Hahnraub - William R. Flinders - E-Book

Hahnraub E-Book

William R. Flinders

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Beschreibung

"Es ist diese Empfindung, als würde es irgendwo jucken und man findet ums Verrecken die Stelle nicht, an der man kratzen soll. Man weiß nur, es juckt und es steigert sich ins Unerträgliche. Von Stunde zu Stunde. Eins ist kristallklar. Es wird etwas fürchterlich schief gehen und es gibt nichts, rein gar nichts auf der Welt, was dagegen unternommen werden kann. Natürlich hätte ich an diesem Abend zu Hause bleiben können, aber dann wäre womöglich ein außer Kontrolle geratener Linienbus in unser Wohnzimmer gebrettert. Vielleicht hätte gar die Katze unbemerkt in mein Bett geschissen. Nun, jedenfalls so lange unbemerkt, bis ich schlafen ging. Sie sehen, es gibt kein Patentrezept mit diesem Thema umzugehen. Das Desaster lauert an jede Ecke." "Skurril, bizarr, sexy, schräg. William R. Flinders erzählt Geschichten, wie aus dem Äther. Die Episoden in Hahnraub sind frisch, verführen zum Fremdschämen und beanspruchen die Lachmuskeln." Claire Zetazini, Literatur Heute

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WILLIAM R. FLINDERS

HAHNRAUB

Imprint

Hahnraub

William R. Flinders

published by: epubli GmbH, Berlin.

www.epubli.de

EBook-Implementation: melle newmedia, Potsdam

Copyright: © 2012 William R. Flinders

ISBN 978-3-8442-4113-6

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten.“

Kurze Notiz des Autors

Ich beginne mit einer Bitte:

Nehmen Sie sich dieses Buch der Reihe nach vor. Es liegt mir fern Ihnen, lieber Leser, Diktate aufzuerlegen. Im Gegenteil. Ich möchte Sie gar vor Ärger bewahren. Diese Erzählungen weisen eine gewisse Chronologie auf und ich kenne es von mir selbst; Sobald ich ein Buch mit Kurzgeschichten bekomme, suche ich mir oftmals zuerst die kürzesten oder die mit dem sympathischsten Titel aus.

Heute, bitte ich Sie der Reihe nach zu lesen, da sich bestimmte Begebenheiten und Charaktere wie ein roter Faden durch das Buch ziehen. Nicht, dass Sie sich irgendwann fragen „Was meint er denn jetzt damit?“, oder „Wer ist das denn jetzt?“

Big Brother

Gegen meinem großen Bruder hegte ich lange einen geheimen Groll. Er hielt bis zum letzten Weihnachtsfest an.

In frühen Jahren idealisieren wir unsere großen Geschwister. Sie sind unsere Vorbilder. Sie sind diejenigen, die uns erstmalig das Tor zur Erwachsenen Welt öffnen. In meinem Fall, hieß das in erster Linie die Teenagerfreunde kennen zu lernen mit denen mein Bruder tagtäglich zu tun hatte. Wenn unsere Eltern nicht Zuhause waren, durfte ich natürlich nie ins Wohnzimmer wenn sie zu Besuch waren. Es ärgerte mich über alle Maßen, denn es war als ginge etwas Sakrales in diesem Raum vor und ausgerechnet ich durfte nicht dabei sein. Das wahre Leben fand auf der anderen Seite dieser Tür statt. Ich kam mir wie ein kleiner Hund vor, dessen Bildnis mit dem Spruch „Ich muss draußen bleiben“, am Eingang klebte.

Seine Freunde waren für mich allesamt überlebensgroße Ikonen, mit ihren langen, strähnigen Haaren, ausgeflippten Klamotten und superlässigen Sprüchen. Sie trugen Namen wie Big Jimmy, Geronimo, Baby Lynn, Hot Bob oder Playboy. Sie hörten die neusten Rolling Stones und Beatles Singles auf unserer elterlichen Stereoanlage, tranken Unmengen an schwarzen Kaffee und pafften entspannt eine Kippe nach der anderen. Mein Gott, sie waren so lässig. Alles was sie sagten, wie sie sich bewegten, ja allein wie sie nur guckten, empfand ich als ein einziges, gigantisches Statement. Sogar der Zigarettenmief, den sie im Zimmer hinterließen. Er kam mir vor wie eine geheimnisvolle und magische Wolke, die es galt tief einzuatmen um wenigstens einen Bruchteil dieser Gnade zu erfahren. Die vereinzelten Worte, die ich durch die verschlossene Tür aufschnappte, waren zwar akustisch unverständlich, aber etwas tief in mir wusste; hier handelt es sich um den wahren Grund unserer Existenz. Obwohl sie schon sechzehn waren und ich erst neun, wollte ich, wie nichts anderes in meinem kurzen Leben, zu ihnen gehören. Ich war davon überzeugt, einen wichtigen Beitrag beisteuern zu können.

Sie ließen mich nur nie.

Es ist tragisch, denn als ich Jahre später ungefähr die gleichen Dinge mit meinen Freunden unternahm, besaßen sie nie diesen Zauber. Dieses Charisma war einfach nicht anwesend. Mein eigener Freundeskreis kam mir eher einfältig vor. Egal was ich veranstaltete um diese Atmosphäre von Intellektualität, gepaart mit dem optimalen Grad des Verruchten, zu inszenieren. Es ging generell daneben. Ich kam mir fortwährend wie jemand vor, der gewaltsam versuchte etwas zu erwirken, was einfach nicht im Rahmen des Möglichen war und vermutlich auch nie vorhanden sein wird. Ein altes, englisches Sprichwort besagt: Aus einem Schweineohr kannst du kein Seidenportemonnaie herstellen.

Die Hoffnung verließ mich dennoch nie. Später fand ich als Erwachsener nur die Partys gut, die eine entfernt ähnliche Stimmung aufwiesen. Ich wollte weitschweifig über das Dasein der Menschheit philosophieren, dabei lasziv an einer Kippe ziehen, und definitiv nicht über Arbeit, Fußball, Autos oder Handwerkertipps und andere Belanglosigkeiten schwafeln.

Es ist zwar lange her, aber ich erinnere mich sehr deutlich an einer bestimmten Begebenheit, als wäre es erst gestern.

Unsere Eltern gingen aus. Es war Samstagabend und sie waren irgendwo eingeladen. Mein Bruder hatte den überaus lästigen Auftrag auf mich aufzupassen. Er schickte mich schon um sieben Uhr ins Bett aber ich konnte und wollte nicht schlafen. Ich empfand es, als Beleidigung, dass ein erst Siebzehnjähriger die Macht hatte, jemanden, der immerhin schon neun Jahre alt war, so früh ins Bett zu kommandieren. Der Grund für mein frühes zu Bett schicken war sein Freund, Red John, der vorbei kam. Mein Bruder wollte mich ums verrecken nicht dabeihaben. Es würde seinem Image schaden, meinte er wiederholt, wenn sein kleiner Bruder, wie eine Klette an ihm hängen würde.

Und so nahm ich in meinem Zimmer vorläufig mit einer Batman Lektüre vorlieb, nahm mir aber vor später herunter zu schleichen, sobald es dunkel war. Einer meiner Lieblingsbeschäftigungen war es meinen Bruder an den Rand des Wahnsinns zu treiben, wenn meine Eltern nicht zugegen waren. Ich denke, in dieser Hinsicht war ich da nicht viel anders, als andere jüngere Geschwister auf der ganzen Welt.

Es war eine laue Sommernacht. Die Sterne funkelten klar am Firmament. Mein Bruder und Red John hatten es sich mitten in unserem Garten, auf dem Rasen, bequem gemacht. Sie starrten gemeinsam in den Himmel und teilten sich einen Joint. Einen Umstand, den ich aber erst sehr viel später im Leben begriff. Ich stahl mich klammheimlich in den Garten, versteckte mich im Gebüsch und spitzte meine neugierigen Ohren.

»Unglaublich«, raunte mein Bruder irgendwann.

»Ja, unglaublich«, meinte auch John.

Red John war ein rot- und langhaariger Typ, der immer die gleichen, weiten Schlagjeans mit einem zu klein geratenen Rolling Stones T-Shirt trug, dieses populäre mit der Zunge, was 1970 als schick galt. Er wohnte nur ein paar Häuser weiter. Er war jemand, den mein Bruder, als „in Ordnung“ bezeichnete, was ich natürlich als besonders hohe Auszeichnung empfand, denn wenn jemand in seinen Augen in Ordnung war, dann war er in Ordnung. So war das eben.

»Das Universum muss endlos sein«, kam es von meinem Bruder ehrfurchtsvoll.

»Ja, endlos.«

»Unglaublich.«

»Ja, unglaublich.«

»Was meinst du?« fragte mein Bruder. »Da draußen gibt es doch bestimmt fremde Lebewesen, oder? Lebewesen wie wir. Lebewesen mit einem Bewusstsein.«

»Ja, bestimmt.«

»Unglaublich, oder?«

»Ja, unglaublich.«

Boah, dachte ich, warum konnte ich mit meinen Freunden nicht solche Gespräche führen?

Irgendwann begannen sie über die Mädchen an der Schule zu reden, und wer was mit denen schon alles veranstaltet hatte, aber das interessierte mich damals noch gar nicht. Ich wurde langsam müde. Ich schleppte mich irgendwann geräuschlos ins Bett und schlief mit einem einzigen Gedanken ein. Auch ich würde eines Tages mit meinen Freunden auf einem Rasen, während einer lauschigen Sommernacht, über das Universum und die Weite des Alls plaudern. Ganz bestimmt.

Da ich es nicht abwarten konnte, probierte ich es schon am darauf folgenden Montag nach der Schule mit meinem Klassenfreund und Nachbarn Collin aus. Ich bestand darauf vorher im Zeitungsladen Schokoladenzigaretten zu kaufen. Wir legten uns in unserem Garten auf den Rasen, mit unseren Zigaretten im Schnabel und beobachteten den Himmel. Wir sahen nur dichte Wolkenformationen.

»Unglaublich«, sagte ich, worauf er nur das Gesicht verzog und »Was?« fragte.

»Das Universum«, verkündete ich. »Es muss endlos sein. Ob wir die Einzigen sind? Mit einem Bewusstdings.«

Nach wenigen Minuten schickte ich Collin nach Hause. Er war halt kein Red John. Was kann man von einem blöden, neunjährigen Knirps auch erwarten?

Nach diesem Vorfall wurde mir eins graduell klar: Mit meinen Altersgenossen war nicht viel anzufangen, jedenfalls nicht in dieser Hinsicht.

Ich beschloss also abzuwarten und in der Zwischenzeit so zu tun, als wäre ich ein ganz normaler Junge. Ich spielte verdrießlich, aber sehr gut Fußball, ließ Drachen widerwillig, aber erfolgreich steigen, ging zu den einfältigen Pfadfindern, wo ich sofort zum Gruppenführer ernannt wurde, und machte alibihaft Brummbrummgeräusche, wenn ich mit Matchboxautos spielte.

Ich war auf meinen Bruder sauer. Er hatte die Latte zu hoch gelegt. Jahrelang suchte ich den Erdball nach dem heiligen Gral ab und fand ihn nicht, auch nicht annähernd. Stets wie ein Getriebener, strebte ich nach dem großen Mythos den er mir vorgelebt hatte. Ein Verdacht machte sich vage in mir breit: Womöglich konnte ich dieses hochgesteckte Ziel nie erreichen, weil mein Intellekt einfach zu beschränkt war. In der Wahl meiner Freunde war ich auch nicht sonderlich geschickt. Es stürzte mich in eine nörgelnde Sinnkrise, die mein ständiger Begleiter wurde.

Wie ich anfangs schon andeutete, war es beim letzten Weihnachtsfest dann soweit. Ich besuchte meinen Bruder in England. Mittlerweile ist er ein erfolgreicher Rechtsanwalt, mit der netten Lindy verheiratet und Vater von zwei aufgeweckten Kindern, Alex und Elli.

Mein Bruder und ich saßen noch alleine spät auf und sahen uns das Weihnachtsspecial einer Comedy Serie im Fernsehen an; Only Fools and Horses. Es handelt von zwei verrückten Brüdern aus dem East End in London, die ihr Leben als Kleinganoven fristen und unermüdlich versuchen eines Tages an das große Geld zu kommen. In dieser Episode sitzen die Jungs in ihrer Stammkneipe. Sie zerbrechen sich die Köpfe, wie sie möglichst schnell an Bargeld kommen können, um eine Ladung geklaute, schwedische Pornofilme zu erwerben. Diese hatten sie dummerweise, ohne sie zu besitzen, schon an einem üblen Unterweltler weiterverkauft, der wiederum gleich vorbeikäme um sie abzuholen. Da erscheint ein alter Freund von ihnen: Ein rothaariger Typ in einem zu engen Rolling Stones T-Shirt.

»Hah, der sieht genauso aus, wie dein Freund Red John früher«, sagte ich beiläufig.

»Stimmt, jetzt wo du das sagst«, meinte mein Bruder amüsiert. »Dass du dich an den noch erinnern kannst.«

»Klar, Red John war doch cool, oder nicht?«

»Red John?«

»Ja, oder?«

Er lachte. »Der und cool? Haha. Eher Hohlkopf John.«

»Wie?«

»Wie, wie? Der konnte sich noch nicht einmal die eigenen Schuhe zubinden, so belämmert war der. Deswegen trug er immer diese blöden Slipper Stiefel. Seine Mum hat ihm die immer gekauft.«

Da traf mich der Schlag. Red John? Hohlkopf? Er konnte die Schuhe nicht selbst zubinden? Slipper Stiefel von seiner Mum? Sprachen wir hier über den gleichen John? Den Red John? Kosmos-John? Joint-John?

»Nee, nee, ich weiß noch, als ich klein war, da wart ihr nachts im Garten. Ihr habt euch über das Universum unterhalten und dabei einen fetten Joint geraucht.«

»Woher weißt du das?«

»Ganz einfach. Ich hab mich damals in den Garten geschlichen und euch zugehört.«

Er grinste und nickte. »Ja, ich erinnere mich auch an den Abend, aber das war doch kein Joint, das war ganz normaler Tabak. John hat nur total beschissene Zigaretten gedreht. Dass du das alles noch weißt.«, staunte er.

Du würdest dich wundern, dachte ich.

»Du warst doch damals höchstens sechs oder sieben.«

»Hey, ich war schon neun, und ich erinnere mich an alles.«

»Na gut, ich erzähle dir mal etwas über Red John.« Er schüttelte zwischendurch den Kopf. »Er gehörte damals ja schon zu den Trainspottern.«

Als Autor, merke ich hierzu kurz an, dies hat nichts mit dem Kultfilm „Trainspotting“ zu tun. Es ist ein Hobby für Nerds. Diese Leute verbringen ihre gesamte Freizeit mit dem Beobachten und Katalogisieren der verschiedensten Züge, die im britischen Eisenbahnnetz ihren Dienst tun. In England ist es, jedenfalls für die Normalbevölkerung, eine Beleidigung jemanden als Trainspotter zu bezeichnen. Es ist mit Turnbeutelvergesser, Wechselgeldzähler oder Vorwärtseinparker zu vergleichen.

»Heute, und jetzt halt dich fest, heute ist John der erste Vorsitzende der offiziellen Vereinigung der Trainspotter in Großbritannien.«

»Nee? Woher weißt du das?« fragte ich ihn. »Siehst du ihn noch?«

»Nein, wir haben ihn aber letztes Jahr zufällig im Fernsehen gesehen haben. In dieser Kindersendung Blue Peter.«

»Echt?«

»Ja, echt. Ich hab noch zu Lindy gesagt, guck dir diesen beknackten Typ an, der wohnte früher bei uns in der Straße.«

»Du hast immer gesagt, er wäre in Ordnung.«

»Ja, das hab ich nur so dahin gesagt, weil er immer Kippen dabei hatte. Der hat doch alles nur nachgeplappert. Der Typ hatte überhaupt keine eigene Meinung. Wie ich schon sagte, ein Hohlkopf.«

Puh, aber jetzt wo er das erwähnte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er hatte in dieser Nacht tatsächlich nur „Ja, unglaublich, Ja, endlos,“ oder „Ja, bestimmt“ nachgeschwätzt. Das war mir die ganzen Jahre irgendwie entgangen.

»Aber der absolute Oberhammer ist, dass er heute immer noch diese komischen Slipperstiefel trägt.«

»Nein?

»Doch!« lachte er. »Der hatte die in dieser Sendung an. Ich hab mich kaputtgelacht.«

»Gut«, sagte ich, Red John kampflos aufgebend, »aber deine anderen Freunde waren doch alle ziemlich cool.«

Er sah mich ungläubig an, während er noch lachte. »Ach ja? Welche denn?«

»Ähhhmmm, Big Jimmy,...zum Beispiel.«

Er schüttelte den Kopf. »Big Jimmy? Big Jimmy war total pervers. Weißt du, warum wir ihn Big Jimmy nannten?«

»Ja, weil er so groß war, oder?«

»Quatsch, so groß war der gar nicht. Der kam dir wahrscheinlich nur so groß vor, weil du noch so klein warst. Nein, wir nannten ihn so, weil er einen unglaublich riesigen Schwanz hatte, so groß wie ’ne Salatgurke. Bei jeder Gelegenheit holte er das Ding raus um die Mädchen zu erschrecken. Das Letzte, was ich von ihm gehört habe, arbeitet er als Platzanweiser in einem Sex Kino irgendwo in Soho.«

Hier brachen Welten für mich zusammen.

»OK, aber was war mit Hot Bob?«

»Jau«, lachte er. »Hot Bob! Das war auch so einer, meine Güte. Das war ein echter Verrückter.«

»Hot Bob wahrscheinlich, weil er so ein heißer Typ war?« fragte ich erwartungsvoll.

Mein Bruder sah mich an, als wäre ich nicht ganz bei Sinnen.

»Oder?« fragte ich, in der Hoffnung, er würde mir Hot Bob jetzt nicht auch noch kaputt machen.

Doch nicht Hot Bob?

Er schüttelte vehement den Kopf. »Er hieß Hot Bob, weil er, um die Mädels zu imponieren, kochend heißen Tee oder Kaffee in einem Zug herunterschlucken konnte. Der war so schmerzfrei, dass er sich brennende Kippen auf der Zunge ausdrückte.«

Ich beschloss jetzt konsequent die anderen durchzugehen. So konnte und wollte ich das nicht stehen lassen.

»Und Baby Lynn? Klingt ein bisschen wie Baby Love, ’ne? Weißt du, wie der 60’s Song?«

»Ich glaub, du hast eine völlig falsche Vorstellung von den Leuten damals. Baby Lynn bekam nur den Namen, weil sie sofort wie ein Baby losplärrte und weglief, sobald Big Jimmy seine Riesenwurst präsentierte.«

»Und ich dachte, es war weil sie so niedlich aussah.«

»Ach, Quatsch, die schielte.«

»OK, und was war mit Geronimo? Der Indianerhäuptling?«

»Jau, Geronimo, aber das war nicht sein richtiger Name. Er hieß eigentlich Gerard. Irgendwann haben wir ihn alle so genannt, ich weiß auch nicht warum. Ich weiß nur, er hat den Namen gehasst. Das war ein kriminelles Arschloch, der alle beklaut hat. Eben hattest du noch einen neuen Füller in der Tasche und nachdem Geronimo kurz da war, war er weg. Auf den musstest du ständig aufpassen. Es hieß dann immer: Geronimo, Geronimo, die dumme Sau beklaut dich so.«

Einen hatte ich noch.

»Und Playboy?« fragte ich etwas kleinlaut.

Mein Bruder lachte. »Playboy?«

»Ja, das war doch auch einer von euch.«

Kichernd redete er weiter. »Den Namen hatte er von unserer Mum bekommen. Wusstest du das?«

»Häh?«

»Ja. Mum hat ihm den Namen verpasst. Es war so. Eines Tages kam Paul vorbei. Das war sein richtiger Name. Ich weiß nicht mehr warum. Ich glaube wir wollten ins Kino oder so und er wartete auf mich in der Küche während Mum das Abendessen machte.«

»Ja und dann?«

»Wir sind dann ins Kino. Jedenfalls kam ich später nachhause und fand Mum und Dad lachend vor. Sie haben sich vor lauter Lachen nicht mehr eingekriegt. Ich dachte, sie hätten etwas im Fernsehen gesehen oder so. Als ich fragte warum sie so lachten, versuchte Mum es mir zu erklären. Sie sagte, Paul stand hinter ihr in der Küche als sie das Abendessen kochte, da ließ er laut einen fahren. Sie drehte sich natürlich geschockt um und er entschuldigte sich. Als erstes sah sie auf seiner Jacke einen Aufnäher. Diesen Bunny Kopf vom Playboy.«

»Ja, und ab da hieß er plötzlich Playboy, oder was? Ich versteh den Zusammenhang nicht.«

»Das ist ja noch nicht alles. Also, sie sah dann den Playboy Aufnäher und dachte sich „Playboy? Dat ist doch kein Playboy. Dat ist ein Blähboy“. Das fanden die beiden so witzig. Naja, am nächsten Tag habe ich ihn dann Playboy genannt und der Name blieb hängen.«

Ich musste jetzt auch lachen.

»Ja, ich weiß noch wie Mum dich immer nach ihn fragte und dabei lachte, als wäre es ein Insider Joke. Das hab ich nie verstanden.«

»Jetzt verstehst du es.«

»Und ich dachte ihr wart alle so gut drauf. Die klingen ja nicht viel anders als meine beknackten Freunde.«

»Ja, was hast du denn groß erwartet?« fragte er mich.

»Naja, ich weiß es auch nicht.«

»Weißt du«, sagte mein Bruder, »als ich auf die Uni ging und manchmal Zuhause anrief, hat mir Mum erzählt, du wärst wieder mit deinen intellektuellen Freunden unterwegs. Sie wünschte sich, du würdest dich endlich für normale Sachen interessieren, so wie andere Jungs auch. Einmal hat sie dich wohl belauscht, da warst du zwölf und hast dich mit einem Freund über Homer und die Reise von Odysseus unterhalten. Ich kam mir dagegen, wie eine richtige Dumpfbacke vor.«

»Nee?«

»Doch, wenn ich es dir sage.«

Sommer der Liebe

Christine Fuller werde ich nie vergessen. Sie war die Frau, mit der ich die erste körperliche Liebe erfahren habe, wenn man ein vierzehnjähriges Mädchen überhaupt als Frau bezeichnen darf. Allerdings sage ich das aus dem Blickwinkel eines damalig Zwölfjährigen und obwohl es nur zwei Jahre unterschied sind, kommt einem ein Mädchen aus dieser Perspektive doch fast erwachsen vor.

Meine Dad war damals noch beim britischen Militär und in Deutschland in Bielefeld stationiert. Wir, das heißt mein Vater, meine Mutter, mein Bruder und ich wohnten in der Nähe von Bielefeld, außerhalb eines pittoresken, kleinen Städtchens namens Öerlinghausen. Wir hausten in einer riesigen Siedlung, wo nur britische Soldaten und ihre Familien lebten. Eine Enklave von 2.000 Briten inmitten des Teutoburger Waldes, wenn man meine Mutter ausklammerte. Sie ist deutsch.

Die Sommerferien waren erst zur Hälfte vorbei. Die unvermeidbare Langeweile hielt Einzug. Die Sommer waren damals heiß und extrem lang, was sie heutzutage nicht mehr sind. Jemand sagte mal, es läge daran, dass wir als Kinder keine Uhren besaßen. Somit haben wir die Zeit langsamer wahrgenommen.

Die einzige Abkühlung, die uns geboten wurde, war das deutsche, öffentliche Freibad, welches zu Fuß in etwa fünfundvierzig Minuten zu erreichen war. Der Weg dahin führte durch einen verwahrlosten Steinbruch, an einer Cheruskerausgrabung vorbei, durch einen kleinen Wald, über eine Heidefläche, und schließlich an einer langen Straße, an einem Schotterfußballplatz entlang. Es war nicht ungefährlich, denn wir lieferten uns seit jeher Schlachten mit den rivalisierenden Deutschen aus dem Dorf. Direkte Schläge wurden in der Regel nicht ausgetauscht, anstatt kam es zu listige Hinterhalte, wobei Steine, Flaschen und andere Wurfgeschosse ihren Einsatz fanden. Wir hatten zwar schon die siebziger Jahre, dennoch waren beide Parteien, wie wild, darauf versessen den zweiten Weltkrieg von neuem zu inszenieren. Am Ende gewann keiner diesen Kleinkrieg wirklich. Wir steckten reichlich ein, waren aber beim Austeilen auch nicht untalentiert. Es hielt sich insgesamt die Waage. Aus ersichtlichen Gründen bewegten wir uns außerhalb der Siedlung nur in größeren Gruppen, um nicht hilflos überrascht zu werden. Wäre man alleine in feindliche Hände geraten, was einigen Leuten von Zeit zu Zeit passierte, hätte es, abgesehen von dem einen oder anderen blauen Auge, eher irgendwelche Demütigungen gegeben, zum Beispiel festgehalten und vom gemeinen Feind angepinkelt zu werden, während die anderen „God shave the Queen“ sangen und sich herrlich amüsierten. Es glich eher einem Krieg der Knöpfe, nur ein paar Grade härter.

Und so kam es, dass wir regelmäßig gemeinsam vormittags zum Freibad trabten. Die Gruppe, zu der ich gehörte, bestand hauptsächlich aus den gleichen Leuten. Auf der einen Seite gab es die Mädchen, die aus Julie Macmahon, Caroline Percival, Sandra und Pamela Blackburn, Tina Ahearn, Heather Robinson, Angela und Amanda Davis und natürlich die schon erwähnte Christine Fuller bestanden. Die Jungs waren Dave und Paul Foster, Mike Penders, Gary Allwell, Steve Ahearn, Mickey Percival, Stevie Tulley und meine Wenigkeit. Unser Alter variierte zwischen zwölf und vierzehn. Keiner von den Jungs und Mädchen waren Freund und Freundin. Es gab zwischen uns keine festen Beziehungen. Es lag daran, dass Armeemitglieder, jeder zu unterschiedlichen Zeiten, alle zwei Jahre umzogen und es allenfalls emotional belastend gewesen wäre, sich immer wieder aufs neue zu verabschieden. Wir ließen es also. Wir waren zwar Freunde, jedoch ohne emotionale Bindungen.

Geknutscht hatte ich mit allen Mädchen, bis auf Amanda Davis, und etwas gefummelt auch und denke, die anderen hatten untereinander ähnliches erlebt. Amanda war eine Zicke, die sich von keinen anfassen ließ, aber der Rest von uns lebte ein Leben der großzügigen und geteilten Freuden. Im Rückblick sehe ich uns wie eine Art Swinger Club für Schulpflichtige.

Wir verbrachten einen langen Tag im Freibad. Wir setzten Arschbomben neben den hübschen deutschen Mädchen und lieferten uns einen inoffiziellen Köpper Wettbewerb vom Dreierbrett mit den deutschen Jungs den wir übrigens fast immer gewannen. Am Nachmittag machten wir uns auf den Nachhauseweg. Ich glaube, es war Gary Allwell, der vorschlug eine Abkürzung durch ein unbekanntes Waldstück zu nehmen. So könnten wir uns angeblich den Weg durch den verhassten Steinbruch ersparen. Der Ort, wo die heimtückischen Überfälle der „Krauts“ gewöhnlich stattfanden. Die meisten von uns hatten zwar von dieser legendären Abkürzung gehört, aber keiner wusste genau, wo sie langging. Da wir alle recht müde und nicht darauf erpicht waren mit Steinen beworfen zu werden, einigten wir uns schnell...und Gary kannte den Weg.

Aufbruch.

Es kam mir sehr viel länger vor, als unser üblicher Pfad. Man muss sich natürlich vorstellen, wir befanden uns hier im weitläufigen Teutoburger Wald. Dichte Tannenhaine wechseln sich mit weitflächigen Heidefeldern ab. Vielleicht kam es mir aber nur so lang vor, weil ich nervös war. Ich wurde vorher schon in zwei Hinterhalte gelockt und trug einige Narben auf Kopf und Rücken davon.

Die Mädchen gingen als kleine, geschlossene Gruppe hinter uns her. Wir waren ja die Männer, die sie beschützen sollten. Wir mussten vorangehen, falls eine Angriff Situation eintraf. Es kam ab und zu vor, dass sich einer wichtig tat und plötzlich die Hand hochhielt. Dies für die Mädels als Zeichen zu verstehen, auf der Stelle die Klappe zu halten und sich vorerst nicht von der Stelle zu bewegen. »Schhht!« würde jemand von sich geben und zu einer Salzsäule gefrieren. Die anderen nahmen sofort Kampfstellung ein, scannten die umliegende Gegend mit Adleraugen und suchten gleichzeitig den Boden nach brauchbaren Waffen ab. Es war fast immer falscher Alarm, denn wenn wir von den Deutschen überfallen wurden, merkte man das vorher so gut wie nie, da sie so verdammt geschickt waren. Es war aber ein guter Anlass bei den Mädchen Eindruck zu schinden, wie verantwortungsvoll man unter Druck handelte. Die Devise; besser einmal zu oft vorsichtig, als einmal zu wenig. Es lag uns im Blut. Wir waren Soldatenkinder hinter feindlichen Linien.

Wenn wir uns zwischendurch sicher fühlten, konnten wir uns entspannen und uns anderen, wichtigeren Themen zuwenden. Zum Beispiel, wer mit wem geknutscht, wer noch nicht mit wem, aber vor allen Dingen, wer welche Teile von wem gesehen hat. Weibliche Geschlechtsteile hatten auf uns Jungs eine unglaubliche Anziehungskraft. Ich weiß nicht, ob die Mädchen sich auch über ähnliche Fragen unterhielten, aber bei uns war es stets das Thema Nummer 1.

Irgendwann kam Stevie Tulley auf die geistreiche Idee, hier, mitten in der Pampa, mit den Mädels eine kleine Vereinbarung zu treffen. Wir würden ihnen unsere Pimmel zeigen, und dafür würden sie uns, selbstverständlich Zug um Zug, ihre Möschen (O-Ton Stevie Tulley) zeigen. Eine ausgezeichnete Idee, befanden wir, wenngleich Stevie zur Fraktion gehörte die jede Gelegenheit nutzte ihr Geschlechtsteil an die Luft zu holen. Irgendwie gab es in der frühen Jugend immer einen in der Gruppe. Ich, persönlich, gehörte nicht zu der Gattung, aber es kam mir wie ein recht fairer Deal vor, ihn kurz zu zeigen, um dafür die Dinger von neun Mädchen zu sehen. Ja, eins zu neun schien mir ein gutes Geschäft zu sein. Hinsichtlich dieser Überlegung, war ich augenscheinlich nicht allein.

Prompt hielten wir an. Die Mädels auch, denn sie dachten, die Deutschen befanden sich irgendwo in Lauerstellung. Sie sahen uns erwartungsvoll an.

Da der Vorschlag von Stevie stammte, sollte er auch unser Sprachrohr sein. Er stellte sich vor den Mädels auf. »Wir haben uns was überlegt.«

Automatisch trat Sandra Blackburn vor und nahm die Interessen der Mädchen wahr. »Und das wäre?«

»Wir zeigen euch unsere Pimmel, wenn ihr uns eure Möschen zeigt...abwechselnd.« Ohne jegliches zögern und gänzlich ohne Scham. Das musste man ihm lassen; Schneid hatte er, wenn nichts anderes.

Sandra drehte sich zu den Mädels. Sie sahen ausnahmslos mit einem antwortenden Blick der Verwunderung, aber auch nicht ohne ein gewisses, lüsternes Einverständnis zurück. »Darüber müssen wir uns aber zuerst unterhalten«, sagte sie, ohne uns anzusehen.

Wir Jungs standen ungefähr drei, vier Meter entfernt. »Und ihr musst weiter weggehen, während wir uns beraten.«

Stevie kam wieder zu uns und wir entfernten uns, wie gewünscht, ein paar Meter. Ich konnte es nicht so recht glauben. Sie hatten nicht sofort, wie erwartet, oh nein, Ihr Schweine geschrien. Im Gegenteil. Sie wollten tatsächlich darüber konferieren. Wir klopften Stevie auf die Schulter für seinen Geniestreich und begannen auszuloten, wer als erster zeigen sollte.

Stevie sollte es sein, da ja die Idee von ihm stammte. Keiner von uns war scharf darauf als erster zu gehen, um anschließend von den Mädels verarscht zu werden, wenn es darum ging, sich zu zeigen. Wenn es aber dazu kam, wäre Gary als Zweiter dran, Dave dritter, dann ich und die anderen.

Nach einigen Minuten kam uns Sandra entgegen. »In Ordnung, aber wir sind neun und ihr seid nur acht. Das ist nicht fair.«

Stevie hatte spontan die rettende Antwort parat. »Na und? Dann zeige ich meinen eben zweimal.«

Sandra schloss sich wieder ihre Gruppe an. Eine Minute und einiges Gemurmel später, kam sie zurück. »Wir sind einverstanden, aber ihr fangt an.«

Stevie strahlte uns freudig an und wir strahlten zurück, denn es war vorerst geschafft. Wir würden, jeder einzelne von uns, einen Blick auf neun verschiedene, heilige Tempel werfen dürfen. Obwohl er es nicht weiß, ist Stevie Tulley bis heute, durch diese Aktion, einer meiner Jugendidole. Stevie, solltest Du irgendwann diese Geschichte lesen, dann melde Dich bitte. Ich muss Dir unbedingt einen Ausgeben. Was heißt hier einen?

Stevie ging in Richtung Mädchengruppe. Wir sahen ihn nur von hinten, als er seine Shorts aufsperrte und den Mädels sein bestes Stück offenbarte. Ich werde nie diese Ausdrücke vergessen; Auf ihren Gesichtern spiegelte sich eine Mischung aus Geilheit, kindliche Neugierde und völliges Entsetzen wider. Nach etwa einer halben Minute war es vorbei. Stevie kam breit lächelnd und selbstzufrieden zu uns zurück.

Ich denke, wir Jungs staunten nicht schlechter, als Pamela, die jüngere Schwester von Sandra, zu uns herüber kam, ihren Rock hochhielt und ihren geblümten Schlüpfer zur Seite zog. Wir sahen geschlossen und fasziniert hin. Ich weiß nicht, ob es Enttäuschung war, weil sie uns nur einen langweiligen, haarlosen, kleinen Schlitz präsentierte, oder ob es sich um das Gefühl betrogen worden zu sein handelte, was mich befiel, weil wir Jungs wenigstens etwas zum zeigen hatten, aber es legte sich in dem Moment, nachdem, die ebenfalls mir nichts sagende, Heather Robinson dran war, und endlich Christine Fuller kam. Sie war die älteste von ihnen und für meinen Geschmack die hübscheste, auch wenn meine Freunde die uneingeschränkte Ansicht teilten Julie Macmahon und Sandra Blackburn wären die Supermodels unter den Mädels. So gehen die Meinungen halt auseinander.

Christine kam auf uns zu und hob, ohne eine einzige Sekunde zu zögern, ihren kurzen, beigefarbenen Cord Rock hoch. Es jagte mir einen wohligen Schauer durch den gesamten Körper, nur zu wissen, dass sie, die ganze Zeit über, ohne Höschen rum lief, aber vollends verzückte es mich, als meine Augen das dunkle Dreieck zwischen ihre gebräunten Schenkel fokussierten. Im Gegensatz zu den vorherigen „kleinen Mädchen“, besaß sie einen dunkelblonden Haaransatz und gleichmäßig geformte Schamlippen, wobei der Kitzler deutlich zu sehen war, was meine Freunde, ganz offensichtlich Fans der harmlosen Minischlitze, zu Aussagen wie »Ihhh«, oder »Uhhh« verleitete. Einer ließ sogar »Igitt!« verlauten. Ich verstand diese Aufregung ehrlich nicht. Ich weiß heute noch, wie alles, wie von Zauberhand, in den Hintergrund rückte, als sich mein Blick langsam nach oben auf ihr Gesicht richtete. Sie lächelte mich dabei an. Mich! Es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor und lief in lautloser Zeitlupe ab, bis sie sich umdrehte und zurückging.

Ich hatte mich soeben zum ersten Mal im Leben verliebt.

Stevie war es, der mich aus Wolkenkuckucksland zurückholte. »Will? Du bist dran.«

»Oh, ähhm, OK.«

Nervös trat ich vor, ging auf die Mädchen zu und atmete tief durch. Ohne sie anzuschauen holte ich ihn raus. Erst dann sah ich sie an. Ihre Blicke zoomten in rasender Geschwindigkeit auf meine geöffnete Hose zu. Es überraschte mich, dass es gar nicht so unangenehm war, wie ich erwartet hatte. Es lag eine gewisse Macht in der Situation, denn als ich ihn wieder sorgfältig einpackte, veränderten sich die Gesichtsausdrücke augenblicklich, von entzückt zu enttäuscht. Das Entsetzen war schon längst verschwunden. Als ich hochsah, versank ich erneut in Christines Augen. Ich sah sie noch mindestens dreimal über meine Schulter an, während ich mich meiner wieder Gruppe anschloss.

Was Steve Ahearn oder Mickey Percival letztlich davon hatten, ihre Schwestern, beziehungsweise, ihre Brüder zu sehen, bleibt mir ein Rätsel, aber so waren nun mal die Spielregeln. Es stellte sich heraus, Stevie musste seinen doch nicht zweimal zeigen, denn Amanda, die Zicke, weigerte sich in letzter Sekunde ihren Teil der Abmachung einzuhalten, aber er tat es, der ehrenhalber trotzdem. »Nein, nein, abgemacht ist abgemacht«, winkte er ab, in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung seinen Hosenschlitz öffnend.

Zufrieden setzten wir unseren Marsch fort. In Gedanken versunken, schlafwandelten wir vor uns hin und schwelgten in das soeben Erlebte. Christine und ich warfen uns immer häufiger verstohlene Blicke zu, ohne dass die anderen etwas merkten, und wenn, merkten wir nichts davon.

Wir erreichten erneut ein dichtes Waldstück. Nachdem wir uns versicherten hier würde kein Angriff stattfinden, zog Stevie das nächste Ass aus seinem verkommenen Ärmel.

»Wie wäre es, wenn sich jeder ein Mädchen aussucht und mit ihr rummacht? Wir könnten uns schön im Wald verteilen und in einer halben Stunde wieder hier treffen? Was sagt ihr dazu?«

Erst viele Jahre später wurde mir bewusst, wenn dieser Mann in die Politik gegangen wäre, er wahrscheinlich unser gesamtes System, wie wir es kennen, in Gefahr gebracht hätte. Ein anarchistisches Pop Idol. Ein britischer Larry Flint.

Die Art, wie wir ihn in Bezug auf diese Frage ansahen, ließ ihn postwendend wissen, dass wir mit dieser Idee mehr als nur einverstanden waren.

»Dann schlag du es ihnen vor«, kam die Antwort von Gary. »Vorhin hat es ja auch gut geklappt.«

Es bedurfte keine weiteren Worte, denn bevor wir es wussten, stand er vor den Mädels. »Wir haben uns was überlegt.«

Und wieder war es Sandra, die als Sprecherin vortrat. »Und das wäre?«

»Jeder Junge sucht sich ein Mädchen aus und geht mit ihr in den Wald. In einer halben Stunde oder so, treffen wir uns alle wieder hier.«

Abermals die gleiche Prozedur. »Darüber müssen wir uns aber zuerst unterhalten.«