Handballspiele werden im Kopf entschieden - Daniel Memmert - E-Book

Handballspiele werden im Kopf entschieden E-Book

Daniel Memmert

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Beschreibung

Andy Schmid und Domagoj Duvnjak gelingt es scheinbar mühelos, in äußerst komplexen Situationen ungewöhnliche, aber auch technisch-taktische Bestlösungen auf das Spielfeld zu "zaubern". Oft wird bei solchen Ausnahmespielern von Gedankenschnelligkeit gesprochen. Das Buch Handballspiele werden im Kopf entschieden vereint neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Übungsformen, um dieses meist ungenutzte Potenzial auszuschöpfen und die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern.

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Seitenzahl: 166

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In Liebe an Kerstin und Katja sowie unsere Kinder

Allgemeiner Hinweis:

Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir uns entschlossen, durchgängig die männliche (neutrale) Anredeform zu nutzen, die selbstverständlich die weibliche mit einschließt.

Sollte diese Publikation Links auf Websiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Daniel Memmert | Stefan König

Handballspiele werdenIM KOPFentschieden

Kognitives Training, Kreativität & Spielintelligenz im Amateur- und Leistungsbereich

Vorwortvon

UWE

GENSHEIMER

Handballspiele werden im Kopf entschieden!

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über

<http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2022 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)

eISBN 978-3-8403-3769-7

E-Mail: [email protected]

INHALT

Vorwort von Uwe Gensheimer

Vorwort der Autoren

1 Handballspiele werden im Kopf entschieden

2 Definition und Relevanz von Kognitionen

3 Kognitionen im Handball

3.1 Antizipation

3.2 Wahrnehmung

3.2.1Bewusste Wahrnehmungsprozesse auf Basis korrekter Informationen

3.2.2Bewusste Wahrnehmungsprozesse auf Basis nicht korrekter Informationen (Täuschungen)

3.2.3Unbewusste Wahrnehmungsprozesse auf Basis korrekter Informationen

3.2.4Unbewusste Wahrnehmungsprozesse auf Basis nicht korrekter Informationen (Täuschungen)

3.3 Aufmerksamkeit

3.3.1Selektive Aufmerksamkeit (Selective Attention)

3.3.2Geteilte Aufmerksamkeit (Divided Attention)

3.4 Spielintelligenz

3.5 Spielkreativität

3.5.1Deliberate Play

3.5.2One-Dimension-Games

3.5.3Diversifikation

3.5.4Deliberate Coaching

3.5.5Deliberate Motivation

3.5.6Deliberate Practice

3.6 Arbeitsgedächtnis

4 Diagnostik von Kognitionen

4.1 Labortests

4.1.1Attention-Window-Test

4.1.2Working-Memory-Span-Test

4.1.3Perceptual-Load-Test

4.1.4Multiple-Object-Tracking-Test

4.2 Feldtests

4.2.1Spieltestsituation „Ball dem Ziel annähern“

4.2.2Spieltestsituation „Zusammenspiel“

4.2.3Spieltestsituation „Lücken ausnutzen“

4.2.4Spieltestsituation „Überzahl herausspielen“

5 Spielformen zum kognitiven Training

5.1 Spielformen zur Antizipation

5.1.1Spiel 1 gegen 1 im Halbfeld

5.1.2Den Ball erobern im Spiel 5 gegen 3

5.1.3Wandball

5.1.4Hütchentorball

5.1.5Handball-Rugby

5.1.6Korridor-Handball

5.1.7Liegestütz-Handball

5.1.8Rebounderball

5.1.9Gegenstoß 1 gegen 0

5.1.10Gegenstoß 2 gegen 1

5.1.11Gegenstoß 1 gegen 1 und 2 gegen 2

5.1.12Variables Gegenstoßspiel

5.1.13Passzeck (Duell, 1981)

5.1.14Antizipatives Verteidigen (Brack & Bauer, 2020)

5.2 Spielformen zur Wahrnehmung

5.2.1Verfolgungsprellen

5.2.2Klimaviereck

5.2.3Zahlenpassen (Braun, 1992)

5.2.4Vier-Farben-Parteiball

5.2.5Vier-Ecken-Handball

5.2.6Vier-Tore-Handball

5.2.7Aufsetzer-Handball (König & Husz, 2015)

5.2.8Befreiungsprellen

5.2.9Parteiball 5 gegen 2 mit 2 Bällen

5.2.10Chinesische Mauer

5.2.11Hochgeschwindigkeitspassen (Sichelschmidt et al., 1988)

5.2.12Sprungwurfkönig

5.2.13Spiel 1 gegen 1 aus dem Rückraum

5.2.14Spiel 2 gegen 1 und 3 gegen 2

5.2.15Spiel mit zwei Kreisläufern (Duell, Eyser & Späte, 1981)

5.3 Spielformen zur Aufmerksamkeit

5.3.1Prellspiel mit Partner

5.3.2Reifenball

5.3.3Vier-Ecken-Ball als Königsball

5.3.4Jeder gegen jeden

5.3.5Handball mit Spielfeldwechsel

5.3.6Bewegliche Reifen

5.3.7Drei gewinnt

5.3.8Zwei-Felder-Passspiel

5.3.9Prellchampion

5.3.10Bleibe in der Spur

5.3.11So schnell wie der Ball

5.3.12Schnelle Abwehr

5.4 Spielformen zur Spielintelligenz

5.4.1Sektorenspiel in Überzahl 3 gegen 2

5.4.2Sektorenspiel in Überzahl 4 gegen 3

5.4.3Sektorenspiel in Gleichzahl 3 gegen 3

5.4.4Sektorenspiel in Gleichzahl 4 gegen 4

5.4.5Sektorenspiele in Gleichzahl 3 gegen 3 als Dreierhandball

5.4.6Mattenball

5.4.7Transition Game 1

5.4.8Transition Game 2

5.4.9Vierer-Handball

5.4.10Fußball-Handball

5.4.11Handball-Kopfball

5.4.12In die Tiefe

5.4.13Parteiball mit zwei Aufgaben

5.4.14Entscheidungswettkampf RL/RR

5.4.15Entscheidungswettkampf RM

5.4.16High-Speed-Angriff

5.5 Methodische Hinweise zur Spielkreativität

5.6 Spielformen zum Arbeitsgedächtnis

5.6.1Indoor-Beach

5.6.2Wandball komplex

5.6.3Rechen-Handball

5.6.4Gegenstoßspiel

5.6.5Drei-Felder-Handball

5.6.6Zehnerpass

5.6.71 gegen 1 plus Linienspieler

5.6.8Fangspiel

5.6.9Passen mit mehreren Bällen

5.6.10Zahlenmeister

5.6.11Farbenkarate

5.6.12Nimm zwei

5.6.13Burpeekönig

5.6.14Quadrantenball

5.6.15Zonenwechselball

6 Ausblick

Anhang

1 Literatur

2 Zu den Autoren

3 Bildnachweis

VORWORT

VON UWE GENSHEIMER …

Beim olympischen Turnier in Japan 2021 werden uns die Spiele verschiedener Teams viel Freude bereiten. Ich hoffe natürlich, dass auch unsere Mannschaft dazugehört. Dies wird durch kreative Einzelaktionen von herausragenden Individualisten sowie durch scheinbar mühelose Kombinationen sowie schnelle und effektive Ballstafetten ganzer Mannschaftsteile gelingen. Grundlage für diese spielerischen Kabinettstücke sind kognitive Kompetenzen, die keinem Handballspieler in die Wiege gelegt werden, sondern die in vielen Übungsstunden „eingeschliffen“ werden müssen.

Das war und ist auch bei mir so: In den vielen Jahren bei den Rhein-Neckar Löwen und Paris Saint-German, selbstverständlich aber auch in der Nationalmannschaft, haben meine Mitspieler und ich immer sehr konsequent Dinge wie Wahrnehmung, wie Aufmerksamkeit und intelligente Entscheidungen trainiert.

Nur deshalb gelingt es mir scheinbar mühelos, Torhüter beim Siebenmeter oder bei Würfen von meiner Linksaußenposition genau und aufmerksam wahrzunehmen und die richtige Wurfentscheidung zu treffen oder auch hin und wieder etwas Kreatives zu versuchen; ein Dreher oder ein Heber sind schließlich genau die Dinge, die unsere Zuschauer und Fans sehen wollen.

Trainerinnen und Trainer erhalten mit dem Buch Handballspiele werden im Kopf entschieden die Möglichkeit, sich den allzu oft vernachlässigten kognitiven Fähigkeiten intensiv zu widmen. Die Bedeutsamkeit des „Kopfes“ für ambitionierte A-Jugend-Mannschaften bis hin zur Regionalliga oder sogar den Profibereich ist unstrittig. Ich habe dem kognitiven Training immer einen besonderen Stellenwert zugeschrieben, es spielte keine Rolle, wo ich trainiert habe.

Bisher haben die Trainerinnen und Trainer in Deutschland aber immer wieder auf ihr eigenes Wissen zurückgreifen oder sich mühsam in den einschlägigen Handballzeitschriften Hinweise und Spielformen zu Kognitionen im Handball suchen müssen. Der vorliegende Band schließt diese Lücke.

Mit den zahlreichen Spielformen zu den sechs Kognitionen Antizipation, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Spielintelligenz, Kreativität und Arbeitsgedächtnis gelingt es jetzt, sich schnell und unkompliziert Anregungen für die tägliche Trainingspraxis zu holen.

Ich wünsche dem Band 3 der Reihe Sportspiele werden im Kopf entschieden eine große Verbreitung. Zudem hoffe ich, dass die Lektüre helfen wird, kognitive Kompetenzen, denen bis jetzt im Trainingsprozess zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde, wieder vermehrt in den Mittelpunkt des Trainings zu rücken. Im kognitiven Bereich schlummern die größten Potenziale; wir sollten lernen, sie so effektiv wie möglich zu nutzen. Dies gilt von der Kreisklasse bis zur Nationalmannschaft.

Uwe Gensheimer

Langjähriger Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft

VORWORT

DER AUTOREN

Wir möchten zahlreichen Kolleginnen und Kollegen großen Dank sagen, mit denen wir zur Thematik Kognitionen und zu den Sportspielen in den letzten Jahren, gar Jahrzehnten, forschen sowie publizieren durften und deren Ideen wir (natürlich gekennzeichnet) integriert haben (alphabetisch): Dr. Philip Furley, Prof. Dr. Norbert Hagemann, Jun.-Prof. Dr. Stefanie Klatt, Dr. Timo Klein-Soetebier, Prof. Dr. Benjamin Noël, Prof. Dr. Klaus Roth, Dr. Sebastian Schwab sowie Prof. Dr. Matthias Weigelt. Selbstverständlich sei auch allen Studierenden gedankt, die wertvolle Beiträge zu den einzelnen Teilstudien geleistet haben.

Ein Forschungsprogramm resultiert selten aus den Ideen eines Einzelnen, sondern viel eher aus den gemeinsamen Gedanken Vieler in einer angenehmen Atmosphäre. Zusätzlich möchten wir uns bei allen bedanken, die Teile des Buchs im Vorfeld kritisch gegengelesen haben. Dies sind insbesondere (alphabetisch) Prof. Dr. Norbert Hagemann, Prof. Dr. Oliver Höner, Dr. Carina Kreitz, PD Dr. Florian Loffing, Prof. Dr. Matthias Weigelt sowie Elke Weyermann, M. Sc.

Für die Mithilfe bei der Spieleauswahl, bei der Erstellung der Abbildungen und für die vielfältigen Rückmeldungen möchten wir uns bei Marina Gabriel und Linnea Schneider sehr herzlich bedanken. Dr. Philip Furley hat uns zentral im gesamten Prozess begleitet, was wir sehr zu schätzen wissen.

Die vielen kritischen Hinweise haben nicht nur dem Buch sehr gutgetan, sondern auch den Forschungsarbeiten in diesem Bereich an unserem Institut.

Daniel Memmert und Stefan König

1 HANDBALLSPIELE WERDEN IM KOPF ENTSCHIEDEN …

Andy Schmid, Uwe Gensheimer und Domagoj Duvnjak gelingt es scheinbar mühelos, in äußerst komplexen Situationen ungewöhnliche, aber auch technisch-taktische Bestlösungen auf das Spielfeld zu „zaubern“. Erfolgreiche Trainer, aber häufig auch Spieler sprechen bei solchen Ausnahmespielern von Gedankenschnelligkeit, „der Kopf ist wichtig“, „sehr schnell im Kopf“, oder „intelligenten Spielern“1. Auch Trainer Nikolaj Jacobsen (Trainer der dänischen Nationalmannschaft) weiß um diese Qualitäten: „Andy Schmid ist unser Denker und Lenker. Er ist sehr wichtig für das Team. Ohne ihn denken wir nicht.“ (https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.schweizer-schmid-ist-weltklasse-der-lionel-messi-des-handballs.1058b099-a753-4396-b557-eb3ab86108c9.html)

Ein gutes Beispiel sind Aussagen in Handballmagazinen, in denen dann von Handlungsschnelligkeit gesprochen wird (siehe Box), und auch in Handballlehrbüchern wird immer wieder betont, dass Handballspiele im Kopf entschieden werden (Wagner, Finkenzeller, Würth & Von Duvillard, 2014; Weigel, 2018). Zudem wird in sportwissenschaftlichen Zeitschriften eine ganze Reihe von Studien beschrieben, welche die besondere Bedeutung der Kopplung von Wahrnehmungsfähigkeiten und Reaktions- bzw. Handlungsschnelligkeit (= „Reactive Agility“) unterstreichen.

Ein körperlicher Vorteil bringt dich im Spiel nicht viel weiter. Wichtiger ist es, im Kopf schnell Entscheidungen zu treffen. (Uwe Gensheimer, Handball-Nationalspieler)

Aber ansonsten gibt es bei den Frauen und Männern verschiedene Spieler, bei denen ich mir einzelne Aspekte als Vorbild nehme und diesen nacheifern will. Das sind so Sachen wie: Entscheidungsverhalten, die richtigen Lücken im Angriff finden. (Emily Bölk, Handball-Nationalspielerin)

Mit jedem Sieg steigt das Selbstvertrauen, das einen in die Lage versetzt, das Spiel selbst zu bestimmen und die taktischen Vorgaben unseres Trainers durchzuziehen. (Finn Lemke, Handball-Nationalspieler)

Definition der Handlungsschnelligkeit (nach Friedrich, 2005, S. 143)

„Besonders in den Sportspielen kommt es darauf an, sporttechnische und taktische Handlungen situationsangemessen und erfolgreich auszuführen. Ausdruck des Niveaus der Handlungsschnelligkeit ist die für die kognitiven Prozesse (geistige Schnelligkeit) und die motorische Lösung der Handlungsaufgabe benötigte Gesamtzeit.“

Allen Termini und Ansätzen gemeinsam ist, dass der Kopf und damit Kognitionen eine fundamentale Rolle im Handball und in anderen Sportspielen zu spielen scheinen (vgl. auch Thienes, 2019).

Im Sport werden die „Problemlöseprozesse“, die notwendig sind, um in bestimmten Situationen gezielt adäquate Lösungen zu generieren, als Kognitionen bezeichnet. Dazu wird in diesem Buch ein Prozessmodell des Ablaufs menschlicher Entscheidungshandlungen vorgestellt. Kognitionen, wie Antizipation, Wahrnehmung, Gedächtnis oder Aufmerksamkeit, werden beschrieben, die zur Kreativität beitragen. Dazu gehört ganz zentral auch die Spielintelligenz – womit generell die Auswahl der besten Entscheidung gemeint ist. Etwas weiter gefasst kann man zu den Kognitionen auch Wille, Stimmungen und Emotionen zählen. Im Training soll es nun darum gehen, all diese Kompetenzen einzeln oder in Kombination zu trainieren und somit im Gedächtnis abrufbar zu machen.

Handball hat in der Sportwissenschaft generell einen hohen Stellenwert. Es gibt zu diesem Thema viele Forschungsergebnisse aus verschiedenen Disziplinen (u. a Biomechanik: Rojas, Gutiérrez-Davila, Ortega, Campos & Párraga, 2012; Händigkeit: Loffing, Sölter, Hagemann & Strauss, 2015; Diagnostik: Raab, Zastrow & Häger, 2008; Kondition: Madou, 2020; Pietro, 2018; Motivation und Drop-out: Sarrazin, Vallerand, Guillet, Pelletier & Cury, 2002; Motorik: Krawczyk, Bodasinski, Bodasinska & Slupczynski, 2018; Psychologie: Kajtna, Vuleta, Pori, Justin & Pori, 2012; Ohlert & Kleinert, 2015; Strykalenko, Shalar, Huzar, Voloshinov, Yuskiv, Silvestrova & Holenko, 2020; Schiedsrichter: Debanne, 2014; Morillo, Reigal, Hernández-Mendo, Montaña & Morales-Sánchez, 2017; Talent: Schorer, Faber, Koopmann, Büsch & Baker, 2020; Schlaf: Jarraya, Jarraya, Chtourou, Souissi & Chamari, 2013; Schorer, Heibült, Wilson & Loffing, 2020; Time-out: Gutiérrez-Aguilar, Montoya-Fernández, Fernández-Romero & Saavedra-García, 2016; Weltstandsanalysen: Lames, Dreckmann & Görsdorf, 2010; Hansen, Sanz-Lopez, Whiteley, Popovic, Ahmed & Cardinale, 2017).

Für das Buch relevant sind vor allem aber die Bereiche Wahrnehmung, Antizipation, Aufmerksamkeit, Kreativität, Spielintelligenz sowie das Arbeitsgedächtnis, wobei nur für die ersten drei Kognitionen eine ausreichende Anzahl von Publikationen vorliegt. Dennoch sind auch aus diesen Arbeiten noch nicht alle wissenschaftlichen Ergebnisse in die Praxis transferiert worden.

Das erkennt man daran, dass erstaunt darüber berichtet wird, wenn Rolf Brack Spielformen zur Wahrnehmung und zum situationsangemessenen Entscheiden anleitet, bei denen vier verschiedene Farben (Leibchen der verschiedenen Teams in Bezug auf vier Tore) eine Rolle spielen oder er im Training Denksportaufgaben mit motorischen Antworten verbindet. Das gilt dann schon als revolutionär, dabei ist diesbezüglich noch viel mehr möglich.

In diesem Buch werden zum ersten Mal wissenschaftlich fundierte Aussagen zum Kognitionstraining im Handball gemacht. Dabei werden sowohl inhaltliche als auch methodische, diagnostische und praktische Aspekte aufgearbeitet.

Im ersten Teil des Buchs werden Grundlagen für ein kognitives Training gelegt:

Was sind die entscheidenden Faktoren, die man schulen kann?

Welche Modelle stehen bereit?

Welche Evidenzen gibt es dazu?

Darüber hinaus werden diese Erkenntnisse auch mit der Coachingpraxis verknüpft. Durch ein einziges Wort können Trainer die Aufmerksamkeitsfoki der Spieler variieren. In Situationen, in denen Variabilität und Kreativität gefragt ist, brauchen wir einen möglichst breiten Aufmerksamkeitsfokus. Wenn dagegen Bewegungen und Aktionen zu antizipieren sind bzw. wir auf bestimmte Ereignisse achten müssen, dann hilft uns ein enger Aufmerksamkeitsfokus. Dazu wurden in den letzten 15 Jahren viele Studien durchgeführt und wir wissen auch, welche Rolle das Arbeitsgedächtnis in diesem Zusammenhang spielt.

Die mögliche kognitive Diagnostik wird anhand des zugrunde liegenden Modells im Anschluss in Tests zu elementaren Kognitionen im Labor und Feld unterteilt. Um beispielsweise festzustellen, wie groß der Aufmerksamkeitsfokus eines Spielers ist, kann man im Labor sehr genau dessen Aufmerksamkeitsfenster bestimmen.

In umfangreichen sportwissenschaftlichen Studien mit Spitzensportlern wurden Aufmerksamkeitstests entwickelt, mit denen das Aufmerksamkeitsfenster eines Athleten aufs Genaueste bestimmt werden kann. Darüber hinaus gibt es Diagnostiktools, die man in der Praxis einsetzen kann. Man kann beispielsweise erfassen, wie sich Spieler gegen Störvariablen abschirmen, also auf eine Sache konzentrieren können, wie ausgeprägt verteilte oder selektive Aufmerksamkeit ist und wie gut sich Athleten fokussieren können. Dafür gibt es zahlreiche Testverfahren.

Gleichzeitig gibt es etablierte, spielnahe Sportspieltests im Feld (Halle oder Sportplatz), mit denen man die Kompetenz von Sportlern bei der Suche nach Lücken und das Freilaufen im Raum bewerten kann. Diese bilden ein basistaktisches Fundament und sind nicht nur im Handball, sondern auch in anderen Sportspielen von Bedeutung.

In Kap. 5 werden Schulungsbeispiele in Form von Spiel-, Wettkampf- und Übungsformen für ein kognitives Training vorgestellt. Trainer und Vereine müssen noch mehr dafür sensibilisiert werden, dass Aufmerksamkeit und Kreativität trainiert werden können. Gerade Antizipation, aber auch Wahrnehmung und Aufmerksamkeit können hervorragend geschult werden. Dazu werden zahlreiche Beispiele vorgestellt, die nach dem inhaltlichen Modell des kognitiven Trainings strukturiert sind, welches im nächsten Kapitel beschrieben wird.

1Wenn in diesem Buch von Spieler, Trainer, Athlet oder Lehrer gesprochen wird, dann sind damit natürlich immer beide Geschlechter gemeint.

2 DEFINITION UND RELEVANZ VON KOGNITIONEN

Was sind nun Kognitionen oder kognitive Prozesse aus wissenschaftlicher Perspektive genau? Die Verwendung des Begriffs Kognition hat eine lange Tradition, die von Tolman über Hebb und Neisser bis zu Gazzaniga, alle berühmte Wissenschaftler, reicht.

An dieser Stelle wird darauf verzichtet, einen genauen Überblick über die vorhandene Definitionsvielfalt zu geben (z. B. für einen Überblick in der Psychologie, Neisser, 2014; für einen Überblick im Sport, Memmert, 2004a). In Abgrenzung zu rein physiologischen, neuronalen und präkognitiven Vorgängen charakterisieren Roth und Menzel (2001, S. 559) geistige Leistungen durch sechs kognitive Prozesse:

integrative, häufig multisensorische und auf Erfahrung beruhende Wahrnehmungsprozesse;

Prozesse, die das Erkennen individueller Ereignisse und das Kategorisieren bzw. Klassifizieren von Objekten, Personen und Geschehnissen beinhalten;

Prozesse, die bewusst oder unbewusst auf der Grundlage interner Repräsentationen (Modelle, Vorstellungen, Karten, Hypothesen) ablaufen;

Prozesse, die eine erfahrungsgesteuerte Veränderung von Wahrnehmung beinhalten und deshalb zu veränderlichen Verarbeitungsstrategien führen;

Prozesse, die Aufmerksamkeit, Erwartungshaltungen und aktives Explorieren der Reizsituation voraussetzen oder beinhalten;

„mentale Aktivitäten“.

Im Allgemeinen und etwas vereinfacht zusammengefasst, werden Kognitionen als höhere geistige Funktionen und Prozesse definiert, die notwendig sind, um in bestimmten Situationen gezielt adäquate Lösungen in unserer Umwelt zu generieren.

Die Bedeutung von Kognitionen ist im Sport alles andere als abschließend geklärt, vielmehr befindet sie sich derzeit in einer intensiven Diskussion. Diese erstreckt sich auch (und vor allem) in die Psychologie (siehe für einen Überblick Simons et al., 2016; Hambrick, Burgoyne & Oswald, 2019). Die Befunde aus der allgemeinen Psychologie mehren sich aber, dass beispielsweise fluide Intelligenz und Kreativität von verschiedenen elementaren und kognitiven Prozessen (z. B. Inhibition) beeinflusst werden (Benedek, Jauk, Sommer, Arendasy & Neubauer, 2014).

Somit befinden wir uns in einer spannenden Phase, sowohl für die Sportwissenschaft als auch für die Sportpraxis. Während etwa die eine Arbeitsgruppe seit Jahren Daten vorlegt, die zeigen, dass ein Training der Arbeitsgedächtniskapazität in einem positiven Zusammenhang zu verschiedenen kognitiven Leistungen steht (vgl. Klingberg, 2010), konnten diese Zusammenhänge von einer anderen Arbeitsgruppe in einer gewissen Regelmäßigkeit nicht bestätigt werden (vgl. Owen et al., 2010). Im Prinzip geht es immer darum, ob das Training einer elementaren Kognition zu Transfereffekten auf andere domänenspezifische Leistungen führt.

Exekutive Funktionen

Ein aktuelles Mainstreammodell für Kognitionen aus der Psychologie (Alvarez & Emory, 2006), welches auch in der Sportpsychologie hin und wieder als Grundlage von Forschungsprogrammen eingesetzt wird, beschreibt die Steuerung und Regulierung spezifischer kognitiver Prozesse von Menschen. Diese Exekutive Funktionen (EF) regeln zielgerichtetes, zukunftsorientiertes Verhalten (Friedman et al., 2006), also Prozesse wie die Entscheidungsfindung (d. h. Auswahl zwischen mehreren Alternativen).

EF werden weiter unterschieden in „Core EF“ (CEF) und „Higher-Level EF“ (HEF), wobei Erstere durch das Arbeitsgedächtnis, kognitive Flexibilität und inhibitorische Prozesse charakterisiert sind, während HEF Problemlöse- und Argumentationsstrategien sowie Planungsprozesse involviert (Diamond, 2013).

Diese Kompetenzen entwickeln sich mit dem Alter, da sie auf verschiedene präfrontale Gehirnstrukturen angewiesen sind. Die neuronale Struktur, die den HEFs zugrunde liegt, ist der präfrontale Kortex. Dieser reift nur langsam und als Letzter in der Entwicklung; die volle Kapazität wird hier erst zwischen 20 und 29 Jahren erreicht (Luciana et al, 2005).

Die CEFs hingegen entwickeln sich schon früher im Leben vollumfänglich, meist schon vor der frühen Adoleszenz (Crone et al., 2006). In diesem Buch bilden beide die Grundlage der vorgestellten Modelle und Befunde. Mit den CEFs werden das Arbeitsgedächtnis, das Tracking von Objekten, die Inhibitionsprozesse unter Auslastung der Wahrnehmungskapazitäten und die Flexibilität des Aufmerksamkeitsfensters in Verbindung gebracht, da sich diese früher als die HEFs entwickeln und dadurch ein Schlüsselindikator im frühen Entwicklungsprozess von Spielern sein könnten. Mit dem HEFs werden Antizipation, Spielintelligenz und Spielkreativität thematisiert, die sich (nicht nur, aber) auch in späteren Schulungsphasen gewinnbringend trainieren lassen.

In zwei sportwissenschaftlichen Metaanalysen (Voss et al., 2010; Scharfen & Memmert, 2019a) konnten kleine bis mittlere Effekte von grundlegenden kognitiven Leistungen bei Experten nachgewiesen werden, was auf überlegene (basale) Kognitionen von Eliteathleten hinzudeuten scheint. Einzelne Arbeitsgruppen haben darüber hinaus herausgefunden, dass Sportspielexperten (insbesondere Handballprofis) herausragende basale Kognitionen zu besitzen scheinen (Vestberg et al., 2012; Verburgh et al., 2016).

Es muss aber kritisch darauf hingewiesen werden, dass die Anzahl der Studien noch zu gering ist, die methodische Qualität überschaubar und es auch publizierte und nicht publizierte Studien gibt, die keine Zusammenhänge nachgewiesen haben (vgl. Furley, Schul & Memmert, 2017).

Zuletzt demonstrierte eine Querschnittsstudie von Scharfen und Memmert (2019b) bei hochtalentierten Nachwuchsleistungsfußballern, dass beispielsweise ein großes Aufmerksamkeitsfenster für komplexere motorische Fähigkeiten, wie zum Beispiel Dribbeln, von Vorteil sein kann. Außerdem deutet eine geringere Reduzierung der individuellen Ablenkbarkeit (Perceptual Load) auf eine höhere Geschwindigkeit beim Sprint hin.

Hinzu kommt, dass ein besseres Arbeitsgedächtnis Auswirkungen auf eine präzisere Ballkontrolle und Dribblingfähigkeiten hat. Diese Befunde müssen in naher Zukunft repliziert werden, insbesondere auch in größeren Stichproben.

Ein Überblick über kommerzielle, kognitive Trainingsprogramme und deren Auswirkungen auf den Einsatz im Sport zeigt (Harris, Wilson & Vine, 2018), dass noch viele Fragen offen sind und in Folgestudien geklärt werden müssen. Dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass wir in der Praxis beginnen müssen, Kognitionen zu schulen, auch bevor die Wissenschaft alle Fragen von A bis Z beantwortet hat.

An vielen Stellen bedarf es ein wenig Mut, an anderen Stellen wird Demut und Zurückhaltung gefragt sein. Das Dilemma von allgemeiner, domänenunspezifischer Kognition kann vielleicht am besten an der Metapher eines Transportmittels wie des PKWs oder des Flugzeugs verdeutlicht werden.

Einerseits, unabhängig davon, ob das Fahrzeug ein Sportwagen, Traktor oder LKW ist, gilt: Je größer der Motor ist (unspezifisch, da Motoren auch in vielen Geräten Anwendung finden), desto schneller wird man fahren können. Je besser die Technik (auch erst einmal unspezifisch) ist, desto sicherer wird man unterwegs sein usw.

Andererseits haben unterschiedliche Transportmittel auch unterschiedliche Anforderungsprofile. Ein Flugzeug benötigt beispielsweise einen ganz anderen Motor oder auch andere Reifen. Während man in der Raumfahrt- bzw. Automobilindustrie schon genauer weiß, welches Gemisch an Gummimaterialien für Reifen von Flugzeugen oder Autos gut ist (oder für beide), kann dies im komplexen Sport für kognitive Prozesse noch nicht gesagt werden.

Kognitionen in Analogie zu Laktat

Eine gute Ausdauer (abgebildet über das Stoffwechselabbauprodukt Laktat) wirkt einer frühen Ermüdung entgegen, unabhängig