würde Sebastian das, ohne mit der Wimper zu zucken, tun.

Ariana umzubringen war allerdings keine Notwendigkeit. Noch nicht.

Er würde es zuerst auf die sanfte Art versuchen. Sie schien eher der zarte Typ zu sein. Vielleicht war sie für Nettigkeiten empfänglich. Wer weiß, wo sie herkam.

Sollte das nicht helfen, konnte er immer noch härter durchgreifen.

Und er musste dafür sorgen, dass sie weiterhin für einen Jungen gehalten wurde.

Ava würde es gar nicht gefallen, von seinem neuen Spielzeug zu erfahren, selbst wenn er ihr die Zusammenhänge erklären könnte.

Könnte, aber nicht würde.

Die Geschäfte des Kartells gingen sie nichts an.

Ava duldete keine Frauen neben sich, auch wenn diese offensichtlich keine Konkurrenz darstellten. Und er hatte keine Lust auf eine ihrer großangelegten Szenen. Worin sie außergewöhnlich gut war.

Warum er einer Verlobung ausgerechnet mit ihr zugestimmt hatte, war Sebastian mittlerweile schleierhaft. Ava war ohne Frage eine schöne Frau, aber davon gab es einige. Ihr Vater war ein Geschäftsfreund seines Vaters, auch davon gab es mehrere.

Warum hatte er also Ja gesagt?

Weil es Zeit wurde, eine Familie zu gründen. Das war es, worauf alle warteten, besonders aber seine Eltern.

Sebastian würde nie tiefere Gefühle für Ava hegen und solange sie den Mund hielt, konnte ihr Anblick ihn erfreuen, ohne dass er die Verbindung bereute.

Ihre Stimme. Die war wirklich furchtbar. Besonders wenn Ava sich aufregte, quietschte sie regelrecht und Sebastian musste jedes Mal den Drang unterdrücken, sich die Ohren zuzuhalten oder sie zu erwürgen.

Er sollte diese Verlobung vielleicht noch einmal überdenken.

Da klang das großäugige kleine Ding doch ganz anders. Ihre Stimme war angenehm.

Sie hatte ihm widersprochen, anstatt sich zu benehmen wie es einer Frau und dann noch einer, die eine Gefangene war, zukam.

Etwas, das Sebastian nicht durchgehen lassen konnte. Hätte sie das in Anwesenheit seiner Männer gewagt, wäre die Sache nicht so glimpflich für sie ausgegangen.

Niemand durfte die Regeln brechen.

Wofür sie sie kennen musste, gestand er ein. Darum würde er sich bei Gelegenheit kümmern.

Vorerst sollte er sich jedoch auf das Wesentliche konzentrieren.

Die Wiederbeschaffung des Ringes.

Der Verlust war mehr als ärgerlich, besonders da nicht klar war, in wessen Händen er sich inzwischen befand. Freund oder Feind?

Er würde es bald herausfinden.

***

Das Zimmer ist eigentlich ganz hübsch. Sogar größer als meins zuhause. Wenn ich noch ein paar Bücher hätte, könnte ich es eine Weile hier aushalten. Ich muss irgendwie Spider kontaktieren. Mir fällt nur nicht ein, wie ich das anstellen soll.

Mein Handy haben sie mir schon abgenommen, als ich ins Auto verladen wurde. Ans Entkommen brauche ich keinen Gedanken zu verschwenden. Das hier ist eine Festung und ich befinde mich außerdem in der ersten Etage.

Was bedeutet, ich kann nicht aus dem Fenster klettern, selbst wenn ich die Gitter irgendwie entfernen könnte. Dann stände ich im Wald und was dann?

Jepp, es gibt Gitter und die Tür ist abgeschlossen. War nicht anders zu erwarten. Wahrscheinlich steht sogar noch ein Wächter davor.

Also kann ich auch einfach Fernsehen gucken oder schlafen.

Ich könnte natürlich auch darüber nachdenken, was ich Santos sage oder wie ich den Ring beschaffe. Wenn das überhaupt möglich ist.

Vielleicht kann ich ihm irgendetwas zum Ausgleich anbieten. Mich zum Beispiel.

Ich kichere bei den Bildern in meinem Kopf.

Nimm mich, flüstert das, in aufreizende Spitzendessous gekleidete, Mädchen und räkelt sich in erotischer Pose auf ihrem Bett. Vergiss Ava, ich bin so viel besser als sie. Du wirst es nicht bereuen.

„So viel Ungehorsam. Es könnte Spaß machen, ihn dir auszutreiben.“ Santos' Worte hallen in meinem Kopf wieder und vertreiben meine kleine Fantasy-Show.

Das letzte Mal, als ich wegen Ungehorsam bestraft wurde, war ich vierzehn und ein Gürtel spielte eine zentrale Rolle. Das hatte absolut nichts mit Erotik zu tun, sondern ausschließlich mit der Verbesserung des Machtgefühls eines beschissenen Pflegevaters.

Bestrafung löst also normalerweise kein Gefühl der Vorfreude und Erregung in mir aus.

Normalerweise löst auch nicht die Stimme irgendeines Mannes in mir solche Gefühle aus.

Sebastian Santos schafft das spielend.

Das ist … schlecht.

Man geht nicht mit seinem Feind ins Bett und man denkt auch nicht darüber nach, wie aufregend es sein könnte.

Man denkt überhaupt nicht in sexueller Weise über den Sohn des Bosses eines der größten Drogenkartelle der Welt nach.

Nein, eine Frau in meiner Lage hat sich gefälligst Gedanken darüber zu machen, wie sie so schnell wie möglich von hier verschwinden kann.

Möglichst ohne Blessuren, egal woher sie stammen.

Aber die Vorstellung, dass er mich über seine Knie legt und seine Hand auf meinen blanken Hintern niedersaust, ist verdammt erotisch.

Mir ist wirklich nicht zu helfen.

Zur Abkühlung und weil ich es nötig habe, gehe ich duschen.

Die Auswahl an Duschgel ist auf ein Sortiment begrenzt, was man in Hotelzimmern findet. Diese dämlichen Miniflaschen. Genauso das Shampoo.

Ich habe keine besonders dicken Haare, dafür aber sehr viele. So eine kleine Flasche reicht nicht mal für die Vorwäsche.

Dann eben nur der Körper. Ich suche nach einem Haarband, finde natürlich keins und binde sie mir letztendlich mithilfe des Bademantelgürtels nach oben. Sieht blöd aus, erfüllt aber seinen Zweck.

Nach dem Duschen trockne ich mich in einem himmlisch flauschigen Handtuch ab, ziehe den Bademantel an, ohne den Gürtel und lege mich aufs Bett.

Während ich darüber nachdenke, ob es vielleicht eine Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Lord und Santos gibt, immerhin haben sie einen gemeinsamen Feind – wenn ich das nicht missverstanden habe – schlafe ich ein und träume von schwarzen Augen und einer verlockenden Stimme.

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