Heinrich Heines Romanzero nebst Lieblingsballaden von Goethe, Schiller und anderen - Heinrich Heine - E-Book

Heinrich Heines Romanzero nebst Lieblingsballaden von Goethe, Schiller und anderen E-Book

Heinrich Heine

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Beschreibung

Meisterwerke von Heinrich Heine, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Clemens Brentano, Adelbert von Chamisso, Joseph von Eichendorff, Ludwig Uhland, Friedrich Rückert, Gustav Schwab, August von Platen, Annette von Droste-Hülshoff, Nikolaus Lenau, Eduard Mörike, Friedrich Hebbel, Ferdinand Freiligrath, Emmanuel Geibel, Theodor Fontane, Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer, Detev von Liliencron, Else Lasker-Schüler, Georg Heym, Georg Trakl, Stefan George, Hugo von Hofmannsthal, Börries Freiherr von Münchhausen, Joachim Ringelnatz. Diese Ausgabe (mit absichtlichem Schwerpunkt auf Heinrich Heines Werke) will weder Enzyklopädie noch Balladengeschichte vergangener Jahrhunderte und schon gar nicht ein Beitrag zur Balladentheorie sein, sie ist als Lesebuch gedacht, welches anregen und erfreuen soll. (siehe Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer, S. 395f.)

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?ber dieses Buch

Balladen haben ihre Hypothek, bis zum Verdruss Pflichtlekt?re in der Schule zu sein, ?berlebt. Meisterwerke erweisen sich aber bis heute als "unkaputtbar"!

Peter Hacks lie? nur wenige gelten: ?Von den hundert Balladen, die die Deutschen besitzen, sind je ein Viertel von Goethe, Schiller und Heine und ist das verbleibende Viertel von sonstigen Dichtern verfasst.? Und seit ?ber f?nfzig Jahren wurde und wird sie immer wieder f?r tot erkl?rt. Aber Totgesagte leben l?nger.

Die vorliegende Ausgabe (mit absichtlichem Schwerpunkt auf Heinrich Heines Werke) will weder Enzyklop?die noch Balladengeschichte vergangener Jahrhunderte und schon gar nicht ein Beitrag zur Balladentheorie sein, sie ist vielmehr als Lesebuch gedacht, welches anregen und erfreuen soll. Leser d?rfen keineswegs nur alle zwanzig oder drei?ig Seiten auf einen packenden Text sto?en, sondern gerade umgekehrt, langweilende oder gar nervende Texte, wenn sich das ? ?ber Geschm?cker l?sst sich (nicht) streiten ? nicht g?nzlich vermeiden lie?e, sollten bei der Lekt?re dieses Buches h?chst selten begegnen, ?u?erstenfalls siebenmal, nicht mehr! (siehe auch das Nachwort von JS, unten, S. ? f.)

Die Autoren

Heinrich Heine, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Clemens Brentano, Adelbert von Chamisso, Joseph von Eichendorff, Ludwig Uhland, Friedrich Rückert, Gustav Schwab, August von Platen, Annette von Droste-Hülshoff, Nikolaus Lenau, Eduard Mörike, Friedrich Hebbel, Ferdinand Freiligrath, Emmanuel Geibel, Theodor Fontane, Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer, Detev von Liliencron, Else Lasker-Schüler, Georg Heym, Georg Trakl, Stefan George, Hugo von Hofmannsthal, Börries Freiherr von Münchhausen, Joachim Ringelnatz.

Der Herausgeber

Joerg K. Sommermeyer (JS), * 14.10.1947 in Brackenheim, Sohn des Physikers Prof. Dr. Kurt Hans Sommermeyer (* 23. März 1906, Schleusingen/Thüringen - † 13. Februar 1969, Freiburg i. Brsg./Bd.-Wrtt). Kindheit in Freiburg. Studierte Jura, Philosophie, Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaft. Klassische Gitarre bei Viktor v. Hasselmann und Anton Stingl. Unterrichtete in den späten Sechzigern Gitarre am Kindergärtnerinnen-/Jugendleiterinnenseminar und in den Achtzigern Rechtsanwaltsgehilfinnen in spe an der Max-Weber-Schule in Freiburg. 1976 bis 2004 Rechtsanwalt in Freiburg. Setzte sich für eine Verstärkung des Rechtsschutzes bei Grundrechtseingriffen ein (Unterbringungsrecht, Untersuchungshaft, Durchsuchungsrecht). Zahlreiche Veröffentlichungen in juristischen Fachzeitschriften sowie Artikel in Musikblättern. Gründer und Vorsitzender der Internationalen Gitarristischen Vereinigung, Organisator und Künstlerischer Leiter der Freiburger Gitarren- und Lautentage, Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift Nova Giulianiad: Saitenblätter für die Gitarre und Laute. Juror beim Schlesischen Gitarrenherbst in Tychy und Internationalen Gitarrenkongress Freiburg/Basel/Straßburg. Komponierte Songs, schrieb Liedtexte, Arrangements, Instrumentalmusik. 7 CDs, u. a.: Total Overdrive, Those Rocks & Lieders, Nel Cuore Romanzo Rock, Ergo, 7 Celebrities. Prosa: Anton Unbekannt, Pathoaphysischer Antiroman, Tragigroteskenfragment, 2008/2009; Vernimm mein Schreien, 2017/2018. Lieblingsmärchen, 2017/2018. Edition von Werken Josefa Gerhäusers, Franz Trellers, Oskar Panizzas, Fritz von Ostinis, Hugo Balls, Carl Einsteins, Ludwig Rubiners, Franz Kafkas, Heinrich von Kleists, Christian Morgensterns, Robert Müllers, Joseph von Eichendorffs, Adelbert von Chamissos, Georg Büchners, Denis Diderots, Wilhelm Heinrich Wackenroders, E. T. A. Hoffmanns, Rainer Maria Rilkes, Annette von Droste-Hülshoffs, Jeremias Gotthelfs und Marie von Ebner-Eschenbachs. Joerg K. Sommermeyer (JS) lebt in Berlin.

Orlando Syrg, Berlin, 4. Oktober 2018

Inhalt

?ber dieses Buch

Die Autoren

Der Herausgeber

Heinrich Heine: Romanzero

Erstes Buch ? Historien

Wenn man an dir Verrat ge?bt [Motto]

Rhampsenit

Der wei?e Elefant

Schelm von Bergen

Walk?ren

Schlachtfeld bei Hastings

Karl I.

Maria Antoinette

Pomare

Alle Liebesg?tter jauchzen

Sie tanzt. Wie sie das Leibchen wiegt!

Gestern noch f?rs liebe Brot

Besser hat es sich gewendet

Der Apollogott

Das Kloster ist hoch auf Felsen gebaut

Ich bin der Gott der Musika

In der Tracht der Beguinen

Kleines Volk

Zwei Ritter

Das goldne Kalb

K?nig David

K?nig Richard

Der Asra

Himmelsbr?ute

Pfalzgr?fin Jutta

Der Mohrenk?nig

Geoffroy Rud?l und Melisande von Tripoli

Der Dichter Firdusi

Goldne Menschen, Silbermenschen!

H?tt er menschlich ordin?r

Schach Mahomet hat gut gespeist

N?chtliche Fahrt

Vitzliputzli

Pr?ludium

Auf dem Haupt trug er den Lorbeer

Nach des Kampfes Schreckenstag

Blasser schimmern schon die Sterne

Zweites Buch ? Lamentationen

Das Gl?ck ist eine leichte Dirne [Motto]

Waldeinsamkeit

Spanische Atriden

Der Ex-Lebendige

Der Ex-Nachtw?chter

Plateniden

Mythologie

In Mathildens Stammbuch

An die Jungen

Der Ungl?ubige

K.-Jammer

Zum Hausfrieden

Jetzt wohin?

Altes Lied

Solidit?t

Alte Rose

Autodaf?

Lazarus

Weltlauf

R?ckschau

Auferstehung

Sterbende

Lumpentum

Erinnerung

Unvollkommenheit

Fromme Warnung

Der Abgek?hlte

Salomo

Verlorene W?nsche

Ged?chtnisfeier

Wiedersehen

Frau Sorge

An die Engel

Im Oktober 1849

B?ses Getr?ume

Sie erlischt

Verm?chtnis

Enfant Perdu

Drittes Buch ? Hebr?ische Melodien

O lass nicht ohne Lebensgenuss [Motto]

Prinzessin Sabbat

Jehuda Ben Halevy

Lechzend klebe mir die Zunge

Bei den Wassern Babels sa?en

Nach der Schlacht bei Arabella

Meine Frau ist nicht zufrieden

Disputation

Anmerkungen

Rhampsenit

Schlachtfeld bei Hastings (S?pulture du roi Harold)

Erinnerung

Jehuda Ben Halevy

Nachwort Heinrich Heines zum

"Romanzero"

Lieblingsballaden

Johann Wolfgang von Goethe

Der S?nger

Erlk?nig

Der Fischer

Der K?nig in Thule

Ritter Kurts Brautfahrt

Der Schatzgr?ber

Der Zauberlehrling

Die Braut von Korinth

Der Gott und die Bajadere

Der Totentanz

Friedrich Schiller

Das verschleierte Bild zu Sais

Pegasus im Joche

Die Teilung der Erde

Der Gang nach dem Eisenhammer

Der Handschuh

Der Ring des Polykrates

Der Taucher

Die Kraniche des Ibykus

Ritter Toggenburg

Der Kampf mit dem Drachen

Die B?rgschaft

Das Lied von der Glocke

Die Rache der Musen

Die Kindsm?rderin

Die G?tter Griechenlands

Hero und Leander

Kassandra

Der Graf von Habsburg

Der Alpenj?ger

Clemens Brentano

Auf dem Rhein ? Ein Fischer sa? im Kahne

Lore Lay ? Zu Bacharach am Rheine

Adelbert von Chamisso

Die Sonne bringt es an den Tag

Die Giftmischerin

Das Riesenspielzeug

Die versunkene Burg

Der Bettler und sein Hund

Joseph von Eichendorff

Der armen Sch?nheit Lebenslauf

Waldgespr?ch

Der irre Spielmann

Der stille Grund

Ludwig Uhland

Das Schloss am Meere

Die Rache

Des S?ngers Fluch

Schw?bische Kunde

Das Gl?ck von Edenhall

Friedrich R?ckert

Chidher

Gustav Schwab

Der Reiter und der Bodensee

August von Platen

Das Grab im Busento

Annette von Droste-H?lshoff

Der Schlosself

Der Knabe im Moor

Die Vergeltung

Heinrich Heine

Die Grenadiere

Belsazar

Die schlesischen Weber

Nikolaus Lenau

Die drei Indianer

Eduard M?rike

Der Feuerreiter

Die schlimme Gret und der K?nigssohn

Friedrich Hebbel

Der Heideknabe

Ferdinand Freiligrath

Im Irrenhause

Die Trompete von Gravelotte

Emmanuel Geibel

Krokodilromanze

Theodor Fontane

Archibald Douglas

Die zwei Raben

Das Trauerspiel von Afghanistan

Gorm Grymme

Die Br?ck' am Tay

John Maynard

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Gottfried Keller

Der Narr des Grafen von Zimmern

Conrad Ferdinand Meyer

Die F??e im Feuer

Detev von Liliencron

Wer wei? wo

Trutz, blanke Hans

Der Blitzzug

Das Kind mit dem Gravensteiner

Pidder L?ng

Die Falschm?nzer

Else Lasker-Sch?ler

Ballade ? Aus den sauerl?ndischen Bergen

Joseph wird verkauft

Georg Heym

Nachtgesang

Dionysos

Ophelia

Robespierre

Pilatus

Die Tote im Wasser

Das Fieberspital

Der Gott der Stadt

Der Krieg

Die Stadt

Georg Trakl

Ballade ? Ein schw?ler Garten stand die Nacht

Die tote Kirche

Die junge Magd

Romanze zur Nacht

Stefan George

Das Lied

Hugo von Hofmannsthal

Ballade vom kranken Kind

Ballade des ?u?eren Lebens

B?rries Freiherr von M?nchhausen

Die Wunderwirkung der Latinit?t

Joachim Ringelnatz

Herrn Steins Reise nach M?nchen

Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer

Für

H. K. S.,

wo immer sie jetzt sein mögen,

in Liebe, Verehrung und Dankbarkeit

Heinrich Heine

(1797–1856)

Romanzero

Entstanden 1846-1851; Erstdruck bei Hoffmann und Campe, Hamburg 1851.

Erstes Buch – Historien

Wenn man an dir Verrat geübt, Sei du um so treuer; Und ist deine Seele zu Tode betrübt, So greife zur Leier.

Die Saiten klingen! Ein Heldenlied, Voll Flammen und Gluten!

Da schmilzt der Zorn, und dein Gemüt Wird süß verbluten.

Rhampsenit

Als der König Rhampsenit

Eintrat in die goldne Halle

Seiner Tochter, lachte diese,

Lachten ihre Zofen alle.

Auch die Schwarzen, die Eunuchen,

Stimmten lachend ein, es lachten

Selbst die Mumien, selbst die Sphinxe,

Dass sie schier zu bersten dachten.

Die Prinzessin sprach: »Ich glaubte

Schon, den Schatzdieb zu erfassen,

Der hat aber einen toten

Arm in meiner Hand gelassen.

Jetzt begreif ich, wie der Schatzdieb

Dringt in deine Schatzhauskammern,

Und die Schätze dir entwendet,

Trotz den Schlössern, Riegeln, Klammern.

Einen Zauberschlüssel hat er,

Der erschließet allerorten

Jede Türe, widerstehen

Können nicht die stärksten Pforten.

Ich bin keine starke Pforte,

Und ich hab nicht widerstanden,

Schätzehütend diese Nacht

Kam ein Schätzlein mir abhanden.«

So sprach lachend die Prinzessin,

Und sie tänzelt im Gemache,

Und die Zofen und Eunuchen

Hoben wieder ihre Lache.

An demselben Tag ganz Memphis

Lachte, selbst die Krokodile

Reckten lachend ihre Häupter

Aus dem schlammig gelben Nile,

Als sie Trommelschlag vernahmen

Und sie hörten an dem Ufer

Folgendes Reskript verlesen

Von dem Kanzeleiausrufer:

»Rhampsenit, von Gottes Gnaden

König zu und in Ägypten,

Wir entbieten Gruß und Freundschaft

Unsern Vielgetreun und Liebden.

In der Nacht vom dritten zu dem

Vierten Junius des Jahres

Dreizehnhundertvierundzwanzig

Vor Christi Geburt, da war es,

Dass ein Dieb aus unserm Schatzhaus

Eine Menge von Juwelen

Uns entwendet; es gelang ihm,

Uns auch später zu bestehlen.

Zur Ermittelung des Täters

Ließen schlafen wir die Tochter

Bei den Schätzen – doch auch jene

Zu bestehlen schlau vermocht er.

Um zu steuern solchem Diebstahl

Und zu gleicher Zeit dem Diebe

Unsre Sympathie zu zeigen,

Unsre Ehrfurcht, unsre Liebe,

Wollen wir ihm zur Gemahlin

Unsre einz'ge Tochter geben

Und ihn auch als Thronnachfolger

In den Fürstenstand erheben.

Sintemal uns die Adresse

Unsres Eidams noch zur Stunde

Unbekannt, soll dies Reskript ihm

Bringen Unsrer Gnade Kunde.

So geschehn den dritten Jänner

Dreizehnhundertzwanzigsechs

Vor Christi Geburt. – Signieret

Von Uns: Rhampsenitus Rex.«

Rhampsenit hat Wort gehalten,

Nahm den Dieb zum Schwiegersohne,

Und nach seinem Tode erbte

Auch der Dieb Ägyptens Krone.

Er regierte wie die andern,

Schützte Handel und Talente;

Wenig, heißt es, ward gestohlen

Unter seinem Regimente.

Der weiße Elefant

Der König von Siam, Mahawasant,

Beherrscht das halbe Indienland,

Zwölf Kön'ge, der große Mogul sogar,

Sind seinem Zepter tributar.

Alljährlich mit Trommeln, Posaunen und Fahnen

Ziehen nach Siam die Zinskarawanen;

Viel tausend Kamele, hochberuckte,

Schleppen die kostbarsten Landesprodukte.

Sieht er die schwerbepackten Kamele,

So schmunzelt heimlich des Königs Seele;

Öffentlich freilich pflegt er zu jammern,

Es fehle an Raum in seinen Schatzkammern.

Doch diese Schatzkammern sind so weit,

So groß und voller Herrlichkeit;

Hier überflügelt der Wirklichkeit Pracht

Die Märchen von Tausendundeine Nacht.

»Die Burg des Indra« heißt die Halle,

Wo aufgestellt die Götter alle,

Bildsäulen von Gold, fein ziselieret,

Mit Edelsteinen inkrustieret.

Sind an der Zahl wohl dreißigtausend,

Figuren abenteuerlich grausend,

Mischlinge von Menschen- und Tiergeschöpfen,

Mit vielen Händen und vielen Köpfen.

Im »Purpursaale« sieht man verwundert

Korallenbäume dreizehnhundert,

Wie Palmen groß, seltsamer Gestalt,

Geschnörkelt die Äste, ein roter Wald.

Das Estrich ist vom reinsten Kristalle

Und widerspiegelt die Bäume alle.

Fasanen vom buntesten Glanzgefieder

Gehn gravitätisch dort auf und nieder.

Der Lieblingsaffe des Mahawasant

Trägt an dem Hals ein seidenes Band,

Dran hängt der Schlüssel, welcher erschleußt

Die Halle, die man den Schlafsaal heißt.

Die Edelsteine vom höchsten Wert,

Die liegen wie Erbsen hier auf der Erd'

Hochaufgeschüttet; man findet dabei

Diamanten so groß wie ein Hühnerei.

Auf grauen, mit Perlen gefüllten Säcken

Pflegt hier der König sich hinzustrecken;

Der Affe legt sich zum Monarchen,

Und beide schlafen ein und schnarchen.

Das Kostbarste aber von allen Schätzen

Des Königs, sein Glück, sein Seelenergötzen,

Die Lust und der Stolz von Mahawasant,

Das ist sein weißer Elefant.

Als Wohnung für diesen erhabenen Gast

Ließ bauen der König den schönsten Palast;

Es wird das Dach, mit Goldblech beschlagen,

Von lotosknäufigen Säulen getragen.

Am Tore stehen dreihundert Trabanten

Als Ehrenwache des Elefanten,

Und kniend, mit gekrümmtem Rucken,

Bedienen ihn hundert schwarze Eunucken.

Man bringt auf einer güldnen Schüssel

Die leckersten Bissen für seinen Rüssel;

Er schlürft aus silbernen Eimern den Wein,

Gewürzt mit den süßesten Spezerein.

Man salbt ihn mir Ambra und Rosenessenzen,

Man schmückt sein Haupt mit Blumenkränzen;

Als Fußdecke dienen dem edlen Tier

Die kostbarsten Schals aus Kaschimir.

Das glücklichste Leben ist ihm beschieden,

Doch niemand auf Erden ist zufrieden.

Das edle Tier, man weiß nicht wie,

Versinkt in tiefe Melancholie.

Der weiße Melancholikus

Steht traurig mitten im Überfluss.

Man will ihn ermuntern, man will ihn erheitern,

Jedoch die klügsten Versuche scheitern.

Vergebens kommen mit Springen und Singen

Die Bajaderen; vergebens erklingen

Die Zinken und Pauken der Musikanten,

Doch nichts erlustigt den Elefanten.

Da täglich sich der Zustand verschlimmert,

Wird Mahawasantes Herz bekümmert;

Er lässt vor seines Thrones Stufen

Den klügsten Astrologen rufen.

»Sterngucker, ich lass dir das Haupt abschlagen«,

Herrscht er ihn an, »kannst du mir nicht sagen,

Was meinem Elefanten fehle,

Warum so verdüstert seine Seele?«

Doch jener wirft sich dreimal zur Erde,

Und endlich spricht er mit ernster Gebärde:

»O König, ich will dir die Wahrheit verkünden,

Du kannst dann handeln nach Gutbefinden.

Es lebt im Norden ein schönes Weib

Von hohem Wuchs und weißem Leib,

Dein Elefant ist herrlich, unleugbar,

Doch ist er nicht mit ihr vergleichbar.

Mit ihr verglichen, erscheint er nur

Ein weißes Mäuschen. Es mahnt die Statur

An Bimha, die Riesin, im >Ramayana<,

Und an der Epheser große Diana.

Wie sich die Gliedermassen wölben

Zum schönsten Bau! Es tragen dieselben

Anmutig und stolz zwei hohe Pilaster

Von blendend weißem Alabaster.

Das ist Gott Amors kolossale

Domkirche, der Liebe Kathedrale;

Als Lampe brennt im Tabernakel

Ein Herz, das ohne Falsch und Makel.

Die Dichter jagen vergebens nach Bildern,

Um ihre weiße Haut zu schildern;

Selbst Gautier ist dessen nicht kapabel –

O diese Weiße ist implacable!

Des Himalaja Gipfelschnee

Erscheint aschgrau in ihrer Näh';

Die Lilie die ihre Hand erfasst,

Vergilbt durch Eifersucht oder Kontrast.

Gräfin Bianka ist der Name

Von dieser großen weißen Dame;

Sie wohnt zu Paris im Frankenland,

Und diese liebt der Elefant.

Durch wunderbare Wahlverwandtschaft

Im Traume machte er ihre Bekanntschaft,

Und träumend in sein Herze stahl

Sich dieses hohe Ideal.

Sehnsucht verzehrt ihn seit jener Stund',

Und er, der vormals so froh und gesund,

Er ist ein vierfüßiger Werther geworden,

Und träumt von einer Lotte im Norden.

Geheimnisvolle Sympathie!

Er sah sie nie und denkt an sie.

Er trampelt oft im Mondschein umher

Und seufzet: >Wenn ich ein Vöglein wär!<

In Siam ist nur der Leib, die Gedanken

Sind bei Bianka im Lande der Franken;

Doch diese Trennung von Leib und Seele

Schwächt sehr den Magen, vertrocknet die Kehle.

Die leckersten Braten widern ihn an,

Er liebt nur Dampfnudeln und Ossian;

Er hüstelt schon, er magert ab,

Die Sehnsucht schaufelt sein frühes Grab.

Willst du ihn retten, erhalten sein Leben,

Der Säugetierwelt ihn wiedergeben,

O König, so schicke den hohen Kranken

Direkt nach Paris, der Hauptstadt der Franken.

Wenn ihn alldort in der Wirklichkeit

Der Anblick der schönen Frau erfreut,

Die seiner Träume Urbild gewesen,

Dann wird er von seinem Trübsinn genesen.

Wo seiner Schönen Augen strahlen,

Da schwinden seiner Seele Qualen;

Ihr Lächeln verscheucht die letzten Schatten,

Die hier sich eingenistet hatten;

Und ihre Stimme, wie 'n Zauberlied,

Löst sie den Zwiespalt in seinem Gemüt;

Froh hebt er wieder die Lappen der Ohren,

Er fühlt sich verjüngt, wie neugeboren.

Es lebt sich so lieblich, es lebt sich so süß

Am Seinestrand, in der Stadt Paris!

Wie wird sich dorten zivilisieren

Dein Elefant und amüsieren!

Vor allem aber, o König, lasse

Ihm reichlich füllen die Reisekasse,

Und gib ihm einen Kreditbrief mit

Auf Rothschild frères in der Rue Lafitte.

Ja, einen Kreditbrief von einer Million

Dukaten etwa; – der Herr Baron

Von Rothschild sagt von ihm alsdann:

>Der Elefant ist ein braver Mann!<«

So sprach der Astrolog, und wieder

Warf er sich dreimal zur Erde nieder.

Der König entließ ihn mit reichen Geschenken,

Und streckte sich aus, um nachzudenken.

Er dachte hin, er dachte her;

Das Denken wird den Königen schwer.

Sein Affe sich zu ihm niedersetzt,

Und beide schlafen ein zuletzt.

Was er beschlossen, das kann ich erzählen

Erst später; die indischen Mall'posten fehlen.

Die letzte, welche uns zugekommen,

Die hat den Weg über Suez genommen.

Schelm von Bergen

Im Schloss zu Düsseldorf am Rhein

Wird Mummenschanz gehalten;

Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik,

Da tanzen die bunten Gestalten.

Da tanzt die schöne Herzogin,

Sie lacht laut auf beständig;

Ihr Tänzer ist ein schlanker Fant,

Gar höfisch und behändig.

Er trägt eine Maske von schwarzem Samt,

Daraus gar freudig blicket

Ein Auge, wie ein blanker Dolch,

Halb aus der Scheide gezücket.

Es jubelt die Fastnachtsgeckenschar,

Wenn jene vorüberwalzen.

Der Drickes und die Marizzebill

Grüßen mit Schnarren und Schnalzen.

Und die Trompeten schmettern drein,

Der närrische Brummbass brummet,

Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt

Und die Musik verstummet.

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Ich muss nach Hause gehen –«

Die Herzogin lacht: »Ich lass dich nicht fort,

Bevor ich dein Antlitz gesehen.«

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Mein Anblick bringt Schrecken und Grauen –«

Die Herzogin lacht: »Ich fürchte mich nicht,

Ich will dein Antlitz schauen.«

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Der Nacht und dem Tode gehör ich –«

Die Herzogin lacht: »Ich lasse dich nicht,

Dein Antlitz zu schauen begehr ich.«

Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort,

Das Weib nicht zähmen kunnt er;

Sie riss zuletzt ihm mit Gewalt

Die Maske vom Antlitz herunter.

»Das ist der Scharfrichter von Bergen!« so schreit

Entsetzt die Menge im Saale

Und weichet scheusam – die Herzogin

Stürzt fort zu ihrem Gemahle.

Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach

Der Gattin auf der Stelle.

Er zog sein blankes Schwert und sprach:

»Knie vor mir nieder, Geselle!

Mit diesem Schwertschlag mach ich dich

Jetzt ehrlich und ritterzünftig,

Und weil du ein Schelm, so nenne dich

Herr Schelm von Bergen künftig.«

So ward der Henker ein Edelmann

Und Ahnherr der Schelme von Bergen.

Ein stolzes Geschlecht! es blühte am Rhein.

Jetzt schläft es in steinernen Särgen.

Walküren

Unten Schlacht. Doch oben schossen

Durch die Luft auf Wolkenrossen

Drei Walküren, und es klang

Schilderklirrend ihr Gesang:

»Fürsten hadern, Völker streiten,

Jeder will die Macht erbeuten;

Herrschaft ist das höchste Gut,

Höchste Tugend ist der Mut.

Heisa! vor dem Tod beschützen

Keine stolzen Eisenmützen,

Und das Heldenblut zerrinnt

Und der schlechtre Mann gewinnt.

Lorbeerkränze, Siegesbogen!

Morgen kommt er eingezogen,

Der den Bessern überwand

Und gewonnen Leut' und Land.

Bürgermeister und Senator

Holen ein den Triumphator,

Tragen ihm die Schlüssel vor,

Und der Zug geht durch das Tor.

Hei! da böllert's von den Wällen,

Zinken und Trompeten gellen,

Glockenklang erfüllt die Luft,

Und der Pöbel >Vivat!< ruft.

Lächelnd stehen auf Balkonen

Schöne Fraun, und Blumenkronen

Werfen sie dem Sieger zu.

Dieser grüßt mit stolzer Ruh'.«

Schlachtfeld bei Hastings

Der Abt von Waltham seufzte tief,

Als er die Kunde vernommen,

Dass König Harold elendiglich

Bei Hastings umgekommen.

Zwei Mönche, Asgod und Ailrik genannt,

Die schickt' er aus als Boten,

Sie sollten suchen die Leiche Harolds

Bei Hastings unter den Toten.

Die Mönche gingen traurig fort

Und kehrten traurig zurücke:

»Hochwürdiger Vater, die Welt ist uns gram,

Wir sind verlassen vom Glücke.

Gefallen ist der bessre Mann,

Es siegte der Bankert, der schlechte,

Gewappnete Diebe verteilen das Land

Und machen den Freiling zum Knechte.

Der lausigste Lump aus der Normandie

Wird Lord auf der Insel der Briten;

Ich sah einen Schneider aus Bayeux, er kam

Mit goldnen Sporen geritten.

Weh dem, der jetzt ein Sachse ist!

Ihr Sachsenheilige droben

Im Himmelreich, nehmt euch in acht,

Ihr seid der Schmach nicht enthoben.

Jetzt wissen wir, was bedeutet hat

Der große Komet, der heuer

Blutrot am nächtlichen Himmel ritt

Auf einem Besen von Feuer.

Bei Hastings in Erfüllung ging

Des Unsterns böses Zeichen,

Wir waren auf dem Schlachtfeld dort

Und suchten unter den Leichen.

Wir suchten hin, wir suchten her,

Bis alle Hoffnung verschwunden –

Den Leichnam des toten Königs Harold,

Wir haben ihn nicht gefunden.«

Asgod und Ailrik sprachen also;

Der Abt rang jammernd die Hände,

Versank in tiefe Nachdenklichkeit

Und sprach mit Seufzen am Ende:

»Zu Grendelfield am Bardenstein,

Just in des Waldes Mitte,

Da wohnet Edith Schwanenhals

In einer dürft'gen Hütte.

Man hieß sie Edith Schwanenhals,

Weil wie der Hals der Schwäne

Ihr Nacken war; der König Harold,

Er liebte die junge Schöne.

Er hat sie geliebt, geküsst und geherzt,

Und endlich verlassen, vergessen.

Die Zeit verfließt; wohl sechzehn Jahr'

Verflossen unterdessen.

Begebt euch, Brüder, zu diesem Weib

Und lasst sie mit euch gehen

Zurück nach Hastings, der Blick des Weibs

Wird dort den König erspähen.

Nach Waltham-Abtei hierher alsdann

Sollt ihr die Leiche bringen,

Damit wir christlich bestatten den Leib

Und für die Seele singen.«

Um Mitternacht gelangten schon

Die Boten zur Hütte im Walde:

»Erwache, Edith Schwanenhals,

Und folge uns alsbalde.

Der Herzog der Normannen hat

Den Sieg davongetragen,

Und auf dem Feld bei Hastings liegt

Der König Harold erschlagen.

Komm mit nach Hastings, wir suchen dort

Den Leichnam unter den Toten,

Und bringen ihn nach Waltham-Abtei,

Wie uns der Abt geboten.«

Kein Wort sprach Edith Schwanenhals,

Sie schürzte sich geschwinde

Und folgte den Mönchen; ihr greisendes Haar,

Das flatterte wild im Winde.

Es folgte barfuß das arme Weib

Durch Sümpfe und Baumgestrüppe.

Bei Tagesanbruch gewahrten sie schon

Zu Hastings die kreidige Klippe.

Der Nebel, der das Schlachtfeld bedeckt

Als wie ein weißes Leilich,

Zerfloss allmählich; es flatterten auf

Die Dohlen und krächzten abscheulich.

Viel tausend Leichen lagen dort

Erbärmlich auf blutiger Erde,

Nackt ausgeplündert, verstümmelt, zerfleischt,

Daneben die Äser der Pferde.

Es wadete Edith Schwanenhals

Im Blute mit nackten Füßen;

Wie Pfeile aus ihrem stieren Aug'

Die forschenden Blicke schießen.

Sie suchte hin, sie suchte her,

Oft musste sie mühsam verscheuchen

Die fraßbegierige Rabenschar;

Die Mönche hinter ihr keuchen.

Sie suchte schon den ganzen Tag,

Es ward schon Abend – plötzlich

Bricht aus der Brust des armen Weibs

Ein geller Schrei, entsetzlich.

Gefunden hat Edith Schwanenhals

Des toten Königs Leiche.

Sie sprach kein Wort, sie weinte nicht,

Sie küsste das Antlitz, das bleiche.

Sie küsste die Stirne, sie küsste den Mund,

Sie hielt ihn fest umschlossen;

Sie küsste auf des Königs Brust

Die Wunde blutumflossen.

Auf seiner Schulter erblickt sie auch –

Und sie bedeckt sie mit Küssen –

Drei kleine Narben, Denkmäler der Lust,

Die sie einst hineingebissen.

Die Mönche konnten mittlerweil

Baumstämme zusammenfugen;

Das war die Bahre, worauf sie alsdann

Den toten König trugen.

Sie trugen ihn nach Waltham-Abtei,

Dass man ihn dort begrübe;

Es folgte Edith Schwanenhals

Der Leiche ihrer Liebe.

Sie sang die Totenlitanei'n

In kindisch frommer Weise;

Das klang so schauerlich in der Nacht –

Die Mönche beteten leise. –

Karl I.

Im Wald, in der Köhlerhütte, sitzt

Trübsinnig allein der König;

Er sitzt an der Wiege des Köhlerkinds

Und wiegt und singt eintönig:

»Eiapopeia, was raschelt im Stroh?

Es blöken im Stalle die Schafe –

Du trägst das Zeichen an der Stirn

Und lächelst so furchtbar im Schlafe.

Eiapopeia, das Kätzchen ist tot –

Du trägst auf der Stirne das Zeichen –

Du wirst ein Mann und schwingst das Beil,

Schon zittern im Walde die Eichen.

Der alte Köhlerglaube verschwand,

Es glauben die Köhlerkinder –

Eiapopeia – nicht mehr an Gott,

Und an den König noch minder.

Das Kätzchen ist tot, die Mäuschen sind froh

Wir müssen zuschanden werden –

Eiapopeia – im Himmel der Gott

Und ich, der König auf Erden.

Mein Mut erlischt, mein Herz ist krank,

Und täglich wird es kränker –

Eiapopeia – du Köhlerkind,

Ich weiß es, du bist mein Henker.

Mein Todesgesang ist dein Wiegenlied –

Eiapopeia – die greisen

Haarlocken schneidest du ab zuvor –

Im Nacken klirrt mir das Eisen.

Eiapopeia, was raschelt im Stroh?

Du hast das Reich erworben,

Und schlägst mir das Haupt vom Rumpf herab –

Das Kätzchen ist gestorben.

Eiapopeia, was raschelt im Stroh?

Es blöken im Stalle die Schafe.

Das Kätzchen ist tot, die Mäuschen sind froh –

Schlafe, mein Henkerchen, schlafe!«

Maria Antoinette

Wie heiter im Tuilerienschloss

Blinken die Spiegelfenster,

Und dennoch dort am hellen Tag

Gehn um die alten Gespenster.

Es spukt im Pavillon de Flor'

Maria Antoinette;

Sie hält dort morgens ihr Lever

Mit strenger Etikette.

Geputzte Hofdamen. Die meisten stehn,

Auf Taburetts andre sitzen;

Die Kleider von Atlas und Goldbrokat,

Behängt mit Juwelen und Spitzen.

Die Taille ist schmal, der Reifrock bauscht,

Darunter lauschen die netten

Hochhackigen Füßchen so klug hervor –

Ach, wenn sie nur Köpfe hätten!

Sie haben alle keinen Kopf,

Der Königin selbst manquieret

Der Kopf, und Ihro Majestät

Ist deshalb nicht frisieret.

Ja, sie, die mit turmhohem Toupet

So stolz sich konnte gebaren,

Die Tochter Maria Theresias,

Die Enkelin deutscher Cäsaren,

Sie muss jetzt spuken ohne Frisur

Und ohne Kopf, im Kreise

Von unfrisierten Edelfraun,

Die kopflos gleicherweise.

Das sind die Folgen der Revolution

Und ihrer fatalen Doktrine;

An allem ist schuld Jean Jacques Rousseau,

Voltaire und die Guillotine.

Doch sonderbar! es dünkt mich schier,

Als hätten die armen Geschöpfe

Gar nicht bemerkt, wie tot sie sind

Und dass sie verloren die Köpfe.

Ein leeres Gespreize, ganz wie sonst,

Ein abgeschmacktes Scherwenzen –

Possierlich sind und schauderhaft

Die kopflosen Reverenzen.

Es knickst die erste Dame d'atour

Und bringt ein Hemd von Linnen;

Die zweite reicht es der Königin,

Und beide knicksen von hinnen.

Die dritte Dam' und die vierte Dam'

Knicksen und niederknien

Vor Ihrer Majestät, um Ihr

Die Strümpfe anzuziehen.

Ein Ehrenfräulein kommt und knickst

Und bringt das Morgenjäckchen;

Ein andres Fräulein knickst und bringt

Der Königin Unterröckchen.

Die Oberhofmeisterin steht dabei,

Sie fächert die Brust, die weiße,

Und in Ermanglung eines Kopfs

Lächelt sie mit dem Steiße.

Wohl durch die verhängten Fenster wirft

Die Sonne neugierige Blicke,

Doch wie sie gewahrt den alten Spuk,

Prallt sie erschrocken zurücke.

Pomare

1.

Alle Liebesgötter jauchzen

Mir im Herzen, und Fanfare

Blasen sie und rufen: »Heil!

Heil, der Königin Pomare!«

Jene nicht von Otahaiti –

Missionärisiert ist jene –

Die ich meine, die ist wild,

Eine ungezähmte Schöne.

Zweimal in der Woche zeigt sie

Öffentlich sich ihrem Volke

In dem Garten Mabill, tanzt

Dort den Cancan, auch die Polke.

Majestät in jedem Schritte,

Jede Beugung Huld und Gnade,

Eine Fürstin jeder Zoll

Von der Hüfte bis zur Wade –

Also tanzt sie – und es blasen

Liebesgötter die Fanfare

Mir im Herzen, rufen: »Heil!

Heil der Königin Pomare!«

2.

Sie tanzt. Wie sie das Leibchen wiegt!

Wie jedes Glied sich zierlich biegt!

Das ist ein Flattern und ein Schwingen,

Um wahrlich aus der Haut zu springen.

Sie tanzt. Wenn sie sich wirbelnd dreht

Auf einem Fuß, und stillesteht

Am End' mit ausgestreckten Armen.

Mag Gott sich meiner Vernunft erbarmen!

Sie tanzt. Derselbe Tanz ist das,

Den einst die Tochter Herodias'

Getanzt vor dem Judenkönig Herodes.

Ihr Auge sprüht wie Blitze des Todes.

Sie tanzt mich rasend – ich werde toll –

Sprich, Weib, was ich dir schenken soll?

Du lächelst? Heda! Trabanten! Läufer!

Man schlage ab das Haupt dem Täufer!

3.

Gestern noch fürs liebe Brot

Wälzte sie sich tief im Kot,

Aber heute schon mit vieren

Fährt das stolze Weib spazieren.

In die seidnen Kissen drückt

Sie das Lockenhaupt, und blickt

Vornehm auf den großen Haufen

Derer, die zu Fuße laufen.

Wenn ich dich so fahren seh,

Tut es mir im Herzen weh!

Ach, es wird dich dieser Wagen

Nach dem Hospitale tragen,

Wo der grausenhafte Tod

Endlich endigt deine Not,

Und der Carabin mit schmierig

Plumper Hand und lernbegierig

Deinen schönen Leib zerfetzt,

Anatomisch ihn zersetzt –

Deine Rosse trifft nicht minder

Einst zu Montfaucon der Schinder.

4.

Besser hat es sich gewendet,

Das Geschick, das dich bedroht' –

Gott sei Dank, du hast geendet,

Gott sei Dank, und du bist tot.

In der Dachstub' deiner armen

Alten Mutter starbest du,

Und sie schloss dir mit Erbarmen

Deine schönen Augen zu.

Kaufte dir ein gutes Leilich,

Einen Sarg, ein Grab sogar.

Die Begräbnisfeier freilich

Etwas kahl und ärmlich war.

Keinen Pfaffen hört' man singen,

Keine Glocke klagte schwer;

Hinter deiner Bahre gingen

Nur dein Hund und dein Friseur.

»Ach, ich habe der Pomare«,

Seufzte dieser, »oft gekämmt

Ihre langen schwarzen Haare,

Wenn sie vor mir saß im Hemd.«

Was den Hund betrifft, so rannt er

Schon am Kirchhofstor davon,

Und ein Unterkommen fand er

Späterhin bei Ros' Pompon,

Ros' Pompon, der Provenzalin,

Die den Namen Königin

Dir missgönnt und als Rivalin

Dich verklatscht mit niederm Sinn.

Arme Königin des Spottes,

Mit dem Diadem von Kot,

Bist gerettet jetzt durch Gottes

Ew'ge Güte, du bist tot.

Wie die Mutter, so der Vater

Hat Barmherzigkeit geübt,

Und ich glaube, dieses tat er,

Weil auch du soviel geliebt.

Der Apollogott

1.

Das Kloster ist hoch auf Felsen gebaut,

Der Rhein vorüberrauschet;

Wohl durch das Gitterfenster schaut

Die junge Nonne und lauschet.

Da fährt ein Schifflein, märchenhaft

Vom Abendrot beglänzet;

Es ist bewimpelt von buntem Taft,

Von Lorbeern und Blumen bekränzet.

Ein schöner blondgelockter Fant

Steht in des Schiffes Mitte;

Sein goldgesticktes Purpurgewand

Ist von antikem Schnitte.

Zu seinen Füßen liegen da

Neun marmorschöne Weiber;

Die hochgeschürzte Tunika

Umschließt die schlanken Leiber.

Der Goldgelockte lieblich singt

Und spielt dazu die Leier;

Ins Herz der armen Nonne dringt

Das Lied und brennt wie Feuer.

Sie schlägt ein Kreuz, und noch einmal

Schlägt sie ein Kreuz, die Nonne;

Nicht scheucht das Kreuz die süße Qual,

Nicht bannt es die bittre Wonne.

2.

»Ich bin der Gott der Musika,

Verehrt in allen Landen;

Mein Tempel hat in Gräcia

Auf Mont-Parnaß gestanden.

Auf Mont-Parnaß in Gräcia,

Da hab ich oft gesessen

Am holden Quell Kastalia,

Im Schatten der Zypressen.

Vokalisierend saßen da

Um mich herum die Töchter,

Das sang und klang la-la, la-la!

Geplauder und Gelächter.

Mitunter rief tra-ra, tra-ra!

Ein Waldhorn aus dem Holze;

Dort jagte Artemisia,

Mein Schwesterlein, die Stolze.

Ich weiß es nicht, wie mir geschah:

Ich brauchte nur zu nippen

Vom Wasser der Kastalia,

Da tönten meine Lippen.

Ich sang – und wie von selbst beinah

Die Leier klang, berauschend;

Mir war, als ob ich Daphne sah,

Aus Lorbeerbüschen lauschend.

Ich sang – und wie Ambrosia

Wohlrüche sich ergossen,

Es war von einer Gloria

Die ganze Welt umflossen.

Wohl tausend Jahr' aus Gräcia

Bin ich verbannt, vertrieben –

Doch ist mein Herz in Gräcia,

In Gräcia geblieben.«

3.

In der Tracht der Beguinen,

In dem Mantel mit der Kappe

Von der gr?bsten schwarzen Serge,

Ist vermummt die junge Nonne.

Hastig l?ngs des Rheines Ufern

Schreitet sie hinab die Landstra?',

Die nach Holland f?hrt, und hastig

Fragt sie jeden, der vorbeikommt:

?Habt Ihr nicht gesehn Apollo?

Einen roten Mantel tr?gt er,

Lieblich singt er, spielt die Leier,

Und er ist mein holder Abgott.?

Keiner will ihr Rede stehen,

Mancher dreht ihr stumm den R?cken,

Mancher glotzt sie an und l?chelt,

Mancher seufzet: ?Armes Kind!?

Doch des Wegs herangetrottelt

Kommt ein schlottrig alter Mensch,

Fingert in der Luft, wie rechnend,

N?selnd singt er vor sich hin.

Einen schlappen Quersack tr?gt er,

Auch ein klein dreieckig H?tchen;

Und mit schmunzelnd klugen ?uglein

H?rt er an den Spruch der Nonne:

?Habt Ihr nicht gesehn Apollo?

Einen roten Mantel tr?gt er,

Lieblich singt er, spielt die Leier,

Und er ist mein holder Abgott.?

Jener aber gab zur Antwort,

W?hrend er sein K?pfchen wiegte

Hin und her, und gar possierlich

Zupfte an dem spitzen B?rtchen:

?Ob ich ihn gesehen habe?

Ja, ich habe ihn gesehen

Oft genug zu Amsterdam,

In der deutschen Synagoge.

Denn er war Vors?nger dorten,

Und da hie? er Rabbi Faibisch,

Was auf Hochdeutsch hei?e Apollo ?

Doch mein Abgott ist er nicht.

Roter Mantel? Auch den roten

Mantel kenn ich. Echter Scharlach,

Kostet acht Florin die Elle,

Und ist noch nicht ganz bezahlt.

Seinen Vater Moses Jitscher

Kenn ich gut. Vorhautabschneider

Ist er bei den Portugiesen.

Er beschnitt auch Souver?ne.

Seine Mutter ist Cousine

Meines Schwagers, und sie handelt

Auf der Gracht mit sauern Gurken

Und mit abgelebten Hosen.

Haben kein Pl?sier am Sohne.

Dieser spielt sehr gut die Leier,

Aber leider noch viel besser

Spielt er oft Tarock und L'hombre.

Auch ein Freigeist ist er, a?

Schweinefleisch, verlor sein Amt,

Und er zog herum im Lande

Mit geschminkten Kom?dianten.

In den Buden, auf den M?rkten,

Spielte er den Pickelhering,

Holofernes, K?nig David,

Diesen mit dem besten Beifall.

Denn des K?nigs eigne Lieder

Sang er in des K?nigs eigner

Muttersprache, tremulierend

In des Nigens alter Weise.

Aus dem Amsterdamer Spielhuis

Zog er j?ngst etwelche Dirnen,

Und mit diesen Musen zieht er

Jetzt herum als ein Apollo.

Eine dicke ist darunter,

Die vorz?glich quiekt und gr?nzelt;

Ob dem gro?en Lorbeerkopfputz

Nennt man sie die gr?ne Sau.?

Kleines Volk

In einem Pisspott kam er geschwommen,

Hochzeitlich geputzt, hinab den Rhein.

Und als er nach Rotterdam gekommen,

Da sprach er: ?Juffr?uken, willst du mich frein?

Ich f?hre dich, geliebte Sch?ne,

Nach meinem Schloss, ins Brautgemach;

Die W?nde sind eitel Hobelsp?ne,

Aus H?ckerling besteht das Dach.

Da ist es so puppenniedlich und nette,

Da lebst du wie eine K?nigin!

Die Schale der Walnuss ist unser Bette,

Von Spinnweb sind die Laken drin.

Ameiseneier, gebraten in Butter,

Essen wir t?glich, auch W?rmchengem?s',

Und sp?ter erb ich von meiner Frau Mutter

Drei Nonnenf?rzchen, die schmecken so s??.

Ich habe Speck, ich habe Schwarten,

Ich habe Fingerh?te voll Wein,

Auch w?chst eine R?be in meinem Garten,

Du wirst wahrhaftig gl?cklich sein!?

Das war ein Locken und ein Werben!

Wohl seufzte die Braut: ?Ach Gott! ach Gott!?

Sie war wehm?tig, wie zum Sterben ?

Doch endlich stieg sie hinab in den Pott.

Sind Christenleute oder M?use

Die Helden des Lieds? Ich wei? es nicht mehr.

Im Beverland h?rt ich die schnurrige Weise,

Es sind nun drei?ig Jahre her.