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Heinrich-Heine-Katechismus E-Book

Heinrich Heine

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Beschreibung

»Man hat mir vorgeworfen: ich hätte keine Religion. Nein, ich hab sie alle«, bekannte Deutschlands amüsantester Klassiker. Jenseits vom Klischee des bloßen Glaubensspötters ist er in diesem Buch als origineller religiöser Denker zu entdecken. Heines Reflexionen über Himmel und Hölle, Priester und Propheten, Glaubenshass und Glaubenszweifel, Moses und Luther sind geprägt von seinen Erfahrungen mit der Verfolgungsgeschichte der Juden und erstaunlich aktuell – nicht nur zum Reformationsjubiläum.

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Heinrich Heine

Heinrich Heine Katechismus

Herausgegeben von Christian Liedtke

Hoffmann und Campe

Kinderglauben

Die Weltensaat*

So verwerflich […] jede Diskussion über das Dasein Gottes ist, desto preislicher ist das Nachdenken über die Natur Gottes. Dieses Nachdenken ist ein wahrhafter Gottesdienst, unser Gemüt wird dadurch abgezogen vom Vergänglichen und Endlichen und gelangt zum Bewusstsein der Urgüte und der ewigen Harmonie. Dieses Bewusstsein durchschauert den Gefühlsmenschen im Gebet oder bei der Betrachtung kirchlicher Symbole; der Denker findet diese heilige Stimmung in der Ausübung jener erhabenen Geisteskraft, welche wir Vernunft nennen und deren höchste Aufgabe es ist, die Natur Gottes zu erforschen. Ganz besonders religiöse Menschen beschäftigen sich mit dieser Aufgabe von Kind auf, geheimnisvoll sind sie davon schon bedrängt durch die erste Regung der Vernunft.

Der Verfasser dieser Blätter ist sich einer solchen frühen, ursprünglichen Religiosität aufs freudigste bewusst, und sie hat ihn nie verlassen. Gott war immer der Anfang und das Ende aller meiner Gedanken. Wenn ich jetzt frage: Was ist Gott? Was ist seine Natur?, so frug ich schon als kleines Kind: Wie ist Gott? Wie sieht er aus? Und damals konnte ich ganze Tage in den Himmel hinaufsehen und war des Abends sehr betrübt, dass ich niemals das allerheiligste Angesicht Gottes, sondern immer nur graue, blöde Wolkenfratzen erblickt hatte. Ganz konfus machten mich die Mitteilungen aus der Astronomie, womit man damals, in der Aufklärungsperiode, sogar die kleinsten Kinder nicht verschonte, und ich konnte mich nicht genug wundern, dass alle diese tausendmillionen Sterne ebenso große, schöne Erdkugeln seien wie die unsrige und über all dieses leuchtende Weltengewimmel ein einziger Gott waltete. Einst im Traume, erinnere ich mich, sah ich Gott, ganz oben in der weitesten Ferne. Er schaute vergnüglich zu einem kleinen Himmelsfenster hinaus, ein frommes Greisengesicht mit einem kleinen Judenbärtchen, und er streute eine Menge Saatkörner herab, die, während sie vom Himmel niederfielen, im unendlichen Raume gleichsam aufgingen, eine ungeheure Ausdehnung gewannen, bis sie lauter strahlende, blühende, bevölkerte Welten wurden, jede so groß wie unsere eigene Erdkugel. Ich habe dieses Gesicht nie vergessen können, noch oft im Traume sah ich den heiteren Alten aus seinem kleinen Himmelfenster die Weltensaat herabschütten; ich sah ihn einst sogar mit den Lippen schnalzen, wie unsere Magd, wenn sie den Hühnern ihr Gerstenfutter zuwarf. Ich konnte nur sehen, wie die fallenden Saatkörner sich immer zu großen leuchtenden Weltkugeln ausdehnten: aber die etwaigen großen Hühner, die vielleicht irgendwo mit aufgesperrten Schnäbeln lauerten, um mit den hingestreuten Weltkugeln gefüttert zu werden, konnte ich nicht sehen.

Du lächelst, lieber Leser, über die großen Hühner. Diese kindische Ansicht ist aber nicht allzu sehr entfernt von der Ansicht der reifsten Deisten. Um von dem außerweltlichen Gott einen Begriff zu geben, haben sich der Orient und der Okzident in kindischen Hyperbeln erschöpft.

»Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland« (1835)

Religion und Zweifel*

Aus den frühesten Anfängen erklären sich die spätesten Erscheinungen. Es ist gewiss bedeutsam, dass mir bereits in meinem dreizehnten Lebensjahr alle Systeme der freien Denker vorgetragen wurden und zwar durch einen ehrwürdigen Geistlichen, der seine sazerdotalen Amtspflichten nicht im geringsten vernachlässigte, so dass ich hier frühe sah, wie ohne Heuchelei Religion und Zweifel ruhig nebeneinander gingen, woraus nicht bloß in mir der Unglauben, sondern auch die toleranteste Gleichgültigkeit entstand. […]

Man hatte mich der Gottesleugnung angeklagt, und mein Vater hielt mir deswegen eine Standrede, die längste, die er wohl je gehalten, und die folgendermaßen lautete: »Lieber Sohn! Deine Mutter lässt dich beim Rektor Schallmayer Philosophie studieren. Das ist ihre Sache. Ich, meines Teils, ich liebe nicht die Philosophie; denn sie ist lauter Aberglauben, und ich bin Kaufmann und hab meinen Kopf nötig für mein Geschäft. Du kannst Philosoph sein, so viel du willst, aber ich bitte dich, sage nicht öffentlich, was du denkst, denn du würdest mir im Geschäft schaden, wenn meine Kunden erführen, dass ich einen Sohn habe, der nicht an Gott glaubt; besonders die Juden würden keine Velveteens mehr bei mir kaufen und sind ehrliche Leute, zahlen prompt und haben auch Recht, an der Religion zu halten. Ich bin dein Vater und also älter als du und dadurch auch erfahrener; du darfst mir also aufs Wort glauben, wenn ich mir erlaube, dir zu sagen, dass der Atheismus eine große Sünde ist.«

»Memoiren« (Fragment, ca. 1855)

Wie heißt der Glaube auf Französisch?*

Ich erinnere mich noch so gut, als wäre es erst gestern geschehen, dass ich durch la religion viel Unannehmlichkeiten erfahren. Wohl sechsmal erging an mich die Frage: Henry, wie heißt der Glaube auf Französisch? Und sechsmal und immer weinerlicher antwortete ich: das heißt le crédit. Und beim siebenten Male, kirschbraun im Gesichte, rief der wütende Examinator: er heißt la religion – und es regnete Prügel, und alle Kameraden lachten. Madame! Seit der Zeit kann ich das Wort religion nicht erwähnen hören, ohne dass mein Rücken blass vor Schrecken und meine Wange rot vor Scham wird. Und ehrlich gestanden, le crédit hat mir im Leben mehr genützt, als la religion […].

»Ideen. Das Buch Le Grand« (1827)

Erkundungen des Himmelreichs

Jüngstens träumte mir: spazieren

In dem Himmelreiche ging ich,

Ich mit dir – denn ohne dich

Wär der Himmel eine Hölle.

Dort sah ich die Auserwählten,

Die Gerechten und die Frommen,

Die auf Erden ihren Leib

Für der Seele Heil gepeinigt:

Kirchenväter und Apostel,

Eremiten, Kapuziner,

Alte Käuze, ein’ge junge –

Letztre sahn noch schlechter aus!

Lange, heilige Gesichter,

Breite Glatzen, graue Bärte,

(Drunter auch verschiedne Juden), –

Gingen streng an uns vorüber,

Warfen keinen Blick nach dir,

Ob du gleich, mein schönes Liebchen,

Tändelnd mir am Arme hingest,

Tändelnd, lächelnd, kokettierend!

Nur ein Einz’ger sah dich an,

Und es war der einz’ge schöne,

Schöne Mann in dieser Schar;

Wunderherrlich war sein Antlitz.

Menschengüte um die Lippen,

Götterruhe in den Augen,

Wie auf Magdalenen einst

Schaute Jener auf dich nieder.

Ach! ich weiß, er meint es gut –

Keiner ist so rein und edel –

Aber ich, ich wurde dennoch

Wie von Eifersucht berühret –

Und ich muss gestehn, es wurde

Mir im Himmel unbehaglich –

Gott verzeih’ mir’s! mich genierte

Unser Heiland, Jesus Christus.

»Neue Gedichte« (1844)

Mir träumt’: ich bin der liebe Gott,

Und sitz’ im Himmel droben,

Und Englein sitzen um mich her,

Die meine Verse loben.

Und Kuchen ess’ ich und Konfekt

Für manchen lieben Gulden,

Und Kardinal trink’ ich dabei,

Und habe keine Schulden.

Doch Langeweile plagt mich sehr,

Ich wollt’, ich wär’ auf Erden,

Und wär’ ich nicht der liebe Gott,

Ich könnt’ des Teufels werden.

Du langer Engel Gabriel,

Geh’, mach dich auf die Sohlen,

Und meinen teuren Freund Eugen

Sollst du herauf mir holen.

Such’ ihn nicht im Collegium,

Such’ ihn beim Glas Tokaier;

Such’ ihn nicht in der Hedwigskirch,

Such’ ihn bei Mamsell Meyer.

Da breitet aus sein Flügelpaar

Und fliegt herab der Engel,

Und packt ihn auf, und bringt herauf

Den Freund, den lieben Bengel.

Ja, Jung’, ich bin der liebe Gott,

Und ich regier’ die Erde!

Ich hab’s ja immer dir gesagt,

Dass ich was Rechts noch werde.

Und Wunder tu’ ich alle Tag,

Die sollen dich entzücken,

Und dir zum Spaße will ich heut

Die Stadt Berlin beglücken.

Die Pflastersteine auf der Straß’,

Die sollen jetzt sich spalten,

Und eine Auster, frisch und klar,

Soll jeder Stein enthalten.

Ein Regen von Zitronensaft

Soll tauig sie begießen,

Und in den Straßengössen soll

Der beste Rheinwein fließen.

Wie freuen die Berliner sich,

Sie gehen schon an’s Fressen;

Die Herren von dem Landgericht,

Die saufen aus den Gössen.

Wie freuen die Poeten sich

Bei solchem Götterfraße!

Die Leutnants und die Fähnderichs,

Die lecken ab die Straße.

Die Leutnants und die Fähnderichs,

Das sind die klügsten Leute,

Sie denken, alle Tag’ geschieht

Kein Wunder so wie heute.

»Buch der Lieder« (1827)

Der verlassene Himmel*

Kam auch in den Himmel. Tür und Tor stand offen. Lange, hohe, weithallende Säle, mit altmodischen Vergoldungen, ganz leer, nur dass hie und da, auf einem samtenen Armsessel, ein alter gepuderter Bedienter saß, in verblichen roter Livree und gelinde schlummernd. In manchen Zimmern waren die Türflügel aus ihren Angeln gehoben, an andern Orten waren die Türen fest verschlossen und obendrein mit großen runden Amtssiegeln dreifach versiegelt, wie in Häusern, wo ein Bankrott oder ein Todesfall eingetreten. Kam endlich in ein Zimmer, wo an einem Schreibpult ein alter dünner Mann saß, der unter hohen Papierstößen kramte. War schwarz gekleidet, hatte ganz weiße Haare, ein faltiges Geschäftsgesicht und frug mich mit gedämpfter Stimme: was ich wolle? In meiner Naivität hielt ich ihn für den lieben Herrgott, und ich sprach zu ihm ganz zutrauungsvoll: »Ach, lieber Herrgott, ich möchte donnern lernen, blitzen kann ich … ach, lehren Sie mich auch donnern!« Sprechen Sie nicht so laut, entgegnete mir heftig der alte dünne Mann, drehte mir den Rücken, und kramte weiter unter seinen Papieren. »Das ist der Herr Registrator«, flüsterte mir einer von den roten Bedienten, der von seinem Schlafsessel sich erhob und sich gähnend die Augen rieb …

»Ludwig Börne. Eine Denkschrift« (1840)

Himmelfahrt

Der Leib lag auf der Totenbahr,

Jedoch die arme Seele war,

Entrissen irdischem Getümmel,

Schon auf dem Wege nach dem Himmel.

Dort klopft’ sie an die hohe Pforte,

Und seufzte tief und sprach die Worte:

Sankt Peter, komm und schließe auf!

Ich bin so müde vom Lebenslauf –

Ausruhen möcht’ ich auf seidnen Pfühlen

Im Himmelreich, ich möchte spielen

Mit lieben Englein Blindekuh

Und endlich genießen Glück und Ruh!

Man hört Pantoffelgeschlappe jetzund,

Auch klirrt es wie ein Schlüsselbund,

Und aus einem Gitterfenster am Tor

Sankt Peters Antlitz schaut hervor.

Er spricht: »Es kommen die Vagabunde,

Zigeuner, Polacken und Lumpenhunde,

Die Tagediebe, die Hottentotten –

Sie kommen einzeln und in Rotten,

Und wollen in den Himmel hinein

Und Engel werden und selig sein.

Holla! Holla! Für Galgengesichter

Von Eurer Art, für solches Gelichter

Sind nicht erbaut die himmlischen Hallen –

Ihr seid dem leidigen Satan verfallen.

Fort, fort von hier! und trollt Euch schnelle

Zum schwarzen Pfuhle der ewigen Hölle« –

So brummt der Alte, doch kann er nicht

Im Polterton verharren, er spricht

Gutmütig am Ende die tröstenden Worte:

»Du arme Seele, zu jener Sorte

Halunken scheinst du nicht zu gehören –

Nu! Nu! Ich will deinen Wunsch gewähren,

Weil heute mein Geburtstag just

Und mich erweicht barmherzige Lust –

Nenn mir daher die Stadt und das Reich,

Woher du bist; sag mir zugleich,

Ob du vermählt warst? – Eh’liches Dulden

Sühnt oft des Menschen ärgste Schulden;

Ein Ehmann braucht nicht in der Hölle zu schmoren,

Ihn lässt man nicht warten vor Himmelstoren.«

Die Seele antwortet: Ich bin aus Preußen,

Die Vaterstadt ist Berlin geheißen.

Dort rieselt die Spree, und in ihr Bette

Pflegen zu wässern die jungen Kadette;

Sie fließt gemütlich über, wenn’s regent –

Berlin ist auch eine schöne Gegend!

Dort bin ich Privatdozent gewesen,

Und hab’ über Philosophie gelesen –

Mit einem Stiftsfräulein war ich vermählt,

Doch hat sie oft entsetzlich krakeelt,

Besonders wenn im Haus kein Brot –

Drauf bin ich gestorben und bin jetzt tot.

Sankt Peter rief: »O weh! o weh!

Die Philosophie ist ein schlechtes Metier.

Wahrhaftig, ich begreife nie,

Warum man treibt Philosophie.

Sie ist langweilig und bringt nichts ein,

Und gottlos ist sie obendrein;

Da lebt man nur in Hunger und Zweifel,

Und endlich wird man geholt vom Teufel.

Gejammert hat wohl deine Xantuppe

Oft über die magre Wassersuppe,

Woraus niemals ein Auge von Fett

Sie tröstend angelächelt hätt’ –

Nun sei getrost, du arme Seele!

Ich habe zwar die strengsten Befehle,

Jedweden, der sich je im Leben

Mit Philosophie hat abgegeben,

Zumalen mit der gottlos deutschen,

Ich soll ihn schimpflich von hinnen peitschen –

Doch mein Geburtstag, wie gesagt,

Ist eben heut, und fortgejagt

Sollst du nicht werden, ich schließe dir auf

Das Himmelstor, und jetzo lauf

Geschwind herein –

Jetzt bist du geborgen!

Den ganzen Tag, vom frühen Morgen

Bis Abends spät, kannst du spazieren

Im Himmel herum und träumend flanieren

Auf edelsteingepflasterten Gassen.

Doch wisse, hier darfst du dich nie befassen

Mit Philosophie; du würdest mich

Kompromittieren fürchterlich –

Hörst du die Engel singen, so schneide

Ein schiefes Gesicht verklärter Freude –

Hat aber gar ein Erzengel gesungen,

Sei gänzlich von Begeistrung durchdrungen

Und sag ihm, dass die Malibran

Niemals besessen solchen Sopran –

Auch applaudiere immer die Stimm’

Der Cherubim und der Seraphim,

Vergleiche sie mit Signor Rubini,

Mit Mario und Tamburini –

Gib ihnen den Titel von Exzellenzen

Und knickre nicht mit Reverenzen.

Die Sänger, im Himmel wie auf Erden,

Sie wollen alle geschmeichelt werden –

Der Weltkapellenmeister hier oben,

Er selbst sogar, hört gerne loben

Gleichfalls seine Werke, er hört es gern

Wenn man lobsinget Gott dem Herrn,

Und seinem Preis und Ruhm ein Psalm

Erklingt im dicksten Weihrauchqualm.

Vergiss mich nicht. Wenn dir die Pracht

Des Himmels einmal Langweile macht,

So komm zu mir; dann spielen wir Karten.

Ich kenne Spiele von allen Arten,

Vom Lanzknecht bis zum König Pharo.

Wir trinken auch – Doch Apropos!

Begegnet dir von Ungefähr

Der liebe Gott und fragt dich: woher

Du seiest? so sage nicht aus Berlin,

Sag’ lieber aus München oder aus Wien.«

»Gedichte. 1853 und 1854« (1854)

Mich locken nicht die Himmelsauen

Im Paradies, im sel’gen Land;

Dort find’ ich keine schönre Frauen

Als ich bereits auf Erden fand.

Kein Engel mit den feinsten Schwingen

Könnt’ mir ersetzen dort mein Weib;

Auf Wolken sitzend Psalmen singen,

Wär auch nicht just mein Zeitvertreib.

O Herr! ich glaub’, es wär das Beste,

Du ließest mich in dieser Welt;

Heil’ nur zuvor mein Leibgebreste

Und sorge auch für etwas Geld.

Ich weiß, es ist voll Sünd und Laster

Die Welt; jedoch ich bin einmal

Gewöhnt, auf diesem Erdpechpflaster

Zu schlendern durch das Jammertal.

Genieren wird das Weltgetreibe

Mich nie, denn selten geh’ ich aus;

In Schlafrock und Pantoffeln bleibe

Ich gern bei meiner Frau zu Haus.

Lass mich bei ihr! Hör’ ich sie schwätzen,

Trinkt meine Seele die Musik

Der holden Stimme mit Ergetzen.

So treu und ehrlich ist ihr Blick!

Gesundheit nur und Geldzulage

Verlang’ ich, Herr! O lass mich froh

Hinleben noch viel schöne Tage

Bei meiner Frau im statu quo!

»Gedichte. 1853 und 1854« (1854)

Hölle und Teufel

Die teuflische Hypothek*

[…] der liebe Gott war sehr knapp bei Kassa, als er die Welt erschuf. Er musste das Geld dazu vom Teufel borgen und ihm die ganze Schöpfung als Hypothek verschreiben. Da ihm nun der liebe Gott von Gott und Rechts wegen die Welt noch schuldig ist, so darf er ihm auch aus Delikatesse nicht verwehren, sich darin herum zu treiben und Verwirrung und Unheil zu stiften. Der Teufel aber ist seinerseits wieder sehr stark dabei interessiert, dass die Welt nicht ganz zu Grunde und folglich seine Hypothek verloren gehe; er hütet sich daher, es allzu toll zu machen, und der liebe Gott, der auch nicht dumm ist und wohl weiß, dass er im Eigennutz des Teufels seine geheime Garantie hat, geht oft so weit, dass er ihm die ganze Herrschaft der Welt anvertraut, d.h. dem Teufel den Auftrag gibt, ein Ministerium zu bilden.

Dann geschieht, was sich von selbst versteht, Samiel erhält das Kommando der höllischen Heerscharen, Beelzebub wird Kanzler, Vitzliputzli wird Staatssekretär, die alte Großmutter bekommt die Kolonien u.s.w. Diese Verbündeten wirtschaften dann in ihrer Weise, und indem sie, trotz des bösen Willens ihrer Herzen, aus Eigennutz gezwungen sind, das Heil der Welt zu befördern, entschädigen sie sich für diesen Zwang dadurch, dass sie zu den guten Zwecken immer die niederträchtigsten Mittel anwenden.

»Englische Fragmente« (1827)

Ich rief den Teufel und er kam,

Und ich sah ihn mit Verwund’rung an.

Er ist nicht hässlich und ist nicht lahm,

Er ist ein lieber, charmanter Mann,

Ein Mann in seinen besten Jahren,

Verbindlich und höflich und welterfahren.

Er ist ein gescheuter Diplomat,

Und spricht recht schön über Kirch’ und Staat.

Blass ist er etwas, doch ist es kein Wunder,

Sanskrit und Hegel studiert er jetzunder.

Sein Lieblingspoet ist noch immer Fouqué.

Doch will er nicht mehr mit Kritik sich befassen,

Die hat er jetzt gänzlich überlassen

Der teuren Großmutter Hekate.

Er lobte mein juristisches Streben,

Hat früher sich auch damit abgegeben.

Er sagte, meine Freundschaft sei

Ihm nicht zu teuer, und nickte dabei,

Und frug: ob wir uns früher nicht

Schon einmal geseh’n beim span’schen Gesandten?

Und als ich recht besah sein Gesicht,

Fand ich in ihm einen alten Bekannten.

»Buch der Lieder« (1827)

Inoffizielle Nachrichten aus der Hölle*

Wie man im Himmel lebt, Madame, können Sie sich wohl vorstellen, umso eher, da Sie verheiratet sind. Dort amüsiert man sich ganz süperbe, man hat alle möglichen Vergnügungen, man lebt in lauter Lust und Pläsir, so recht wie Gott in Frankreich. […]

Aber von der Hölle, Madame, haben Sie gar keine Idee. Von allen Teufeln kennen Sie vielleicht nur den kleinsten, das Beelzebübchen Amor, den artigen Croupier der Hölle, und diesen selbst kennen sie nur aus dem »Don Juan«, und für diesen Weiberbetrüger, der ein böses Beispiel gibt, dünkt sie Ihnen niemals heiß genug, obgleich unsere hochlöblichen Theaterdirektionen so viel Flammenspektakel, Feuerregen, Pulver und Kolophonium dabei aufgehen lassen, wie es nur irgend ein guter Christ in der Hölle verlangen kann.

Indessen, in der Hölle sieht es viel schlimmer aus, als unsere Theaterdirektoren wissen – sie würden auch sonst nicht so viele schlechte Stücke aufführen lassen –, in der Hölle ist es ganz höllisch heiß, und als ich mal in den Hundstagen dort war, fand ich es nicht zum Aushalten. Sie haben keine Idee von der Hölle, Madame. Wir erlangen dorther wenig offizielle Nachrichten. Dass die armen Seelen da drunten den ganzen Tag all die schlechten Predigten lesen müssen, die hier oben gedruckt werden – das ist Verleumdung. So schlimm ist es nicht in der Hölle, so raffinierte Qualen wird Satan niemals ersinnen. Hingegen Dantes Schilderung ist etwas zu mäßig, im Ganzen allzu poetisch. Mir erschien die Hölle wie eine große bürgerliche Küche, mit einem unendlich langen Ofen, worauf drei Reihen eiserne Töpfe standen, und in diesen saßen die Verdammten und wurden gebraten. In der einen Reihe saßen die christlichen Sünder, und sollte man es wohl glauben! ihre Anzahl war nicht allzu klein, und die Teufel schürten unter ihnen das Feuer mit besonderer Geschäftigkeit. In der anderen Reihe saßen die Juden, die beständig schrien und von den Teufeln zuweilen geneckt wurden, wie es sich denn gar possierlich ausnahm, als ein dicker, pustender Pfänderverleiher über allzu große Hitze klagte und ein Teufelchen ihm einige Eimer kaltes Wasser über den Kopf goss, damit er sähe, dass die Taufe eine wahre erfrischende Wohltat sei. In der dritten Reihe saßen die Heiden, die, ebenso wie die Juden, der Seligkeit nicht teilhaftig werden können und ewig brennen müssen. Ich hörte, wie einer derselben, dem ein vierschrötiger Teufel neue Kohlen unterlegte, gar unwillig aus dem Topfe hervorrief: »Schone meiner, ich war Sokrates, der Weiseste der Sterblichen, ich habe Wahrheit und Gerechtigkeit gelehrt und mein Leben geopfert für die Tugend.« Aber der vierschrötige, dumme Teufel ließ sich in seinem Geschäfte nicht stören und brummte: »Ei was! alle Heiden müssen brennen, und wegen eines einzigen Menschen dürfen wir keine Ausnahme machen.« – Ich versichere Sie, Madame, es war eine fürchterliche Hitze und ein Schreien, Seufzen, Stöhnen, Quäken, Greinen, Quirilieren […].

»Ideen. Das Buch Le Grand« (1827)

Verteufelte Götter*

Nur über das gute Prinzip, über das Reich Christi, hegte man in ganz Europa dieselben Ansichten; dafür sorgte die römische Kirche, und wer hier von der vorgeschriebenen Meinung abwich, war ein Ketzer. Aber über das böse Prinzip, über das Reich Satans, herrschten verschiedene Ansichten in den verschiedenen Ländern, und im germanischen Norden hatte man ganz andere Vorstellungen davon wie im romanischen Süden. Dieses entstand dadurch, dass die christliche Priesterschaft die vorgefundenen alten Nationalgötter nicht als leere Hirngespinste verwarf, sondern ihnen eine wirkliche Existenz einräumte, aber dabei behauptete, alle diese Götter seien lauter Teufel und Teufelinnen gewesen, die, durch den Sieg Christi, ihre Macht über die Menschen verloren und sie jetzt durch Lust und List zur Sünde verlocken wollen. Der ganze Olymp wurde nun eine luftige Hölle […].

Der Nationalglaube in Europa, im Norden noch viel mehr als im Süden, war pantheistisch, seine Mysterien und Symbole bezogen sich auf einen Naturdienst, in jedem Elemente verehrte man wunderbare Wesen, in jedem Baume atmete eine Gottheit, die ganze Erscheinungswelt war durchgöttert; das Christentum verkehrte diese Ansicht, und an die Stelle einer durchgötterten Natur trat eine durchteufelte. Die heiteren, durch die Kunst verschönerten Gebilde der griechischen Mythologie, die mit der römischen Zivilisation im Süden herrschte, hat man jedoch nicht so leicht in hässliche, schauerliche Satanslarven verwandeln können wie die germanischen Göttergestalten, woran freilich kein besonderer Kunstsinn gemodelt hatte und die schon vorher so missmütig und trübe waren wie der Norden selbst.

»Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland« (1835)

Das Volk Gottes

Europa erhebt sich zu den Juden*

Die Juden sind ein keusches, enthaltsames, ich möchte fast sagen, abstraktes Volk, und in der Sittenreinheit stehen sie am nächsten den germanischen Stämmen. […] Es ist in der Tat auffallend, welche innige Wahlverwandtschaft zwischen den beiden Völkern der Sittlichkeit, den Juden und Germanen, herrscht. Diese Wahlverwandtschaft entstand nicht auf historischem Wege, weil etwa die große Familien-Chronik der Juden, die Bibel, der ganzen germanischen Welt als Erziehungsbuch diente, auch nicht weil Juden und Germanen von früh an die unerbittlichsten Feinde der Römer und also natürliche Bundesgenossen waren: Sie hat einen tieferen Grund, und beide Völker sind sich ursprünglich so ähnlich, dass man das ehemalige Palästina für ein orientalisches Deutschland ansehen könnte, wie man das heutige Deutschland für die Heimat des heiligen Wortes, für den Mutterboden des Prophetentums, für die Burg der reinen Geistheit halten sollte.

Aber nicht bloß Deutschland trägt die Physiognomie Palästinas, sondern auch das übrige Europa erhebt sich zu den Juden. Ich sage erhebt sich, denn die Juden trugen schon im Beginne das moderne Prinzip in sich, welches sich heute erst bei den europäischen Völkern sichtbar entfaltet.

Griechen und Römer hingen begeistert an dem Boden, an dem Vaterlande. Die späteren nordischen Einwanderer in die Römer- und Griechenwelt hingen an der Person ihrer Häuptlinge, und an die Stelle des antiken Patriotismus trat im Mittelalter die Vasallentreue, die Anhänglichkeit an die Fürsten. Die Juden aber, von jeher, hingen nur an dem Gesetz, an dem abstrakten Gedanken, wie unsere neueren kosmopolitischen Republikaner, die weder das Geburtsland noch die Person der Fürsten, sondern die Gesetze als das Höchste achten. Ja, der Kosmopolitismus ist ganz eigentlich dem Boden Judäas entsprossen, und Christus, der […] ein wirklicher Jude war, hat ganz eigentlich eine Propaganda des Weltbürgertums gestiftet. Was den Republikanismus der Juden betrifft, so erinnere ich mich im Josephus gelesen zu haben, dass es zu Jerusalem Republikaner gab, die sich den königlich gesinnten Herodianern entgegensetzten, am mutigsten fochten, niemandem den Namen »Herr« gaben, und den römischen Absolutismus aufs ingrimmigste hassten; Freiheit und Gleichheit war ihre Religion. Welcher Wahn!

»Shakespeares Mädchen und Frauen« (1839)

Vortrefflichkeiten der Juden*

Über das Essen der alten Hebräer könnt’ ich weitläuftig mich aussprechen und bis auf die jüdische Küche der neuesten Zeit herabgehen – […] Ich könnte auch anführen, wie human sich viele Berliner Gelehrte über das Essen der Juden geäußert, ich käme dann auf die anderen Vorzüglichkeiten und Vortrefflichkeiten der Juden, auf die Erfindungen, die man ihnen verdankt, z.B. die Wechsel, das Christentum – aber halt! Letzteres wollen wir ihnen nicht allzu hoch anrechnen, da wir eigentlich noch wenig Gebrauch davon gemacht haben – ich glaube, die Juden selbst haben dabei weniger ihre Rechnung gefunden als bei der Erfindung der Wechsel.

»Ideen. Das Buch Le Grand« (1827)

Das neue Israelitische Hospital zu Hamburg

Ein Hospital für arme, kranke Juden,

Für Menschenkinder, welche dreifach elend,

Behaftet mit den bösen drei Gebresten,

Mit Armut, Körperschmerz und Judentume!

Das schlimmste von den dreien ist das letzte,

Das tausendjährige Familienübel,

Die aus dem Niltal mitgeschleppte Plage,

Der altägyptisch ungesunde Glauben.

Unheilbar tiefes Leid! Dagegen helfen

Nicht Dampfbad, Dusche, nicht die Apparate

Der Chirurgie, noch all die Arzeneien,

Die dieses Haus den siechen Gästen bietet.

Wird einst die Zeit, die ew’ge Göttin, tilgen

Das dunkle Weh, das sich vererbt vom Vater

Herunter auf den Sohn, – wird einst der Enkel

Genesen und vernünftig sein und glücklich?

Ich weiß es nicht! Doch mittlerweile wollen

Wir preisen jenes Herz, das klug und liebreich

Zu lindern suchte, was der Lindrung fähig,

Zeitlichen Balsam träufelnd in die Wunden.

Der teure Mann! Er baute hier ein Obdach

Für Leiden, welche heilbar durch die Künste

Des Arztes, (oder auch des Todes!) sorgte

Für Polster, Labetrank, Wartung und Pflege –

Ein Mann der Tat, tat er was eben tunlich;

Für gute Werke gab er hin den Taglohn

Am Abend seines Lebens, menschenfreundlich,

Durch Wohltun sich erholend von der Arbeit.

Er gab mit reicher Hand – doch reich’re Spende

Entrollte manchmal seinem Aug, die Träne,

Die kostbar schöne Träne, die er weinte

Ob der unheilbar großen Brüderkrankheit.

»Neue Gedichte« (1844)

Shylock, der Kaufmann von Venedig*

Der Genius des Shakespeare erhebt sich noch über den Kleinhader zweier Glaubensparteien, und sein Drama zeigt uns eigentlich weder Juden noch Christen, sondern Unterdrücker und Unterdrückte, und das wahnsinnig schmerzliche Aufjauchzen dieser Letzteren, wenn sie ihren übermütigen Quälern die zugefügten Kränkungen mit Zinsen zurückzahlen können. Von Religionsverschiedenheit ist in diesem Stücke nicht die geringste Spur, und Shakespeare zeigt in Shylock nur einen Menschen, dem die Natur gebietet, seinen Feind zu hassen, wie er in Antonio und dessen Freunden keineswegs die Jünger jener göttlichen Lehre schildert, die uns befiehlt, unsere Feinde zu lieben. […]