Herbstgeflüster - Peter Reuter - E-Book

Herbstgeflüster E-Book

Peter Reuter

4,7

Beschreibung

Herbstgeflüster ist ein vergnüglicher, jedoch auch kritischer Austausch zwischen zwei befreundeten Schriftstellern, die im Herbst ihrer Jahre stehen. Mit unterschiedlich kulturellem Hintergrund, Peter Reuter ist Deutscher, Barbara Naziri ist Deutsch-Iranerin mit jüdischen Wurzeln, begegnen sie einander in ihren Gedichten und Kurzgeschichten, wie auch in einem Briefwechsel. ‘Ende Herbst zählt man die Küken‘, lautet ein persisches Sprichwort. So ist auch dieses Buch eine Spätlese wie ein guter alter Wein. In einem sprühenden Schlagabtausch, die unterschiedliche Mentalität ihrer Herkunftsländer auf die Schippe nehmend, pieksen die Autoren mal schmerzhaft, mal humorvoll mitten in ein Problem, das, wenn man es genauer betrachtet, ein gemeinsames ist. Ihr Weg führt sie dabei auf einer satirischen Hängebrücke über Abgründe menschlichen Seins bis hin zu der Erkenntnis, dass der Mensch trotz seiner Defizite durchaus liebenswert ist. Unbeirrt suchen beide Autoren nach Wegen, was sie und ihre Kulturen miteinander verbindet.

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Inhalt

Prolog zum „Herbstgeflüster“

Zur Politik

Peter: Die Sache mit der Revolution

Bary: Zungenbrand

Dichterisches Politikgeflüster

Bewegte Zeiten, Gedankensplitter

Der Internationale Holocaustgedenktag

Furcht

Peter Reuter: Das Recht, anders zu denken,

Nachtgedanken

Nein, zu dieser Samstagsdemo gehe ich nicht

V-Frau, V-Frau trallallalla

Der Tag, an welchem mir die Politik erklärte,

Die Angela, ihre Rede zum Euro,

Die Sache mit dem Decknamen und so

Die Sache mit dem Klimawandel

Die Geschichte vom Nadelöhr, und so

Kamelereien

Die Geschichte vom Rat der Könige,

„Ein Bustan“ – die Quelle im Garten

Barbara Naziri – Bauchgefühle

Herbstgeflüster

Märchenstunde

Ost-Westlicher Räuberdiwan

Yes, we can

Friedensnobelpreis

Die Kinder von Armenien

Esther

Märtyrica ist eröffnet

FIFA Salam aleikum!

Gedanken um die Heimat

Bary: Ist Heimat überhaupt ein Ort?

Das TOR zur WELT

Peter: Die Zukunft ist die Heimat der Hoffenden

Die Sache mit dem Liebfrauenberg

Liebfrauenberg

Das Finanzamt und ich

Heute am Rhein

Feng Shui im Pfälzer Büro,

Tannenbaum und Terrorkampf

Bary: Wie eine Schnittblume in der Vase

Der Weg nach Teheran

Duft der Heimat

Ein Augenblick der Wahrheit

Kindersoldaten

Hafez zum Gedenken

Iranischer Frühling

Iranischer Frühling II

Heimaterde

Die Mutter aller Mütter – Vergebung

Mutter im Iran

Der Abschiedsbrief

Verbrechen gegen Gott

Scheidung auf Persisch

Sei gegrüßt, schöne Katze des Morgenlandes!

Ta‘arof

Wilde Rosen

Das Leben

Bary: Verbindungen sind wichtig

Die 1 Menschenrechtscharta der Welt

Peter: Der Menschen wegen

Dichterisches Tandemgeflüster

Die Besucher

Demokratiegedicht 18

Marionettentheater

Die Trauer

Am Straßenrand

Die Freundin

Aschetränen

Schlange beim Philosophieren

Was war zuerst da?

Momentaufnahme 10

Götter mit kleinen Fehlern

Der Vorsatz

Freizügigkeit

Hirnlos

Schöne Aussichten

Die Wetterlage

Dichterin

Peter: Ich pfeife auf das Logo

Ein Logo für die Menschenrechte

„Die internationalen Tage,

Nein, ich lasse mich nicht mehr diskriminieren

Die Antwort, welche meine Diskriminierung für ewige Zeiten einmauert

Willkür oder Unterschlagung?

Das Glück des Schreibers

Friedrich Merkel und Angela Nietzsche

Mit dem Geheimen – auf Du und Du

Wenn der Schneemann leise rieselt

Kirchensponsoring und so

Neulich im Supermarkt

Alles klar

Schreiberleben –

Bary: Mensch gehört zur Würde

Menschenwürde ist empfindlich

Fußball-verrückt

Der Appell

Der Brief

Auf dem Teppich bleiben

Kulturelle Nachbarschaften

Das Kreuz mit dem Stern

Multi-Kulti und die dritte Kerze

Döner in Quedlinburg

Falsch verbunden

Was uns trennt

Interview mit der Zeit

Hallo Weihnachtsmann!

Alles über die Liebe

Peter: Es gibt kein Maß

Das Kind

Der Greis

Der Liveticker

Federleicht

Frikadellenblues

Das Ankommen

Die Umarmung

Bahngedanken

Die Erste

Dann sagte er „Ich liebe Dich“

Liebestrunken

Die Freiheit der Vögel

Die Sache mit der Liebe

Der Markt für Menschenliebe

Die Geschichte vom Rührei

Die Liebe des Leguans

SOS – die besten Wünsche

„Die Erinnerung an M und Gedanken zum

Bary: Liebe spricht durch sich selbst

In Dir

Die Münze der Liebe

Kinder

Louan und das Wunderland Bim (1)

Louan entdeckt das Reimen und die Gärten der Toten (2)

Geliebte

Geborgen

Johanna

Café International

Dicke Mädchen haben schöne Namen

Kaktus und Rose

Schafsmagensuppe

Nächtliche Gedanken

Die Kerze

Das Fest der Liebe

Kleine Gute-Nacht-Geschichte

Die Erinnerung an Dich

Die Weisheit des Narren

Die Adresse des Herzens

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein

Ein Briefwechsel zur Sommerneige

Mobile vulgus

Die Sache mit dem Mobbing

Im Hades

Die Antwort auf den Hades

28 EU-nuchen suchen einen Harem

Die Sache mit Brüssel und uns

Glut unter der Asche

Glut wird Feuer

Die Angst vorm Verbrennen

Das Löschen – und wie wir helfen können

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Des Menschen Werk

Wir Menschen

Stolpersteine

Fürbitten

Hände

Vitae

Barbara Naziri:

„Ich bin eine Pflanze mit jiddischen Wurzeln in persischer Erde, Blütenstandort Norddeutschland“

Peter Reuter:

Der Versuch einer Vita

Prolog zum „Herbstgeflüster“….

Dieses Buch fängt mit einem Gebet an:

Gebet der Vereinten Nationen

„Herr, unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung. Gib uns Mut und Voraussicht, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst stolz den Namen Mensch tragen.“

***

Wir haben dieses Gebet der Vereinten Nationen bewusst an den Anfang gestellt, weil es dafür da ist, alle und jeden Menschen anzusprechen, damit es auf dieser Welt endlich besser würde.

Wir, Barbara Naziri und Peter Reuter, lernten uns kennen und schätzen – und wurden Freundin und Freund. Dies war und ist der Grundstock für dieses Buch, welches wir zusammen geschrieben haben. Es müssen nicht viele Worte zu den unterschiedlichen Kulturkreisen gesagt werden, in denen wir aufwuchsen. Zu unterschiedlich waren und sind auch die Erfahrungen mit den Menschen, die uns begegneten, und dem, was Leben heißt. Was uns zu Beginn verband: Wir beide schreiben und veröffentlichen.

Peter: „Barbara ist eine wunderbare Lyrikerin, welche es auf das Schönste schafft, die Gedanken, die Denkweise und die Sprache des ehemaligen und vermissten Heimatlandes in eine deutsche Sprache zu bringen, die mehr als einmal atemlos schön ist.

Die Menschen, der Mensch, die Menschin, die Kinder, sie stehen bei ihr stets und ausdrücklich im Mittelpunkt.“

Barbara: „Peter ist der geborene Satiriker. Er beschäftigt sich aus gutem Grund mit den menschlichen Empfindlichkeiten und hinter dem feinen Humor in seinem Schreibstil verbirgt sich stets ein Augenzwinkern. Seine Sichtweise der Dinge ist meist eine vollkommen unklare und manchmal auch obskure. Er versteht oft anders, als es vom Sender gemeint ist. Und das verheißt Spannung.

Als hoffnungsvoller Melancholiker liebt er die Menschen. Nun gut, nicht alle und nicht alle gleich. Aber als Freund, dessen Herz man durch das Hemd schlagen sieht.“

Es ist ein beiderseitiges Festhalten, ein Umarmen und ein stetes Anrennen gegen alle und so zahlreiche Umstände, welche die Menschlichkeit viel zu oft unmöglich machen. Und weil der Glaube an das Gute nicht gänzlich abhandenkommen darf, deswegen dreht sich dieses Buch absichtlich und meist um die folgenden Begriffe:

Persische Wörter…

Ensaniyat

Ensany

Bakhshandegy

Baradary

Yeganegy

Digarmehri

Azady

Dousty

Mehr

Karamat Ensany

Shahamat

Shukhdely

Deutsche Wörter….

Menschlichkeit

Humanität

Barmherzigkeit

Brüderlichkeit

Einheit (der Menschheit)

Nächstenliebe

Freiheit

Freundschaft

Liebe

Menschenwürde

Zivilcourage

Humor

Dieses Buch erzählt keine zusammenhängende Geschichte, es gibt keine Heldin, keinen Held. Es ist die Aufzeichnung und eine Sammlung von beiderseitigen Texten dessen, was als Dialog zwischen Schreiberin und Schreiber begann – und was zu dem Ihnen vorliegenden Buch wurde.

Gedichte und Kurzgeschichten wechseln einander ab, unterstützen und hinterfragen sich, stellen Grundsatzfragen und geben Antworten.

Was unseren Titel angeht, wir haben dieses Buch im Herbst 2015 zu Ende gebracht. Nach dem vor der Tür stehenden Winter folgt ein neues Frühjahr. Dieses wird erneut und wie immer den Versuch unternehmen und zeigen, wie es sein kann, wenn ein ganzheitliches Aufblühen zugelassen ist. Vielleicht sollten wir Menschen uns daran ein Beispiel nehmen.

Ihnen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, dieses Buch zu lesen und uns eventuell sogar zu verstehen, Ihnen unseren ganz besonderen Dank. Sie ertragen Widersprüchliches und Naives, Glückliches und Trauriges. Satirlichkeiten und andere Schmunzeleien sind ebenfalls vertreten. Wenn Sie nach der Lektüre das Gefühl haben, es habe sich gelohnt und man könne durchaus über einige der Texte nachdenken, und wenn statt der Antworten viele weitere Fragen im Raum stehen, dann haben wir Sie erreicht.

Danke, dass Sie unser Gast sind – und haben Sie es gut.

Ihre Barbara (Bary) NaziriIhr Peter Reuter

Hamburg und Kapellen-Drusweiler, im Herbst 2015.

Zur Politik

Peter: Die Sache mit der Revolution….

Ihr habt, liebe Bary, uns die Erfahrung mit einer siegreichen Revolution voraus. Dies soll über die Konsequenzen und das Ergebnis nichts aussagen, aber faktisch ist es so. Wir haben uns an Revolutionen nur getraut, wenn es dafür eine entsprechende und genehmigte Verwaltungsvorschrift gab und gibt. Gibt es diese nicht, dann hat eine Revolution in Deutschland keine Chance. Halt – nicht ganz, nachfolgend meine Anmerkungen über eine Revolution, welche mir ewig im Gedächtnis bleibt.

Dem Fritz Teufel, und damit uns, auch uns...

Den Fritz Teufel habe ich sehr gemocht. Von ihm kann ich es nicht sagen. Wenn ich recht denke, er hat mich nicht gekannt.

Das macht aber nichts, ich mag ihn trotzdem sehr – sehr.

Jetzt ist er auf der Wolke und braucht sich um die Revolution nicht mehr zu kümmern, gesund ist er auch wieder, schön.

Für ihn und uns, die

Revolution

Der Versuch einer lyrischen Erzählung über mindestens zwei Ideale aus meiner Kindheit und Jugend, nämlich den Beuys Josef und den Teufel Fritz, und einem noch vorhandenen Ideal.

Die Revolution sind wir,

hat einst der Beuys gesagt.

Der Beuys ist tot, schon lange.

Und die Sache mit dem wir,

Revolution und Beuys, und so.

Keine Ahnung, wo sie ist.

Die Revolution ist weg, verschwunden.

Nicht eine Spur, nur einfach weg.

Fast unglaublich, war es Zufall oder nicht,

heute hab ich sie gesehen, sie.

Getroffen würde ich nicht sagen,

auf einem Rummelplatz stand sie,

und sie sah richtig gut aus.

Groß und breit, ganz hell erleuchtet,

ihr Name auf dem Dach in einem

Neonschriftzug „revolution“.

Auf den Seiten, links und rechts,

Lichtfontänen wirbeln gelb und blau,

und auch etwas weiß gehört dazu.

Dazwischen eine steile Treppe.

Nicht allzu viele Stufen, vielleicht zehn,

zur Zukunft und zur „revolution“.

Der Höhepunkt ist schnell erreicht,

„revolution“ eben – ohne ein Gramm Anarchie.

Keine Ahnung, kein Protest,

keine Dividende, nur Euro-Geld.

Recht nur für mich, was sonst.

Anderes Recht kann es nicht geben.

„Revolution“ just for me.

So ist es gut.

Lieber nur Kotzen,

als gefressen werden.

Revolutionäre und auch -innen,

empor geschleudert, dreißig Meter Stahl,

nicht bezahlt mit eigner Überzeugung.

Ohne Glaube, Blut – kein Leben.

Keine Revolution frisst ihre Kinder,

zumindest diese nicht.

„Revolution“ – Fahrtenende.

Innen und äre? kotzen.

Revolution hat Macht, ist meistens mächtig.

Macht keine Macht mehr – „revolution“.

Aufbau, Abbau, Aufbau, Abbau,

zwischendurch Transport – Transport.

November bis zum März ist Ruhe.

„Revolution“ hat dann Pause.

Ganz einfach ist es:

Wintertime – no „revolution“.

Die Revolution, die ich meine,

ich oder sie,

wir sind vor uns davon gelaufen.

Sie hat mich nicht mehr eingeholt.

Weil – ich denke, ich bin stehen geblieben.

Vielleicht wäre es ganz einfach besser,

ein Stück zurück zu gehen, zum Treffpunkt.

Anschließend und zusammen – nach vorn, nach vorn.

Eine Woche später war sie weg,

die „revolution“ mit den Lichtern.

Der Rummelplatz ist wieder leer.

„Revolution“ reichlich war das, eine ganze Woche lang.

Mal sehen, wie es weiter geht,

das mit der anderen, der Revolution.

Wenn ich mich anstrenge, schaff` ich es auch diesmal,

davon zu rennen, der Revolution.

Bary: Zungenbrand

Die Revolution, lieber Peter! Haben wir euch wirklich etwas voraus? Wenn es so ist, gibst Du uns ein Stückchen von unserer verlorenen Würde zurück. REVOLUTION – wie eine Flamme brannte sich dieses Wort auf unserer Zunge. Zwar lautet eine Weisheit aus dem alten Persien: „Wenn Dir ein Wort auf der Zunge brennt, lass es brennen.“ Doch wir ließen nichts anbrennen, sondern stürmten wie die trunkenen Pferde über das Straßenpflaster, um die bösen Geister zu vertreiben. Wir hielten uns an den Händen und wollten nur eines: FREI SEIN… frei von allen Zwängen, uns selber finden, denn wir hatten uns verloren unter einem Pfauenthron und dem feisten Grinsen unserer Besatzer. Und nun? Was hat uns die Revolution 1979 gebracht? 36 lange Tschadorjahre! Es heißt, zu Beginn der Revolution hätten 98°% der Iraner für die Islamische Republik gestimmt … HÄTTEN? Doch wer stimmte für einen selbstgerechten Gottesstaat, der seine Menschen mit Gebeten steinigt und die Freiheit in Ketten legt?

*****

Nach dem Freitagsgebet in Teheran

Der Missklang gebrochener

Versprechen zieht über Zebrastreifen,

auf denen Passanten wie

verlorene Noten dem Knüppel

des Dirigenten erliegen.

Am Straßenrand verbrennt

der Frieden in Mülltonnen,

Parolen schlüpfen durch Mauerritzen,

entmündigte Spatzen bauen

Trauernester auf rissigen Lippen.

Auf dem Platz der Freiheit

hocken schwarze Raben,

und peitschen die Liebenden.

Schreie zerplatzen wie

Wundblasen in der Luft.

Die Samtaugen der Nacht

liebkosen Teherans Dächer und

die Rufe der Standhaften bauen

eine Brücke zur Milchstraße.

„Allah hu akbar!“

Khoda* - wo bist Du???

*persisch: Gott

Inzwischen haben die Kinder der Revolution eine neue Adresse. So höre denn, mein Freund, was sie uns brachte, die Revolution, die ich mit schwarzen Tränen niederschreibe:

Neue Adresse

Wir haben das Wort

Freiheit

mit bloßen Nägeln in

Kalkwände geritzt, bis

die Steine blutige Tränen weinten.

Gedankenkarusselle

kreisen rhythmisch

zum Klang der Peitsche,

verblassen im Moder

verlorener Gebete.

Gitterstäbe wachsen

aus unserer Haut,

die Nacht hat sich mit

Sternen bewaffnet und

der trübe Mond sucht

seinen Kompass.

In der Sackgasse der

Revolution kauern

wir in unseren Zellen

wie verwahrlostes

Federvieh mit Blick

auf den Galgen.

Hoch oben auf

den Zinnen hockt

betend der Drache und

speit die Suren des

Korans auf die Gräber

unserer Kinder.

Verhüllte Offenbarungen

Lange habe ich nichts von Dir gehört, mein lieber Freund. Die Tage blättern an mir vorbei wie das Herbstlaub. So schreibe ich meine Gedichte unter dem Namen Aramesh, was so viel wie Seelenfrieden bedeutet. Seelenfrieden… ich wünschte, er wäre mein und doch bin ich mitunter meilenweit von ihm entfernt. Meine Gedanken sind im Iran bei meinen Schwestern. Nein – um Deine Frage vorwegzunehmen – ich habe keine leibliche Schwester, aber ich fühle mich den Frauen in der alten Heimat tief verbunden.

In Deutschland ist jeder frei, die Kleidung in der Öffentlichkeit zu tragen, die ihm/ihr gefällt. Im Iran wäre das ein unvorstellbares Privileg. Seit uns mit der Revolution die verhüllende Kleiderordnung aufgezwungen wurde, ist es nach außen hin still um die Frauen in Persien geworden. Kaum eine Information dringt in die westliche Welt, es sei denn, eine von uns wird Friedensnobelpreisträgerin oder hingerichtet. Nach der Revolution hüllten die Mullahs das ganze Land in einen schwarzen Tschador und erstickten damit die Freiheit wie auch das gesellschaftliche Leben. Doch wer weiß um die mutigen Frauen, die sich trotz alledem behaupten und sich nicht kampflos ihrem Schicksal ergeben? Ich will Dir etwas von Tahareh erzählen, die unser Frauenbild geprägt hat und unvergessen in den Gedanken jedes freiheitlichen Menschen im Iran bleiben wird. Das Regime ist eifrig darum bestrebt, diese Erinnerungen auszulöschen, obwohl sich diese Geschichte vor circa 170 Jahren ereignete. Aber wir kämpfen tapfer gegen das Vergessen.

Tahareh Ghoratol’ejn – mit bürgerlichem Namen Fatemeh Salih Baraghani – war die erste persische Frau, die ihren Schleier in der Öffentlichkeit – genaugenommen im Jahre 1848 – abwarf und damit zugleich ein Grundstein für die Baha’i-Religion wurde, die mein Herz berührt. Das Leiden und die Verfolgungen der Baha’i in Persien sind wohl den meisten Menschen in Deutschland eher unbekannt. Tahareh brach durch ihr mutiges Auftreten eine tausendjährige Tradition und dies führte zugleich mit den ethischen Grundgedanken der Baha’i das alte Persien in die Moderne. Tahareh war zudem eine gebildete Frau, eine Dichterin und Freiheitskämpferin, ein Vorbild gegen Unterdrückung von Körper und Geist, eine Frauenrechtlerin par excellence. Sie wurde für ihre Tat auf brutalste Weise von dem damaligen persischen Herrscher hingerichtet. Heute gehört sie zu den Frauen, die wir als Engel von Persien bezeichnen und gilt als wichtige Schlüsselfigur im Glauben der Baha’i.

Die orientalische Frau

Mein Schleier schließt sich

wie eine Fessel um meinen Willen.

Ach, entblöße nicht mein Haar, denn

seine Nacktheit ist beleidigend.

Bin ich verdammt, weil ich dort,

wo die Sonne aufgeht, geboren wurde?

Warum sonst hülle ich mich in das Gewand meiner

Trauer und schaue den Schatten beim Wachsen zu?

Auf meiner Stirn steht die Inschrift

meines Leides in Suren geschrieben,

in einer Schrift, verhasst und doch vertraut,

die ich selber nicht verstehen kann.

Wie glanzlos ist die Rose von Schiraz,

wie duftlos die blasse Gol-e Maryam.

Nie werden sie den Wind im Haar verspüren,

nur flügellos am Boden haften.

Noch schwebt die Seele meiner Kindheit

durch die stillen Gartengassen

auf der Suche nach den verlorenen

Gesängen unschuldiger Blumen.

So öffne ich die Ketten und Schlösser

meines Kerkers und halte mein leuchtendes

Herz wie eine Trophäe in die Sonne, damit sie

MICH widerspiegeln kann.

Aus dem Sumpf meiner Gedanken blüht die Erinnerung wie eine dunkle Blume. In einem anderen Leben stand ich dem Kopftuch eher tolerant gegenüber, heute bin ich seine schärfste Gegnerin. Sag, stammt es nicht ursprünglich aus dem Christentum? Im Iran ist es nicht nur Bestandteil der Religion, sondern wurde obendrein zum Politikum. Wenn es der liebe Gott denn so will, dass wir unser Haar verstecken, warum hat er uns dann nicht haarlos ins Leben geschickt? Ein kurzer Gedankenfetzen: Anfang der Revolution…Wie eine Armee schweben wallende Tschadore über den Straßenstaub. Jede Frau wurde weggesperrt, die sich nicht artig verhüllte. Inzwischen hat die iranische Frau eine Mantelmode entworfen, die sich sehen lassen kann. Übrigens gehöre ich zu den Kandidatinnen, die sich immer wieder dagegen auflehnten und Repressalien in Kauf nehmen. So wurde ich bei manchem Aufenthalt des Öfteren von den Tugendwächtern festgenommen, weil ich mich erdreistete, nicht „staatsgerecht“ gekleidet zu sein. Das heißt, ich zeigte zu viel Haar oder kleidete mich gar zu figurbetont. Sie erniedrigen uns, wollen uns weismachen, eine Frau sollte einer Muschel gleichen, in der sich eine Perle verbirgt. Eine Muschel? Wenn es um die Kleiderordnung geht, werde ich zur Nacktschnecke.

Ich habe einen Traum:

Der neue Morgen bringt frischen Wind, der meine Schleier löst. Die Welt beleuchtet den Horizont und ein jedes Volk entscheidet sein Gedeihen selbstbestimmt. Kein Herrscher wird mehr auf dem Thron der Heuchelei sitzen, keine Moschee wird das gesprochene Wort zum Geschäft machen, keine Kirche die Ungläubigen verdammen und Wahrnehmung wird über Unwissenheit siegen.

Der Turban wird zur Schleife einer Geschenkpackung, in der das Wort Liebe sorgfältig aufgehoben ist. Freiheit wird wie eine Quelle durch die Täler sprudeln, die Unterdrücker werden zu Staub und die Welt erlöst vom Aberglauben. Wir werden uns befreien von Täuschung und Verführung und die Arme der Tyrannei werden brechen unter unserem klaren Blick.

Der Teppich der Gerechtigkeit wird über die Welt gebreitet und die Samen der Freundschaft werden zur Einheit wachsen, keine Grenzen werden unseren Schritt mehr hemmen. Mit der Hand auf dem Herzen werden wir einander grüßen, egal ob wir schwarz, weiß, braun oder gelb sind. Liebe kennt keine Farben und doch trägt sie alle in sich vereint.

Dichterisches Politikgeflüster

Demokratiegedicht 1

Logischerweise ist

es das

Recht jeden

Staates seine

Bürger zu

kartätschen und

zu massakrieren

da kann

man überhaupt

nichts machen

schließlich sind

es seine

Bürger seine.

***

(Peter Reuter)

Freiheit, goldener Vogel

Freiheit, goldener Vogel,

man nahm Dich gefangen,

stahl Dir Deine Lieder,

muss nun um Dich bangen.

Ach, ich hör Dein Weinen

hinter Eisengittern,

nichts kann uns mehr einen,

muss nun um Dich zittern.

Freiheit, goldener Vogel,

bist mir treu ergeben,

doch nun kämpfst Du selber

um das Überleben.

Und ich starre müde

auf gebundene Hände,

leis klingt die Etüde,

rundum nackte Wände.

Freiheit, goldener Vogel,

hast gestutzte Schwingen,

Blut befleckt Dein Federkleid,

kannst vom Licht nicht singen.

Schließt sich eine letzte Tür

und der letzte Vorhang fällt,

dann stirbt mit Dir, Freiheit,

unsere schöne Welt.

***

(Aramesh)

Demokratiegedicht 2

Der Minister

hat gesagt

Geld gerade

so zu

drucken geht

nicht das

ist nur

für Banken

reserviert dies

verstehen ausschließlich

Politiker und

Banken sonst

soll es

nicht verstanden

werden sie

wollen das

so haben.

***

(Peter Reuter)

Weggezischt

Manch einer setzt sich Repressalien

bei einem Thema wie Fäkalien,

versprüht flugs Marke Rosenduft

und glaubt, dass er die schlechte Luft,

ruckzuck mit einem Spray wegzischt,

dabei hat er sie nur vermischt.

So ist’s auch mit der Politik,

‘ne Brise überm Missgeschick.

***

(Aramesh)

Demokratiegedicht 3

In dieser

Republik fahre

ich jeden

dem was

Bahn heißt

manchmal klappt

es nicht

richtig gut

die Republik

will täglich

mit uns

Schlitten fahren

das klappt

auch nicht

heute Stellwerkausfall

an die

ihre Politik

und an

die Regierung

dachte ich

die Parallele

ist verblüffend.

***

(Peter Reuter)

Keine Wahl?

Es macht eine greise,

bedrückte Ameise

gezwungener Weise

sich auf die Reise

nach So-und-So

zum Wahlbüro.

Die Gedanken, sie quälen,

wen soll sie nur wählen?

So läuft sie im Kreise,

gerät zwischen Gleise

der Skorpionokratie,

nun packt die Furcht sie.

Man will sie belehren,

die Willkür zu ehren,

droht sie zu verzehren,

sollte sie sich erwehren

im Skorpionen-Staat –

die Knechtschaft ist hart.

Die schwarzen Skorpione

fühlen sich als Ikone

von Ordnung und Recht,

doch sind sie nicht echt,

wollen morden und rauben,

ihre Maske heißt Glauben.

So endet die Reise

der kleinen Ameise.

Sie bleibt auf dem Teppich

und gesund

und läuft sich nicht mehr

die Füße wund.

Ach, könnte ich ihr nur beweisen,

was zählt, ist doch gemeinsam reisen!

Wo viele sind, haben Skorpione,

und andere Räuber und Spione

null Chance, die anderen zu knebeln –

WIR könnten das System aushebeln...

***

(Aramesh)

Demokratiegedicht 4

Sogar geschrieben

steht es

die Würde

die des

Menschen sie

ist unantastbar

trotzdem geht

in diesem

Land die

Würde manchmal

doch verloren

nur selten

wird geholfen

sie zu

suchen gar

zu finden

diese Würde

wird sie

doch gefunden

es hebt

sie keiner

auf weil

sie ist

doch unantastbar

dabei ist

er schön

Artikel „Eins“

leider stimmt

er nicht.

***

(Peter Reuter)

antastbar

Verfolgt, geflüchtet, zuletzt noch gestrandet,

fußlos verwirrte Wege gegangen,

entwurzelt an fremden Ufern gelandet,

im Netz der Gesetze hilflos gefangen.

Nicht einmal die Würde ist ihnen geblieben,

zwischen Akten und Kreuzen aufgerieben.

Wie Nummern werden Fremde gezählt,

ihre Rechte verloren und aufgehoben,

die Bittschriften nach Gutdünken gewählt

und Menschen in Massen abgeschoben,

die niemand hier kannte und kaum jemand schützt,

das Menschenrecht wird nur durch Krücken gestützt.

Asyl heißt Obdach, soll Bleiberecht bleiben,

wie hämisch klingt da: „Voll ist das Boot!“

Die Flüchtlinge scharenweis‘ zu vertreiben,

bedeutet für viele den sicheren Tod.

Sie kamen hierher, weil sie alles verloren,

und sind in der Fremde im Herzen erfroren.

Unser Grundgesetz wurde ausgehebelt,

in dem jeder Mensch Recht auf Würde hat,

das Ausländerrecht hat die Gleichheit geknebelt,

unsere Freiheit wurde zum Feigenblatt.

Bleibt die Einheit der Menschen ein ewiger Traum?

Für Elende bietet die Welt keinen Raum...

***

(Aramesh)

Demokratiegedicht 6

Der Platz

der Verfassung

war nicht

gut bedacht

Recht mit

den Füßen

treten scheint

mir mehr

als schlecht

mittlerweile haben

sie es

ziemlich hoch

gehängt das

Recht und

es ist

jetzt unerreichbar

sie haben

das geplant

überlegt geplant.

(Peter Reuter)

Massenverblödung

Es waren einmal drei Affen,

die waren blind, taub und stumm,

sie griffen nach ihren Waffen

und fuchtelten damit herum.

Die Waffe, das war ihre Feder,

sie schrieben mit doppelten Böden

und zogen damit nur vom Leder,

die Masse noch mehr zu verblöden.

Die Masse, das waren Giraffen,

die sprachen gern, ohne zu denken,

sie hörten nur auf die Affen

und ließen sich blindlings lenken.

Das Volk braucht nur Brot und Spiele,

dann gehorcht es den Affen blind,

die Allmacht ist Ziel aller Ziele,

wenn Bürger unwissend sind.

Was dem folgt, ist Isolierung,

Despoten werden zu Prinzen,

und aus der Globalisierung

entstehen nur kleine Provinzen.

Es jubeln die Lobbyisten,

um die Welt aus den Angeln zu heben,

dazu der Gesang der Faschisten,

die töten gern unwertes Leben.

Schon fahren die Panzer gen Osten,

dort wo die Ressourcen versteckt,

die unsere Wirtschaft viel kosten –

nun ist der Bedarf gut gedeckt.

So ist der Wert des Menschenlebens

durch bare Münze definiert,

und jede Hoffnung bleibt vergebens,

weil es doch überall passiert.

Im Gleichschritt trottet nun die Herde,

ihr fehlt der Wirklichkeitsvergleich,

über die Opfer dieser Erde,

belohnt durch einen Zapfenstreich.

***

(Aramesh)

Demokratiegedicht 8

Wahrhaft es

steht im

meinem Grundgesetz

Eigentum verpflichtet

letztlich ein

Manifest es

stimmt viele

lieben pflegen

Eigentum sie

wollen davon

immer mehr

weil so

steht es

und nicht

anders in

ihrem Grundgesetz

da sind

sie eigen.

***

(Peter Reuter)

Speichelleckerlied

Ich werd‘ euch stets anders scheinen,

anders reden, anders meinen,

bin ganz anders, als ihr denkt,

wenn ihr mir Vertrauen schenkt.

Werd‘ euch nach dem Munde reden,

teile Meinungen mit jedem,

werd‘, wo applaudiert, verweilen,

denn Erfolg lässt sich schwer teilen.

Heuchle gern und mit Behagen,

werd‘ euch loben, doch nicht tragen,

Segel geben allen Winden

und als Führer aller Blinden

mich dem Eigennutz verpflichten –

wenig tun und wenig richten,

was ihr wollt, werd‘ ich versprechen,

dafür manche Lanze brechen.

Frisch im Amte wird mir klar:

zwar sind Versprechen wunderbar,

doch werde ich sie nach Ermessen,

am liebsten alle schnell vergessen.

Und das hat einen festen Grund:

Ich leide an Gedächtnisschwund

So tanz ich brav nach der Musik…

Ein Hoch auf unsere Politik!

***

(Aramesh)

Demokratiegedicht 9

Artikel Zwanzig

Grundgesetz da

steht geschrieben

wir seien

ein Bundesstaat

demokratisch und

sozial auch

die Regierung

glaubt es

nun denn

es ist

so nicht

geht es

um mein

Verständnis davon

hänge mehr

an denen

welche den

Artikel einst

erdachten ein

mehr als

hehres Ziel

Realität wie

ich es

sehe sie

haben ihn

verbraucht diesen

so schönen

wichtigen Artikel

Zwanzig ja

sie haben

es getan

***(Peter Reuter)

Leit-Kultur

Gar manchem ist sie eine Bürde,

die Leitkultur – man spricht von Würde,

wenn so ein Zwerg im Parlament,

sie wieder mal beim Namen nennt

und von der Menschheit Gütern spricht,

sei achtsam, glaub ihm einfach nicht.

Die Leit-Kultur wird schnell zum Leid,

entblätterst Du ihr tristes Kleid,

darunter fehlen ihr die Farben,

denn andere dürfen sie nicht haben.

Sie schaut Dich aufgeblasen an,

erinnert dünkelhaft daran,

dass wohl konträr zu diesem Staat

Joghurt aktive Kulturen hat.

Drum iss den Joghurt und schweig still,

das ist es, was der Staat doch will.

Es lebe hoch die Esskultur!

Ach, einen Makel hat sie nur:

Die Sonne der Kultur steht tief,

und während unsere Mehrheit schlief

und wenige nur Zweifel hatten,

werfen selbst Zwerge lange Schatten.

Die Jahre waren dann verflogen

und eifrig suchten Archäologen

nach der verlorenen Kultur.

Tatsächlich fand sich eine Spur,

im letzten Schrei der Literatur -

und das erstaunt nicht minder:

"Ein Herz für inder!"

Das fehlende "K" kratzte man später

vom Autowrack unserer Väter.

So blieb vom Kulturgeber

immerhin ein Autoaufkleber.

***

(Aramesh)

Demokratiegedicht 10

Im Parlament

zur Abstimmung

der Entwurf

eines Gesetzes

sich Gedanken

machen ist

alsbald verboten

bei Strafe

das versteht

sich doch

die Regierung

will es

so weil

es ist

Zeit für

neue Wege

die Regierung

sagt es.

***(Peter Reuter)

Das System

Es ist nicht dasselbe, wenn zwei Gleiches machen,

weint der Eine, so bringt es den anderen zum Lachen.

Kommunismus, Sozialismus, Herrschen mit Gewalt,

gerecht wird die Botschaft in keiner Gestalt.

Die Marktwirtschaft lässt uns überhaupt keine Wahl,

gefräßig beherrscht von King Kapital,

ausgeschlachtet von Reichen und gierigen Banken,

sie bringen die Demokratie wild ins Wanken.

Kritisiert wird der Papst mitsamt seinen Christen,

bei den Moslems gibt’s Terror auszumisten,

die Palästinenser gilt es zu dämpfen,

weil sie nicht gewaltlos Besatzer bekämpfen.

Riesenauftrieb haben die Rassisten,

das Volk heult auf bei Populisten,

diese schwingen mit Triumphgeheule

die Antisemitismuskeule.

Wer heut ein Jud‘ in diesem Land,

der bleibt am besten unerkannt,

gib niemals an, Du seist Moslem,

dann wird Dein Leben unbequem.

Am besten, Du wirst Atheist,

Du glaubst an nichts – und doch – Du bist…

***

(Aramesh)

Demokratiegedicht 12

Die Regierung

dieser Welt

sie heißt

Goldman Sachs

jeder weiß

es keinen

juckt es

lieber lügen

sie sich

vor sie

hätten eine

Wahl tja

eine Lüge

es ist

eine Lüge

das mit

der Wahl

alternativlos ist

es auch.

***

(Peter Reuter)

Wer wir sind

Wir teilen die Welt in drei Welten,

in der ersten herrscht Überfluss,

wir lassen die Faustregel gelten,

dass der Starke hier herrschen muss.

Blinde Sklaven sind wir von Banken,

von Macht und von Korruption,

unsere Gier kennt keine Schranken

und Konsum heißt unser Lohn.

Wir machen uns gerne zum Affen,

um fremde Despoten zu stützen,

beliefern sie mit scharfen Waffen

und nennen es, ‘Frieden zu schützen‘.

Fern leben die Menschen in Zelten,

verfolgt von den Aggressoren,

hier hört man davon nur sehr selten,

wie viele ihr Leben verloren.

Im Lager herrschen Hunger und Not,

Kinder dürsten mit trockenen Kehlen,

an den Schwellen wartet täglich der Tod

und packt sich die kleinen Seelen.

Dreist machen die Schuldigen Pläne,

die Schwachen noch schwächer zu machen.

‘Wird gehobelt, dann fallen dort Späne! ‘,

hört man sie wiehernd lachen.

Hast Du jemals Erde gegessen,

weil Hunger am Magen Dir nagt?

Wer bist Du? Was macht Dich vermessen?

Warum hast Du nie gefragt?

***(Aramesh)

Demokratiegedicht 13

Zeitzeichen sind

erkannt die

Politik sie

kümmert sich

um uns

die nächsten

Wahlen drohen

gekoppelt mit

der Rente

Versteigerung ist

schon fast

beendet ja

die Rente

keiner gibt

uns mehr

dreiundvierzig Prozent

zum ersten

zweiten dritten

vielleicht ist

Gründung einer

Bank auch

für uns

ein deutlich

guter Weg.

***

(Peter Reuter)

Steuerbraut

Verdienst Du gut, dann wird es teuer,

der Staat verlangt von Dir die Steuer.

Er spricht, wenn man genau hinschaut,

von ihr als seine Steuerbraut.

Doch das ist Augenwischerei,

denn dieser Braut ist's einerlei,

ob man sie herzt oder sie liebt,

wenn man nur Scheine rüberschiebt.

Das Geld zählt nur, das pure,

Sie ist des Staates Hure...

(Aramesh)

Demokratiegedicht 14

Es ist

gefällt ein

Urteil stellt

uns fällig

Richter haben

sich bemüht

vorher schon

die Regierung

hat Umleitungen

ausgeschildert vorbei

am Schaden

den es

abzuwenden gilt

vom Volk

von uns

schließlich geht

es um

viel Geld

und Geld

geht vor

die Regierung

glaubt es

und danach

handelt sie

derweil die

Richter wissen.

***

(Peter Reuter)

Demokratiegedicht 16

Die Rahmenverträge

über die

Zukunft des

Euro sind

auf Büttenpapier

gedruckt fürwahr

dem Vorgang

angemessen teuer

die Rahmenverträge

über die

Zukunft der

Menschen wurden

aus Versehen

geschreddert da

kann man

halt nichts

mehr machen.

***

(Peter Reuter)

Die Festung

Uneinnehmbar und ineinander verkrallt,

umgeben von hohen Mauern,

steht die Festung Europa – sie ist uralt –

im Glanze und doch zu bedauern.

Sie igelt sich ein, kennt kein Willkommen

für Menschen in Zeiten des Sturms,

die Reichen sind davon ausgenommen,

für sie weht die Fahne des Turms.

Zwölf Sterne auf blauem Untergrund,

platziert wie die Ziffern der Uhr,

verwoben zum Zwölf-Götter-Bund

im Olymp ihrer Geldkultur.

Die Zwölf ist vollkommen, hat ihren Preis,

steht symbolisch für Gier und Macht

und lückenlos schließt sich der Kreis

gegen Schiffe mit Menschenfracht.

Einst edle Gesinnung verließ das Gemäuer,

wo Banken, Konzerne sich messen,

die Geldsäcke flüchten zu Hauf vor der Steuer,

das Menschsein wird darob vergessen.

Und höre ich heute die Bänkelsänger

diese Missstände bitter beklagen –

umsonst ist ihr Ruf nach dem Rattenfänger,

denn die Ratten haben das Sagen.

Die Festung Europa, ein schlaffer Haufen,

zerstritten und eiskalt abgewandt,

von Elenden dieser Welt überlaufen

auf Suche nach einer helfenden Hand.

Ihr Fußvolk erhebt sich im braunen Gesang,

heißt niemand, der fremd ist, willkommen,

hetzt Menschenkinder die Straßen entlang …

Und die Mehrheit? Die schweigt noch beklommen.

Stumm stehen Mächtige vor der Gewalt,

ringen mühsam um passende Worte,

denn sie fürchten um ihren Machterhalt

und öffnen nur zaghaft die Pforte.

Was nützt es, die Stimme zu erheben,

soll ich klagen oder gar loben?

In Münze definiert sich ein Menschenleben…

Was kümmert’s die Festung da droben?

***

(Aramesh)

Haiku-Gedanken
zur Bücherverbrennung vor 80 Jahren....

Sie glaubten ernsthaft /

verbrennen tilgt Gedanken /

Welch ein Irrtum dies. /

Die Schrift wurde nicht /

verboten notwendig sie /

Tote zu melden. /

Erinnerung brennt /

niemals auch keine Bücher /

War so nicht geplant. /

Wer nicht lesen kann /

hat sehr große Angst vor Schrift /

meint aber Menschen. /

Das Aufflackern der /

Flammen Bücher sie künden /

große Schwärze an. /

Buchstaben Sprache /

und auch die Schrift wohlbekannt /

für sie nicht lesbar. /

***

(Peter Reuter)

Bewegte Zeiten, Gedankensplitter …

Asylrecht…

Das Recht

auf Menschenliebe

ist ins

Exil gegangen.

Asyl wollte

man ihm

nicht gewähren

in diesem

Land, welches

vorgibt, es

sei stark

geprägt von

Wurzeln, christlichen.

Der liebe

Gott, er

hat den

Kopf geschüttelt.

Dem Land

ist es

mehr als

recht, an

das zu

glauben, was

man Recht

nennt – hier.

***

(Peter Reuter)

Kerzen-Schein-Moral

Schaut auf die Wohlstandsdemokraten

sie halten fest an ihrem Geld.

Ihr habt die Menschlichkeit verraten

geschachert um den Rest der Welt.

In euren Händen brennen Kerzen,

doch wer sieht schon in eure Herzen?

Die Kosten eines Menschenlebens

sind kalkuliert und wohldurchdacht,

und Kriege sind nie ganz vergebens,

die Zins und Kapital gebracht.

Und wieder brennen ein paar Kerzen,

doch wer sieht schon in eure Herzen?

Asyldebatte – Fremdenhass,

die Leiden in der Dritten Welt

besprecht ihr ohne Unterlass

bis dann das bittere Urteil fällt.

Und wieder einmal brennen Kerzen,

was geht nur vor in euren Herzen?

So mancher Fremde stirbt im Feuer,

die feigen Mörder sieht man rennen.

Betroffenheit, die ist nicht teuer –

lasst ruhig die Kerzen weiter brennen...

***

(Aramesh)

Demokratiegedicht 17

Sie soll

nicht verboten

werden die

NPD eigentlich

wäre es

ohne Sinn

die Geheimdienste

hätten keine

Arbeit mehr

die Planstellen

der V-Leute

und ihrer

Führer undenkbar

also ist

es demokratischer

wir bezahlen

weiter die

Kosten ihrer

Wahlkämpfe gibt

mehr Sinn

und das

mit dem

Überwachen das

geht auch

mit uns

viel leichter

du und

auch ich

wir scheinen

ihnen mehr

zu schaden.

***(Peter Reuter)

Unverwüstlich

In diesem Lande gärt es wieder,

man singt die alten Nazilieder,

sieht Springerstiefel, kahle Schädel,

hört Hitlergruß und „deutsches Mädel“.

Parolen an den Häuserwänden

schrieb man bei Nacht mit flinken Händen.

„Hier wird jetzt endlich aufgeräumt,

was man die ganze Zeit versäumt!

Haut endlich ab, geht doch nach Haus!

Ausländer raus! Ausländer raus!

Ist diese Hürde erst genommen,

dann ist Gewalt gewiss im Kommen.

Schon fliegt der erste Pflasterstein,

schon brennt das erste Flüchtlingsheim,

schon stirbt der erste schwarze Mann.

„Kanake lauf, jetzt bist Du dran!“

Was nicht Deutsch ist, das muss jetzt brennen,

und darum Bimbo, musst Du rennen!“

Verzerrte Angst spricht aus Gesichtern.

Der Pöbel machte sich zu Richtern.

„Wir sind hier in der Überzahl,

drum hast Du keine andere Wahl.“

Am Rand der deutsche Biedermann

sieht alles aus der Ferne an

und applaudiert im Innern still,

weil er die Fremden auch nicht will.

Ich fürchte zwar den Schlägerbund,

doch noch mehr die im Hintergrund,

die leise ziehen an den Fäden

und lautstark gegen Fremde reden.

Im feinen Anzug kultiviert,

da hetzt sich’s völlig ungeniert.

Faschismus, diese braune Macht,

sie kam nicht einfach über Nacht,

war immer da und stets bereit

und wartete auf ihre Zeit.

Ist diese Ära wieder da?

Deutschland – HURRA ...

***

(Aramesh)

Der Internationale Holocaustgedenktag...

Der 27. Januar ist Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, es ist der Internationale Holocaustgedenktag – dazu die Hilflosigkeiten und die Gedanken eines Schreibers....

Ist Sprache nur ein Ritual, ist Wahrheit nur ein Ritual?

Warum hat die Kultur das Unbeschreibbare nicht verhindert und ihre Werkzeuge dafür hergegeben?

Sprachfetzen und Gedankenfragmente, Notizen, Wahrheiten und Hilflosigkeiten in mehreren Kapiteln...

Kapitel 1 „Einleitung“

Es ist nicht durch mich zu beschreiben, nicht auszudrücken, ich kann es nicht. Und ich will es nicht, und ich will es auch nicht können.

Eine Sprache, die sich der meinen Sprache entzieht und in Worte flieht, deren Inhalt eine Vergewaltigung unserer Kulturwerkzeuge ist, die eine Nichtsprache produziert und formuliert als Werkzeug der Kulturlosigkeit. Was für eine Sprache, was für eine Kultur ist das? Wie viel davon ist mein?

Kulturverlust – Humanität und Menschenliebe im Sumpf versenkt und dann vergessen, und als Konsequenz eine Sprache, welche nur dazu dient, sprachlos zu machen, zu vernichten – unbeschreibbare Sprache zu werden.

Sprache mit der einzigen Aufgabe, jenes, was wir das Unbeschreibbare nennen, auszudrücken und fassbar zu machen. Was und wie viel ist davon fassbar, ab wann unfassbar? Wann setzt der Rückzug der Sprache ein? Ist es Rückzug oder schon Flucht? Flieht dann die Kultur oder fliehen nur Teile von ihr? Buchstaben ignorieren ihren Inhalt… wenn wir es zulassen.

Buchstaben desertieren in Zeilen, werden wieder eingefangen, stehen Wache und machen Wortmeldung. Diese Meldungen erreichen uns, Meldungen von Taten und Orten, welche es nicht geben dürfte, die nicht existieren dürften – und die doch waren und die sind.

Taten und Orte, von denen die Väter und Großväter uns nichts erzählt haben. Keine Erzählung, keinen Bericht oder Hinweis an uns, weil man die Taten und Orte vergessen, besser noch, weil man sie tilgen wollte.

Aber das Verschweigen der Taten und Orte wurde so laut, dass dieser Schmerz des Schweigens nicht zu überhören war und ist.

Hätte das Unbeschreibbare verhindert werden können, wenn unsere Sprache, unsere Schrift nicht vorhanden gewesen wäre, und andere Sprachen und andere Schriften auch nicht? Es wäre ganz einfach – man stelle sich nur die Situation vor, wenn keine Möglichkeit gegeben ist, Befehle und Aktennotizen, Reden und Fahrpläne aufzuzeichnen. Wirklich keine Möglichkeit, den Bedarf an Gas zu errechnen. Weder Bomben noch Patronen in und durch Konstruktionszeichnungen zu gebären, auf die Welt zu bringen mit dem einzigen Auftrag, andere schleunigst von dieser Welt zu entfernen.

Ich weiß, dieser Gedanke, der meine, er ist naiv und kindisch, er ist hilflos. Ist es nur ein Trost – oder ist es nicht tatsächlich so, dass der Verlust der Kultur, der kollektive Pakt mit dem Bösen, nicht ursächlich und nicht ausschließlich entstanden ist durch die Aneignung und den Gebrauch der Kulturwerkzeuge? Ist nicht vielmehr ein Diebstahl, ein Raub oder die Okkupation dieser Werkzeuge zu beklagen, wie auch Länder und Menschen okkupiert wurden?

Sprache und Schrift stehen für unsere Literatur, für die Aufbewahrung von Philosophie, von Wissen und Kunst, auch von Weisheit. Für Liebesbriefe sind sie sinnvoll und vortrefflich zu verwenden, auch für Einkaufszettel taugen sie. Sprache und Schrift bewahren uns und unsere Geschichte, sie speichern das Bewahrenswerte als unser Gedächtnis. Sprache und Schrift machen uns kulturfähig, sollten es.

Sie stehen auch für den Talmud, die Bibel, den Koran, für Schriften, welche Hoffnung machen, und berichten über Taten, die uns und anderen es wert sind. Manchmal lehren uns Sprache und Schrift Erfahrung.

Und wir lesen Zeugnis von den Menschen, deren Schicksal sie dazu verurteilt hatte, das Unbeschreibbare zu erleben, zu überleben und uns darüber zu berichten.

Diese Berichte sind Wahrheit, so wie es Wahrheit ist, dass Sprache, welche Menschenverachtendes transportiert, anleitet, durchführt, kontrolliert und nachhält, dass diese Sprache zum Sumpf degeneriert.

Nur eine Frage bleibt offen: Was ist das Menschenverachtende, das Böse, und was ist nur ein Missverständnis, und wie können wir beides verhindern?

Kapitel 2 „Zahlenlehre“

AUSCHWITZ

BERGEN-BELSEN

BUCHENWALD

DACHAU

MAJDANEK

MAUTHAUSEN

NEUENGAMME

RAVENSBRÜCK

SACHSENHAUSEN

STUTTHOF

DIE UNGENANNTEN

GESAMT 6.000.000

In Worten:

SECHSMILLIONENKINDERFRAUENMÄNNERSEELEN

Kapitel 3 „Alphabet“

Abständer Salomon 1943 in Majdanek verschollen

Baader Rosa Euthanasie

Calm Frieda 1942 in Auschwitz verschollen

Damidt Artur im Ghetto von Minsk verschollen

Eckstein Naftalin in Polen verschollen

Faber Julia Johanna in Auschwitz verschollen

Gärtner Hermann 1943 verhaftet und verschollen

Haas Adolf 1942 in Auschwitz gestorben

Interstein Mina 1942 in Recebedou gestorben

Jäger Max 1944 in Auschwitz verschollen

Kafka Wilhelmine 1942 in Izbica verschollen

Lachs Bertha in Polen verschollen

Maas Rudolf Ludwig 1940 in Gurs gestorben

Nachmann Amalie 1942 in Auschwitz verschollen

Oberndörfer Klara 1942 in Auschwitz verschollen

Palm Auguste 1942 in Auschwitz verschollen

Q namenlos

Kapitel 4 „Wortbildung 1“

Ausmerzen, vernichten, reinigen, bestrafen, endsiegen, besetzen, einverleiben, heimholen, Raum schaffen, Volksschädling, Helfershelfer, Recht und Ordnung, Untermensch, Herrenmensch, Endlösung, etc.

Kapitel 5 „Wortbildung 2“

Bonhoeffer, Staufenberg, Schindler, Scholl, Menschenliebe, Rückkehr, Widerstand, Bubitz, Degen, Rosenthal, Gnade, Verzeihung, Hilfe, Wiedergutmachung, Glauben, etc.

Kapitel 6 „Resümee“

Im Januar 2005 wurde auf dem jüdischen Friedhof in Karlsruhe ein Grabstein enthüllt. Auf ihm sind auch die unter Kapitel 3 aufgeführten Namen eingraviert. Der Grabstein trägt die deutsche Inschrift:

„Den von den Nationalsozialisten ermordeten Karlsruher Juden zum Gedenken“.

Die hebräische Inschrift lautet:

„Gedenket aller Seelen von Juden der heiligen Gemeinde der Stadt Karlsruhe, die in der Schoa ermordet wurden“,

darunter die Formel:

„Seine Seele möge eingebunden sein im Bunde des ewigen Lebens“.

Nachtrag des Autors:

Namen und Daten habe ich dem Gedenkbuch der Karlsruher Juden entnommen. Die Stadt Karlsruhe mit ihrem Institut für Stadtgeschichte hat ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem Frauen und Männer, Schülerinnen und Schüler jeweils die Biographie eines von den Nazis ermordeten Menschen verfassen. Das Stadtarchiv stellt die persönlichen Daten der Opfer zur Verfügung. Die fertige Biographie wird dann in das Gedenkbuch eingefügt.

Es ist ein großes und würdiges Andenken auch an die Menschen, deren Daten ich in Kapitel 3 verkürzt wiedergab. Bei der Recherche habe ich die Biographien der aufgeführten Menschen gelesen und ihre Gesichter auf Photographien gesehen.

Dank an das Stadtmuseum in Karlsruhe für die Möglichkeit, dort zu recherchieren und zu arbeiten.

Kurt Drawert, seine Gedanken und Notizen, ebenfalls Teile seiner Tagebücher, welche er in dem Buch „Rückseiten der Herrlichkeit“ zusammenfasste, haben mir ebenfalls bei der Konzeption und Ausarbeitung geholfen, unbekannterweise dafür Dank.

(Peter Reuter)

Furcht

Was kriecht denn dort aus finsterem Loch?

War's gestern tot? Heut lebt es noch,

zieht grölend durch die Gassen

und lässt sich nicht mehr fassen.

"Eins-zwo, eins-zwo! Marschiert Gleichschritt!"

Es klingt der Ruf: "Kommt alle mit!"

Der Schall der Stiefel auf Asphalt

fällt schwer aufs Pflaster der Gewalt.

„Ausländer raus! Saujud! Krepier!!

Haut endlich ab, sonst kommen wir!"

Dazu klingt dumpfer Trommelklang,

im Herzen wird's mir Angst und Bang.

In den Gesichtern nackter Hass

und unterm Knüppel splittert Glas.

Manch Gaffer applaudiert,

da völlig ungeniert.

Die Horde zieht an mir vorbei,

sie ruft: "Bald wird's hier fremdenfrei!"

Der mit der Fahne brüllt laut: "Heil!"

und bietet unsere Freiheit feil.

Ich steh mit Rücken an der Wand,

denn eine Faust ist keine Hand,

und warte auf das Zeichen,

mir eine Hand zu reichen.

***

(Aramesh)

Peter Reuter: Das Recht, anders zu denken,

es ist ein großes und tragendes Recht unserer Verfassung. In Artikel 5 des Grundgesetzes, ich nenne sie falsch aber gerne unsere Verfassung, da kann man nachlesen:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Ich finde, das hat was. Wenn auch immer wieder darum zu kämpfen ist, weil es auch zu diesem Punkt stark abweichende Meinungen gibt, es ist uns garantiert. Selbst gestehe ich gerne, dass ich mich wirklich darum bemühe, diesen Abschnitt besonders zu ehren und auch zu leben. Auch diesen folgenden Abschnitt können sie in Absatz 5 nachschlagen:

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tja, nur einen Punkt hat der Gesetzgeber nicht berücksichtigt, wenn es nämlich um Gedichte geht. Wenn es dann weiter auch noch um Gedichte geht, die sich mit Frieden und Kriegsangst beschäftigen, dann ist Ende Gelände. Aus den meisten Kommentaren der letzten Tage zum Gedicht von G. Grass entnehme ich die scheinbar um sich greifende Einstellung, dass man so nicht denken darf, dass man so nicht schreiben darf, dass man so ein Gedicht nicht veröffentlichen darf. Stündlich warte ich auf den Vorschlag, das Lesen eines solchen Gedichtes ebenfalls mit Acht und Bann zu belegen. Absolut sicher bin ich mir, es kommt noch so.

Ich habe zum Thema geschrieben. Anbei meine Worte, damit du weißt, wie ich denke:

Schreibertagebuch 097 „Gedichterei“

An einem Gedicht hatten sich Schreiber und Füllfederhalter schon öfter probiert. Ab und an legten auch die schönen Worte bei ihnen an – und es freute. Grund genug, sich tiefer mit dem Gedicht zu beschäftigen. Eine germanistische Definition sollte es nicht sein, ein Gedicht wurde es leider ebenfalls nicht. Es waren einzelne Begriffe, welche sich Platz schufen. Schreiber und Füllfederhalter waren sich einig: Ein Gedicht sollte eigentlich „Gedacht“ heißen, gedacht hatte jemand vorher – meistens. Manchmal empfand die schreibende Person, sie hätte etwas „vermacht“. Wenn man sich da nur nichts „vormacht(e). War des Gedicht besonders greifend, der Ausdruck „Verdicht“ hatte etwas und war nicht von der Hand zu weisen. Gefiel das Gedicht nicht besonders, der Eindruck, die Autorin oder der Autor hätten sich „Verdacht“. „Verdacht“ fand sich ebenfalls ein, waren Lesende mit der Richtung des Gedichtes nicht einverstanden. Bedauerlicherweise wurde dann ganz schnell ein Verdikt daraus. Hier war die Gefahr ebenfalls groß, dass es sich um ein(en) „Verdacht“ handelte. Dabei war es nur ein Gedicht. Tja, Leben halt …

Übrigens, danke für ihr Eintreten, dass ich meine Meinung haben und äußern darf. Ich revanchiere mich ebenso…

*****

Lieber Peter, da juckt es mir in den Fingern, auf diese Wurst meinen Senf zu geben. Ein kleiner Zwischenruf von Aramesh:

Nachtgedanken (zu Günter Grass)

Er hat geschrieben, was er dachte,

und schon begann der Hexentanz,

indem man ihn zum Ungeist machte,

doch eines, das vergaß man ganz:

Wenn hier in diesem deutschen Lande

sich niemand mehr frei äußern darf,

wenn gar Kritik gilt schon als Schande,

geahndet wird mit Worten scharf,

dann liegt die Freiheit längst in Ketten,

die Waffen lieferten wir schon,

vor Kriegen kann uns nichts mehr retten,

des Lobbyisten schönster Lohn.

Lieb Mutterland, wo ist die Gleichheit?

ich hab sie schon so lang vermisst,

die Menschlichkeit in ihrer Weichheit,

die nur noch ein Gerippe ist.

Es wird verleumdet und gelogen,

wer gestern Freund war, ist heut Feind,

Es wird gehasst, bekämpft, verbogen,

nichts gibt es mehr, das uns noch eint.

Was hier gesagt noch werden muss,

nimmt unser Dichter mit ins Grab.

Einsicht bleibt dumpfer Trugesschluss

und die Erkenntnis rollt bergab:

Verschachert wird die Menschenwürde

und edle Werte gibt es kaum,

die Toleranz wird nur zur Bürde,

Ade, du schöner Menschheitstraum.

***

War dir bekannt, liebe Bary, dass ich mich intensiv mit Demonstrationen und ihren Auswirkungen beschäftigte? Mittlerweile nennt man mich den Megaunterstützer. Na gut, manchmal…..

Nein, zu dieser Samstagsdemo gehe ich nicht…

Nun, haben Sie Windjacke, den etwas wärmeren Pulli und die Cordhose, die festen Halbschuhe für die Samstagsdemo schon bereitgestellt? Ist die Anwältin, der Anwalt schon informiert, ist er vorbereitet auf Anschuldigungen wegen Landfriedensbruchs und passiven Widerstand? Haben Sie schon an ein zweites Bankkonto gedacht, falls das erste auf Grund der Demoteilnahme gekündigt wird? Das wichtigste Utensil, haben Sie an den Fresskorb, eventuell sogar an einen Flachmann (gefüllt) gedacht? Vergessen Sie auf keinen Fall, Omi und Opa gehen am Samstag meistens zu ihrem Chi Gong-Kurs, rufen Sie auf jeden Fall heute am Abend noch mal an, sonst nimmt Ihnen morgen niemand die Kinder ab. Letzte Frage: Was passiert wohl am Montag, wenn Ihr Chef Sie auf der Demo sieht? Tja, was nun…

All diese Fragen habe ich mir auch gestellt und nach heldenhaftem Ringen mit mir selbst eine Entscheidung getroffen. Ich gehe nicht zu dieser Demonstration.

Zum einen mag ich nicht eine halbe Nacht in einem Kessel verbringen, welcher von angefressenen Bundespolizistinnen und Bundespolizisten gebildet wird, welche sich für das Wochenende ebenfalls etwas anderes vorgenommen haben – und dann habe ich eine viel bessere Idee. Ich gründe eine Bank.

Hört auf zu lachen, es ist mein voller Ernst. Wer mir jetzt kapitalistische Ambitionen unterstellt, oder noch deutlicher, wer mich jetzt einen Gierhals nennen will, irrt – und zwar ziemlich ordentlich. Diese revolutionäre Idee verdanke ich Angela Merkel. Ja – ihr habt euch nicht verlesen, uns Angie war es.

Ihre klare und deutliche Ansprache des Problems, ihr unbezähmbarer Wille, Schaden von uns allen abzuwenden, er hat es mir angetan. Tja, letzte Woche irrte ich mich, sie meint es gut mit uns, mit euch und mit mir. Vielleicht mag ich sie jetzt sogar ein bisschen.

Sie hat in ihren Maßnahmenkatalog die Zwangskapitalisierung der Banken aufgenommen. Ja, die Gute, das hat sie wirklich. Und weil sie das beschlossen hat, deswegen habe auch ich beschlossen. Ich gründe eine Bank. Am Montagmorgen flitze ich ins Rathaus, hole mir einen Gewerbeschein und hänge ein Schild, welches auf die neue Bank hinweist, direkt neben die Eingangstür, direkt unter unser Namensschild „Maison de Rose et Pierre“. An diese Stelle kommt das Schild, Format DIN A5 und in Plastikfolie. Montagmittag leihe ich mir von Eltern, Freunden und Geschwistern all das, was es an Barem gibt. Dann rausche ich in die Stadt und kaufe alles auf, was ich an Staatsanleihen von Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Italien und den USA erhalten kann. Dienstagmorgen melde ich Bestand, die nicht mehr vorhandene Liquidität und die zweifellos dann vorhandenen Verbindlichkeiten an die Bafin. Anschließend wird folgendes passieren:

Ich bekomme eine größere Kapitalspritze.

Ich darf eine Badbank gründen und den Schrott auslagern, weil er so toxisch ist.

Für die Gründung der Badbank beantrage und erhalte ich eine Anschubfinanzierung.

Für die Aufrechterhaltung und Garantie der Arbeitsplätze erhalte ich Zuschüsse von der ARGE.

Ich gehe mit meiner Bank an die Börse und verhämmere die Aktien an Spekulanten.

Einen Tag später kaufe ich mir einen Porsche und zwei Paar Schuhe, damit ich besser treten kann.

So, und nicht anders, so wird es werden und sein. Versteht ihr jetzt, warum ich am Samstag keine Zeit habe?

Und jetzt der ultimative Hammer: Mit meinem Verzicht auf Demonstrationsteilnahme und der Durchführung der aufgezeigten Maßnahmen bin ich euer größtmöglicher Unterstützer. Die mir Banker aufgezwungene Knete wird nur aus dem einen Grund von mir angenommen:

Er steht den anderen Banken nicht mehr zur Verfügung

Mit meinem Börsengang entziehe ich den Spekulanten einen exorbitant hohen Betrag aus deren Barvermögen. Ist es bei mir gelandet, so wird es den Profithaien und Heuschrecken nicht mehr zur Verfügung stehen.

Ich entlasse keine verdienten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Heiderose und ich bleiben in Lohn und Brot und fallen der Allgemeinheit nicht zur Last.

Mit dem gezielten Einsatz der jetzt freien Mittel sichere ich durch gezielte und nachhaltige Investitionen Arbeitsplätze und bezahle hohe Steuern für den von mir durchgeführten Stützungskonsum.

Nein, ihr müsst mir nicht gratulieren. Wischt Freuden- und Dankbarkeitstränen ab, das ist doch nicht nötig. Schön, dass ihr es versteht, ich kann morgen nicht auf die Demonstration.

V-Frau, V-Frau trallallalla…

Mein letzter Hinweis auf die Qualität dieses Organs brachte mir Kritik ein. Das gab mir zu denken und bis heute konnte ich mich auch beherrschen. Jetzt geht es nicht mehr – ich muss, tut mir leid. Es ist nicht ganz unbekannt, dass wir uns stets um Information aus dem Auge des Hurrikans bemühen, um Sie stets, korrekt und umfangreich informieren zu können. Dafür scheuen wir zwar Kosten, aber keinerlei Mühen. Nun ist es wieder soweit. Der Redaktion ist es tatsächlich gelungen, direkt in das Auge einzudringen, sich der Dienste des Sehnervs zu versichern, welcher für die Funktion des Auges zuständig und verantwortlich ist.

Ich habe Kontakt aufgenommen, zu ihr, zur V-Frau.

Der Ort unseres ersten Treffens bleibt geheim, wie so viele der äußeren Umstände. Anzahl und Treffpunkte der weiteren Treffen, auch diese habe ich bereits aus meinem Gedächtnis gestrichen. Ferner habe ich zugesagt, mit meinem großen Indianer-Ehrenwort zugesagt, ihren grammatikalisch korrekten Namen werde ich nie und nimmer verraten. Die Fülle der Unterlagen und Notizen ist mittlerweile bearbeitet, das jetzt nachfolgende Protokoll ist ausschließlich und exklusiv bei „The Intelligence“ und in diesem Buch zu lesen.

Erstes Treffen:

Ich nenne es die perfekte Tarnung, sie kam im eigenen Jet, benutzte dann einen Hubschrauber samt Motorradeskorte, das nenne ich Stil.

Frage: „Warum wollen Sie mit mir reden?“

Antwort: „In diesem Land laufen Geschichten ab, über welche die Öffentlichkeit unbedingt informiert werden muss.“

Frage: „Um was geht es konkret?“

Antwort: „Um eine Schutzgelderpressung, das Ausmaß kann nur gigantisch genannt werden. Diese zieht immer weitere Kreise und wird immer dreister.“

Ich horche auf und mustere meine Gesprächspartnerin. Fotos sind selbstverständlich nicht erlaubt, trotzdem der Versuch einer Beschreibung:

Sie ist wohl mittelgroß, eine Figur, welche als durchschnittlich bezeichnet werden darf, die Frisur ist unbeschreiblich, die Kleidung ebenfalls sehr individuell. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor.

Zweites Treffen:

Frage: „Sie sprachen von einer unglaublichen Schutzgelderpressung. Können sie nicht etwas konkreter werden?“

Antwort: „Nur dies sei gesagt, es betrifft fast alle Menschen in diesem Land. Auch Firmen, bis auf Banken, sind in großem Umfang betroffen.“

Frage: Wie läuft die ganze Geschichte ab, wollen Sie mir das schildern?“

Bevor ich eine Antwort erhalte, klingelt ihr Telefon. Kurz darauf landet ein Hubschrauber. Zwei Bewaffnete schieben sie in das Fluggerät.

Drittes Treffen:

Frage: „Wollen Sie heute Details nennen, Ross und Reiter?“

Antwort: „Ich denke, ich werde nicht mehr lange an diese Informationen kommen, es ist zu befürchten, dass die Informationen nächstes Jahr abschneiden, deswegen packe ich heute aus.“

Frage: „Darf ich mitschreiben?“

Sie nickt.

Antwort: „Jedem Bürger zieht man mindestens die Hälfte seines Erarbeiteten ab und es verschwindet in dunkle, aberdunkelste Kanäle. Diese Zahlungen werden stetig erhöht, die Methoden zur Eintreibung immer rabiater.“

Ich werde mehr als hellhörig. Können Sie mit Namen von Menschen und Organisationen aufwarten, sind diese bekannt?“

Mit der Antwort zögert sie etwas: „Nun gut, die Bande nennt sich Finanzamt. Die Leute, welche mit Gewalt eintreiben, sollte sich ein Mensch verweigern, man nennt sie Gerichtsvollzieher. Das ist eine verdammt gefährliche Gruppe, welche ohne mit der Wimper zu zucken durchgreift, und wie.“

Mir läuft es eiskalt den Buckel herunter. „Wie heißt der Chef, der Pate, dieser Bande?“

Gehetzt springt sie auf, schon wieder ein Hubschrauber mit Bewaffneten. Im Weglaufen ruft sie etwas Ähnliches wie „Er nennt sich Schäuble“. Meine letzte Frage rufe ich ebenfalls: „Wie soll ich Sie nennen?“ „Keine Namen, nennen Sie mich einfach Angie.“

Dann war sie weg, diese tapfere Frau – ich habe sie nie mehr gesehen. Deutschland in der Hand einer einzigen Bande, wer hätte das gedacht. Glauben Sie mir, es handelt sich real um eine wahre Geschichte.

Der Tag, an welchem mir die Politik erklärte, was Politik eigentlich sei…

Geht es Dir auch so? Manchmal habe ich keine andere Möglichkeit, ich will und muss mich über die Politik aufregen. Es bedarf meist keines besonderen Anlasses, Politik, so wie ich diese erlebe, sie lädt mich förmlich und aufdringlich ein, meine persönliche Drehzahl zu erhöhen. Und das klappt dann auch immer wirklich gut und in einer Geschwindigkeit, von der Michael Schumacher nur noch träumen kann.

Gestern war es wieder soweit. Die Nachrichten genügten – und ich hatte Kabelbrand im Herzschrittmacher. Nach den Nachrichten fühlte ich mich wie Uhu nach dem Waldbrand. Sämtliche Gesichtszüge wären in diesem Moment beim Stresstest in Bezug auf Stuttgart 21 für ein gigantisches Scheitern verantwortlich, was man höchstens noch als grandios bezeichnen dürfte.

Die Frage meiner Frau kam unerwartet, direkt und in einer unglaublichen Klarheit und Geschwindigkeit: „Warum regst du dich eigentlich so auf?“ Als die meine Stoßatmung wieder auf Normalmodus gewechselt hatte, ich das Wort „Politik“ zwischen Zahnlücke und rechtem Mundwinkel nach außen presste, da dachte ich über die Bemerkung der „Meinen“ nach. Ihre Frage war mehr als berechtigt. Was war diese Politik eigentlich, über die ich mich gerne und lange und sofort und scharf aufrege?

WIKIPEDIA half mir mit der Begriffserläuterung weiter:

Das Wort Politik bezeichnet die Angelegenheiten, die die Einrichtung und Steuerung von Staat und Gesellschaft im Ganzen betreffen. Es umfasst dabei alle Aufgaben, Fragen und Probleme, die den Aufbau, den Erhalt sowie die Veränderung und Weiterentwicklung der öffentlichen und gesellschaftlichen Ordnung anbelangen.

Politik „bezeichnet jegliche Art der Einflussnahme und Gestaltung sowie die Durchsetzung von Forderungen und Zielen, sei es in privaten oder öffentlichen Bereichen.“[1] Es gibt dabei bis heute keine Einigkeit darüber, ob Macht, Konflikt, Herrschaft, Ordnung oder Friede die Hauptkategorie von Politik ausmachen.

Kennzeichnend an dieser Definition ist für mich, dass der Begriff „Friede“ an letzter Stelle kommt. Anschließend schaute ich auf der Wortschatz-Seite nach dem Begriff der Politik. Erstmals überführte ich die von mir sehr geschätzte Seite eines beachtlichen Irrtums. Das Wort Politik ist dort dem Sachgebiet „Tätigkeiten“ zugeordnet. Diese Einstufung ist nach meiner Erfahrung in den meisten Fällen nicht zutreffend. Bedauerlich, bedauerlich – und es kam noch schlimmer. Ebenso zu lesen waren die Begriffserklärungen „Spitzenpolitik“ und „Staatskunst“. Leider stehen diese beiden Begriffe zu Recht dort. Spitzenpolitik heißt nichts anderes, dass sich die jeweilige Regierung bemüht, für die vermeintlichen und selbsternannten Spitzen eben dieses Staates eine Politik zu betreiben, welche die Lasten möglichst weit von dieser Ebene nach unten durchreicht. Dies passiert dauernd und mit ständig steigender Geschwindigkeit. Staatskunst bedeutet, dass es wahrlich eine Kunst ist, dass ein Staat trotz der Spitzenpolitik weiter existiert. Könnte ja auch anders ausgehen.

Ich las weiter von Kalkül und Taktik, von Strategie und Staatsführung. Beim Wort Strategie war und bin ich mir nicht sicher, ob es nicht tatsächlich „Strategier“ heißen sollte. Ich werde darüber recherchieren und gegebenenfalls später berichten. Ganz viele Begriffe, Definitionen und Erklärungen las ich und dachte darüber nach. Es ist nicht möglich, alle hier abzubilden. Eines muss aber sein, nämlich das Wort „Preispolitik“. Dies hat eine zweifache Bedeutung. Für die Politik zu Gunsten der Spitze, der Spitzenpolitik, da braucht man ganz viel Geld, welches von der unteren Unterspitze aufgebracht werden muss. Das ist der Preis, den wir für Spitzenpolitik zu zahlen haben. Weiter lese ich aus dem Begriff der Preispolitik, dass die Politik eine Ware ist, samt Markt und Marktwert – eben einem Preis. Auf einem Markt gibt es in der Regel einen Anbieter und einen Käufer. Die einigen sich dann auf einen Preis. Je mehr sich die nachgefragte Ware verknappt, desto wertvoller, also teurer wird sie. Die Aufgabe der Spitzenpolitik ist es, sich von den Spitzen fernzuhalten, sich also ihnen gegenüber zu verknappen. Dafür wird letztendlich die Spitzenpolitik dann von den Spitzen gut bezahlt. Dies wird von uns wohlwollend bemerkt – wir nennen es Abgabe, Steuer oder Zusatzsteuer. Diese Abgaben wurden von der Politik privatisiert, die durchschnittliche Privatmenschin, der durchschnittliche Privatmensch, sie haben zu bezahlen.

Mein Anwalt hat mir dringend angeraten, darauf hinzuweisen, dass ich nicht davon ausgehe, auf dem Marktplatz unter den Anbietern und Preisnehmern Politikerinnen und Politiker vermute, welche ich kenne, oder welche mir durch Film, Funk, Fernsehen, Internet, Presse, Buchdruck in irgendeiner Form bekannt sind. Das habe ich hiermit getan. Ich würde also nie öffentlich annehmen, dass unsere Politikerinnen und Politiker Preisgeld annehmen, angenommen haben oder jemals annehmen würden.

Ausnahmen sind die folgenden Personen: Haha, reingelegt, sollte ein Scherz sein. Hahaha, oder auch LOL, wie es in der Fachsprache heißt.

Ich gebe zu, die Lektüre all dieser mannigfachen Erklärungen, sie war mehr als anstrengend. Ich habe viel gelesen und nachgedacht. Richtig weiter bin ich aber nicht gekommen. Letzter Ausweg ist nachzulesen, was über die Politik von Menschen gesagt wurde, welche sich damit besser auskennen als ich.

Wieder half mir WIKIPEDIA:

Zur Macht:

„Politik ist die Summe der Mittel, die nötig sind, um zur Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten und um von der Macht den nützlichsten Gebrauch zu machen“ Machiavelli, um 1515

Politik ist das Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung…“ Max Weber, 1919

Zur Führung:

„Politik ist die Führung von Gemeinwesen auf der Basis von Machtbesitz.“ Werner Wilkens, 1975

Zum Frieden:

Der Gegenstand und das Ziel der Politik ist der Friede ... der Friede ist die politische Kategorie schlechthin.“ Dolf Sternberger

Die Sache mit dem Frieden hat mir am besten gefallen, das hat mich dann doch etwas versöhnt. Ich habe alle Zitate mehrmals gelesen. In Macht und Führung erkannte und erkenne ich die Politikerinnen und Politiker, welche in diesem Land und der momentanen Regierung für das zuständig sind, was man Spitzenpolitik nennt. Ich bin mehr für die Kategorie des Friedens, weiß aber auch nicht so richtig, wie das gehen soll. Viele Leute, welche ich kenne, sie sind und arbeiten auch für den Frieden. Ich bemühe mich, den meinen Anteil durch mein Schreiben beizusteuern. Manchmal gelingt es dem Füllfederhalter und mir, trotz schwarzer Tinte.

Eine Erkenntnis habe ich heute gewonnen. Über das, wie ich hier und heute, gestern und morgen als Politik der Spitzen erlebe, darüber werde ich mich weiter aufregen. Meiner Frau habe ich es auch gesagt. Sie meinte nur, dann wäre ja alles gut – für heute…

Die Angela, ihre Rede zum Euro,

die Übersetzung der Rede in Urdu und meine Probleme mit dem Verstehen…

Wäre ich froh, wenn dies keine Satire wäre.

Diese Tage hörte ich im Deutschlandfunk einen Bericht über eine Lyrikerin, welche ihre Gedichte mit Hilfe von Google in verschiedene Sprachen übersetzen ließ und das Endergebnis mit ihren eigenen Zeilen verglich. Es hat mir ausnehmend gut gefallen, auch das kluge Statement der Autorin zum Thema der vielen Sprachen und des Verstehens.

Da fiel mir sofort Angela Merkel ein, die Beschützerin unserer Steuerlast und die Hüterin der versprochenen Renten. Sie sagt ja öfters etwas. Damit ich nicht den Überblick verliere, deswegen bin ich ein häufiger Gast auf ihrer Webseite. Glauben Sie mir, das ist immer wieder interessant und auch echt lustig. Ihre Stellungnahmen werden in der Regel von mir nicht verstanden, entweder sagt sie absolut gar nichts oder einfach nur, tja – was weiß ich was.