Heart Beat - M. D. Grand - E-Book

Heart Beat E-Book

M. D. Grand

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Beschreibung

»Hast du Gefühle für Beccie?«, wiederholte er geduldig. »Was? Nein!« Doch. Was? »Bist du dir sicher?« »Ja!« Nein. Fuck. Sam liebt Surfen und seine Musik, James liebt Bücher, Flirten und seine Schwester Beccie. Gemeinsam sind die drei besten Freunde unschlagbar – na ja, zumindest fast. Denn dieser Frühling hält einiges für sie bereit. Die scharfsinnige Roxy verdreht James den Kopf und gefährdet sein Bad Boy-Image. Sam kann mal wieder nicht Nein sagen und steckt plötzlich in einer viel zu ernsthaften Beziehung mit der süßen Felicity. Der nahe Abschluss und die Collegebewerbungen machen das Leben der Jungs auch nicht leichter. Und Beccie … ist eben Beccie. Dass Sam dann auch noch Gefühle für seine beste Freundin entwickelt, finden alle drei höchst bedenklich.

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Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Danksagung

Anhang

Stopp, geh noch nicht!

M. D. Grand & S. M. Gruber
Heart Beat
Frühling, Flirts und Freundschaftskrisen
Eisermann Verlag

Heart Beat 1 – Frühling, Flirts und Freundschaftskrisen E-Book-Ausgabe  06/2018 Copyright ©2018 by Eisermann Verlag, Bremen Umschlaggestaltung: Jaqueline Kropmanns Illustrationen: Laura Dietsch & Ayline Fischer Satz: André Piotrowski Lektorat: Marie Weißdorn Korrektur: Maja Schützer http://www.Eisermann-Verlag.de ISBN: 978-3-96173-114-5

Für wahre Freunde, kleine Geschwister und große Rebellen.

Prolog

Sam

In high seas or in low seas I’m gonna be your friend.

(Bob Marley and the Wailers,High Tide or Low Tide)

»Lauf!«, keuchte Jay dicht hinter ihm. »Lauf schneller!«

Sams Lungen brannten und die ungewohnte Anstrengung ließ seine Muskeln rebellieren, doch er biss die Zähne zusammen. Jay hatte recht, wenn sie nicht rechtzeitig hier rauskamen, würde das mächtig Ärger geben.

»Stehen bleiben! Bleibt doch stehen, ihr verdammten Idioten!«, schnaufte es prompt von hinten. Nah. Viel zu nah.

Wie kann jemand, der so fett ist, nur so schnell rennen?, schoss es Sam durch den Kopf.

»Hätte nie gedacht«, Jay schnappte nach Luft und holte zu Sam auf, »dass der Fette so schnell rennen kann!«

»Ich auch nicht.« Sam grinste zu seinem Freund hinüber. »Aber das schaffen wir!«

Er zwang sich dazu, noch schneller zu laufen, spürte den harten Aufprall seiner Schritte auf dem Beton wie den Rhythmus eines Liedes. Hörte das Rauschen seines Blutes in den Ohren. Seinen Herzschlag, der hart gegen seine Brust trommelte. Wie der Soundtrack dieser Nacht.

»Da!« Sam deutete nach vorne, wo der große Eisenzaun bereits in Sichtweite kam. »Gleich!« Er versuchte, im Laufen einen Blick über die Schulter zu werfen, konnte aber nichts erkennen. »Bec?«, presste Sam hervor und Jay nickte knapp.

»Direkt hinter uns!«

Sam mobilisierte seine letzten Reserven und erreichte den Zaun als Erster. Schnell warf er den Rucksack auf die andere Seite und wandte sich ungeduldig um.

Jay klebte ihm direkt an den Fersen, Bec lag ein paar Meter zurück. Ein schmaler Schatten in der Dunkelheit, etwas langsamer als die Jungs, aber dafür umso wendiger. Keine zweihundert Schritte hinter ihr schwenkte eine beleibte, fluchende Gestalt wild brüllend ihre Taschenlampe. Der Wachmann.

»Okay, los!« Jay griff nach dem Zaun, seine Chucks trafen auf Sams verschränkte Hände und atemlos zog er sich in die Höhe. Mit einem dumpfen Aufprall landete er auf der anderen Seite. Fehlten noch zwei.

»Komm schon, Beccie!«, rief Sam. »Gib Gas!«

Sein unruhiger Blick traf den ihren, huschte an ihr vorbei zu ihrem Verfolger. Er nickte ihr zu. »Komm schon, das schaffen wir!«

Er streckte ihr seine Hand entgegen. Zwei Schritte noch. Einer. Ihre kalten Finger schlossen sich um seine warmen.

Mit einer raschen Bewegung wirbelte er sie herum, legte seine Hände um ihre Taille und stemmte sie mühelos empor. Sie klammerte sich an dem Zaun fest und zog sich keuchend hinauf, ein wenig zu langsam für Sams Geschmack, und ließ sich auf der anderen Seite hinuntergleiten, wo Jay sie auffing.

»Hab dich!«

Erst dann setzte sich Sam in Bewegung, trat zwei Schritte zurück, dem prustenden Wachmann entgegen, der wie ein wütendes Nashorn auf ihn zugewalzt kam, nahm Anlauf und stieß sich mit einem kräftigen Sprung ab. Er bekam das rostige Metall am oberen Ende des Zaunes zu fassen und nutzte den Schwung, um sich daran hochzuziehen.

»Na warte, du Rowdie!«, brüllte der Wachmann und hieb mit seinem Schlagstock nach Sams Bein, doch der Schlag ging ins Leere. Der Junge hatte sein Gewicht bereits auf die andere Seite verlagert, ließ los und kam strauchelnd am Boden auf. Er schnappte nach Luft, als ein Stich durch seinen Knöchel zuckte.

»Euch krieg ich noch!« Der Wachmann schnaufte wie eine Dampfmaschine, als er mit dicken Fingern nach seinem Funkgerät tastete. »Bobby? Code rot! Code rot!«

Eine Hand legte sich um Sams Ellbogen und zog ihn in die Höhe.

»Komm schon, Mann!« Jay grinste wie ein Verrückter, als er Sam auf den Rücken schlug und erneut loslief. Er sah aus wie ein Junkie auf einem Drogentrip.

»Code rot! Drei Jugendliche sind auf der Flucht!«, tobte der Wachmann, als hätten sie gerade eine Bank ausgeraubt.

Sam unterdrückte ein Fluchen, als er sich wieder in Bewegung setzte, diesmal humpelnd und ein wenig langsamer als zuvor. Doch schon im nächsten Moment glitten Becs Finger seinen Arm entlang nach unten und umschlossen die seinen. Sie grinste ebenfalls von einem Ohr zum anderen. »Los, komm schon, Sammy!«

Gemeinsam liefen sie los, über die Wiese, die außer der Dunkelheit keinen Schutz bot, und auf den Wald zu. Das Pochen in Sams Knöchel ließ endlich nach und nun war er es, der Bec hinter sich herzog, bis sie in den Schatten der Bäume eintauchten. Gerade in dem Moment, als jemand mit einem schwarzen Pick-up um die Ecke bog und über die staubige Straße zum Eingang der Kiesgrube holperte, in der der Schotterteich lag. Bobby vom anderen Ende des Funkgerätes vermutlich.

Jay wartete ein paar Schritte vom Waldrand entfernt, sein aufgedrehtes Grinsen war sogar in der Dunkelheit noch zu erkennen. Er streckte die Hand nach Beccie aus.

»Gleich haben wir’s geschafft. Drüben auf der Straße holen sie uns nicht mehr ein«, flüsterte er triumphierend und zog die beiden mit sich. Zu dritt stolperten sie durch das Geäst, Hand in Hand, um sich nicht zu verlieren und je weiter sie sich von der Schotteranlage und dem darin liegenden Teich entfernten, desto mehr fiel die Anspannung von ihnen ab.

»Habt ihr sein Gesicht gesehen?« Bec hatte Mühe, ein Kichern zurückzuhalten. »Wie eine überreife Tomate! Ich dachte, er platzt gleich!«, wisperte sie, sobald sie tief genug in das Dickicht vorgedrungen waren.

»Jetzt wissen wir, wieso es Code rot heißt.« Sam grinste.

Jay, der nach wie vor voranging, schüttelte den Kopf. »Aber dass dieser Kerl so schnell rennen kann!«

Sam zuckte die Schultern. »Wer rollt, ist klar im Vorteil.«

Bec prustete erstickt los. »Wie ein kugelrunder Gepard.«

»Und dabei anmutig wie ein Nilpferd.« Auch Jay konnte sein Lachen kaum mehr zurückhalten.

»Geschmeidig wie eine übergewichtige Katze.«

Der Schlagabtausch wurde immer kreativer und das leise Kichern mit jeder Aussage lauter, bis sie am anderen Ende des Waldstücks prustend und lachend aus dem Gebüsch brachen. Bec hatte Tränen in den Augen und hielt sich vor Lachen den Bauch, als sie auf die menschenleere Straße hinausstolperte.

»Genug! Genug, es reicht«, brachte sie kichernd hervor und schnappte nach Luft. »Ihr seid unmöglich!«

Sam und Jay warfen sich einen verschwörerischen Blick zu. »Es geht noch schlimmer.«

»Nein, bitte nicht!«

»Ach komm, sei keine Spielverderberin. Wir sind doch gerade erst in Fahrt gekommen!«

»Oh nein, so viel Spaß überlebe ich nicht!« Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und bemühte sich sichtlich, nicht wieder loszuprusten. Irgendwie sah sie ungewöhnlich hübsch aus im Mondlicht. Ihre dunkelbraunen Haare, die sonst lockig waren, hingen ihr in schweren Strähnen ins Gesicht und waren fast schwarz von der Nässe des Teiches, in den Sam und Jay sie vorhin geschubst hatten. Unter dem durchnässten Stoff des hellen Shirts trat ihr BH sichtbar hervor. Und wenn sie sich so vornüberbeugte und nach Luft rang, sah man gerade eine Spur zu viel ihres Dekolletés hervorblitzen. Der feuchte Stoff des Shirts lag eng an ihrer Taille und in der dunklen Jeans wirkten ihre Beine unendlich lang. Hätte er sie nicht gekannt, seit sie vier Jahre alt war, hätte Sam beinahe gesagt, sie sei … nun ja. Sexy.

Jay legte ihr einen Arm um die Schulter, ohne Sams Blick zu bemerken, scheinbar immer noch high von dem ganzen Adrenalin. Mit den schwarzen, abgetragenen Chucks, dem feuchten schwarzen T-Shirt und den nassen, dunklen Haaren, die ihm wirr in die Stirn hingen, weil Beccie ihn mit sich ins Wasser gerissen hatte, sah er wieder aus wie der schlaksige Nachbarsjunge von damals.

»Na los, lasst uns nach Hause gehen.« Bec schob ihren großen Bruder vor sich her, während Jay Sam einen auffordernden Blick über die Schulter zuwarf.

»Na, was ist, Sammy? Kommst du?«

»Klar.« Sam schob grinsend die Hände in die Hosentaschen und schloss zu den beiden auf. »Jay, ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, Bec ist in Wahrheit ein Mädchen.«

»Sag bloß.« Bec schnitt eine Grimasse.

Jay hielt seine Schwester ein Stück von sich fort und musterte sie mit gerunzelter Stirn. »Meinst du echt? Wie kommst du darauf?«

»Keine Ahnung. Nur so ein Gefühl.« Sam zuckte mit den Schultern. »Aber du hast recht. Ist wahrscheinlich Blödsinn.«

»Du bist so ein Idiot.« Bec lehnte sich näher an Jay und schaffte es, Sam einen Schlag auf den Arm zu verpassen.

»Hey!« Lachend rieb er sich über die Stelle, auch wenn er den Angriff kaum gespürt hatte. »Sie schlägt auf jeden Fall zu wie ein Mädchen.«

»Ich kann noch ganz anders!«, drohte sie, doch ihre Miene verriet, dass sie nicht wirklich sauer war.

»Ja, wirklich? Das glaube ich dir nicht.«

»Na warte, jetzt reicht’s!« Sie machte sich von ihrem Bruder los.

Jay unterdrückte ein Schmunzeln. »Tu dir nicht weh, du weißt, wie das endet, wenn du versuchst, Sam zu verprügeln.«

»Genauso wird es auch diesmal wieder enden!« Sam lachte, als Bec versuchte, ihn von hinten anzuspringen, doch als er nach ihrem Arm schnappte, wich sie aus und streckte ihm die Zunge raus.

»Zu langsam!«

»Ach ja?« Sein Grinsen wurde noch breiter. »Na gut, du hast es nicht anders gewollt!«

Er setzte ihr nach und mit einem Kreischen sprang sie zur Seite, doch er war schneller, bekam ihre Taille zu fassen und zog sie an sich.

»Nein! Jay, hilf mir!«, rief sie lachend.

Doch Jay schüttelte bloß grinsend den Kopf. »Auf keinen Fall, Schwesterherz. Ich hab dich gewarnt.«

»Jetzt bist du fällig, Bec!« Sam schaffte es, eine ihrer Hände festzuhalten, schlang seine Arme um sie, bis sie sich nicht mehr wehren konnte, und wuchtete sie einfach über seine Schulter.

»Ah! Nein, Hilfe!« Sie zappelte mit den Füßen, doch seine starken Hände ließen keine Gegenwehr zu. »Lass mich runter, du Verrückter!«

»Ähm … Nein. Kommt nicht infrage.«

»Jamie, mach was«, quietschte sie kichernd, während ihr Gesicht langsam rot anlief und die beiden Jungs ungerührt weiter die Straße entlangmarschierten.

Sam warf Jay einen fragenden Blick zu, doch dieser zuckte nur die Schultern und grinste. »Ich kann dich nicht verstehen, Beccie. Du nuschelst so.«

»Jamie! Hilf. Mir. Gefälligst!« Sie versuchte offenbar, streng zu klingen, doch mit ihrem hochroten Gesicht, den kopfüber nach unten hängenden Haaren und den hilflos in der Luft baumelnden Beinen wirkte sie eher süß als respekteinflößend.

Jay steckte die Hände in die Taschen seines Hoodies und schüttelte den Kopf. »Nö. Keine Lust.«

»Ich schreie, bis jemand die Polizei ruft!«

Sam ging ungerührt weiter.

»Komm schon. Bitte!«

Abrupt blieb er stehen, sodass ihr Kopf gegen seinen Rücken stieß. »Hab ich mich verhört oder hat sie gerade bitte gesagt?«

»Weiß nicht, kann eigentlich nicht sein.«

»Bitte! Bitte, bitte, bitte!«

»Klang aber irgendwie schon so.«

»Sammy! Bitte!«

»Na gut.« Er seufzte theatralisch und ließ sie ein Stück weit nach unten rutschen.

Bec begann zu kreischen, als ihr Kopf dem Boden ruckartig näher kam. »Sam!«

»Jaja, schon gut!« Er lachte, zog sie wieder nach oben und setzte sie vor sich ab. Ihre Haare waren völlig zerzaust und ihr Gesicht war fast so rot wie das des Wachmannes. Sie versuchte, böse dreinzublicken, doch er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie schon wieder kurz davor war loszulachen.

»Du bist ein Idiot«, klärte sie ihn auf und wandte sich um. »Und du solltest mir beim nächsten Mal besser helfen, James!«

Jay grinste, dann sah er zu Sam deutete mit dem Kinn auf seine Schwester. »Ich glaube, sie hat noch immer nicht genug.«

Jays schelmischer Blick spiegelte sich in Sams Augen wider. »Meinst du?«

»Wag es ja nicht!« Drohend drehte sie sich zu Sam um, hob ihren Zeigefinger und wich einen Schritt zurück.

Abwehrend hob er die Hände. »Würde ich nie.«

»Aber ich!« Jay sprang vor und hob Beccie in die Höhe, woraufhin sie wieder aufschrie. Mit einer schnellen Bewegung hievte er sie nun über seine Schulter und sprang laut lachend und pfeifend die Straße hinunter, sodass sie ordentlich durchgerüttelt wurde.

Sam aber spazierte langsam hinter ihnen her, vergrub die Hände in den Hosentaschen und sah den beiden lächelnd dabei zu, wie sie sich immer weiter entfernten. Wenn doch nur jeder Tag so enden könnte wie dieser.

Kapitel 1

James

What strange creatures brothers are!

(Jane Austen,Mansfield Park)

»Du kannst lesen?« Marissa warf James einen gespielt überraschten Blick zu, als sie die vollen Bücherregale an den Wänden seines Zimmers entdeckte.

»Nein, natürlich nicht. Mach dich nicht lächerlich, die stehen nur da, um die Wände schalldichter zu machen.« James zwinkerte ihr zu und schenkte ihr das schiefe Lächeln, von dem er wusste, dass es die Mädchen um den Verstand brachte. Es schien auch diesmal zu funktionieren. Marissa biss sich auf die Unterlippe und blickte James von unten aus ihren stahlgrauen Augen an. Als er weiter auf sie zukam, senkte sie den Blick und wandte sich ein wenig von ihm ab. Sie räusperte sich und nuschelte so etwas wie: »Wir sollten jetzt wirklich Mathe lernen, findest du nicht?«

James seufzte und ließ sich auf die Couch fallen. »Okay, wie du willst.«

Marissa setzte sich im Schneidersitz neben ihn, sodass ihr Knie auf seinem Oberschenkel lag. Das wäre auf dieser breiten Couch wirklich nicht nötig gewesen, also gab es vermutlich doch noch Hoffnung. So schnell hätte er ohnehin nicht aufgegeben.

Während sie sich vorbeugte, um die Mathesachen aus ihrer Tasche zu kramen, beobachtete er ganz genau jede ihrer Bewegungen. Betont langsam suchte sie nach ihren Büchern und ließ ihre langen, rotblonden Locken so über die Schulter fallen, dass ihr Lernpartner freien Blick auf ihr mit Sommersprossen gesprenkeltes Dekolleté hatte.

Na warte, dachte James. Du willst spielen? Dann spielen wir.

»Hast du die Bücher bald gefunden, oder …?« fragte er betont gelangweilt.

Mit einem ironischen Lächeln zog Marissa langsam die Mathebücher aus ihrer Tasche und verpasste ihm damit einen leichten Schlag auf den Oberarm.

»Hey!« Lachend nahm James ihr die Bücher weg und hielt sie außerhalb ihrer Reichweite.

»Echt jetzt?« Sie verzog ihre vollen Lippen zu einem Schmollmund und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Na, du musst sie dir schon zurückholen, wenn du mir was beibringen willst.«

Sie verdrehte die Augen. »Also ich kann Mathe ja schon. Wenn du willst, dass ich dir was beibringe, dann gibst du mir auch die Bücher zurück.«

»Mir würden da noch ganz andere Dinge einfallen, die du mir beibringen könntest«, stellte er schmunzelnd fest und ließ die Bücher neben dem Sofa auf den Boden fallen. Dann fuhr er sich durch die dunklen Haare – damit kriegte er die Mädchen jedes Mal – und sah sie herausfordernd an. Noch einmal verdrehte sie demonstrativ die Augen, löste sich aber aus dem Schneidersitz und versuchte, halb über ihn zu krabbeln, um die Bücher zurückzuholen. Das war seine Chance. In dem Moment, als sie sich mit den Händen auf einem seiner Oberschenkel abstützte und gerade nach den Büchern greifen wollte, packte er sie an der Taille und wirbelte sie blitzschnell herum. Plötzlich lag sie mit dem Rücken auf der Couch und er über ihr, ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Sie versuchte, wütend auszusehen, schaffte es jedoch nicht, ihr Grinsen zu unterdrücken. Er nahm das als Zeichen der Zustimmung und beugte sich weiter zu ihr hinunter. Ihre Lippen berührten sich nur um Haaresbreite nicht. Mit seiner freien Hand strich er ihr eine Haarsträhne aus der Stirn und fuhr mit seinem Handrücken an ihrer Wange entlang. Da wurde sie ganz still, sah ihm in die Augen und öffnete den Mund ein wenig. James spürte ihren Atem auf seinen Lippen – und wartete. Ganz so leicht wollte er es ihr nun auch wieder nicht machen.

Sie legte ihre zarten Finger an seine Wange, fuhr die Linie seines markanten Kiefers entlang und ließ ihre Hand in seinem Nacken ruhen. Sanft zog sie ihn zu sich hinunter, sodass ihre Lippen endlich aufeinandertrafen. Er schloss die Augen und kostete den Kuss voll und ganz aus. Mit der Zungenspitze fuhr er über ihre weiche Unterlippe, die ihn vorhin schon ganz verrückt gemacht hatte. Sie öffnete ihren Mund ein Stückchen weiter und als sich ihre Zungen berührten, durchzuckte ihn dieser vertraute Adrenalinstoß eines ersten Kusses.

Der Art nach zu urteilen, wie Marissa scharf die Luft einzog, ging es ihr genauso. Er spürte ihre Finger durch seine Haare fahren. Die andere Hand hatte sie plötzlich unter seinem Shirt und ließ sie an seinem Rücken erst herauf bis zum Schulterblatt, dann wieder runter bis an den Rand seiner Boxershorts gleiten. Unwillkürlich musste James grinsen, woraufhin sie ihn leicht in die Lippe biss. Sie drehte den Kopf ein wenig zur Seite. Auch die helle Haut zwischen ihrem Nacken und ihrer Schulter war über und über mit Sommersprossen gesprenkelt. Er küsste sie sanft auf die Stelle hinter ihrem Ohrläppchen und ließ seine Lippen an ihrem Hals nach unten gleiten. Ihr entfuhr ein leises Stöhnen, das sie wohl selbst überraschte, denn gleich darauf folgte ein schüchternes Kichern.

An ihrer Schulter angelangt, verweilte er mit seinen Lippen direkt vor dem Träger ihres luftigen Kleids. Langsam fuhr er mit den Fingern an ihrer Taille entlang nach oben, schob die Hand unter ihren Rücken und ließ den Träger gekonnt über ihre Schulter gleiten. Er küsste die weiche Stelle direkt über ihrem BH-Körbchen und fühlte, wie sich ihr Becken gegen seines drückte.

Während er sie wieder gierig auf den Mund küsste, machte sich Marissa an seiner Hose zu schaffen. In diesem Moment ertönte auf dem Flur plötzlich ein lautes Poltern, gefolgt von einem hohen Aufschrei. Erschrocken richteten sich die beiden auf.

»Was zur Hölle?«, keuchte James. »Beccie?«, rief er über die Schulter in Richtung Tür.

Keine Antwort.

»Beccie, geht’s dir gut?«

Kurze Pause.

»Nichts … passiert«, rief seine kleine Schwester, die vergebens versuchte, den Schmerz in ihrer Stimme zu verstecken.

»Fuck«, presste James hervor und sprang sofort auf. Von der Couch kam ein frustriertes Schnauben und ein »Komm schon, das ist doch lächerlich, sie sagte doch, es geht ihr …«, das James jedoch gar nicht mehr richtig wahrnahm. Ungeschickt stolperte er über Marissas Tasche und fiel der Länge nach auf die Holzdielen. »Autsch …« James schnitt eine Grimasse und versuchte, sich aufzurappeln, während Marissa ihn ungeniert auslachte. Irgendwie hatte er es geschafft, mit seiner Socke am Reißverschluss ihrer Tasche hängenzubleiben.

»Jetzt hilf mir doch mal!«, fuhr er sie etwas forscher an als beabsichtigt, während er verzweifelt am Stoff herumriss. Marissa half ihm bei seiner Befreiung und ließ sich nörgelnd aufs Sofa zurückfallen.

»Da geht man einmal mit James Parker nach Hause und dann …«, meckerte sie noch hinter ihm, doch da eilte er schon aus dem Zimmer.

Beccie lag auf dem grauen Steinboden im weitläufigen Vorraum der modernen Villa und hielt sich ihr rechtes Bein. Die zerzausten Locken hingen ihr ins schmerzverzerrte, tränennasse Gesicht. Von wegen nichts passiert.

»Beccie! Was ist passiert?« Mit einem Satz landete James neben seiner Schwester und kniete sich zu ihr.

»Nichts … ich, ich … geht schon«, brachte sie zwischen ihren Schluchzern hervor.

»Kannst du aufstehen?«

Beccie zuckte mit den Achseln.

»Okay, komm her.« James legte einen Arm um ihre Hüfte und hielt ihr die andere Hand hin, sodass sie sich daran abstützen konnte.

»Bereit?«, fragte er. Ein zögerliches Nicken von Beccie. »Eins, zwei, drei.«

Er half Beccie hoch, die das Gewicht erst nur auf das linke Bein verlagerte. »Gut. Jetzt versuch mal, dein rechtes Bein zu belasten. Ich hab dich, es kann dir nichts passieren.«

Vorsichtig setzte Beccie ihren rechten Fuß auf, zuckte jedoch sofort wieder zurück. »Au! Keine … Chance«, wimmerte sie.

»Shit, das sieht nicht gut aus.« Behutsam ließ er seine Schwester auf eine der Stufen gleiten, sodass sie sich wieder setzen konnte. Sein »Warte hier!« brachte ihm einen sarkastischen Blick von Beccie ein, der ihn unwillkürlich schmunzeln ließ.

Als er mit einer Schmerztablette aus dem Medizinschrank ihrer Mutter und einem Glas Wasser zurückkam, wäre er fast über sein Skateboard gestolpert, das vor der Treppe auf dem Boden lag. Wie angewurzelt blieb er stehen und sah entsetzt von seinem Board zu Beccie, die zwar immer noch mit gequältem Gesichtsausdruck dasaß, aber zumindest aufgehört hatte zu weinen.

»Es war nicht deine Schuld, Jamie …«, begann sie, als sie seinen Blick sah, aber James war schon blass geworden.

»Verdammt, Beccie, es tut mir so leid!«

»Echt jetzt, mach dir nicht ins Hemd, ich bin einfach zu tollpatschig für diese Welt.« Ihr Lächeln ähnelte eher einer Grimasse.

»Aber …«

»Halt die Klappe und gib mir endlich die Schmerztablette!«

James drückte ihr die Tablette in die Hand, gab ihr das Glas und setzte sich neben sie auf die Treppe. Er nahm sie fest in den Arm und vergrub sein Gesicht in ihren Locken, die nach Wald und frischer Luft rochen.

»Es tut mir so leid, kleiner Spatz. Ich bring dich ins Krankenhaus, ja? Und dann …«

»Beccie? Alles in Ordnung?« Keuchend kam Sam durch die Eingangstür hereingestolpert. Die blonden Haare des Jungen standen wieder mal in alle Richtungen und waren noch ein wenig feucht. Auch dem Sand auf seinen Sneakers nach zu urteilen, kam er wohl gerade vom Strand. Er war völlig außer Atem und musste sich erst mal auf seine Oberschenkel stützen, um Luft zu holen.

»Sam? Was machst du denn hier, Mann?« James musterte ihn verwirrt. Er hätte seinen besten Freund gleich angerufen, damit er ihm Marissa vom Hals schaffte, während er sich um Beccie kümmerte.

Immer noch vornübergebeugt, hob Sam keuchend eine Hand zur Antwort.

»Ich habe ihm geschrieben und gefragt, ob er mir helfen kann, bevor du hier angerannt kamst. Du und Marissa wart ja nicht zu überhören da oben und ich wollte nicht stören.« Beccie wackelte vielsagend mit den Augenbrauen.

Sam richtete sich wieder auf, grinste James atemlos an und zog entschuldigend die Schultern nach oben.

»Nichts da. Sam, bitte tu mir einen Gefallen und schmeiß Marissa für mich raus, dann fahre ich mit Beccie ins Krankenhaus. Damit wäre mir wesentlich mehr geholfen.«

Sam verdrehte demonstrativ die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Marissa? Ernsthaft?«

»Ja, wieso nicht?«

Sam riss ungläubig die Augen auf und warf Beccie einen hilfesuchenden Blick zu, sah nun jedoch auch, dass sie vor Schmerzen schon etwas grün um die Nase war.

»Na schön, wie du willst, Jay. Aber ich hab was gut bei dir«, gab er sich geschlagen.

James klopfte Sam im Vorbeigehen dankbar auf die Schulter. Schnell hängte er noch sein Skateboard in die Halterung an der Wand – wo es von vornherein hingehört hätte –, bevor er Beccie zum Auto trug. Als sie es endlich geschafft hatten, eine Position zu finden, die ihr nicht ganz so weh tat, schloss James die Autotür und hätte fast Marissa umgerannt, die gerade ziemlich genervt die Einfahrt heruntergestapft kam.

»Pass doch auf, wo du hintrittst, James!«, fauchte sie, was Beccie natürlich ein amüsiertes Glucksen entlockte. Die Nachhilfe-Masche fand sie immer besonders lustig, vor allem, da eigentlich sie es war, die ihrem großen Bruder Nachhilfe in Mathe gab. Seine kleine Schwester war ein richtiges Mathe-Ass, das seine Ferien lieber in irgendwelchen Science-Camps als am Strand verbrachte.

»Klappe, Beccie«, zischte er ihr zu und sah Marissa dabei zu, wie sie wütend davonstolzierte. Auch wenn er die Nachhilfe nicht so dringend gebraucht hätte: Marissas Lektion hätte er heute schon noch gern zu Ende gebracht.

»Alter, mach doch bitte wenigstens deine Hose zu, wenn schon unbedingt du mit Beccie ins Krankenhaus fahren willst!« Sams Stimme ertönte direkt hinter James, im nächsten Augenblick spürte er die Hand seines besten Freundes auf seiner Schulter. Sam grinste ihn von der Seite her an.

»Sam! Warum sagst du ihm das? Stell dir vor, wie witzig das gewesen wäre, wenn Mum ihn mit der offenen Hose gesehen hätte«, rief Beccie lachend aus dem offenen Autofenster heraus.

»Vielen Dank auch, Rebecca«, grummelte James, schloss schnell seinen Reißverschluss und stieg dann auf der Fahrerseite des schwarzen Land Rovers ein. Auch er ließ das Fenster runter. »Was ist, Sam? Kommst du mit oder nicht?«

»Na klar.« Sam grinste und war schneller hinter seinem besten Freund eingestiegen, als der den Motor starten konnte. »Fahr los, Jay, worauf wartest du denn noch?«, rief er, sobald er saß, und beugte sich zwischen den Sitzen nach vorne. »Oder hast du etwa vergessen, dass wir hier einen Krankentransport durchführen? Wo ist denn das Blaulicht? Tatüüü… Au! He!«

Beccie hatte ihn mit einem leeren Getränkebecher beworfen.

»Ruhe da hinten auf den billigen Plätzen. Dich möchte ich sehen, wenn du dir das Bein brichst«, brachte sie lachend hervor und Sam strubbelte ihr als Antwort wild durch die Haare.

»Kinder, genug gestritten jetzt. Benehmt euch gefälligst«, tadelte James in einem Tonfall, der dem seiner Mum erstaunlich nahe kam.

»Ja doch, Mutter«, riefen Sam und Beccie im Chor und schenkten James ihr unschuldigstes Lächeln. Der schüttelte nur grinsend den Kopf und fuhr los.

Kurz kehrte Stille ein und während Beccie aus dem Fenster sah, ließ Sam sich zurück in seinen Sitz fallen. James’ und Sams besorgte Blicke trafen sich im Rückspiegel. Ihnen war nicht entgangen, dass Beccie zwar wie immer mit ihnen scherzte, wenn sie sich jedoch unbeobachtet fühlte, war ihr der Schmerz deutlich anzusehen. Auf Sams fragenden Blick antwortete James mit einem kaum merklichen Nicken und trat aufs Gas. James wusste, dass er seinem besten Freund vertrauen konnte, seine kleine Schwester abzulenken, ganz egal, was sie gerade beschäftigte.

»Hey, Bec.« Sam beugte sich wieder ein Stück vor und legte ihr eine Hand auf den Arm. »Kannst du deinem Bruder bitte mal zeigen, was gute Musik ist, und unser Mixtape einlegen?«, fragte er mit einem schelmischen Grinsen.

Beccies Miene erhellte sich augenblicklich. »Aber klar doch! Diesen Elektro-House-Pop-Blödsinn kann ich sowieso nicht mehr hören.« Sie zwinkerte Sam über die Schulter zu und machte sich sofort daran, die CD aus dem Seitenfach zu kramen. James atmete genervt aus und verdrehte die Augen, weil er wusste, dass das genau die Reaktion war, die Beccie sich dadurch erhofft hatte. Mit einem triumphierenden Kichern legte sie das Mixtape ein, das sie mit Sam vor ein paar Jahren an einem Sonntagnachmittag zusammengestellt hatte.

»Mach ruhig mal was Lauteres an, Bec.« Sam hob vielsagend die Augenbrauen und Jay nickte erleichtert.

»Aber sicher doch, Sammy«, rief Beccie, ohne die heimlichen Blicke der zwei Jungen zu bemerken, stellte Song Nummer vier ein und bekam schon beim ersten Beat ihr Funkeln in den Augen zurück.

»Ernsthaft, Leute? Schon wieder die White Stripes?«, seufzte James gespielt genervt, aber da beachtete ihn schon keiner mehr. Er schmunzelte.

»I’m thinkin’ about my doorbell, when ya gonna ring it, when ya gonna ring it?«, dröhnte es gleichzeitig vom Beifahrersitz und der Rückbank lauter als aus den Boxen.

Noch nie war James dankbarer dafür gewesen, seinen besten Freund dabeizuhaben, als in diesem Moment.

Sam

We’re a happy family, me, mom and daddy

(Ramones,We’re A Happy Family)

Jay fuhr wie ein Verrückter und als sie endlich vor dem Eingang des Krankenhauses zum Stehen kamen, hinterließen die quietschenden Reifen schwarze Streifen auf dem Asphalt. Das Mixtape war inzwischen bei Nirvana angelangt.

Sam beugte sich mit gespieltem Entsetzen nach vorne. »Was machst du, Jay, wieso hältst du an? Bei deinem Fahrstil dachte ich, du willst direkt durch die Tür rein? Wir haben hier einen Code rot, verdammt!«

»Halt die Klappe und mach dich lieber nützlich, während ich einen Parkplatz suche.«

»Jay!« Sam grinste. »Code rot! Wir brauchen keinen Parkplatz. Wir parken im OP!«

Beccie kicherte – ein gutes Zeichen, vor allem, da sie in der Zwischenzeit immer bleicher im Gesicht geworden war. Sam machte sich langsam ernsthafte Sorgen, obwohl er sie mit seinen Späßen zu verstecken versuchte. Jay hingegen sah nicht wirklich so aus, als wäre er zum Scherzen aufgelegt. »Sammy …« knurrte er.

»Jay?«

Er deutete mit dem Kopf zur Autotür. »Raus hier.«

»Wie du meinst.« Sam klopfte seinem Kumpel freundschaftlich auf die Schulter und sprang aus dem Wagen. Dann öffnete er mit einem Ruck Beccies Tür, ging vor dem Wagen in die Hocke und deutete auf seinen Rücken. »Okay, rauf mit dir.«

Beccie verzog das Gesicht. »Spinnst du? Ich lasse mich doch nicht huckepack von dir ins Krankenhaus tragen.«

Sam legte den Kopf schief, seine grünen Augen glitzerten amüsiert. »Soll ich dich lieber über die Schwelle tragen? Ich dachte, das heben wir uns für die Hochzeit auf. Aber du hast recht, wenn ich schon vor dir knie …«

Das Mädchen stöhnte auf. »Würde es nicht auch ein Rollstuhl tun, wie bei jedem normalen Menschen?«

»Stimmt, sorry.« Sein Tonfall wurde schlagartig ernst. »Oder wir besorgen dir gleich eine Liege und schütten noch ein bisschen Ketchup über die Laken, das sieht dramatischer aus. In Jays Karre liegt bestimmt noch ein Päckchen rum.«

Er sah Jays ungeduldigen Blick und verdrehte die Augen, während er sich wieder erhob.

»Ist ja schon gut. Okay, Bec, rutsch einfach ein Stück vor.«

Nach einigem Hin und Her schaffte Sam es endlich, seinen Arm unter sie zu schieben und sie behutsam aus dem Wagen zu heben, sogar ohne ihr Bein dabei gegen den Türrahmen knallen zu lassen.

»Ich komme gleich nach, Beccie«, sagte Jay besorgt und lehnte sich zum offenen Fenster. »Wenn etwas sein sollte …«

Bec warf ihrem Bruder einen genervten Blick zu, ihren Arm hatte sie um Sams Hals gelegt. »Dann sind wir bestens versorgt, Jamie. Das ist ein Krankenhaus. Ich nehme mal an, die haben hier auch Ärzte.«

Jays Blick wanderte zu Sam, der ihm beruhigend zunickte. »Ich bringe sie hinein und dann suche ich eure Mum.«

»Lass sie nicht allein.«

»Niemals.«

Sie warteten, bis Jay losgefahren war und sobald er außer Sichtweite war, stieß Bec genervt die Luft aus. »Oh Mann. Ich dachte schon, er ruft gleich die Nationalgarde. Oder die Men in Black. Falls ich von Aliens entführt werde.«

Sam warf ihr einen strengen Blick zu. »Er macht sich einfach Sorgen.«

»Ja, ich weiß.« Seufzend klopfte sie Sam auf die Brust. »Und jetzt lass mich runter.«

»Nein. Kommt nicht infrage.«

»Ich kann gehen!«, protestierte sie, doch Sam war nicht in der Stimmung, mit ihr zu diskutieren. Er wusste, dass sie es hasste, ständig von allen umsorgt zu werden, doch dies war bestimmt nicht der richtige Zeitpunkt, um unvernünftig zu sein. Sie hatte Schmerzen, das sah man ihr an. Sie brauchte wirklich Hilfe.

»Bec, bitte. Lass mich dich einfach da hineintragen, okay? Nur dieses eine Mal.« Er sah Bec flehend an und erkannte seine Spiegelung in ihren warmen, braunen Augen, die im Sonnenlicht golden funkelten. Ihr Gesicht war nur eine Handbreit von seinem entfernt und einen Moment lang sah es aus, als würde sie ihm schon wieder widersprechen wollen. Doch zu seiner Verwunderung nickte sie einfach, wenn auch mürrisch, und verstärkte den Griff um seinen Hals. »Okay. Aber nur dieses eine Mal«, sagte sie trotzig.

»Okay, versprochen.« Grinsend setzte Sam sich in Bewegung, bedacht darauf, ihr nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen, als sie ohnehin schon hatte. »Wenn du dir wieder einmal das Bein brichst, hole ich dir einen Rollstuhl. Ein paar neue Zähne und ein Hörgerät gibt’s dann gratis dazu.«

Die automatische Schiebetür des Krankenhauses öffnete sich mit einem Surren und kühle, trockene Luft und der Geruch von Desinfektionsmittel schlug ihnen entgegen.

»Idiot«, grummelte sie und Sam lachte.

Er trug seine beste Freundin ein paar Schritte ins Innere des Gebäudes, dann blieb er unschlüssig stehen. »Sieht so aus, als wärst du nicht die Einzige, die heute beschlossen hat, auf die Schnauze zu fallen.«

Bec deutete auf einen leeren Stuhl. »Wie wäre es, wenn du mich einfach hier absetzt und dann meine Mum suchst?«

»Oh nein, das könnte dir wohl so passen. Hast du vergessen, was Jay gesagt hat?« Sam schüttelte bestimmt den Kopf. »Stell dir vor, du wirst wirklich von Aliens entführt und ich bin schuld! Dein Bruder würde mich umbringen.«

Bec gab einen frustrierten Laut von sich. »Kannst du mich dann wenigstens dort absetzen, die Leute schauen schon zu uns.«

Sams schelmisches Grinsen war mit einem Schlag zurück. »Ist es dir peinlich, mit mir gesehen zu werden?«

»Allerdings.« Sie verzog das Gesicht. »Stell dir vor, die Leute würden denken, ich wäre mit dir zusammen!«

»Wow.« Er lachte überrascht auf. »Du bist ganz schön gemein heute.«

»Ist ja auch nicht mein bester Tag.«

Er trug sie zu dem Stuhl, beugte sich ein Stück vor und ließ sie vorsichtig hinuntergleiten. Ihre Hände lösten sich nur zögernd von seinem Nacken, während sie sich auf die Sitzfläche sinken ließ. Ihre offenen, dunklen Locken streiften kurz über sein Gesicht, sodass ihm ihr vertrauter Duft in die Nase stieg. Plötzlich sog sie scharf Luft ein und gab ein schmerzerfülltes Stöhnen von sich, das Sam erschrocken zusammenzucken ließ.

»Alles okay?«, fragte er besorgt. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn und sie sah noch blasser aus als im Wagen, falls das überhaupt möglich war.

Doch Bec versuchte sich trotz allem an einem gequälten Lächeln. »Alles gut«, presste sie hervor und versuchte, nicht zu offensichtlich nach Luft zu schnappen. »Wirklich.«

»Ach, Bec.« Er verzog unglücklich den Mund, ging vor ihr in die Hocke, nahm eine ihrer Hände in seine und strich ihr mit der anderen eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. »Soll ich dir was bringen? Ein Glas Wasser oder …«

»Rebecca?«

Der alarmierte Ausruf ließ Sam herumfahren. Eine Ärztin mit hochgesteckten braunen Haaren, durch die sich langsam die ersten grauen Strähnen zogen, starrte sie einen Moment ungläubig an und kam dann auf sie zugelaufen. Sam erhob sich vorsichtshalber und trat einen Schritt zur Seite, um nicht im Weg zu stehen.

»Beccie, Schatz, was ist passiert?«

»Hey, Mum.« Beccie rang sich ein weiteres Lächeln ab. »Tut mir leid. Ich bin in der Diele ausgerutscht, alles halb so wild, glaub mir. Ich hab mir nur das Bein ein bisschen …«

»Ausgerutscht?« Mrs. Parkers Blick wanderte am Körper ihrer Tochter herab und blieb schließlich an Sam hängen.

Der lächelte verlegen. »Hi, Mrs. Parker.«

»Samuel.« Sie blinzelte irritiert, dann wandte sie sich wieder an ihre Tochter. »Wo ist James? Wieso hat er dich nicht hergebracht?«

»Hat er. Er sucht nach einem Parkplatz, Mum, alles ist gut.«

»Alles ist gut?«, wiederholte Mrs. Parker ungläubig und sank vor Bec auf die Knie. »Meine Tochter sitzt verletzt in der Notaufnahme! Welches Bein ist es?«

»Mum, wirklich …«

»Welches Bein!«

»Das rechte.« Bec warf Sam einen hilflosen Blick zu, doch ihre Mutter machte sich schon an ihrem Bein zu schaffen. Die anderen Patienten verfolgten das Spektakel interessiert.

»Mum, ich … Autsch! Das tut weh!«

Sams Blick glitt von Beccie an Mrs. Parker vorbei zum Eingang, wo Jays dunkle Gestalt soeben zur Tür hereingeschneit kam. Er hatte wieder mal diesen gehetzten Gesichtsausdruck, als ginge es um Leben und Tod. Sein Blick glitt suchend über die Wartenden, bis er Sam fand. Erleichtert atmete er auf, doch als Sam unauffällig mit dem Kinn auf Mrs. Parker deutete, verfinsterte sich seine Miene sofort wieder.

»Sieht nicht gut aus.« Becs Mutter erhob sich so abrupt, dass Sam unwillkürlich zusammenfuhr. »Das muss sofort geröntgt werden. Samuel, holst du bitte einen Rollstuhl für Rebecca?«

»Das kann ich machen, Mutter.« Jay war leise von hinten an die kleine Gruppe herangetreten. Seine Hände stecken tief in den Taschen seiner Hose und sein Kopf war ein wenig eingezogen, sodass er kleiner wirkte als sonst. Mrs. Parker brauchte nur einen Blick auf ihren Sohn zu werfen und hatte sich ihre Meinung über den Unfallhergang bereits gebildet.

»Vielen Dank, James, aber du hast heute schon genug getan. Hättest du besser auf deine Schwester aufgepasst, wäre das alles nicht passiert«, sagte sie kalt, wobei sie Beccies empörten Protest absichtlich überhörte. »Samuel, die Rollstühle sind dort hinten.«

»Ähm. Ja, klar.« Sam versuchte, Jay einen schnellen Blick zuzuwerfen, aber der starrte nur mit zusammengepresstem Kiefer auf einen Fleck am Boden und sah aus, als würde er wieder einmal Stühle durch die Gegend werfen wollen. Sam beeilte sich lieber.

»Hier, bitte.« Er schob den Rollstuhl so nahe wie möglich an Bec heran und entfernte sich dann schnell wieder, um nicht erneut in Mrs. Parkers Schusslinie zu geraten. Sie mochte ihn zwar, aber er wollte nichts riskieren. Außerdem wusste er, dass Jay darauf brannte, sich nützlich zu machen.

Mrs. Parker musste das eigentlich genauso gut wissen wie Sam, trotzdem ignorierte sie ihren Sohn. »So, Rebecca. Wenn du einen Arm um mich legst …«

»Ich helfe Beccie.« Jay trat entschlossen vor.

Seine Mutter richtete sich kerzengerade auf und einen Moment lang fixierten sie sich gegenseitig mit ihren fast identischen blauen Augen. Dann drängte sich Jay einfach an ihr vorbei. »Komm, kleiner Spatz«, sagte er leise zu seiner Schwester und wandte sich dabei von Mrs. Parker ab.

Vorsichtig legte Jay die Arme um Beccie und wartete, bis sie ihre Hand in seinen Nacken gelegt hatte, dann wuchtete er sie hinüber in den Rollstuhl. Sam sah einen Ausdruck des Schmerzes über Beccies Gesicht huschen, aber sie presste die Lippen so fest zusammen, dass kein einziger Laut über sie kam. Mrs. Parker beobachtete das Geschehen mit verschränkten Armen.

»Danke, Jamie«, flüsterte Bec ihrem Bruder ins Ohr und schenkte ihm ein warmes Lächeln, als sie sich vorsichtig zurücksinken ließ.

Er erwiderte es gequält, trat aber einen Schritt zurück, als sich Mrs. Parkers lange, manikürte Finger um die Griffe des Rollstuhls legten.

»James, bring Samuel bitte nach Hause, er hat bestimmt Besseres zu tun, als hier den ganzen Nachmittag zu warten.«

Jay öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Sam war schneller. »Nein, Mrs. Parker, schon okay«, sagte er und legte seinem besten Freund beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Jay möchte bestimmt warten und ich habe auch nichts vor.« Er brachte sein bestes Schwiegersohn-Lächeln zustande. »Und dann müssen Sie sich nicht darum kümmern, wie Bec später nach Hause kommt.«

Das Lächeln wirkte. Mrs. Parker nickte wenig überzeugt mit dem Kopf. »Na, wenn ihr meint. Dann wartet einfach hier.«

Damit ging sie energischen Schrittes davon und nahm Beccie mit.

»Puh.« Sam atmete hörbar aus. Er hasste diese Situationen. Wenn es um Familie ging, waren die Parkers einfach kaum zu ertragen. »Komm mit.«

Jay hob die Augenbrauen. »Wohin?«

»Raus.« Sam legte einen Arm um Jays Schulter und schob ihn dem Ausgang entgegen. »Ich brauche dringend frische Luft und du, glaube ich, auch. Im Moment können wir sowieso nichts für Beccie tun.«

Widerwillig folgt ihm sein Freund, wobei er noch einmal einen besorgten Blick in die Richtung warf, in die seine Mutter mit Bec verschwunden war.

Sobald sie draußen waren, atmete Sam gierig ein. Die stickige Luft im Krankenhaus war beklemmend und von Mrs. Parker bekam er Kopfschmerzen. Er verstand wirklich, warum sein Kumpel es mit dem Ausziehen so eilig hatte.

Sie schlenderten ein paar Schritte und lehnten sich dann erschöpft an ein Geländer, nicht zu weit weg vom Eingang, damit Jay den verglasten Eingangsbereich im Auge behalten konnte.

Sam beobachtete Jay ein paar Augenblicke dabei, wie er einfach nur grimmig vor sich hin starrte, dann strubbelte er ihm aufmunternd durch die Haare. »Hey Mann, mach dir keine Sorgen, ja?« Er duckte sich, um Jays mürrischem Protesthieb auszuweichen. »Deine Mum spinnt einfach ein bisschen, das weißt du doch.«

Jays Lippen nahmen verbitterte Züge an. »Nein, sie hat recht.«

»Jay!« Sam kannte diesen Blick. »Nein, hat sie nicht! Du bist nicht schuld daran, dass Beccie so ein Tollpatsch …«

»Es war mein Board, Sam. Sie ist über mein verdammtes Skateboard gefallen«, knurrte er und rammte seine Faust gegen die Wand. Sam zuckte zusammen. »Weil ich das Scheißding nicht weggeräumt habe! Ich meine, wozu haben wir die beschissenen Haken, wenn ich sowieso zu dämlich bin, um sie zu benutzen! Meinetwegen hat Beccie sich das Bein gebrochen!«

»Jamie, komm schon. Erstens wissen wir noch gar nicht, ob es wirklich gebrochen ist«, sprach Sam auf seinen Kumpel ein, um ihn zu beruhigen. »Und zweitens: Du kennst Beccie. Glaubst du, sie will, dass du in Selbstmitleid versinkst, nur weil sie ein bisschen ungeschickt ist und über alles drüber fällt, was nicht niet- und nagelfest ist?«

»Ich bin ein beschissener Bruder.«

»Nein, bist du nicht.«

»Sie hat lieber dir geschrieben, als mich zu rufen! Scheiß Melissa.«

»Marissa.«

»Ist doch egal. Das hat sich sowieso erledigt.« Jay verdrehte genervt die Augen.

»Ja, vermutlich.« Sam grinste. »Sie war mäßig begeistert, dass ich sie rausgeworfen habe – vor allem wenn man unsere … äh … Vorgeschichte bedenkt. Du hättest sie mal hören sollen.«

»Was hast du ihr denn gesagt?«

»Na, dass du schwul bist, was sonst.«

Jay hob eine Augenbraue.

»Nein, ich hab ihr gesagt, dass du dich liebend gerne weiter mit Ableitungen beschäftigt hättest, um ihre Kurven zu tangieren – nur eben nicht jetzt, da deine Schwester sich das Bein gebrochen hat.«

»Scheiße, Mann.« Jetzt grinste Jay. »Den Spruch muss ich mir merken.«

Kapitel 2

James

When you can’t look on the bright side, I will sit with you in the dark.

(Lewis Carroll,Alice’s adventures in Wonderland)

»Vorsicht, Beccie! Warte, ich heb dich raus.«

James wollte gerade seinen Arm um die Taille seiner Schwester legen, als sie ihm einen festen Schlag auf den Oberarm verpasste.

»James William Parker. Wage es ja nicht«, fauchte Beccie mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen. James hob abwehrend die Hände und wich einen Schritt zurück. »Gib mir einfach die verdammten Krücken, ich kann das allein. Behandle mich nicht, als wäre ich zwölf. Ich bin siebzehn!«

»Bist du nicht. Du bist sechzehn, junge Dame.«

»Ja, aber … fast siebzehn!«

Die Art, wie sie beim Reden ihre Augenbrauen zusammenzog und einen Schmollmund machte, erinnerte ihn an die unzähligen Male, die sie es getan hatte, als sie noch klein gewesen waren. Immer, wenn seine Schwester mit ihm hatte mithalten wollen. Ohne Stützräder fahren zum Beispiel, auf Bäume klettern oder ein Lagerfeuer machen …

»Na, wird’s bald?«, riss Beccie ihn aus seinen Gedanken.

James schenkte ihr einen tadelnden Blick, wusste aber, dass eine Diskussion mit ihr keinen Sinn ergab, wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Also gut, dann würde er eben die Krücken aus dem Kofferraum holen.

»Autsch!« Gerade als er sich umdrehen wollte, krachte er in Sam, der mit den Dingern schon neben ihm stand. »Äh … Danke.« Leicht irritiert nahm er seinem grinsenden Freund die Krücken ab und hielt sie seiner Schwester hin. Beccie schenkte Sam ein dankbares Lächeln und bedachte ihren Bruder mit einem triumphierenden Blick, als sie danach griff.

»Pass bloß auf, dass es dich nicht wieder auf die Fresse haut, Bec«, riet Sam ihr zwinkernd.

Sie verdrehte übertrieben die Augen, konnte ein Schmunzeln jedoch nicht ganz unterdrücken. Vorsichtig setzte sie eine Krücke auf den Asphalt und schwang ihre Beine aus dem Auto. Sam und James standen links und rechts von ihr bereit, um sie aufzufangen, falls sie wieder einknicken sollte. Umständlich stützte sie sich auf der rechten Krücke ab, hüpfte aus dem hohen Land Rover und landete gekonnt auf dem linken Bein. Allerdings kam sie mit ihrem Gipsbein dabei auf dem Asphalt auf, woraufhin ihr die Tränen in die Augen schossen und sie sich ein Wimmern verkneifen musste. Sofort schossen James’ Hände nach vorne, um sie festzuhalten.

Beccie sah ihn aus ihren großen braunen Augen an. Es fiel ihm schwer, ihren Blick zu deuten, aber Vorwurf lag keiner darin.

»Jamie … bitte«, flüsterte sie.

Er ließ sie los, murmelte so etwas wie »Sturkopf« und trat zurück.

Entschlossen humpelte seine kleine Schwester die Einfahrt hinauf bis zur Eingangstür, dicht gefolgt von Sam und James.

»Na gut, Leute, ich muss los. Ihr wisst ja, Abendessen und so …«, verabschiedete sich Sam, als sie vor der Haustür standen, und rieb sich verlegen über den Nacken.

»Danke, Sammy. Für alles.« Beccie warf Sam einen vielsagenden Blick zu und James vergrub wieder seine Hände in den Hosentaschen. Er wusste, dass es um ihn und seinen Wutanfall vorhin im Krankenhaus ging.

»Bis später«, murmelte auch James mit einem kurzen, ebenfalls etwas verlegenen Winken. Als er erfahren hatte, dass Beccies Bein zwar nicht gebrochen war, sie aber trotzdem drei Wochen diesen blöden Gips tragen musste, hätte er vor lauter Wut auf sich selbst fast einen der Stühle ans andere Ende des Raumes geworfen. Wenn Sam ihn nicht davon abgehalten hätte.

»Hast du Hunger?«, fragte er, als sie im Haus waren, und musterte seine Schwester.

Beccie nickte begeistert. »Und wie! Wollen wir was kochen?«

»Äh … nein. Ich koche. Du legst dich ins Bett und stellst gefälligst dein Bein ruhig, wie Mum gesagt hat. Komm, ich trag dich nach oben.« Schwungvoll hob James sie hoch. Beccie kreischte überrascht auf und lachte, als sie vor lauter Schreck die Krücken fallen ließ. Er zwickte sie in die Seite, woraufhin sie noch mehr lachen musste und ihm einen leichten Schlag versetzte.

»Jamie, nicht«, japste sie. »Warte …«

»Widerstand ist zwecklos, junge Dame«, stellte James betont streng fest.

»He, meine Krücken!«

»Die bring ich dir später. Der Arzt hat gesagt, du musst unbedingt dein Bein hochlegen.« Er trug seine Schwester die Treppe hinauf, legte sie behutsam auf ihr Bett und häufte ein paar Kissen an, auf denen sie ihr Bein ablegen konnte. »Ohne Krücken kannst du wenigstens nicht abhauen. Was willst du essen?«

»Na schön …«, gab sie nach. »Mir egal, ein Sandwich oder so was.«

James gab ein Schnauben von sich, ging wieder hinunter und suchte in der modernen Küche alle Zutaten für Beccies Lieblingscurry zusammen. Ein Sandwich, dass er nicht lachte. Wenn er schon schuld an ihrem Sturz war, konnte er wenigstens ihr Lieblingsessen machen, um sie ein wenig aufzuheitern.

Gekonnt schnippelte er das Gemüse klein und bereitete das Curry genau so zu, wie sie es am liebsten hatte, mit viel Chili und einer Prise Zimt. Als er fertig war, füllte er zwei Schüsseln mit Reis und einer großen Portion Curry und trug sie nach oben.

Gemeinsam aßen sie auf Beccies dunkelroter Couch, zu der sie entgegen seiner Anweisungen gehüpft war, und schauten dabei eine Folge Supernatural.

»Danke, Jamie. Das war wieder mal richtig lecker«, sagte Beccie schließlich zufrieden und versuchte, die leere Schüssel auf dem kleinen Holztisch vor der Couch abzustellen, obwohl da kaum noch Platz war zwischen Kerzen, Zeitschriften und leeren Teetassen. Dieses Mädchen war nicht nur tollpatschig, sondern auch unordentlich.

»Gib her«, sagte James. Behutsam nahm er ihr Gipsbein von seinem Schoß und stand umständlich auf, um ihr dabei nicht wehzutun. Er trug das Geschirr inklusive der alten Teetassen nach unten in die Küche, räumte es in die Spülmaschine und wischte die Arbeitsflächen ab. Seine Eltern würden wahrscheinlich erst viel später nach Hause kommen, aber sicher war sicher. Nur ungern hätte er ihnen einen weiteren Anlass gegeben, um sich noch mal über seine Inkompetenz aufzuregen. Das hieß, seiner Mum. Sein Dad wusste sowieso nie, was zu Hause gerade passierte.

Als er wieder zurück in Beccies Zimmer kam, war sie schon eingeschlafen. Sie lag auf einem ihrer geliebten Kissen und hatte sich die beige Strickdecke bis zum Kinn hinaufgezogen. Ihr großer Bruder hatte sich gerade zu ihr heruntergebeugt, um sie ins Bett zu tragen, als sie ihn verschlafen anblinzelte.

»Hey, ich bin wach …«, murmelte sie empört.

»Na schön, kleiner Spatz. Wollen wir die Folge noch zu Ende schauen?«, antwortete er leise in sich hineinlachend.

Ihr waren die Augen schon wieder zugefallen, aber sie nickte zufrieden. Also beugte er sich zu ihr runter, küsste sie kurz auf die Stirn und ließ sich auf den weichen Teppich fallen. Ihre Eltern hatten Beccie eigentlich ein großes, teures Ecksofa kaufen wollen, so wie James auch. Aber sie hatte sich das kleinere, rote Sofa in den Kopf gesetzt gehabt, weil sie es so viel gemütlicher gefunden hatte.

James lehnte sich an besagte Couch, ein Bein angewinkelt, das andere ausgestreckt, und sah den Winchesters dabei zu, wie sie wieder mal irgendwelchen Dämonen hinterherjagten.

Als es mitten in einer besonders spannenden Geisterjagd plötzlich an Beccies Zimmerfenster klopfte, sprang James wie von der Tarantel gestochen auf. Auf dem Dach vor Beccies Fenster saß allerdings kein Dämon, sondern Sam, der sich vor lauter Lachen gar nicht mehr einkriegte. James stimmte leise ein und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

»Kommst du raus, oder was?«, kam es gedämpft von der anderen Seite des Fensters. James warf einen besorgten Blick auf seine kleine Schwester. Da sie aber immer noch tief und fest zu schlafen schien, zuckte er mit den Achseln, machte den Fernseher aus und bedeutete Sam, dass sie sich auf dem Dach vor James’ Zimmer treffen würden. Er wollte nicht, dass Beccies Fenster offen stand, während sie schlief. Eine Erkältung war das Letzte, was sie jetzt noch gebrauchen konnte. Bevor er rüber in sein Zimmer ging, trug er Beccie in ihr Bett und deckte sie behutsam zu.

»Wurde ja auch Zeit, Mann«, nörgelte Sam, als James sein Zimmerfenster öffnete. Er zog sich noch schnell einen Hoodie über sein lockeres Shirt und nahm eine Dose aus seiner Schreibtischschublade, bevor er mit einem Satz auf der Fensterbank war und sich zu Sam aufs Dach setzte

»Ja, das ist heute vielleicht gar keine schlechte Idee«, meinte Sam, als er die weiße Blechdose mit dem schwarzen Schriftzug erblickte. The only way to get rid of a temptation is to yield to it, stand da. James sah seinen Kumpel überrascht an, normalerweise war Sam nicht so begeistert davon. Er öffnete die Dose und begann damit, einen Joint zu bauen. Sams Blick brannte in seinem Nacken.

»Du gibst dir immer noch die Schuld, oder?«

James zog sich die Kapuze ins Gesicht, ließ seine Haare in die Stirn fallen und zündete den Joint an. Er nahm ein paar tiefe Züge und beobachtete, wie sich das Mondlicht im Rauch fing.

»Willst du das ganze Zeug allein rauchen, oder gibst du mir auch was ab?«, fragte Sam irgendwann und stieß ihn mit der Schulter an.

»Von mir aus gerne, aber pass auf, dass du nicht wieder einen Hustenanfall bekommst.«

Sam verdrehte die Augen, musste jedoch tatsächlich kurz husten, als er den ersten leichten Zug nahm. Das brachte James trotz seiner miesen Laune zum Lachen.

»Komm schon, es ist doch nur ein verstauchtes Bein. Nicht mal gebrochen, kein Weltuntergang …«

Augenblicklich verfinsterte sich James’ Miene wieder. »Weißt du …«, begann er langsam und nahm den Joint wieder entgegen. »Nur wegen diesem blöden Gips, den sie meinetwegen hat, kann sie sicher nicht bei der Show mittanzen.«

»Hm?« Sam sah ihn irritiert an. »Was hast du gesagt?«

»Die Tanzshow, okay?«, wiederholte James und sah ihn durchdringend an. Er wusste, wie wichtig Beccie die Abschlussshow ihrer Schul-Tanzgruppe war, bei der sie jetzt nicht mehr mitmachen konnte. Auch Sam schien langsam ein Licht aufzugehen.

»Oh … Fuck.«

James nickte. »Das Schlimmste ist, dass sie sich nicht einmal beschwert, nur damit ich mich deswegen nicht schlecht fühle. Wäre sie über ihre eigenen Sachen gestolpert, würde sie jetzt lautstark rummeckern.«

Sam lachte laut auf. »Oh ja, das würde sie. Ein richtiges Drama würde sie daraus machen, unsere kleine Show-Diva. Ich seh’s genau vor mir: Man bringe mir die Krücken!« Er machte ein sehr ehrwürdiges Gesicht.

»Oder so wie damals, als sie sich die Hand verstaucht hat«, stieg James mit ein. »Es ist ein Weltuntergang, ihr versteht das nicht! Die Tanzshow ist mein Leben!«

»Wenn ich jetzt nicht mittrainieren kann, verliere ich das Solo«, piepte Sam. »Jamie, trag mich hierhin, Sammy, fahr mich dorthin …« James schüttelte lachend den Kopf. »Aber jetzt mal im Ernst.« Er nahm noch einen Zug und beobachtete die zwei Fledermäuse, die um die Straßenlaternen vor Sams Haus flatterten. Sam folgte seinem Blick, auch er wirkte in Gedanken versunken. Er holte sich den Joint zurück und nahm noch ein paar leichte Züge.

»Mum hatte recht. Hätte ich besser auf sie aufgepasst, wäre Beccie nicht über mein blödes Skateboard gestolpert. Jetzt hat sie Schmerzen, muss drei Wochen lang diesen bescheuerten Gips tragen und wird am Ende wahrscheinlich wirklich noch aus der Tanzgruppe geworfen!« James’ Stimme überschlug sich beim letzten Satz. Er vergrub das Gesicht in seinen Händen und versuchte, tief ein- und auszuatmen, um die Verzweiflung, die sich in ihm breitmachte, in Schach zu halten.

»Sie macht dir keine Vorwürfe, Jay. Also solltest du dir auch keine machen. Komm schon, Alter. Du passt so gut auf sie auf, wie du kannst. Mann … Ich wünschte, ich hätte einen Bruder wie dich.« Sam klopfte ihm auf den Rücken. »Weißt du, das hier«, sagte er und wedelte James mit dem Joint vorm Gesicht herum, »das verstärkt deine unnötigen Gefühlsausbrüche auch nur. Das ist dir schon klar, oder?«

James warf ihm einen halb skeptischen, halb genervten Blick zu und nahm noch die letzten paar Züge vom Joint. Dann löschte er die Glut an einem Dachziegel und schnippte den Stummel in hohem Bogen in die Dachrinne, wo sich schon mehrere Kippen türmten.

Sam

Catch a wave and you’re sitting on top of the world.

(The Beach Boys,Catch A Wave)

Der nächste Morgen startete mit perfektem Wetter: Strahlender Sonnenschein, ein bisschen Wind und keine einzige Wolke am Himmel. Aus dem Fenster des Nachbarhauses, das seinem gegenüberlag, dröhnten lautstark harte Gitarrenriffs von den Ramones, was vermutlich bedeutete, dass Beccie verzweifelt versuchte, sich damit Jay vom Leib zu halten. Doch weder von ihr noch von Jay war etwas zu sehen.

Sam grinste. Er konnte es kaum erwarten, nach draußen zu kommen. Den halben Vormittag hatte er bereits verschlafen, nachdem er und Jay sich die Nacht auf dem Dach um die Ohren geschlagen und geredet hatten, doch nun war er hellwach und bereit, sich in die Wellen zu stürzen.

Normalerweise hätte er an einem Tag wie diesem liebend gerne auf eine Dusche und auch auf das Frühstück verzichtet, doch der Rauch der gestrigen Nacht klebte in seinen Haaren und sein Magen knurrte wie verrückt. Also sprang er kurz unter das warme Wasser und zog dann das erstbeste T-Shirt aus dem Schrank und seine Jeans aus dem Wäschekorb, wo seine Mutter sie gerne vor ihm versteckte. Wäre es nach ihr gegangen, hätte er wohl beige Chinohosen mit Bügelfalten getragen.

»Guten Morgen, mein Schatz.« Seine Mutter blickte lächelnd von ihrer Zeitschrift auf, als Sam die Treppe herunterkam. Auf ihrem Magazin prangten wieder einmal Fotos von teuren Möbeln und Designerlampen und Sam hoffte inständig, dass das nicht bedeutete, dass sie schon wieder nach einer neuen Einrichtung für das Haus suchte. Er hatte sich gerade erst an die letzte Umgestaltung gewöhnt. »Soll ich dir Frühstück machen?«

»Hey, Mum.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Nein, danke. Schon gut.« Dann lehnte er sich ein Stück nach hinten um in den Nebenraum zu schauen, in dem er zwischen einem Lehnsessel und einer Tageszeitung zwei lange Beine in Anzughosen entdeckt hatte. »Morgen, Dad!«

»Morgen ist wohl ein wenig übertrieben«, brummte sein Vater, ohne sich hinter dem Zeitungsungetüm blicken zu lassen. »Ist doch schon Mittag.«

Seine Mum zwinkerte ihm zu. »Kaffee ist in der Kanne.«

»Danke.« Sam lächelte, holte eine kleine Schüssel und eine Tasse aus dem Schrank, klemmte sich die Müslipackung unter den Arm und schaffte es, auch noch den Milchkanister aus dem Kühlschrank zu manövrieren, ohne etwas fallen zu lassen.

»Wo warst du gestern eigentlich den ganzen Nachmittag?«

»Bec hat sich das Bein verstaucht«, antwortete er und stellte die Sachen auf den Tisch. Mit schlechtem Gewissen dachte er an den kalten Braten zurück, den seine Eltern ihm übrig gelassen hatten, weil er so spät nach Hause gekommen war, dass sie nicht zusammen hatten essen können. Dann fiel sein Blick auf den Wirtschaftsteil der Zeitung, den sein Vater auf seinem Platz gelegt hatte, und er verzog den Mund. »Wir haben sie ins Krankenhaus gebracht, zu ihrer Mum. Jetzt hat sie einen Gips, drei Wochen lang.«

Sam warf einen kurzen Blick ins Wohnzimmer und schob dann die Zeitung unauffällig zur Seite, um seine Müslischale dort zu platzieren.

»Oh nein. Und das jetzt, da es langsam so richtig warm wird!« Sams Mum stand auf und reichte ihrem Sohn die gläserne Kaffeekanne. »Arme Beccie.« Sie mochte die Parker-Kinder und kochte stets ein bisschen mehr, falls einer von ihnen spontan zum Essen blieb. »Ich hoffe, es verheilt schnell.«

»Ja, das hoffe ich auch.« Das Müsli ratterte lautstark in die Schüssel und fing an zu knistern, als Sam die Milch darüber goss. In Gedanken war er bei Beccies Tanzaufführung. Die hatte er vollkommen vergessen gehabt. Ob sich da wohl etwas machen ließ? Jay und er mussten sich unbedingt etwas einfallen lassen.

Etwas raschelte im Wohnzimmer und Sams Vater, ein großer Mann mit gepflegtem Bart, kam hinter der Zeitung zum Vorschein. Sam griff schnell nach dem Wirtschaftsteil.

»Die Aktien entwickeln sich prächtig, nicht wahr?«, fragte sein Vater lächelnd, als er näher kam, und nahm die Lesebrille ab.

»Bin noch nicht so weit, Dad. Der Artikel über … ähm … diesen Pharmakonzern ist wahnsinnig spannend.«

Sams Dad runzelte die Stirn. »Sie haben ihr ganzes Geld verpulvert und jetzt stehen sie mit leeren Händen da. Das ist nicht spannend, sondern dumm.«

»Ja, unglaublich, nicht wahr?« Sam nickte zustimmend, auch wenn er keine Ahnung hatte, worum es in diesem Artikel ging. »Bec hat sich gestern das Bein verstaucht.«

»Das Parker-Mädchen?«

»Ja, Dad.« Sam verdrehte die Augen. »Das Parker-Mädchen.«

»So was.« Sein Vater beugte sich über den Tisch und goss sich noch etwas Kaffee nach. »Hast du schon eine Antwort bekommen?«

Sams Herz rutschte in die Hose. Er hatte gehofft, sein Vater hätte es fürs Erste vergessen. »Nein, Dad.«

»Noch immer nicht? Die brauchen aber ganz schön lange.« Sein Vater hob den Kopf und warf ihm einen forschenden Blick zu, den Sam mit einem nervösen Lächeln quittierte.

»Es ist ja noch Zeit, nicht wahr?« Er versuchte, selbstsicher zu klingen, doch sein Herz schlug viel zu schnell und er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Er musste wirklich bald lernen, ein besserer Lügner zu werden, seine schwitzigen Hände und sein unsicheres Lachen verrieten ihn jedes Mal. Vielleicht konnte Jay ihm ja mal einen Crashkurs geben, der hatte Übung in so was.

Zum Glück deutete sein Vater seine offensichtliche Unsicherheit falsch. »Keine Sorge, mein Sohn. Bis jetzt hat es noch jeder Holloway nach Harvard geschafft«, verkündete er stolz und wuschelte Sam aufmunternd durch die Haare. »Und du wirst da keine Ausnahme sein. Hat der Parker-Junge denn schon eine Zusage bekommen?«

»Nein, Dad. Jay hat, soweit ich weiß, auch noch nichts bekommen«, log Sam.

»Wo hatte er sich noch gleich beworben? Yale?«

»Stanford.«

»Ja, richtig. Recht.« Sein Dad nickte zustimmend und sah ihn über die Ränder seiner Brille hinweg an. »Mach dir jedenfalls keine Sorgen, okay?«

»Klar. Danke, Dad.« Er brachte ein gequältes Lächeln zustande und schob den Stuhl zurück, obwohl er erst die Hälfte seines Müslis gegessen hatte. Ihm war der Appetit vergangen.

»Wo gehst du hin?« Seine Mum, die sich wieder dem Magazin gewidmet hatte, blickte interessiert auf.

»Runter zum Strand.«

»Sam!«, rief seine Mutter ihn streng zurück, als er schon fast an der Tür war.

»Mum?«

Sie deutete wortlos auf das Geschirr. Mit einem schuldbewussten Lächeln machte er eine Kurve und kam noch einmal zurück.

»Sorry, war in Gedanken.«

Er kippte den Rest des Müslis in den Mülleimer und stellte das Geschirr ungeduldig in den Geschirrspüler. Plötzlich konnte er es kaum erwarten, das Haus zu verlassen. Er schlug das Gerät mit etwas mehr Kraft zu als nötig und ergriff die Flucht.

»Kann sein, dass ich das Handy nicht höre«, rief er über die Schulter, zog sich die Schuhe an und griff nach seinem Rucksack.

»Pass auf dich auf!«, hörte er noch die Stimme seiner Mutter, dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

Sobald er draußen war, atmete er einmal tief durch.

Denk an das Meer, redete er sich ein. Denk an die Wellen. Vergiss diesen scheiß Brief.

Entschlossen stieß er sich von der Tür ab und lief hinüber zum Haus der Parkers. Er ließ seinen Finger zweimal kurz auf den Klingelknopf niederfahren, dann wartete er.

Es dauerte keine Minute, bis Jay die Tür aufriss. »Sam.«

Er sah mehr als genervt aus, die Ramones taten offenbar ihre Wirkung.

»Hallo, Sonnenschein.« Sam grinste breit, Jays Anblick hatte seine gute Laune zurückgebracht. »Wie sieht’s aus, kommst du mit?«

»Was?« Jay sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren.