Haar aufs Herz - Yasemin Atli - E-Book

Haar aufs Herz E-Book

Yasemin Atli

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Beschreibung

Blitzlichter aus dem Friseursalon: Womit Yasemin sich in ihrem Salon jeden Tag auseinandersetzen muss, ist manchmal dramatisch, mal poetisch, zwischendurch auch erschreckend oder verwunderlich. In welcher Situation auch immer sie sich wiederfindet, nie ist sie verzweifelt, sondern nimmt die Menschen wie sie sind.

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Inhaltsverzeichnis

Geschäftsidee 1: Gefängnisfriseur

Banküberfall

Satisfaction

S6-Dating

Die in Böblingen können keine Haare schneiden

Komplettservice

Wer ist dein Auftraggeber?

Schogetten

Ich mache dir Locken

Spritztour

Du könntest jeden haben

Hoffnungsschimmer

Heiratsvermittlung

Therapiesitzung

Schlafen gelegt

Nimmesgern

Sellerie mit Haaren

Steuerberatung

Geschäftsidee 2: Telefonsex

Gassi gehen

Geschäftsidee 3: Haarmagie

GESCHÄFTSIDEE 1: GEFÄNGNISFRISEUR

„Miau“, macht es vor der Ladentür.

Yasemin öffnet.

„Du hast keinen Termin, ich kann dich nicht hereinlassen.“

„Miau“

„Ach so, nur Spitzen schneiden. Ja, dann komm. Das schiebe ich dazwischen.“

Die pummelige Nachbarskatze schlüpft in den warmen Friseursalon und legt sich ohne Umstände in die sonnige Ecke beim Fenster, wo sie sofort mit dem Frisieren beginnt.

„Yasemiiiiiin“, kreischt es aus dem Nebenraum, „Hast du das gesehen? Das Foto in der Zeitung, guck mal, Lokalteil, das ist doch der Mäck, der war doch letzte Woche noch hier zum Blondieren, das kann ich ja gar nicht glauben!“

„Wofür steht er denn im Lokalteil?“

„Der hat wen umgebracht! Da steht´s.“

Ariane fährt mit dem Finger die Zeilen entlang, während sie die Sätze halblaut vor sich hinmurmelt: „In Warmbronn, seine Freundin und deren Mutter und den Hund von der Mutter, die hat der alle umgebracht? Das kann ich gar nicht glauben, der ist doch immer so ein Netter gewesen, weißt du, wenn der hier war, dann hat der alle in den Arm genommen und gefragt, ob wir was brauchen und ob er uns was zu Essen mitbringen kann, Küsschen hier, Küsschen da. Nee, das kann ich immer noch nicht glauben. Die Freundin und den Hund?“

„Vielleicht ist er das ja gar nicht. Zeig mal das Foto.“

„Doch, das ist er. Die Frisur hast du doch selber gemacht letzte Woche.“

Die sieht auch echt gut aus, sitzt perfekt, denkt Yasemin, gelernt ist halt gelernt.

„Mit Drogen soll der auch gedealt haben, menno, Yasemin, warum hat der uns eigentlich nie was angeboten? Ich habe einen Mörder angefasst. Ich habe einem Mörder die Haare gewaschen! Mit Kopfmassage. Und das alle vier Wochen. Einem Hundemörder. Ich glaub das ja gar nicht.“

Mit dem Handy in der Hand verschwindet sie wieder im Nebenraum. Man hört sie telefonieren. Mit allen Freundinnen gleichzeitig. Eigentlich braucht sie dazu kein Handy, sie ist laut genug.

Das wird hart für den Armen, wenn er im Gefängnis ist. Der Gefängnisfriseur macht wahrscheinlich keine Kopfmassage. Und in drei Wochen ist der Schnitt rausgewachsen, da wäre wieder Blondieren dran, sorgt sich Yasemin. Irgendwie tut er ihr leid, Mörder hin oder her, zu ihr und ihrer Angestellten ist er immer nett und zuvorkommend gewesen. Was ist da wohl schiefgelaufen? Ob sie ihn im Gefängnis besuchen darf? Sie könnte mit der Friseurausrüstung ein mobiles Studio einrichten – extra für ihre Stammkunden im Knast. Bisher sind es ja nicht so viele, also einer, von dem sie es aber auch nur vermutet, aber vielleicht macht das die Runde und als flexibler Frisurendienst würde sie mit ein, zwei kommunikativen Angestellten bestimmt im Männerknast einschlagen wie eine Bombe. Man sieht es den Leuten nicht an, was sie für Geschichten mit sich herumtragen, man sieht es ihnen einfach nicht an, denkt sie. Aber manchmal, da blitzt etwas in den Augen auf – und dann weiß sie, dass jetzt etwas kommt, wovon sie noch ihren Enkeln wird erzählen können.

BANKÜBERFALL

„Hiiiiii, du, kann ich die Tasche mal eben bei dir abstellen?“, fragt die junge Frau in der Leopardenleggings und schiebt ein pinkes Sporttaschenungetüm durch die Tür des Friseursalons.

„Ich muss noch was erledigen und hab keine Böcke, die Tasche mit mir rumzuschleppen.“

„Hmmmpf“, kommt die Antwort. Yasemin legt den Kamm beiseite und nimmt die Haarnadeln aus dem Mund. „Stell sie da vor den Nebenraum, sonst falle ich drüber.“

„Ist klar. Ich komm später wieder, wie gesagt, muss noch was erledigen, kann ein bisschen dauern.“

„Nee, kein Problem, alles gut. Die Farbe ist scheußlich, aber die bleibt ja nicht für immer, die Tasche.“

„Ciaociao“, ruft die Leggings im Rauswedeln und weg ist sie.

„Yasemiiiiiiin – bist du krank??“, kreischt Ariane, als sie aus dem Nebenraum kommt und über die Tasche stolpert.

„Hmmmmpf?“

Haarnadeln.

„Was macht denn diese scheußliche Sporttasche hier? Du gehst doch nicht etwa ins Fitnessstudio? Ich mach mir Sorgen, Yasemin, was willst du in einem Fitnessstudio – du bist doch nicht etwa krank? Hast du was Schlimmes? Wie viel Zeit bleibt dir noch? Soll ich mich etwa um dich kümmern? Wer macht denn all deine Kundinnen, wenn du nicht mehr da bist? Oh Yasemin, was soll aus dem Salon werden, ich schaffe das nicht alleine!“

„Nein, ich habe nichts, die Tasche gehört mir nicht, die bleibt auch nicht lange, die ist von der Kundin, die muss noch was erledigen, holt sie später ab.“

Ariane zückt ihr Handy, macht ein Reel von sich und der Tasche und verschwindet im Nebenraum.

Die freundliche dicke Nachbarskatze kommt aus ihrer Ecke getrödelt, umkreist zweimal schnuppernd die pinke Sporttasche. Dann bleibt sie stehen, kneift die Augen zusammen, beginnt zu würgen und spuckt zielgerichtet auf die Tasche.

„Hmmmpf“, würgt Yasemin durch die Haarnadeln. Aber Respekt, die Katze hat Geschmack.

Schnell greift sie ein Tuch und beginnt die Tasche abzuwischen. Hoffentlich ist nichts durch den Reißverschluss gelaufen, das wäre schwierig zu erklären. Sie zieht den Reißverschluss auf und hält erstaunt inne, als sie sauber gebündelte Geldscheine findet. Fünfziger. Viele davon. Sehr viele.

„Ariane, kommst du mal bitte?“ ruft sie in den Nebenraum mit dem Blick auf die Tasche geheftet.

„Was ist denn? Was ist DAS denn?? Yasemiiiiin – hast du eine Bank überfallen? Ich dachte, die Tasche gehört nicht dir!“

„Tut sie auch nicht, die ist von der Kundin.“

„Warum tut die so viel Geld in so eine hässliche Tasche? Das verstehe ich nicht. Die hätte doch eine schönere Tasche nehmen können, ich meine, das ist eine Menge Geld, da kann sie doch echt eine schönere Tasche von kaufen, bevor sie die hier bei uns in den Laden stellt. Warum hat sie die überhaupt hier hergestellt? Yasemiiiiin – hast du mit der Sache was zu tun?“ Sie beugt sich über die Geldbündel und will eins herausnehmen.

„Boah, warum stinkt das so? Ich dachte immer, Geld stinkt nicht, so heißt das doch oder?“

„Die Katze hat draufgespuckt.“

„Ach so. Ja. Die Katze hat Geschmack.“

„Da sind wir uns einig.“

„Was machen wir denn jetzt? Wir rufen die Polizei!“

„Und dann?“

„Dann kommen die und nehmen uns fest.“