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Gustav Schwab befasst sich in diesem Band mit der Biografie des großen Dichters der deutschen Klassik Friedrich Schiller. Hundert Jahre nach dessen Geburtsdatum gab er nach gründlichem Studium aller Quellen und Befragung vieler Zeitzeugen sein Werk heraus. Schillers Herkunft, sein Elternhaus, sein Ausbildungsweg in seiner württembergischen Heimat, seine Flucht, sein Weg durch deutsche Lande, seine Entwicklung als Dichter und Dramatiker, seine Beziehungen zu Menschen und endlich seine Freundschaft zu Herder und Goethe in Weimar, seine Krankheit und schließlich sein früher Tod, alles wird bis ins kleinste Detail dargestellt. Mit vielen Bildern und Daten bereichert, erscheint Schwab's Werk mit diesem Buch neu. – Rezession: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeit-Epochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!
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Seitenzahl: 890
Gustav Schwab
Gustav Schwab: Schillers Leben – Band 192e in der gelben Buchreihe
Band 192e in der gelben Buchreihe
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort des Herausgebers
Der Autor Gustav Schwab
Schillers Leben
Aus dem Vorwort zum ersten Druck
Vorerinnerung zum zweiten Druck
Erstes Buch – Das Geschlecht des Dichters
Schiller bei den Eltern
Schiller in der Carls-Akademie zu Stuttgart
Schillers erste Regungen der Poesie
Sein Verhalten zur Akademie
Medizinische Studien und theologische Zweifel
Die Räuber
Schillers Austritt aus der Akademie Beruf – Leben in der Stadt
Schillers erste Lyrik
Aufführung der Räuber in Mannheim
Folgen
Schillers Flucht
Ankunft in Mannheim – Rot – Frankfurt und Oggersheim
Das Gericht über Fiesko
Aufenthalt in Bauerbach
Lotte von Wohlzogen und der Dichter
Poetische Arbeiten und Aussichten in Bauersbach
Zweiter Aufenthalt in Mannheim
Aufführung des Fiesko
Kabale und Liebe
Auszeichnung – Reisen
Dramatische Berufsarbeiten
Entscheidung für Don Carlos – Rheinische Talia
Liebe, Freundschaft, Beruf und bürgerliche Stellung des Dichters – Abschied von Mannheim
Rückblick auf Schillers bisheriges Leben und Dichten
Zweites Buch – Schiller in Leipzig und Dresden
Studien und Arbeiten
Dermalige Philosophie Schillers
Freundschaft – Neue Neigung, getäuscht
Beginn der zweiten Lyrik Schillers
Erster Eintritt in Weimar
Ausflug nach Rudolstadt – Die Familie von Lengenfeld
Rückkehr nach Weimar – Entschiedene Neigung
Don Carlos
Aufenthalt in Volkstädt
Schillers erste Bekanntschaft mit den Griechen – Die Götter Griechenlands – Die Künstler
Verlauf der Tage zu Rudolstadt – Schiller Goethe gegenüber
Rückkehr nach Weimar
Arbeiten – Euripides – Der Geistseher
Die Professur in Jena – Verlobung – Heirat
Philosophische Fortbildung
Häusliches Leben und Beruf in Jena
Krankheit
Kritik der Urteilskraft – Entschiedener Kantianismus
Rückfall
Erholung – Karlsbad – Erfurt – Heimkehr
Schillers Todesfeier zu Hellebeck
Brief des Herzogs von Augustenburg und des Grafen Schimmelmann an Schiller
Eindruck und Antwort
Ästhetische Studien und Schriften
Besuche aus Schwaben; Abschied eines Freundes
Reise nach Schwaben
Rückblick
Drittes Buch – Schiller, Humboldt und Goethe
Die Gründung der Horen – Der Bund mit Goethe geschlossen
Die Fortführung der Horen
Schillers Aufsätze für die Horen
Die Lyrik der Horenzeit – Lebens- und Arbeitsweise des Dichters
Der erste Musen-Almanach
Schiller schwankt zwischen Epos und Drama
Die Xenien
Familienverluste – Philosophische und religiöse Stimmung des Dichters
Abschied von der Philosophie – Das Gartenhaus
Das Balladen-Jahr
Der Wallenstein
Aufführung des Lagers
Aufführung der Piccolomini
Wallensteins Tod
Urteile über den Wallenstein
Literarische Berührungen Schillers
Häuslicher Jammer – Übersiedlung nach Weimar
Maria Stuard – Die Glocke – Das neue Jahrhundert
Die Jungfrau von Orleans – Geistige Differenzen mit Herder und Schelling – Schillers ars poetica
Aufführungen der Jungfrau von Orleans
Urteile über das Stück
Schillers Tischreden
Wirksamkeit, Leben, Begebnisse und Freunde in Weimar
Die Braut von Messina – Lyrische Gedichte – Schiller und Calderon
Frau von Staël und andere Gelehrte im Verkehr mit Schiller – Herders Tod
Wilhelm Tell
Schillers letztes Lebensjahr
Der letzte Winter – Inneres Leben des Dichters
Letzte Krankheit und Tod
Eindruck in Weimar und auf Goethe – Begräbnis
Rückblick
Zusätze und Berichtigungen
Die maritime gelbe Buchreihe
Weitere Informationen
Impressum neobooks
Vorwort des Herausgebers
Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michäliskirche.
Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.
Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leser-Reaktionen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.
Hamburg, 2022 Jürgen Ruszkowski
Ruhestands-Arbeitsplatz
Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers
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Der Autor Gustav Schwab
https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/schwab.html
Geboren am 19. Juni 1792 in Stuttgart; gestorben am 4. November 1850 in Stuttgart. Als Sohn eines Professors und Geheimen Hofrats wuchs Schwab in der christlich-humanistischen Atmosphäre des schwäbischen Bildungsbürgertums auf. Nach dem Besuch des Stuttgarter Gymnasiums studierte er 1809-1814 in Tübingen zwei Jahre Philologie und Philosophie, dann Theologie am Evangelischen Stift. Nach einer Tätigkeit als Repetent am Tübinger Stift begann er seine Berufstätigkeit 1818 als Professor für Latein am Stuttgarter Obergymnasium. 1837 trat er ein Pfarramt im Dorf Gomaringen bei Tübingen an, wurde 1841 Stadtpfarrer in Stuttgart, 1842 Dekan und 1845 als Oberkonsistorialrat und Oberstudienrat Leiter der höheren Schulen in Württemberg. 1847 erhielt er von der Universität Tübingen den Ehrendoktor der Theologie.
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Schillers Leben
in drei Büchern
https://www.projekt-gutenberg.org/schwab/schiller/schiller.html
Zweiter, durchgesehener Druck
Ausgabe zum 100jährigen Gedächtnis der Geburt Schillers
1859
Stuttgart
Verlag S. G. Liesching
Gedruckt bei K. Fr. Hering & Comp.
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Aus dem Vorwort zum ersten Druck
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Die Veranlassung zu diesem Versuch einer gedrängten und doch möglichst vollständigen Biografie des großen Lieblingsdichters der Deutschen hat meine Mitwirkung bei der Erstellung seines Standbildes gegeben, der ein wiederholtes Studium seiner Werke vorangehen musste, das sich sehr natürlicher Weise auch nachher fortgesetzt hat.
Der Plan meiner Darstellung soll, wie ich zu hoffen wage, durch sie selbst klar werden. Die Hauptquellen und Hilfsmittel, welche zu benutzen waren, sind größtenteils so bekannt, dass ich hier ihr Verzeichnis, das man bei anderen Biografen Schillers, am vollständigsten in H. Dörings (Johann Michael Heinrich Döring (* 8. Mai 1789 in Danzig; † 14. Dezember 1862 in Jena) war ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer, Theologe und Mineraloge. Bekannt wurde er vor allem als Biograf Goethes und Schillers.) neuestem Abriss von Schillers Leben findet, nicht wiederholen will. Nur so viel sei bemerkt, dass aus den Quellen, soweit sie mir zugänglich waren, von mir immer unmittelbar geschöpft worden ist, dass ich zu dem Ende namentlich die verschiedenen Briefwechsel Schillers der genauesten Durchsicht unterworfen habe, und dass die Lebensbeschreibungen Dörings, Carlyle's, Hoffmeisters und Hinrichs', die von entschiedenem, wenn auch sehr verschiedenartigem Verdienst sind, von mir zwar vielfältig, aber hauptsächlich nur dann unmittelbar benutzt worden sind, wenn mir einzelne Quellen für mein Studium nicht zu Gebot standen, oder, wenn ich besonders treffende Ansichten aus ihnen hervorzuheben, manchmal auch Behauptungen, denen ich nicht beipflichten konnte, zu widersprechen hatte. Dass es mir nicht einfallen konnte, die größeren kritisch-historischen Werke der beiden letztgenannten Schriftsteller durch meine Arbeit überflüssig machen zu wollen, brauche ich wohl nicht erst zu sagen. Wo ich es für passend erachtete, habe ich stets unter dem Text durch die nötigen Zitate auf meine Quellen und Subsidien verwiesen. Nicht wenig Neues ist übrigens teils aus übersehenen gedruckten Notizen und Urteilen hinzugekommen, teils aus mündlichen und brieflichen Mitteilungen von Zeitgenossen des großen Dichters an den Biografen, teils auch endlich aus Urkunden und aus bisher unbekannten, oder unvollständig mitgeteilten Briefen Schillers, die zusammen gleichzeitig mit gegenwärtiger Lebensbeschreibung veröffentlicht werden. [Urkunden über Schiller und seine Familie; mit einem Anhang von fünf neuen Briefen u. s. w. von G. Schwab. Stuttgart, S. G. Liesching 1840.] Dass der Verfasser seine eigenen Erfahrungen auf dem Gebiet der Poesie zur Erklärung und Beurteilung mancher Phänomene in der Entwicklungsgeschichte des Dichters zu benutzen sich erlaubt hat, wird man ihm, da es mit der nötigen Bescheidenheit geschehen ist, nicht verübeln.
Für die Jugendgeschichte meines Helden zog ich eine von den meisten meiner Vorgänger entweder ganz übersehene oder nur aus dritter Hand und daher unvollständig benutzte Schrift mit gehöriger Vorsicht zurate. Sie führt den Titel: „Schiller der Jüngling, oder Szenen und Charakterzüge aus seinem früheren Leben. Stendal, bei Franzen und Große, 1806.“ Döring nennt als deren Verfasser K. W. Ömler. Dieselbe wimmelt zwar von Unrichtigkeiten; wo sie aber ihre Gewährsmänner nennt oder erraten lässt, worunter Moser in Ludwigsburg, der Jugendfreund Schillers, und Beil in Mannheim die wichtigsten zu sein scheinen, durfte ihren Angaben, die zuweilen anderswo vergebens Gesuchtes und nicht Unwichtiges enthalten, unbedenklich Glauben geschenkt werden. Ihr Gegenstück von demselben Verfasser „Schiller, oder Szenen und Charakterzüge aus seinem späteren Leben“ stand mir nicht zu Gebote. Die ebenfalls nicht unergiebige „Skizze einer Biografie“ u. s. w. (Leipzig bei Karl Tauchnitz 1805) soll, nach Dörings Versicherung, J. G. Gruber (Johann Gottfried Gruber (* 29.November 1774 in Naumburg/Saale; † 7. August 1851 in Halle (Saale); Pseudonyme: Adolph Grimm, Joseph aus der Grube, Iocosus Hilarius) war ein deutscher Kritiker und Literaturhistoriker.) zum Verfasser haben. Ihr Vorbericht aber ist mit P. unterzeichnet, Stil und Behandlungswelse des Gegenstands erinnern durchweg an die Schrift „Schiller der Jüngling.“
Während der Korrektur des dritten Buches erschien der dritte und letzte Band von Eduard Boas' (Eduard Boas Eduard Boas (geboren 18. Januar 1815 in Landsberg an der Warthe; gestorben 12. Juni 1853 ebenda) war ein deutscher Schriftsteller und Literaturhistoriker.) Nachträgen zu den sämtlichen Werken Schillers, und konnte so leider nur noch teilweise von mir benutzt werden. [Ist in diesem zweiten Druck nach Möglichkeit geschehen.]
In diesem dritten Band des Herrn Boas erhalten wir auch Schillers ältestes, bekannt gewordenes Gedicht, eine Schilderung des menschlichen Lebens, vom Jahr 1775. Für seine Jugendgeschichte sind folgende Strophen nicht unwichtig:
Trägt der Knabe seine ersten Hosen, steht schon ein Pedant im Hinterhalt, der ihn hudelt, ach! und ihm der großen Römer Weisheit auf den Rücken malt.
Beut uns Jugend ihre Rosenhände. Welche Güter bringt die Zaub'rin dar? Mädchen, Schulden, Eifersucht, am Ende Hörner oder die Pistolen gar.
Sind wir Männer, kommt ein anderer Teufel, Ehrgeiz heißt er, oft auch heißt er Weib. Nahrungssorgen quälen, so wie Zweifel einen Narrenschädel, unsern Leib.
Die erste dieser drei Strophen zeichnet uns Schillers Lehrer Jahn zu Ludwigsburg, der in dieser Biografie als Präzeptor bezeichnet worden ist, [Auch noch im ersten Buch des neuen Drucks.] was er auch in der Tat war; nur führte er schon im Jahr 1773 (s. Urkundenbuch S. 39) den Professorstitel. Die zweite und dritte Strophe muss uns in dem Urteil bestärken, dass Schillers Unbefangenheit in einem Institut, in welchem unreife Knaben mit überreifen in beständiger Berührung standen, sehr frühzeitig gestört worden ist.
Bei Boas lernen wir nun auch ein merkwürdiges Theatermanuskript des Fiesko, die Bühnenbearbeitung von 1784, (III. 47–227) kennen. „Das Stück ist nicht blos umgearbeitet, sondern das glühende Erz, aus dem es besteht, ist vom Dichter in eine ganz andere Form gegossen worden.“ Hier findet der Leser den von uns Seite 177 erwähnten Schluss des Fiesko, nach welchem dieser nicht stirbt, sondern in Verrina's Armen auf den Thron des Dogen verzichtet. Auch die anstößige Szene zwischen Verrina und seiner Tochter auf dem Sofa (vergleiche diese Biografie Seite 220) ist, höchst wahrscheinlich auf Wolfgang Heriberts von Dalberg Rat, hier gänzlich geändert.
Zugleich erfahren wir, dass die erste Auflage des Stücks (Mannheim, Schwan 1784) wirklich „dem Herrn Professor Abel in Stuttgart gewidmet“ ist.
Wolfgang Heribert Freiherr von Dalberg (* 18. November 1750 in Mainz, an diesem Tag getauft dort in St. Emmeran; † 27. September 1806 in Mannheim) war führender Beamter zunächst in der Kurpfalz, später im Großherzogtum Baden und erlangte Bekanntheit vor allem als Intendant des Nationaltheaters in Mannheim.
Somit ist die andere Nachricht, welche den Fiesko Herrn v. Dalberg dediziert sein lässt, wohl ein Irrtum, den mein zweiter Druck vergebens zurechtzulegen bemüht war.
Der Don Carlos in Prosa, den uns Boas mitteilt, ist von Schillers altem Bekannten, D. Albrecht, nach des Ersteren Tod, schon im Jahr 1808 durch den Druck bekannt gemacht worden. (Vergl. Jördens IV, 469.) Außerdem gibt uns Boas (III, 436 ff.) eine kostbare Reliquie in einem von Schiller für das Theater im Jahr 1796 zum Don Carlos hinzugedichteten Monolog, der dem Publikum die dunkle Handlungsweise des Malthesers erläutern sollte. Er ist im Ton des Wallensteins geschrieben.
Eine neue Schwierigkeit erwächst durch die Mitteilung aus Haug's schwäbischem Magazin, Jahrgang 1780, Stück I, S. 53 (Boas III, 451) wo es heißt: „Herr Schiller, ein geschickter Zögling der Militärakademie, hat am 10. Januar im Examinationssaal, vor dem durchlauchtigsten Herzog und Hof, eine öffentliche deutsche Rede gehalten ‚von den Folgen der Tugend.‘“
Diese Rede besitzen wir jetzt, seit dem Dezember 1839, durch die Mitteilung des Freiherrn F. von Böhnen, eines Verwandten der Herzogin Franziska, abgedruckt aus dem von Schiller eigenhändig geschriebenen, mit allegorischer Zeichnung, Samteinband und goldenen Buchstaben verzierten Original. Nach diesem Original nun wurde die Rede von dem fünfzehnjährigen Schiller schon am 10. Januar 1775 und nicht am 10. Januar 1780 gehalten. [Vergl. Biogr. Redezausg. S. 481. Oktavausg. S. 38. 39. Note (wo statt F. von Böhnen durch einen Druckfehler F. von Böhner steht).] Wie ist der Verstoß bei dem Augen- und Ohrenzeugen Balthasar Haug zu erklären?
Balthasar Haug (* 4. Juli 1731 in Stammheim bei Calw; † 3. Januar 1792 in Stuttgart) war ein deutscher Geisteswissenschaftler und Autor.
Ich führe diesen Widerspruch als Beispiel an, wie schwer die Kritik in manchen Fällen dem Biografen werden musste, wodurch denn auch die vielen Berichtigungen im ersten Buch der Sedezausgabe ihre Entschuldigung finden dürften. Dem Oktavdruck sind sie bereits einverleibt.
Boas (III, 9) hält die auch von mir erwähnte [Redezausg. S. 332, Oktavdruck S. 277.] Einzeichnung Schillers in das Album der Schwarzburg:
Auf diesen Höhen sah auch ich dich, freundliche Natur – ja dich!
für eine heitere Persiflage des gespreizten Dilettantismus, der mit Naturbegeisterung prunkt; früher meinte er, dieser Reim sei das schlaffe, abgezwungene Erzeugnis eines leeren, poesieentblößten Augenblicks. Ich kann die einfachen Worte für keines von beiden halten. Sobald man unter der freundlichen Natur nicht die Gegend versteht, sondern die Natur als Person, als Göttererscheinung, die den in Büchern vergrabenen Stubengelehrten, als welchen sich Schiller zuweilen schildert, auf diesen Höhen überraschte, so fällt alle Trivialität weg.
Die Zweifel, welche mir gegen das S. 243 [Zweiter Druck S. 204.] mitgeteilte komische Gedicht Schillers (die Waschdeputation) aufstiegen, verschwinden vor der Notiz bei Jördens IV, 468, aus der erhellt, dass das Gedicht zum ersten Mal in der Rheinländischen Zeitung im Jahr 1803, und nach einer richtigeren Abschrift in der Neuen Berlin. Monatsschrift 1804, also zweimal noch zu Schillers Lebzeiten gedruckt worden ist, ohne dass dieser protestiert hätte.
Dagegen muss ich mich wohl entschließen, den etymologischen Versuch, kraft dessen der Name Schillers vom Schillerwein abgeleitet wird (Biogr. Redezausg. S. 4. f. Oktavausg. S. 6), wieder aufzugeben. Schilcher und Schiller, sind von alters her über ganz Deutschland verbreitete Namen, die allerdings ursprünglich nichts anders als einen Schieler bezeichnen. Jörg Schilcher, (Jörg Schilcher war ein deutscher Meistersinger des Spätmittelalters. Er gehörte zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Zunft der Meistersinger von München an.) bei späteren Schiller, war einer der besseren Meistersänger des fünfzehnten Jahrhunderts; in diesem und dem folgenden Säkulum (Säkulum (lat. Zeitalter, Menschenalter, Jahrhundert; mittelalterlich Welt [im Sinne von Weltlichkeit, siehe Säkularisierung]) bezeichnet: eine Feier zum hundertjährigen Bestehen.) wurde vieles „in des Schillers Ton“ gedichtet, fast so viel, als im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert in Friedrich Schillers Ton.
Hier mag auch niedergelegt werden, was für die Lebensbeschreibung zu kleinlich erschien, dass Schwaben lange vor seinem Friedrich Schiller auch (um 1588) einen Wolfgang Schiller aus Stuttgart besaß, der freilich nur ein obskurer Magister war; und dass der Pfarrer, welcher den Vater des Dichters getauft hat, Hegel hieß.
Folgendes merkwürdige Urteil eines Franzosen, Herrn von Bonneville, über Schiller vom Jahr 1786 ist dem Verfasser auch zu spät in die Hände gekommen: „C'est un jeune écrivain qui parait fait pour étonner un jour son siècle de la vigüur de son génie. Sa destinée intéresse tout être qui pense.“ [Aus Franz Horns schriftlichem Nachlass.] – –
„Il y a plus, cette tragédie est l'ouvrage du génie, comme tout ce que Scheller (Schiller) nous donne“ – sagt endlich der Moniteur von 1792 in einem enthusiastischen Bericht aus Frankfurt a. M. über den dort eben aufgeführten Fiesko, den er unter anderem auch „le plus beau triomphe du républicanisme en théorie et dans le fait“ nennt.
Vielleicht hätte der Biograf auch der Ehre erwähnen sollen, die dem nächsten Vaterland Schillers durch Aufrichtung der Statue wiederfahren ist, welche Deutschland dem Dichter gesetzt hat. Das Ereignis deuchte ihm aber noch zu frisch. – Hier sei denn auch erwähnt, dass die Frau Großherzogin von Weimar dem Andenken der großen Dichter Weimars mehrere Zimmer des dortigen Schlosses geweiht hat. Das Schiller-Zimmer ist vor kurzem durch den Maler Neher, einen Landsmann Schillers aus Württemberg, fertig geworden.
Jedes der Hauptfelder, in welches das Zimmer geteilt ist, nimmt einen bedeutsamen Moment eines Schiller'schen Dramas ein, welchem andere Szenen aus Schillers Gedichten in kleineren darüber angebrachten Feldern beigegeben sind. Diese Freskogemälde zeichnen sich, nach einem Bericht der allgemeinen Zeitung [Weimar, 23. April 1840.] durch kräftige Zeichnung und frische Farbgebung aus, und manche sind sehr ergreifend in ihrer Wirkung.
Dürfte das Gesamtgemälde des auf den nachstehenden Blättern entworfenen Dichterlebens sich den gleichen Eindruck versprechen!
Gomaringen, den 21. Mai 1840.
Gustav Schwab
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Vorerinnerung zum zweiten Druck
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Die Oktavausgabe war im Druck ziemlich vorgeschritten, als obiges Vorwort geschrieben wurde, und stimmt soweit mit der Sedezausgabe überein. Im späteren Teil ist nur hier und da ein kleiner Beisatz, welcher durch immer neu zutage kommende Notizen nötig wurde, teils im Text, teils in Noten hinzugekommen. Die bedeutendste Beigabe ist das französische Bürgerdiplom mit den zugehörigen Aktenstücken, das jetzt S. 388–391 dieses Drucks in genauer Abschrift zu lesen ist. Auch am Stil hat der Verfasser aufs sorglichste nachgebessert, wie eine Vergleichung mit der Sedezausgabe, von der Mitte des zweiten Buches an, dartun muss. Wesentlicheres zu ändern erlaubte weder die Zeit, noch die Rücksicht auf die Besitzer der eben erst unter das Publikum gekommenen Sedezausgabe, noch die Stimmung des vom Geschick in diesem Augenblick gelähmten Verfassers.
Ganz am Schluss dieses neuen Abdrucks hat der Verfasser noch von einem kleinen Lustspiel Schillers Kunde erhalten, das der Dichter im Körner'schen Haus zu Dresden, als Scherz im Familienkreis, verfasst hat. Das Original besitzt ein Handschriftensammler, dem dasselbe, weil darin Persönlichkeiten auf eine Art berührt sind, die es zur öffentlichen Bekanntmachung nicht eignen, nur unter der Bedingung zediert worden ist, das Lustspiel nicht zu publizieren. Mit Recht kommt er diesem Vorbehalt gewissenhaft nach, und der Biograf kann deswegen über jene bisher ganz unbekannte Reliquie Schillers nicht einmal in gegenwärtiger Vorerinnerung berichten.
Pfarrer Philipp Ulrich Moser, * 3.7.1720 Sindelfingen, † 6.8.1792 Dettingen
Nicht verschwiegen bleibe eine kleine Entdeckung, die dem Verfasser durch Herrn Pfarrer Carl Moser, den Enkel des Pfarrers Philipp Ulrich Moser, der Schillers Lehrer zu Lorch war, als Berichtigung kürzlich mitgeteilt wurde. Dieser hatte nämlich keinen Sohn, welcher Carl hieß; von seinen drei Söhnen war Christoph Ferdinand der Jugendfreund Schillers, und mit ihm teilte der letztere den Jugendunterricht. Es ist klar, dass Schiller, dem ohne Zweifel sein Carl Moor schon frühzeitig im Kopf steckte, dem Gespielen diesen poetischen Namen nur geliehen hat. Der jüngere Sohn Philipp Ulrichs, der als Pfarrer zu Gültlingen auf dem Schwarzwald noch lebende, im 80sten Lebensjahr stehende Vater des Herrn Carl Moser, Herr M. Philipp Heinrich Moser, weiß sich Schillers von seinem elterlichen Haus zu Lorch her noch wohl zu erinnern, denn er ist nur zwei Jahre jünger als Schiller. Der alte Pastor Moser zu Lorch war ein würdiges Motiv zu des Dichters Räubern, ein jüngerer Freund Johann Albrecht Bengels, ernst und fromm, aber milde gegen Andersdenkende, und ohne Manier in seinem Betragen. Wenn er zu Dettingen bei Heidenheim, wo er seit 1767 Pfarrer war, über die Straße ging – so erzählten seine Töchter dem Enkel – so blieb Jung und Alt stehen, und bückte sich vor der ehrwürdigen Gestalt, „als wäre es ein Prälat.“ Wahrscheinlich flößte seine würdevolle Persönlichkeit dem jungen Schiller jene nachhaltige Neigung zum geistlichen Beruf ein. Pfarrer Moser in Lorch war ein guter Orientalist und Verfasser eines hebräischen Lexikons, das sein noch lebender Sohn Philipp Heinrich gefeilt und zum Druck gefördert hat. Christoph Ferdinand, der Pseudo-Carl Schillers, war mit diesem nie in Ludwigsburg auf der Schule. Ob er später dort sich aufgehalten und nach Mannheim und Weimar mit Schiller korrespondiert hat, ist nicht ausgemittelt und könnten die an ihn vermeintlich gerichteten Briefe an Hoven oder an einen anderen Freund daselbst geschrieben sein. Die älteste Tochter des Lorcher Pfarrers erinnerte sich Schillers auch noch: „er sei ein zwar etwas bleich aussehender und geschnäderter [schwäbisch, für zartgebauter], jedoch gesunder und munterer Knabe gewesen.“
Der Jugendfreund Schillers wurde Pfarrer zu Lautern und Wippingen bei Blaubeuren, nachher zu Herbrechtingen, wo er um 1800 starb. Der frühvollendete Philosoph G. F. Bockshammer war sein Schwiegersohn. Philipp Ulrich Moser, der Lehrer Schillers, starb, nach dem Lebenslauf, den wir Schillers Freunde verdanken, am 6. August 1792.
Erfreulich wäre es, wenn durch diese Biografie hier und da eine weitre teure Erinnerung an den großen deutschen Dichter aus dem Dunkel, in welchem sich noch immer manches bergen mag, hervorgelockt würde.
Gomaringen, den 55, Dezember 1840.
Gustav Schwab
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Erstes Buch – Das Geschlecht des Dichters
Die berühmtesten deutschen Dichter bringen keinen Glanz des Geschlechtes mit: bei wenigen wird noch der Groß- oder Urgroßvater genannt, meistens aber verliert sich schon mit dem Vater der Name in unaufgehellte Dunkelheit, und der Gefeierte selbst steht in jener Größe da, welche ein römischer Cäsar mit dem bekannten Wort gestempelt hat: „dieser Mann scheint mir aus sich selbst geboren.“ Wenn man sich jedoch die Mühe nähme, den Familien unserer großen Männer rückwärts nachzugehen, so ist darum, dass man in keine Paläste tritt, nicht zu fürchten, dass man in Schlupfwinkel geraten würde, deren ein Lebensbeschreiber, dem die Ehre seines Helden am Herzen liegt, sich zu schämen hätte. Vielmehr dürfte man zuletzt sich in irgendeinem ehrlichen deutschen Dorf befinden, wo in den Geschlechtsregistern ein reines Blut und ein unbefleckter Name von Jahrhundert zu Jahrhundert rückwärts jenen freien Ahnen sich nähert, die zwar nicht mit erblichen Geschlechtsnamen prangten, aber deren starker Arm einst die Römer aus den Wäldern des Vaterlandes verjagt hat.
So kühne Hoffnung dürfen wir von Erforschung des Geschlechtes schwäbischer Dichter freilich nicht hegen. Die Kirchenbücher der württembergischen Dörfer namentlich gehen wohl insgesamt nicht bis zur Reformation herab, sehr viele sind nach der Nördlinger Schlacht von den Kaiserlichen zerstört worden. Doch ist es dem Verfasser dieser Lebensbeschreibung durch die Gefälligkeit zweier Pfarrämter gelungen, den Mannsstamm Schillers mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bis ins siebente Glied rückwärts und in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts zu verfolgen.
Schillers Vater, Johann Kaspar Schiller, ist zwei Stunden nördlich von der Ghibellinenstadt Waiblingen und in ihrem Oberamt, zu Bittenfeld (nicht Bitterfeld) einem altwürttembergischen Pfarrdorf von etwa tausend Einwohnern am 27. Oktober des Jahres 1723 geboren: dessen Vater, der Großvater des Dichters, hieß Johannes Schiller, war Schultheiß des Dorfes und Bäcker, und am 20. Oktober 1682 zu Bittenfeld geboren; heiratete am 30. Oktober 1708 eine Bewohnerin des Dorfes Altdorf, Eva Margaretha Schatzin, und starb am 11. Juni 1733.
Der Vater des Johannes, der Urgroßvater des Dichters, hieß, wie der Enkel, Johann Kaspar Schiller, war Mitglied des Gerichts und, wie sein Sohn, ein Bäcker. Seine Gattin hieß Anna Katharina.
Er starb 37 Jahre 8 Monate alt am 4. September 1687. Dieser ist im Tauf- und Kopulationsbuch Bittenfelds nicht zu finden, und er soll von Großheppach nach Bittenfeld gezogen sein. [Urkundliche Mitteilung des Pfarramts Bittenfeld.]
Wir wenden uns also nach diesem stattlichen Dorf des weinreichen Remstals, das gleichfalls im Waiblinger Oberamt und eine kleine Meile südöstlich von der Stadt Waiblingen gelegen, etwa 1.400 Einwohner zählt und durch die Zusammenkunft der Helden Marlborough, Prinz Eugen und Markgraf Ludwig von Baden im dortigen Wirtshaus zum Lamm am 9. Juni des Jahres 1704 eine geschichtliche Illustration erhalten hat.
Prinz Eugen von Savoyen
Wirklich entdecken wir hier einen Hans Schiller, geboren den 13. März 1650, dessen Alter bis auf 2 Monate mit der Altersangabe Hans Kaspars zu Bittenfeld übereinstimmt, und der weder im Kopulationsbuch noch im Totenbuch Großheppachs zu finden ist. Die kleinen Differenzen können denjenigen, der die Ungenauigkeit alter Kirchenregister aus der Erfahrung kennt, nicht irremachen. Höchst wahrscheinlich ist Hans Schiller von Großheppach der Urgroßvater des Dichters. Der Vater des Hans hieß Ulrich Schiller, wie es scheint, geboren den 2. Juni 1617; Ulrichs Vater war Georg Schiller, geboren den 15. Mai 1587; Georgs Vater Jakob Schiller, zu dessen Geburt die Kirchenbücher nicht mehr hinaufreichen, der aber um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts geboren sein wird. Jakobs uns unbekannter Großvater muss im besten Mannesalter den Bauernkrieg der Gegend erlebt haben, und als im Jahr 1514 „der arme Kunrad“ auf dem Kappelberg, eine Stunde von Heppach, sich verschanzte, kann ein Schiller Zeuge gewesen sein. Von Jakob Schiller bis Friedrich von Schiller sind es sieben Generationen. Hans Schiller hatte einen Bruder Jerg und mehrere Schwestern. Der Name Schiller kommt auch sonst in den Kirchenbüchern Großheppachs sehr häufig vor, und mehrere dieses Namens werden als Gerichtsschreiber und Schultheißen aufgeführt. [Urkundliche Mitteilung des Pfarramts Großheppach.]
Urheberrechtsinhaber: http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/friedrich-schiller/schillers-familie-im-bild.html
Vater Johann Kaspar Schiller, geb. 10. Nov. 1759 in Marbach am Neckar, gest. 9. Mai 1805 in Weimar.
Zu Marbach selbst, dem Geburtsort des Dichters, findet sich ein Zweig jenes Geschlechts: einem Johann Kaspar Schiller, Bürger und Bäcker, wurde dort im Jahr 1727 ein Christoph Friedrich und im Jahr 1731 ein Johann Friedrich Schiller geboren. [Urkundliche Mitteilung des Diakonats Marbach. Der letztere, ein Taufpate unseres Schiller, ist der auf Balthasar Haugs Autorität hin öfters für Schillers Bruder gehaltene und zuweilen (noch 1838) mit unserem Dichter verwechselte entfernte Verwandte desselben, der in London mehreres und unter anderem auch Robertsons Geschichte von Amerika (2te Auflage 1801) übersetzt hat, später Buchdrucker in Mainz wurde und zuletzt angeblich noch nach Schillers Tod Buchhändlersgenosse in Mannheim war; wonach Hoffmeister und H. Döring zu berichtigen sind. Januar 1840.]
Durch diese Genealogie, welche das Geschlecht des Dichters mit großer Wahrscheinlichkeit mitten aus einem Rebental aufsprossen lässt, wird auch ein Licht auf die Bedeutung seines Geschlechtsnamens geworfen. Schiller heißt nämlich im Remstal, wie in anderen Weingegenden, am Neckar, am Niederrhein, in Ungarn, seit Jahrhunderten ein Wein, dessen Farbe schielt, der weder weiß noch dunkelrot ist und aus gemischten Traubensorten gewonnen wird; denn schielen heißt in den süddeutschen Dialekten schillen. In einem anderen Weindorf jenes Tales ist eins der ausgebreitetsten Geschlechter das der „Unger,“ was unwillkürlich an die Ungertrauben erinnert; sollte nicht auch Schillers Urvater zu Heppach im Remstal seinen Namen vom Schillerwein, den er baute, erhalten haben? So sind wir wenigstens nicht genötigt, den ersten Schiller zu einem Strabo oder Pätus zu machen, römische Familiennamen, die einen Schieler bezeichnen.
1723 bis 1759
Vater Johann Kaspar Schiller als Leutnant
Johann Kaspar Schiller, des Dichters Vater, wird nach den Zeugnissen verschiedener Zeitgenossen als einfach, kraftvoll, gewandt, tätig fürs praktische Leben, dabei rasch und rau, geschildert; nur eines nennt ihn einen im Grunde abenteuerlichen, schiefen, stets, über Entwürfen brütenden Kopf. Nach der Schilderung eines noch lebenden Hausfreundes war er von kleiner, wohl proportionierter Statur, kräftig und lebendig, seine Stirn gewölbt, sein Auge lebhaft; er hatte eine strenge, militärische Dressur, die sich auch auf die Religionsübungen des Hauses erstreckte, während seine inneren Überzeugungen etwas von der kühlen Aufklärung des Zeitalters an sich trugen. Wissenschaftliche Studien im strengeren Sinn hatte er nicht gemacht, obgleich die verklärende Freundschaft oder Bewunderung für den Dichter, seinen Sohn, selbst dem Vater Beschäftigung mit der Dichtkunst und eine natürliche Anlage zu derselben, viele Belesenheit in der Weltgeschichte, Studium der Philosophie, der Mathematik, der Militärgeschichte und namentlich des dreißigjährigen Krieges zuschreibt. Dies alles beschränkte sich wohl auf Liebhabereien, Lektüre, oder der alte Schiller wird mit seinem Verwandten Johann Friedrich Schiller [S. oben. Der Verfasser wird sich über diesen nicht ganz unmerkwürdigen Mann an einem anderen Ort verbreiten.] verwechselt.
Im Jahr 1745, als ein Jüngling von 22 Jahren, war dieser Johann Kaspar, der seinen Vater in einem Alter von nicht vollen 10 Jahren verloren hatte, mit einem bayrischen Husarenregiment als Feldscherer in die Niederlande gegangen und wurde hier auch als Unteroffizier zu kleinen kriegerischen Unternehmungen gebraucht.
Der Aachener Friede des Jahres 1748 gab ihn seinem Vaterland Württemberg zurück, und er heiratete am 22. Juli 1749 [Urkundlich.] die Mutter des Dichters zu Marbach, einem unfern von Ludwigsburg anmutig auf einem Rebenhügel am Neckar gelegenen Landstädtchen.
Marbach
Die Wundarzneikunst nährte ihn hier nur kümmerlich. Er gab sie daher mit dem Ausbruch des siebenjährigen Krieges auf und wurde Fähnrich und Adjutant bei dem damaligen Regiment Prinz Louis, das ein Teil des Hilfskorps war, welches in einigen Feldzügen jenes Krieges mit dem österreichischen Heer focht. Als in Böhmen dieses Korps durch ein ansteckendes Fieber heimgesucht wurde, besorgte Schiller, den seine Mäßigkeit gesund erhielt, da es an Wundärzten fehlte, die Kranken und vertrat beim Gottesdienst die Stelle des Geistlichen durch Verlesung von Gebeten und Leitung des Gesanges. In der Folge stand er bei einem anderen Regiment in Hessen und Thüringen, und kehrte nach beendigtem Krieg in das Quartier zu Ludwigsburg zurück, wo er landwirtschaftlichen Beschäftigungen oblag und Gründer einer glücklich gedeihenden Baumschule wurde.
Herzog Carl von Württemberg übertrug ihm bald eine größere Anstalt dieser Art, die auf der Solitude, dem schönen herzoglichen Waldschloss bei Stuttgart, errichtet worden war. Hier lebte er in der späteren Zeit ununterbrochen, von seinem Fürsten geachtet und zuletzt mit dem Majorstitel geschmückt, dem Gartenbau und der Baumzucht, die er als Kenner trieb und pflegte, und über welche er, mit Beihilfe fremder Redaktion, auch Bücher geschrieben hat. Von seinen Untergebenen war er wegen seiner Biederkeit und Unparteilichkeit geliebt, aber auch um seiner strengen Ordnungsliebe willen gefürchtet.
Herzog Karl Eugen von Württemberg, * 1728 – † 1793
Gattin und Kinder bewiesen ihm die ehrerbietigste Hochachtung und die innigste Liebe. Er erlebte noch den vollen Ruhm seines Sohnes, und langte mit vor Freude zitternden Händen nach den Manuskripten, die aus der Fremde an die Verlagshandlung gesendet, vor allen Dingen dem glücklichen Vater mitgeteilt wurden.
1723 bis 1759
Bis ins hohe Lebensalter gesund, wurde er im dreiundsiebzigsten Lebensjahr an den Folgen eines vernachlässigten Katarrs nach achtmonatlichem Leiden am 7. September 1796 von der Seite seiner Gattin genommen. Über seinen Tod schrieb der Sohn an die geliebte Mutter Worte, die ein unsterbliches Denkmal seiner Gesinnung sind: „Auch wenn ich nicht einmal daran denke, was der gute verewigte Vater mir und uns allen gewesen ist, so kann ich mir nicht ohne wehmütige Rührung den Beschluss eines so bedeutenden und tatenvollen Lebens denken, das ihm Gott so lange und mit solcher Gesundheit fristete, und das er so redlich und ehrenvoll verwaltete. Ja wahrlich, es ist nichts Geringes, auf einem so langen und mühevollen Lauf so treu auszuhalten, und so, wie er, noch im dreiundsiebzigsten Jahr mit einem so kindlichen reinen Sinn von der Welt zu scheiden. Möchte ich, wenn es mich gleich alle seine Schmerzen kostete, so unschuldig von meinem Leben scheiden, als er von dem seinigen! Das Leben ist eine so schwere Prüfung, und die Vorteile, die mir die Vorsehung in mancher Vergleichung mit ihm gegönnt haben mag, sind mit so vielen Gefahren für das Herz und für den wahren Frieden verknüpft! ... Unserem teuren Vater ist wohl, und wir alle müssen und werden ihm folgen. Nie wird sein Bild aus unserem Herzen erlöschen, und der Schmerz um ihn soll uns nur noch enger unter einander vereinigen.“
Vom Vater des Dichters wenden wir uns zur Mutter, die uns wichtiger ist, weil sie zu seinem Wesen und seiner Bildung mehr beigesteuert zu haben scheint.
1640 bis 1759
Mutter Elisabetha Dorotea Schiller, geb. Kodweiß
Elisabetha Dorotea Kodweiß ward zu Marbach, fünf Stunden von Stuttgart und eine Meile von Ludwigsburg entfernt, am 13. Dezember 1732 [Urkundlich] geboren. Ihr Vater war Georg Friedrich Kodweiß, nicht Johann Friedrich, wie ihn, einem Schreibfehler des Marbacher Taufbuchs nach, Schillers Biografen hier und da nennen. Dieser mütterliche Großvater des Dichters war am 4. Juni 1698 geboren; er war ein ehrsamer Bürger und Bäcker, Sohn und Enkel zweier Johann Kodweiß, beide Bäcker, der ältere auch Bürgermeister von Marbach (geb. den 5. April 1640). Weiter rückwärts erscheint das Geschlecht in den mangelhaften Kirchenbüchern der am 17. Juli 1693 eingeäscherten Stadt Marbach nicht. [Urkundliche gefällige Mitteilung des Diakonats Marbach.] Eine Familiensage leitet dasselbe von einem herabgekommenen Adelsgeschlecht von Kottwitz (nicht Kattwitz) ab, und lässt es aus Norddeutschland nach Schwaben einwandern. Schillers Muttervater hatte sich als Wirt und Holzmesser ein kleines Vermögen rechtlich erworben, dasselbe aber bei einer großen Neckarüberschwemmung eingebüßt. Mit Unrecht wird also Schillers Mutter das Kind wohlhabender Landleute genannt, und durch ein seltsames Missverständnis; denselben eine gut eingerichtete Wirtschaft in Cannstadt und Ludwigsburg zugeschrieben. Vielmehr musste der herabgekommene Mann zuletzt seine Zuflucht zur Torwartsstelle zu Marbach in einem noch jetzt vorhandenen Haus nehmen, das damals eine armselige Hütte war, die unser Dichter als Knabe, wenn er den Großvater von Ludwigsburg her besuchte, aus Scham nicht von vorn betreten mochte, sondern in die er vom Stadtgraben aus hinterwärts hineinschlüpfte. [Gefällige Mitteilung des Herrn Oberamtsrichters Rooschütz zu Marbach.]
1732 bis 1759
Schillers Mutter war schlank, ohne eben (wie häufig erzählt wird) groß zu sein, in der Jugend hochblond, das Gesicht durch Sommerflecken gezeichnet, die Augen etwas kränklich, die Züge von sanftem Wohlwollen und Empfindung beseelt; die Stirn breit. Mit gewöhnlichem Verstand [Versicherung von Hausfreunden.] verband sie Innigkeit des Gefühls, wahre Frömmigkeit, Sinn für Natur, Anlage zur Musik und selbst zur Poesie, daher sie im Kreis ihrer Gespielinnen als Mädchen wohl für eine Schwärmerin galt. Das Spiel der Harfe soll sie leidenschaftlich geliebt haben, und den Gatten, der ihre erste Liebe war, begrüßte sie im achten Jahr ihrer damals noch kinderlosen Ehe am ersten Tag des Jahres 1757 mit den einfachen Strophen, die, als von Schillers Mutter gedichtet, wohl im Gedächtnis seiner Verehrer aufbewahrt werden dürfen:
O hätt' ich doch im Tal Vergissmeinnicht gefunden und Rosen nebenbei! Dann hätt' ich dir gewunden im Blütenduft den Kranz zu diesem neuen Jahr, der schöner noch als der am Hochzeittage war.
Ich zürne, traun, dass jetzt der kalte Nord regieret, und jedes Blümchens Keim in kalter Erde frieret! Doch eines frieret nicht, es ist mein liebend Herz, dein ist es, teilt mit dir die Freuden und den Schmerz.
So anspruchslos diese Verse sind, so zeugen sie doch von einer Fertigkeit im Versbau und einem Sinn für den Rhythmus, welche nicht zweifeln lassen, dass die Anlage zur äußerlichen Form der Poesie bei Schiller ein Erbstück der Mutter war, zu deren Lieblingsbüchern Klopstocks damals kaum erschienene Messiade, Uz und Gellert gehörten. Sonst unterrichtete sie sich gerne in der Naturgeschichte, und sie, die bestimmt war, die Mutter eines berühmten Mannes zu werden, vertiefte sich auch am liebsten in die Lebensbeschreibungen berühmter Männer.
Schillers Mutter überlebte den Gatten sechs Jahre, welche sie teils in dem württembergischen Landstädtchen Leonberg, unweit von der Solitude, teils bei ihrer Tochter Louise in der Nähe von Heilbronn zubrachte. Sie starb Anfang Mai 1802. Von ihrem Tod schreibt der Sohn: „Möge der Himmel der teuren Abgeschiedenen alles mit reichen Zinsen vergelten, was sie im Leben gelitten und für die ihrigen getan. Wahrlich sie verdiente es, liebende und dankbare Kinder zu haben, denn sie war selbst eine gute Tochter für ihre leidenden und hilfsbedürftigen Eltern, und die kindliche Sorgfalt, die sie selbst gegen die letzteren bewies, verdient es wohl, dass sie von uns ein Gleiches erfuhr.“
Aus der Ehe der schillerschen Eltern entsprossen vier Kinder, drei Töchter und als zweites Kind der Sohn.
Christophine Reinwald
Die älteste Tochter, Elisabethe Christophine Friederike (geb. den 4. September 1757) Witwe des Hofrats Reinwald zu Meiningen, lebt noch dermalen (1839), und konnte sich mitten im Greisenalter „des völligen Gebrauchs ihrer Sinne und einer Heiterkeit der Seele“ rühmen, „die gewöhnlich nur die Jugend beglückt.“ Auch das dritte Kind, Dorotee Louise, Gattin des vor Kurzem verstorbenen Stadtpfarrers Frankh zu Möckmühl im Württembergischen, überlebte den Bruder; die jüngste Tochter Nanette, oder, wie Schiller selbst sie nennt, Nane, eine „liebe und hoffnungsvolle Schwester“ des Dichters, durch Geist und jungfräuliche Schönheit ausgezeichnet, starb schon im achtzehnten Jahre (1796), als gerade ihr Bruder „einige Vorkehrungen treffen wollte, die ihr Glück vielleicht gegründet hätten.“
* * *
Schiller bei den Eltern
1759 ff
Johann Christoph Friedrich Schiller ward nicht den 10., wie bis heute einstimmig gesagt wird, sondern den 11. November [Marbacher Taufbuch.] 1759 zu Marbach geboren.
Schillers Geburtshaus in Marbach am Neckar
Die Mutter hatte, nach einem sehr glaubwürdigen Zeugnis, ihren Gatten, der damals Lieutenant im Infanterieregiment des Generalmajors Romann war, in dem Lager besucht, wo er bei den gewöhnlichen Herbstübungen des württembergischen Militärs sich aufhalten musste, und in seinem Zelt fühlte sie die ersten Anzeichen ihrer nahen Entbindung.
Phillip Joachim von Roman, Generalmajor – 1758
So hätte beinahe Schiller das Licht der Welt zuerst in einem Lager erblickt; doch gelang es der Mutter noch, in ihr elterliches Haus, [Damals noch nicht das Torwartshaus, sondern das jetzt vom Bäcker Fischer bewohnte Haus, bei einem großen Brunnen auf der Straße nach Murr] von wo aus sie den Gatten besucht hatte, nach Marbach zurückzukehren, wo sie eines Knaben genas, den der Vater „dem Wesen aller Wesen“ empfahl, „dass es demselben an Geistesstärke zulegen möchte, was er aus Mangel an Unterricht nicht erreichen konnte.“
Eine uralte Sage lässt an der Stelle dieser Stadt, wo jetzt die lustigen Rebenhügel prangen, im wilden Wald der Urzeit einen Riesen hausen, welcher ein leibhaftiger Heidengott – Mars oder Bacchus – gewesen, und von ihm leitet sie den Namen der Stadt ab. Ein geistiger Riese war es auch jetzt, der in der Riesenstadt geboren ward, und die Poesie hat sich dieser sinnbildlichen Beziehung bemächtigt. Schiller kam als unscheinbares und schwächliches Kind zur Welt. Die Mutter war krank und konnte ihn nicht stillen, daher ihre Schwester, Margaretha Stolpp (Eva Margaretha Stolpp (geb. Schiller) 1728 – 1792), welche dem Vater Schiller zum Besitz seiner Gattin geholfen hatte, den Knaben aus Pietät an die Brust nahm. Schiller erkannte dies mit dankbarem Gemüt, und als er im Jahr 1793 im Vaterland war, besuchte er von Ludwigsburg aus die gute Tante, zu der er sich auch in seinen Kinderjahren vor der Strenge des Vaters manches Mal geflüchtet hatte, zu wiederholten malen. [Alles neue mündliche Notiz des Sohnes der Margaretha, des noch lebenden 83jährigen Christian Stolpp zu Marbach, vormaligen k. österr. Proviantmeisters. – Zweiter Druck. Januar 1840.] Indessen erwuchs das Kind, anfangs fern von der Aufsicht eines strengen Vaters, auf dem Arm einer zarten Mutter, langhalsig, sommerfleckig, rotlockig, wie diese, und entfaltete sich unter heiteren und harmonischen Eindrücken. Schiller selbst zählte die späteren Besuche in dem großelterlichen Haus zu seinen freundlichsten Jugenderinnerungen.
1763 ff
Es dauerte gegen vier Jahre, bis der Vater mit dem Hubertsburger Frieden (1763) aus dem siebenjährigen Krieg heimgekehrt, seinen bleibenden Wohnsitz wieder im Vaterland nahm. So lange blieb der Knabe Fritz im Haus der genügsamen Großeltern unter der ausschließlichen Pflege der Mutter. Die Erziehung des zärtlichen, von den Kinderkrankheiten schwer heimgesuchten Kindes wurde mit größter Liebe und Aufmerksamkeit besorgt, und krampfhafte Zufälle, an welchen das Kind wiederholt litt, überwand glücklich seine gute Natur.
An der geistigen Ausbildung des Sohnes soll auch außer dem heimgekehrten Vater ein mütterlicher Oheim des Dichters, und ein Arzt und Hausfreund Anteil genommen, jener dem kleinen Fritz den ersten Unterricht im Schreiben, in der Naturgeschichte und der Geographie erteilt, dieser ihn spielend über den Bau der Welt und des menschlichen Körpers belehrt haben. Schon im vierten oder fünften Jahr war der Kleine auf alles aufmerksam, was der Vater im Familienkreis vorlas, eilte von seinen liebsten Spielen zu Bibelandacht und Gebet herbei, und war mit den blauen, gen Himmel gerichteten Augen, den hochblonden Locken um die helle Stirn, und den gefalteten Händchen, wie ein Engelskopf anzuschauen. So schilderte ihn die ältere Schwester. Auch später unter Kameraden, ging Schiller nie ohne Nachtgebet zur Ruhe; doch konnte er das laute Beten seiner Schlafgenossen nicht recht leiden: „es bedarf keines solchen Geplärres“, sprach er. [Mündliche Nachricht.] Folgsamkeit, sittlicher Zartsinn, Nachsicht gegen Geschwister und Gespielen zeichneten schon den Knaben aus. Den ununterbrochensten Einfluss auf Gemüt und Geist übte bei ihm die Mutter. An Sonntagsnachmittagen, wenn sie mit den beiden Kindern aus dem Haus, das seit des Vaters Rückkehr die Eltern für sich bewohnten, nach der nahen Großelternhütte wandelte, pflegte sie ihnen das kirchliche Evangelium des Tages auszulegen, und rührte einst am Ostermontag durch die Erzählung von Christus und den zwei nach Emmaus wandernden Jüngern die beiden Geschwister zu heißen Tränen. Zu anderer Zeit unterhielt sie die Kinder mit Zaubermären und Feengeschichten, und später, so wie die Fassungskraft des Knaben es erlaubte, führte sie ihn auch in die Hallen der deutschen Dichtkunst ein, soweit ihr selbst diese zugänglich waren.
Friedrich Gottlieb Klopstock, 1724 – 1803
Klopstocks Messiade, Opitzens Gedichte, Gerhardts (Paul Gerhardt (*22. März 1607 in Gräfenhainichen; † 6. Juni 1676) herrliche, geistliche Lieder, denen sich das Dichtergemüt des Sohnes mit Vorliebe zuwandte, Gellerts fromme Gesänge, die dem Knaben auch bald sehr teuer waren, wurden gelesen: nur als der üppige Auswuchs der schlesischen Schule, Hofmannswaldau, an die Reihe kam, und der Knabe in einem Sonett die Geliebte dieses Dichters „den Brustlatz kalter Herzen, der Liebe Feuerzeug, den Blasebalg der Seufzer, das Löschpapier der Tränen, die Sandbüchse der Pein, das Schlafstühlchen der Ruhe, und der Phantasie Klistier“ musste nennen hören, wandte er sich mit lächelndem Widerwillen von dem Buch ab und rief: „ich will kein Klistier!“ und wenn die gewöhnlichen Neujahrsgratulanten der Landstädte und Dörfer mit ihren Verschen anrückten, so sagte er wohl: „Mutter! es ist ein Hofmannswaldau draußen!“
1765 ff
Der Schauplatz des hier zuletzt Erzählten ist nicht mehr Marbach. Denn im Jahr 1765 wurde Schillers Vater, jetzt Hauptmann im Generalmajor von Stein'schen Infanterieregiment, von seinem Herzog als Werbeoffizier nach der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd geschickt, und durfte seinen Aufenthalt im Dorf und Kloster Lorch, als nächstem württembergischem Grenzort, nehmen. Dadurch wurde der Knabe im sechsten Jahr aus dem lachenden Neckartal [Er scheint schon vorher von Marbach nach Cannstadt gebracht worden zu sein.] in die ernste Stille eines von Nadelhözern umstellten Wiesengrundes versetzt.
Das Dorf Lorch liegt am Fuß des Hügels, den, schon auf der Staffel eines Tannengebirges, die Klostergebäude krönen, vor deren Manier auf einem Vorsprung eine uralte Linde Wache hält: der Hohenstaufen mit einem Gefolge von Bergen blickt nach dem Kloster herüber, das zahlreiche Gräber jenes erlauchten Geschlechtes umschließt; in der Tiefe schlängelt sich der Remsfluss freundlicheren Gegenden und segensreichen Nebenpflanzungen zu.
In dieser Einsamkeit, an der das Herz des Dichters noch in späten Jahren hing, wurde jetzt Schillers Erziehung in Gemeinschaft mit einem Freund des Hauses, dem Ortspfarrer Moser, [Philipp Ulrich Moser, geb. zu Sindelfingen den 3. Juli 1720, Pfarrer zu Hausen an der Würm 1750, zu Lorch 1757–1767, zu Dettingen und Heuchlingen 1767. Er lebte noch im Jahr 1790. Steinalte Leute zu Lorch, welche von ihm konfirmiert wurden, wissen (1840) noch zu erzählen, „dass er ein strenger Mann gewesen, der den jungen Leuten scharf nachgesehen, und sie nach Befund auf dem Rathaus habe wissen lassen, wie viel ein Pfund Heller koste“, d. h. diese übliche Strafsumme ihnen nicht selten auferlegt. „Davon habe er viel Verdruss und wenig Dank gehabt und sei weiter gezogen.“ – Gefällige Mitteilung des Pfarramtes zu Lorch.] einem wackeren Mann, besorgt, der nur wenig Jahre älter war, als Schiller der Vater. Von ihm erhielt der kleine Fritz den ersten Unterricht in der lateinischen und griechischen Sprache, und Schiller hat seinem Lehrer durch den Charakter des Pastors Moser in den Räubern ein dankbares Denkmal gesetzt. Mit dem Sohn dieses würdigen Geistlichen, Carl Moser, schloss der Knabe die erste Jugendfreundschaft, deren Spuren sich noch im reifen Alter des Dichters vorfinden. Auch seine lang in der Seele fortglimmende Neigung zum Studium der Theologie scheint aus den Eindrücken zu stammen, die er im Pfarrhaus zu Lorch aufgenommen hatte. Oft sah man ihn mit einer schwarzen Schürze statt des Kirchenrocks umbunden, ein Käppchen auf dem Kopf, von einem Stuhl herab der Mutter und Schwester sehr ernsthaft predigen, und seine kindischen aus Bibelsprüchen zusammengereihten Vorträge zeigten schon eine Spur logischen Zusammenhangs.
Schillers gründlichster Biograf findet in diesem Spiel schon die tiefste Bestimmung der Natur träumend erraten. „Schiller ist wirklich dem Wesen nach ein Prediger geworden, aber nicht von der Kanzel, sondern von der Schaubühne herab, nicht vor einer konfessionellen Gemeinde, sondern ein Prediger vor der großen Menschenfamilie.“ [Hoffmeisters Leben Schillers. 1. Bd. S. 10.] (Karl Hoffmeister (* 15. August 1796 in Billigheim; † 14. Juli 1844 in Kön) war ein deutscher Philologe, Literaturhistoriker und Pädagoge.)
Von der Entwicklung seines sittlichen Charakters wird schon aus dieser frühesten Periode nur Gutes gemeldet. Er ging gerne in Kirche und Schule, und nur die Natur konnte ihn zuweilen zu kleinen Diebstählen an der Schulzeit verführen, die dem strengen Vater verborgen bleiben mussten; aber auch auf die Spaziergänge begleitete ihn sein gutes Gemüt und seine Menschenliebe, und mit grenzenloser Freigebigkeit verschenkte er an Arme, was er besaß. Versunken in Naturgenuss stand einst der achtjährige Knabe mit seinem Jugendfreund im Wald und rief: „O Karl, wie schön ist es hier! Alles, alles was ich habe, könnte ich hingeben, nur diese Freude möchte ich nicht missen!“ Er wurde beim Wort genommen: unter der Last eines Reisigbündels schlich ein Kind in Lumpen durch den Wald. „Das arme Kind!“ rief der kleine Schiller voll Mitleiden, kehrte seine Taschen um, und gab, was er hatte: Kreuzer, und eine alte silberne Schaumünze, ein Geburtstagsgeschenk seines Vaters, von der er sich recht ungern trennen mochte. Ein anderes Mal stellte er sich dem Vater ohne Schnallen an den Schuhen dar, und gestand, dass er dieselben einem armen Jungen zum Sonntagsschmuck gegeben, weil er sich selbst mit seinen Sonntagsschnallen begnügen könne. Und an Kameraden verschenkte er nicht nur Dinge, über die er frei verfügen konnte, sondern, wenn ihre Armut sein Mitleiden recht rege machte, Bücher, ja Kleidungsstücke und Bettlaken, so dass selbst der Vater mit fühlbaren Züchtigungen einschreiten musste, deren Vollziehung jedoch zuweilen die sanftere Mutter sich erbat. Im Übrigen waren Gehorsam und Folgsamkeit Grundzüge seines Charakters.
Die Natur war der Lieblingsaufenthalt des Knaben; oft wünschte er in der schönen Gegend der Sonne mit lautem Gesang, der überhaupt seine jugendlichen Schritte im Freien fast immer melodisch begleitete, eine gute Nacht, und wenn er sich der herrlichen Farbenmischung an den Wolken erfreute, rief er wohl gar Stuttgarts Maler laut auf, es zu versuchen und diese Farben auch so aufzutragen. Einer seiner Lieblingsspaziergänge war der Kalvarienberg der katholischen Nachbarstadt Gmünd, in welche Stadt der Vater beinahe täglich wanderte, um seinem unglücklichen Werber-Beruf nachzugehen; und nicht selten weilte er in den dunkeln Hallen der uralten, schmucklosen, düsteren Kirche Lorchs bei den Gräbern der Hohenstaufen. „Diese religiösen und geschichtlichen Eindrücke in des Kindes Gemüt aufgenommen, waren vielleicht die ersten Fäden des magischen Gewebes der tragischen Darstellung, die der Genius in seiner Seele anlegte.“ Der Vater erklärte ihm dazu die Geschichtsdenkmale der Gegend; der Sohn durfte ihn in die Übungslager, zu den Förstern im Wald und reisend auf das schöne Lustschloss Hohenheim begleiten. Auf solche Weise nährten wechselnde Lebensbilder seine Phantasie, und ein einfaches Hausleben kräftigte dabei sein Inneres. Denn „schlichte Sitte, Ehrgefühl und zarte Schonung der Frauen im Familienkreis waren die Lebenselemente, in denen der Knabe aufwuchs.“ Selbst der raue Vater zeigte der Mutter und den Töchtern gegenüber jenes Zartgefühl, das die edle Berichterstatterin, von der wir diese Worte entlehnt haben, als eine ursprüngliche Stimmung der Organisation betrachtet, als eine der Eigenschaften, der man am ersten Erblichkeit zuschreiben kann. So war denn dieses Zartgefühl, verbunden mit Wahrheitsliebe und Gewissenhaftigkeit, auch bei Schiller ein elterliches Erbteil.
Aber jene feinere Behandlung des Knaben und das Beispiel zarter Familienliebe wirkte bei diesem weder leibliche noch geistige Verzärtelung. Sein kühner Geist wagte es schon früh, über die Grenzen des Elternhauses hinaus zu schweifen, und es regte sich bei Zeiten in ihm jener Weltbürgersinn, der ihn als dramatischen Dichter so edel, frei und stolz machte. Die Tagebücher des neunjährigen Knaben ergingen sich in der Länderbeschreibung und Geschichte Persiens und den Taten Alexanders, und wenn er von Schiffern und Reisenden erzählen hörte, konnte er oft begeistert ausrufen: „Vater, ich muss in die Welt! Auf einem Punkt der Welt bin ich; die Welt selbst kenne ich noch nicht.“ Und der Mutter, die ihn ermahnte, im Vaterland zu bleiben und sich redlich zu nähren, erwiderte er mit glühenden Wangen: „Vaterland, Vaterland! haben wir denn ein anderes als die ganze Welt? Wo es Menschen gibt, da ist das Vaterland. Und verlasse ich dann meine Eltern und Freunde, wenn ich zum Beispiel in Ispahan bin, mich dankbar ihrer erinnere, und alles das, was ich mein Glück nenne, mit ihnen teile?“
Christoph Kolumbus
Siehe Band 124e in dieser gelben Buchreihe: Forschungsreisen
In dieser Sehnsucht verschlang er die Reisen des Columbus, die Eroberungen des Kortes, die Weltumseglung Dampierre‘s. Sein Geist schien zu ahnen, zu welchen Wanderungen durch das Ideengebiet der Menschheit er selbst aufbewahrt sei.
Auch in einigen Handlungen kühner Furchtlosigkeit bildete sich der kecke Unternehmungsgeist vor, der den Mann als Dichter und Denker beseelte.
Bei einem Besuch in Hohenheim wurde der kleine Friedrich sehr lange gesucht. Er war in dem Haus, in welchem der Vater abgestiegen war und das einen Teil der fürstlichen Gebäude ausmachte, die das Schloss umgaben, aus einem Salonfenster gestiegen und hatte eine Entdeckungsreise über die Dächer unternommen. Eben war er im Begriff, den Löwenkopf, in welchen eine der Dachrinnen auslief, näher zu besichtigen, als der erschrockene Vater ihn entdeckte und ihm laut zurief. Der Knabe aber blieb so lange regungslos auf dem Dach, bis der Zorn des Vaters sich gelegt hatte und ihm Straflosigkeit zugesichert war.
Ein anderes Mal – noch mochte Schiller nicht über sieben Jahre zählen – fehlte der Kleine um das Abendessen, als eben ein finsteres Gewitter am Himmel stand und die Blitze schon die Luft durchkreuzten. Im ganzen Haus wurde er vergebens gesucht, und mit jedem Donnerschlag vermehrte sich die Angst der Eltern. Endlich fand man ihn nicht weit vom väterlichen Haus im Wipfel der höchsten Linde, die er unter dem Krachen des ganz nahen Donners jetzt erst zu verlassen Miene machte. „Um Gottes willen, wo bist du gewesen“, rief ihm der geängstete Vater entgegen. „Ich musste doch wissen, woher das viele Feuer am Himmel kam!“ entgegnete der mutige Knabe. – Ist es nicht, als hätte er sich schon am frühen Lebensmorgen im Arsenal der Schöpfung umsehen wollen, um dereinst von ihr jene Flammenblitze zu entlehnen, mit welchen er im Reich der Geister die lang entweihte Bühne und von der Bühne aus die Welt der Freiheit und Sittlichkeit zu reinigen unternahm?
In seinen Arbeiten zeigte Schiller von früher Jugend auf unermüdliche Beharrlichkeit, und ein Geschäft, das einmal von ihm vorgenommen war, musste, trotz der nicht seltenen Vorwürfe des Vaters, oft heimlich, mit Unterbrechung des Schlafes, selbst bei Lampenschein beendet werden. In diesen Ernst mischte sich indessen wohl auch einmal der Humor. Unter den kleinen Kunstschätzen, die der Vater, vielleicht als Familiengut der mutmaßlich aus Sachsen abstammenden Gattin besaß, war auch ein Ölgemälde, das die Eroberung Magdeburgs durch Tilly vorstellte, das größte und beste in der Sammlung. Der Eroberer war darauf abgebildet, wie er, den rechten Arm in die Seite gestützt, durch die Straßen reitet und mit blutgierigem Blick den Schauplatz der Zerstörung mustert. Gruppen wehklagender Frauen, fliehender Greise und Kinder, wütender Mordbrenner, umgeben von brennenden und einstürzenden Häusern, fassten das den Feldherrn darstellende Mittel des Bildes ein. Der kleine, sechsjährige Schiller nahm sich dieses Gemälde, dessen viele ausdrucksvolle Gesichter seine Aufmerksamkeit anzogen, aufs Korn und übte an ihm das erste Mal in seinem Leben die Kunst freier, poetischer Umgestaltung.
Tilly 1631 reitet in das zerstörte Magdeburg ein
Es ward von ihm in ebenso viele kleine Teile zerschnitten und zerstückelt, als es Gegenstände enthielt. Tilly selbst erhielt zu verdienter Strafe seiner Grausamkeit ein geschwärztes Mohren-, oder Teufelsgesicht, und führte, auf Papier geklebt, einen Reihen von Rossen und Soldaten an. Die Einwohner Magdeburgs, Männer, Weiber und Kinder bildeten einen zweiten Reihen und füllten ein anderes Papier, Greise und alte Mütter beschlossen den Zug; aber auf einem dritten Bogen waren die einzelnen Teile der Personen mutwillig untereinander geworfen: Kinderköpfe saßen auf dem Rumpf eines alten Mannes, auf dem Leib eines den Säbel ziehenden Kroaten ein verschämter Mädchenkopf; ein schmucker Offizier endete in das Haupt eines sich bäumenden Rosses. Diese Umgestaltung eines teuer gehaltenen Bildes in hogartische Karikaturen wurde übrigens dem jungen Dichter vom strengen Vater wenig verdankt.
* * *
Im Jahr 1768 verließ die Schiller'sche Familie Lorch, wo der Vater in ziemlich beschränkten Umständen gelebt hatte, da er hier während drei ganzer Jahre nicht den mindesten Sold [Dieser Gehalt bestand überhaupt nur aus 19 monatlichen Gulden. Die Schiller'schen mussten daher damals von der Unterstützung einiger Verwandten in Ludwigsburg leben. Mündliche Notiz.] empfing, sondern von seinem Vermögen zehren musste. Auf eine nachdrückliche Vorstellung bei dem Herzog ward er endlich von seinem Posten als Werbeoffizier abgerufen und der Garnison Ludwigsburg einverleibt, wo er den rückständigen Sold in Terminen ausbezahlt erhielt. Der neunjährige Fritz Schiller wurde nun in die lateinische Schule Ludwigsburgs geschickt, und neben dem Latein auch im Griechischen und Hebräischen, als den unerlässlichen Erfordernissen des künftigen Theologen – denn diesen Beruf hatte der Knabe nun gewählt – jedoch in diesen beiden Fächern ziemlich spärlich unterrichtet, aber im Griechischen durch eigenen Fleiß vorwärts gebracht.
Sein Lehrer, Magister Johann Friedrich Jahn, ein noch vielen Württembergern wohlbekannter Schulmann, denn er regierte die Ludwigsburger Schule bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, wird mit zu viel Strenge als ein kalter, rauer, murrsinniger Polterer geschildert; er war es nicht mehr und nicht weniger, als die meisten Präzeptoren jener Zeit, – ein fermer Lateiner, und nichts weiter. So trocken denn auch Ovid, Virgil und Horaz behandelt werden mochten, im Latein machte Schiller doch gute Fortschritte, und im Landexamen, jener noch bestehenden allgemeinen Schreckensprüfung [In Schillers Anthologie singt im Lied „die Winternacht“ höchstwahrscheinlich er selbst (S. 270):
„Wie ungestüm dem grimmen Landexamen des Buben Herz geklopft; wie ihm, sprach jetzt der Rektor seinen Namen, der helle Schweiß aufs Buch getropft!“]
der unmündigen Kandidaten der Theologie im Württemberger Land, die damals vier bis fünf Jahre hintereinander auf dem Stuttgarter Gymnasium vorgenommen wurde, erhielt er (1769–1772) das Zeugnis eines hoffnungsvollen Knaben und seine Fortschritte wurden mir das letzte Mal als etwas langsamer bezeichnet, wo ohne Zweifel Kränklichkeit seinen Fleiß hemmte.
1768 ff
Friedrich Wilhelm von Hoven, 1759 – 1836
Von einem Jugendfreund – dem erst im jüngsten Jahrzehnt verstorbenen königlich bayrischen Medizinalrat von Hoven – wird Schiller in dieser Periode als ein, der Einschränkung ungeachtet, in welcher er vom Vater gehalten wurde, sehr lebhafter, ja beinahe mutwilliger Knabe geschildert. Die jüngeren Gesellen fürchteten den Tongeber bei ihren Spielen und selbst den älteren und stärkeren imponierte seine Furchtlosigkeit, die sich neckend, aber immer gutmütig, sogar an Erwachsene wagte, wenn sie ihm zuwider waren. An wenigen vertrauten Freunden hing er fest und mit Aufopferung. In der Klasse einer der besten Schüler, ward er doch hauptsächlich durch große Ehrfurcht vor dem Vater, dem er nie genug tun konnte, zum Fleiß angetrieben.
1770 ff
Schillers Charakter erhielt etwas Ängstliches, als er im Jahr 1770 bei dem Abzug des Vaters auf Solitude dem strengen Jahn in Wohnung und Kost übergeben wurde, und Vater und Lehrer schüchterten ihn mit steten Ermahnungen, und wegen seines linkischen Benehmens wohl auch mit Püffen und Ohrfeigen ein. Am wenigsten verfing bei ihm in dieser Zeit der Religionsunterricht. „Der Knabe hat noch gar keinen Sinn für Religion!“ klagte der mürrische Pädagoge von Zeit zu Zeit den betrübten Eltern. Aber auf welchem Weg und in welcher Gestalt wurde ihm auch diese beigebracht! Schiller hatte Frömmigkeit mit der Muttermilch eingesogen, Gellerts Lieder wusste er auswendig, an Luthers und Paul Gerhards Liedern hatte er sich mit Lust erquickt.
Christian Fürchtegott Gellert (* 4. Juli 1715 in Hainichen; † 13. Dezember 1769 in Leipzig)
Paul Gerhardt (* 22. März 1607 in Gräfenhainichen; † 27. 6. Juni 1676 in Lübben) war ein evangelisch-lutherischer Theologe.
Martin Luther (* 10. November 1483 in Eisleben, Grafschaft Mansfeld; † 18. Februar 1546
„Ein feste Burg ist unser Gott –“ von jenem, von diesem das durch des großen Friedrichs Spott geächtete „Nun ruhen alle Wälder –“ und „Befiehl du deine Wege“ – waren Lieblingslieder Schillers geworden. Nun sollte er auf einmal das kauderwelsche Lied „In dulci jubilo, nun singet und seid froh –“ auswendig lernen, und der Katechismus wurde ihm selbst vom Geistlichen unter der drohenden Peitsche eingetrieben. Während so die Lehrer ihn mit einer leblosen Dogmatik plagten, las der Knabe unter dem Tisch seine alten frommen Lieder, und zu Hause sah man ihn oft die Bibel auf dem Schoß; die Psalmen hatte er mehrmals durchgelesen, ein Freund überraschte ihn, als er ein Kapitel aus dem Propheten Jesaias perorierte, und in den Räubern finden sich Spuren, dass der Prophet Ezechiel mit seinen erhabenen Gesichten seiner Seele tief eingeprägt war. Unter anderem scheint die Unbeholfenheit der Lehrer selbst das Hohelied als Lehrmittel gebraucht zu haben und sie wurden durch die vorlaute Frage des Knaben, „ob denn dieses Lied wirklich der Kirche gesungen sei“, überrascht und geärgert. Die Antwort wurde dem Vater hinterbracht, und der kleine Ketzer, zur Rede gestellt, fragte: „hat denn die Kirche Zähne von Elfenbein?“ da regte sich auch im Vater der versteckte Oppositionsgeist der Aufklärung. Lachend musste er sich umkehren, und murmelte vor sich hin: „Mitunter hat sie Wolfszähne!“
1768
In Ludwigsburg sah der neunjährige Knabe zum ersten Mal ein Theater, glänzend, wie die Regierung eines prachtliebenden Herzogs es erwarten ließ. Die Wirkung, die es auf ihn hervorbrachte, wird als mächtig geschildert. Alle seine jugendlichen Spiele kehrten sich dieser neuen Welt zu; bis in sein vierzehntes Jahr führte er dramatische Szenen mit ausgeschnittenen Puppen auf, und Pläne zu Trauerspielen fingen seine junge Seele zu beschäftigen an. Auch die Geschichte, die damals in den Geist der Jugend durch die Lesung der alten Autoren gleichsam nur eingeschwärzt wurde, führte ihm große und warm empfangene Gestalten zu: Solon, Diogenes, Sokrates, Plato, Archimedes, Seneca von den Weisen und Gelehrten; nicht Cäsar, sondern Brutus von den großen Männern; Cyrus, Alexander, Hamilcar und Hannibal unter den Feldherrn spielten in seinen Gedanken und Gesprächen eine Rolle; und nie las er die Geschichte vom Sturz des Karthagers Hanno ohne den zürnenden Ausruf: „man hätte dem biederen alten Mann folgen sollen!“
1769
Zum ersten Versuch in der Reimkunst begeisterte den zehnjährigen Schiller der Lohn von zwei Kreuzern, den er, unter Androhung der Peitsche, für sein rüstiges Katechismus-sprechen in der Kirche vom Geistlichen sich verdient hatte. Mit einem Freund, der die gleiche Belohnung erhalten hatte, pilgerte er aufs Land und erhielt die saure Milch, die er auf dem alten, benachbarten Schlösschen Harteneck vergebens gesucht hatte, nach langem Fragen im nächsten Dorf Neckarweihingen, in reinlicher Schüssel mit silbernen Löffeln, und für die kleine Barschaft noch Johannistrauben dazu. Auf dem Heimweg kehrte sich Schiller auf der Anhöhe, die den Überblick über beide Orte gestattete, um, und seine Lippen ergossen sich in einen gereimten pathetischen Fluch über den Ort, der sie hungrig entlassen, und in einen Segen über den anderen, der sie so milde gespeist hatte.
1772
Die Ablegung seines Glaubensbekenntnisses, die in Württemberg gewöhnlich gegen das vierzehnte Jahr bei der evangelischen Jugend stattfindet, fiel bei Schiller nicht in das Jahr 1770 oder gar früher, sondern nicht eher, als er (im Jahr 1772) seinen Kurs in der lateinischen Schule zu Ludwigsburg geendet hatte, und die Eltern können dieser Feierlichkeit sehr wohl von der Solitude aus, wo der Vater schon über die herzogliche Baumschule gesetzt war, beigewohnt haben, denn eine schnurgerade Kunststraße führte damals von dem Lustschloss in 2–3 Stunden nach jener Residenz. Vielleicht war die Mutter auch in Ludwigsburg wohnen geblieben. Sie, die noch immer still und unbemerkt über der Seele ihres Sohnes wachte, soll diesen den Tag vor der Konfirmation auf der Straße herumschlendernd bemerkt und ihm über seine Gleichgültigkeit gegen die wichtige Handlung des folgenden Tages Vorwürfe gemacht haben. Gerührt zog sich der Knabe zurück und überreichte nach wenigen Stunden, der einen Sage zufolge, der Mutter ein deutsches, der anderen zu Folge dem Vater ein lateinisches Gedicht, das seine religiösen Empfindungen in Worte kleidete.
Schillers Neigung war noch immer dem Studium der Theologie zugewandt und er stand nun im Begriff, in eine der vier niederen Klosterschulen des Landes einzutreten, und hier in mönchischer Kleidung und Zucht, welche diesen Bildungsanstalten noch aus der katholischen Zeit geblieben waren, Horen singend und Vesper lesend, vier Jahre lang sich auf das Universitätsstudium unter strengem Unterricht vorzubereiten. Aber es war im Rat der Vorsehung anders mit ihm und seinem Dichtergenius beschlossen.
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Schiller in der Carls-Akademie zu Stuttgart
1773 ff
Karl Eugen (auch Carl Eugen; * 11. Februar 1728 in Brüssel; † 24. Oktober 1793 in Hohenheim) war von 1737 bis 1793 Herzog von Württemberg