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"Je mehr ich mich ihm öffne und ihm Einlass in mein Gefühlsleben gewähre, desto weniger werde ich mich schützen können, wenn er sich von mir abwendet." Eine abgebrochene Ausbildungsstelle, ein Aushilfsjob in einer hippen Kneipe und eine Mutter, die ständig Angst um sie hat – die Bilanz in Antonias Leben sieht ziemlich traurig aus. Schwung in ihre Zukunft könnte ein Kerl bringen, der sie über den Haufen rennt. Doch der Mann mit den vielen Tattoos und einem dicken Auto, scheint auf den ersten Blick ein Bad Boy zu sein. Statt Ruhe bringt er ziemliche Aufregung in Antonias Leben, denn er ist kein anderer als der Fußballstar Christoph Schorlmann. Hat eine Liebe zwischen den beiden unter diesen Umständen überhaupt eine Chance?
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HERZKLOPFFINALE
ELFMETER INS HERZ
TANJA NEISE
"Je mehr ich mich ihm öffne und ihm Einlass in mein Gefühlsleben gewähre, desto weniger werde ich mich schützen können, wenn er sich von mir abwendet."
Eine abgebrochene Ausbildungsstelle, ein Aushilfsjob in einer hippen Kneipe und eine Mutter, die ständig Angst um sie hat – die Bilanz in Antonias Leben sieht ziemlich traurig aus.
Schwung in ihre Zukunft könnte ein Kerl bringen, der sie über den Haufen rennt. Doch der Mann mit den vielen Tattoos und einem dicken Auto, scheint auf den ersten Blick ein Bad Boy zu sein. Statt Ruhe bringt er ziemliche Aufregung in Antonias Leben, denn er ist kein anderer als der Fußballstar Christoph Schorlmann.
Hat eine Liebe zwischen den beiden unter diesen Umständen überhaupt eine Chance?
Tanja Neise lebt und lacht in einem brandenburgischen Dorf in unmittelbarer Nähe zu Berlin. Dass sie angefangen hat Romane zu schreiben, verdankt sie lediglich der Hartnäckigkeit ihres Mannes, der von ihrem Potenzial überzeugt war, noch ehe die Autorin auch nur ein Wort geschrieben hatte.
Mittlerweile sind bereits mehrere Bücher von ihr erschienen, mit denen sie regelmäßig in den Bestsellerlisten zu finden ist.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über die dnb abrufbar.
2. Auflage 2018
Copyright © 2018 Tanja Neise
Eine Kopie oder anderweitige Verwendung, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.
Neise, Johannesstr. 30, 14624 Dallgow
Cover by Die Bücherfee - Cover und Lektoratsservice Karina Reiß
Fotos by depositphotos.com (AllaSerebrina, elaineitalia) und pixabay
Lektorat/Korrektorat: Müller/Die Bücherfee - Cover und Lektoratsservice Karina Reiß
Erstellt mit Vellum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Wie es weitergeht:
Danksagung
Bücher von Tanja Neise
Leseprobe zu Herzklopffinale 2
»Tooooor!«, schreien alle im selben Augenblick und ich muss an mich halten, um nicht die Augen zu verdrehen. Warum die alle immer gleich so losbrüllen müssen, ist mir ein Rätsel. Die Typen hören sich an als wären sie Hirsche während der Brunftzeit, die um die Wette röhren. Ich bin ein wenig genervt. Warum habe ich mich ausgerechnet für diese Schichten freiwillig gemeldet? Keine meiner Kolleginnen wollte bei den Spielen der Vorrunde den Job übernehmen, nur José und ich halten tapfer die Stellung. Mascha springt auch hin und wieder ein, aber die Neue und Susanne haben beide kategorisch abgelehnt. Unser Chef hat uns sogar eine fünfzig prozentige Erhöhung versprochen, wenn wir während der Spiele der deutschen Mannschaft arbeiten. Da konnte ich nicht nein sagen, schließlich brauche ich das Geld. Fußball ist so gar nicht meins, also noch ein Punkt, der dafür gesprochen hat, die Schichten zu übernehmen. Na ja, spätestens wenn Deutschland die Gruppenphase übersteht müssen wir alle ran, denn dann wird es hier noch voller werden.
Seit einem halben Jahr verdiene ich mir im Sparky´smeinen Unterhalt. Viel ist es nicht, aber es reicht aus, meine Zwei-Zimmer-Wohnung zu bezahlen und nicht am Hungertuch zu nagen. In Berlin gibt es jede Menge solcher Jobs, aber unser Laden liegt mitten im Yuppiviertel. Was bedeutet, dass viele junge, erfolgreiche und dementsprechend gutverdienende Typen hier täglich ein und aus gehen und auch mal ein bisschen Trinkgeld dalassen. In anderen Stadtteilen sieht das anders aus. Da würde ich mit viel weniger nach Hause kommen.
Meinen Eltern will ich nicht auf der Tasche liegen, obwohl die mich bestimmt unterstützen würden. Aber ich habe zwei gesunde Hände und kann für mich selbst sorgen. Das hat schon zu etlichen Diskussionen geführt. Im Grunde wäre es meiner Mutter und meinem Vater am liebsten, ich würde zurückkommen und Berlin den Rücken kehren, doch das ist für mich keine Option. Meine Mutter erdrückt mich mit ihrer Gluckenart. Hier in der Hauptstadt habe ich das Gefühl, endlich frei atmen zu können und glücklich zu sein.
»Das ist doch Schiebung!«, schreit jemand aus voller Kehle.
»Die hätten lieber den Schorli mitnehmen sollen, als diesen Idioten. Der bringt doch nix!«, schreit der nächste Fußballkenner durch den Raum. Schorli, oh ja. Von dem habe sogar ich schon mal gehört. Deutscher Fußballgott und Unterwäschemodel. Wer allerdings der Idiot sein soll, der stattdessen mitgenommen wurde, erschließt sich mir nicht. Amüsiert denke ich, dass es mich außerdem nicht die Bohne interessiert. Fußball ist für mich ein rotes Tuch. Es nervt mich, wie sich Menschen verhalten, wenn sie sich ein solches Spiel ansehen. Intelligente Leute werden zu blökenden, hirnlosen Mutanten, denen Ausdrücke leicht von der Lippe gehen. Vielleicht ist es einfach etwas, dass sich mir niemals erschließen wird.
»Schätzchen, ich mach drei Kreuze, wenn diese Weltmeisterschaft zu Ende ist.« Schnaufend kommt José neben mir zum Stehen und wedelt mit seiner Hand. Sogar ein Blinder kann erkennen, zu welchem Geschlecht der dunkle Latinlover tendiert. Schade für die Frauenwelt, denn wenn José stillsteht ist er eine echte Augenweide, aber wehe er bewegt sich mit diesem aufreizenden Hüftschwung oder plappert mit seiner sanften Stimme. Dann ist sogar einer Nymphomanin klar, dass José schwul ist und die Lust an ihm ist verdorben.
»Ich auch, glaub mir! Schau dir doch mal die Typen an, alle in Fanmontur und grölend, als gäbe es nichts Aufregenderes, anderen Männern zuzusehen, die einem Ball hinterherjagen. Unbegreiflich warum die dafür so viel Geld bekommen, diese Fußballer«, echauffiere ich mich.
»Na ja, ein paar von denen sehen schon recht schnucklig aus. Zum Beispiel der dunkelhaarige mit dem Bartschatten in der Verteidigung, oder ist das schon Mittelfeld? Egal! Der ist heiß!« José macht eine Bewegung mit seinem Finger, als hätte er sich verbrannt, dazu gibt er ein zischendes Geräusch zum Besten, was mich grinsen lässt. Meinen Kollegen muss man einfach gern haben. »Jedenfalls finde ich den Kerl ganz nett.« Er wackelt keck mit den Augenbrauen und macht einen Kussmund. Mit José macht es Spaß auch solche ungeliebten Schichten zu schieben. Er bringt mich immer zum Lachen und lockert durch seine Art jede Situation auf.
»Vergiss es José. Die sind doch alle total oberflächlich und nur an Models interessiert. Schau dir die Gazellen auf der Tribüne doch mal an. Blond und makellos. Da passen wir zwei Normalos nicht rein.« Ich zwinkere ihm grinsend zu, während ich ein Glas poliere und anschließend ins Regal stelle. José ist definitiv kein Normalo, wenn er nicht gerade die typischen schwulen Bewegungen drauf hätte, würden hier bestimmt mehr Mädels das Spiel sehen wollen als Männer. Doch so haben wir neben vielen Heteros auch ein paar vom anderen Ufer hier sitzen, die José hin und wieder begehrliche Blicke zuwerfen.
»Das stimmt schon. Na gut, irgendwann werden wir beide jedenfalls unseren Traumprinzen finden.« An einem der Tische winkt einer der Gäste und José eilt zu ihm.
Schmunzelnd sehe ich ihm hinterher und zapfe das nächste Bier, als plötzlich tosender Jubel losbricht. »Jaaaaaaaa!« »Gewonnen!« »Das sind unsere Jungs!«
Im nächsten Moment fangen unsere Gäste auch noch an zu singen: »So sehen Sieger aus, schalalala. So sehen Sieger aus, schalalalala.« Insgeheim nehme ich mir vor, beim nächsten Deutschlandspiel ein paar Ohrstöpsel mitzunehmen. Mein Kopf steht kurz vorm Platzen.
Ein paar Stunden später hat sich der Raum geleert und ich kann endlich Feierabend machen. Den Laden schließt nachher unser Chef ab, also verabschiede ich mich schnell, ehe er auf die Idee kommt, mir eine Extraschicht aufzubrummen. Eilig düse ich um die Ecke. Ich will schnell zum Bus. Wenn ich den verpasse, kommt der Nächste erst wieder in einer Stunde. Sonntags spät abends fahren die Busse nicht so häufig, was schon ein paar Mal dazu geführt hat, dass ich mir den Hintern an der Bushaltestelle abgefroren habe. Heute ist es zwar warm, aber warten will ich trotzdem nicht.
Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass der Bus in zwei Minuten kommt, das wird total knapp. Mist! Plötzlich werde ich von den Füßen gerissen, als ich mit einem Typen zusammenpralle. Boah, ist der aus Stein? Kaum habe ich mir selbst die Frage gestellt, plumpse ich ziemlich unelegant auf den Asphalt. Mein Hintern tut höllisch weh.
»Hey, pass doch auf!«, raunzt der Kerl mich an.
Das ist mal wieder typisch für die Leute, die in Berlin wohnen. Die Menschen hier sind hart und das, was aus ihrem Mund kommt, ist noch härter. Hier muss man sich vom ersten Tag an ein dickes Fell zulegen und dazu am besten eine große Klappe. Als ich vor zwei Jahren aus dem Saarland hierher kam, habe ich das schmerzlich feststellen müssen, aber mittlerweile habe ich mich angepasst, weswegen ich ziemlich laut sage: »Sag mal, spinnst du? Pass DU doch auf!« Als ich den Kopf hebe, sehe ich in ein paar dunkle Augen, die mich wütend anfunkeln. Der Kerl sieht gut aus, obwohl er etwas von einem Schlägertypen hat. Jogginghose, enges Shirt, aus dem ein paar tätowierte Arme rausgucken und ein Basecap, das er sich tief ins Gesicht gezogen hat. Habe ich meine Klappe zu weit aufgerissen? Diesmal den Falschen erwischt?
Doch dann reicht er mir die Hand. Zuerst hadere ich mit mir, ob ich sie ergreifen soll. Ach was soll´s. Als seine Hand meine umschließt, werde ich augenblicklich hochgezogen. Der Kerl ist eindeutig kräftig, obwohl er nicht aussieht wie die Typen, die sich täglich die Muskeln aufpumpen. Nein, er wirkt eher athletisch, durchtrainiert und er hat definitiv kein Gramm Fett am Leib. Seine sehnigen Arme münden in großen Händen, wovon eine noch immer meine Hand festhält. Offenbar mache ich einen wackeligen Eindruck auf ihn. Mein Herz flattert wild, weil mir die ungewohnte Nähe zu dem Fremden bewusst wird.
»Alles okay, Kleine?« Da er tatsächlich einen Kopf größer ist als ich, muss er sich ein wenig herabbeugen, um mir in die Augen zu sehen. Jetzt, da er nicht mehr wütend ist, sieht er nicht mehr ganz so gefährlich aus, obwohl ich das nicht beschwören würde. Auf merkwürdige Weise kommt er mir bekannt vor, aber ich kann nicht sagen woher.
Ich mag es gar nicht, wenn man mich Kleine nennt, weshalb ich ihm das auch gleich an den Kopf werfen will. »Ja, allerdings ...« Weiter komme ich nicht, da in diesem Moment der große gelbe Bus an uns vorbeifährt. »Oh nein. Fuck, fuck, fuck!« Matt lasse ich die Schultern hängen. Als ich das verdutzte Gesicht meines Gegenübers sehe, sage ich rasch: »Alles okay.« Traurig, jetzt eine Stunde an der Bushaltestelle abhängen zu müssen, richte ich den Rucksack auf meinem Rücken, drücke mich an meinem Unfallgegner vorbei und lasse ihn stehen, nachdem ich ihm noch kurz ein Tschüß zugerufen habe.
Nach zweihundert Metern erreiche ich mein Ziel und lasse mich auf dem metallenen Gitterstuhl nieder. Das grelle Neonlicht blendet. Mücken umkreisen mich, in der Hoffnung sich meines Blutes bedienen zu können. Zerknirscht verscheuche ich sie. Ich bin so müde, will einfach nur in mein Bett. Acht Stunden bedienen und meine Füße puckern vor sich hin, während meine Augen kaum noch offenbleiben können. Womit habe ich so viel Pech verdient? Hinter meinen Lidern brennt es verdächtig. Manchmal frage ich mich, warum ich mich nicht einfach auf das Angebot meiner Mutter einlasse, dass sie mir finanziell unter die Arme greift. Dann könnte ich die Stunden im Sparky´s reduzieren und hätte ein wenig mehr Zeit für mich. Aber wenn ich mir vorstelle, wie viel Mitspracherecht ich dadurch meinen Eltern automatisch eingestehen würde, bin ich mir sicher das Richtige zu tun.
Die Straße ist wie ausgestorben, weswegen ich sofort auf das Auto, das langsam an die Bushaltestelle heranfährt, aufmerksam werde. Ein dunkler BMW hält vor mir – sehr noble Karre. Ein Fenster wird herabgelassen und ich blicke in dieselben braunen Augen wie schon vor ein paar Minuten. Der Typ, mit dem ich zusammengestoßen bin, fährt diesen Schlitten? Wo hat er den denn her? Geklaut? Vielleicht war meine erste Einschätzung doch nicht so falsch und der braunäugige Athlet ist einer von Berlins Vollzeit-Kriminellen.
Demonstrativ drehe ich den Kopf zur Seite. Besser er kommt nicht auf falsche Gedanken. So spät abends allein an einer Bushaltestelle zu sitzen, macht mich unsicher - ja fast schon angreifbar fühle ich mich.
»Hey, soll ich dich nach Hause bringen?«, ruft er durch das geöffnete Fenster.
Glaubt der wirklich, dass ich zu einem wildfremden Mann ins Auto steige? Hallo? Wir sind hier in Berlin! Ganz bestimmt nicht! »Nein, danke!« Immer noch sehe ich ihn nicht an, damit er sich so schnell wie möglich vom Acker macht. Ich versuche nicht ängstlich zu wirken.
»Es tut mir leid, dass du meinetwegen den Bus verpasst hast. Da ist es doch das Mindeste, wenn ich dich wenigstens fahre. Von mir aus können wir auch versuchen, den Bus einzuholen.« Ja, er meint es scheinbar ernst.
»Nein, danke. Ich kenn dich nicht. Ich steige nicht zu Fremden ins Auto.« Kopfschüttelnd blicke ich zu ihm, wodurch ich bemerke, dass ihn meine Worte stutzen lassen. Dann sehe ich, wie er ein paar Meter weiterfährt, parkt und aussteigt. Was ist denn mit dem? Kann er ein Nein nicht verstehen? Skeptisch beobachte ich, wie er um das Fahrzeug herum kommt und sich zu mir setzt. Automatisch greife ich in meine Tasche und umklammere das Reizgas, das ich immer dabei habe, wenn ich bis spät abends arbeiten muss.
»Dann rufe ich dir ein Taxi.« Schon holt er sein Handy aus seiner Hosentasche und wischt über den Screensaver.
Kurz bin ich verwirrt. Warum macht er so einen Aufstand? »Ich fahre auf keinen Fall mit einem Taxi. Dann hätte ich heute gleich zu Hause bleiben können. Mein ganzer Lohn wäre damit futsch. Trotzdem danke«, erkläre ich ihm dennoch bereitwillig.
»Dann zahl ich das eben.« Er fummelt weiterhin an seinem Handy herum und macht mich damit völlig nervös.
»Spinnst du? Jetzt reichts aber mal! Setz dich in deine Luxuskarre und fahr nach Hause. Ich bin nicht deine gute Tat, die du dir wie einen Orden an die Brust pinnen kannst.« Was war mit dem nicht ganz richtig? Offenbar waren für ihn fünfzig Euro nicht viel, aber für mich war das ein Batzen Geld. Als ich sein erschrockenes Gesicht sehe, sage ich etwas ruhiger: »Sorry, aber ich kann mir das nicht leisten und möchte auch nicht, dass du das für mich bezahlst.« Er war nett, aber ich konnte sowas auf keinen Fall annehmen.
»Du bist ein ganz schön sturer Brocken. Wenn du nicht mit mir und auch nicht mit einem Taxi heimfahren willst, bleib ich bei dir, bis der Nachtbus dich mitnimmt.« Entschlossen verschränkt er die Arme vor der Brust, lehnt sich mit dem Rücken gegen das Glas des Bushäuschens und streckt die Beine aus. »Um diese Uhrzeit sollte ein hübsches Mädel wie du nicht mutterseelenallein an einer Bushaltestelle sitzen. Wir sind hier in Berlin!«
Mir klappt tatsächlich der Unterkiefer herunter. Ich weiß nicht recht, was ich von dem Kerl halten soll. Warum ist es ihm so wichtig, dass ich gut nach Hause komme? »Mir ist schon klar, dass wir hier in Berlin sind. Wenn du nix Besseres zu tun hast, als hier rumzugammeln, dann bleib sitzen.« Auch ich lehne mich zurück, kann mir allerdings ein Grinsen nicht verkneifen. Irgendwie ist es süß, dass er mir Gesellschaft leisten will. Ich bin hübsch? Okay, ich fühle mich ein wenig geschmeichelt.
»Nein, ich hab grad echt nix Besseres zu tun.« Seine Stimme klingt gepresst, so als würde ihm der Umstand gar nicht gefallen.
Neugier kriecht an meinem Rückenmark empor, kitzelt an meiner Selbstbeherrschung, die ich eisern im Griff zu halten versuche. Nein, ich werde nicht fragen, warum er so geknickt wirkt.
»Ich bin übrigens Chris.«
»Antonia, kannst mich aber Toni nennen. Danke, dass du hier meinen Bodyguard spielst.« Mit schräg gelegtem Kopf sehe ich ihn lächelnd an.
»Kein Problem. Kann verstehen, dass du dich nicht von mir nach Hause fahren lässt. Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich dem fremden Typen noch nicht mal meinen Namen verraten.« Chris zwinkert mir frech zu.
Ich setze ein Pokerface auf und antworte: »Wer sagt dir denn, dass ich dir den richtigen Namen verraten habe?«
Nun habe ich ihn erwischt. Er kringelt sich vor lachen. »Du bist echt ne coole Nudel.«
»Toni, die Nudel, stets zu Diensten!«, albere ich herum. Irgendwie macht es Spaß, sich mit ihm hier zu unterhalten und Blödsinn zu labern. Es ist so unbeschwert und normal. Ich mag es, wenn sich niemand verstellen muss.
»Und ich bin Chris Bolognese, das passt dann zur Nudel. Auch meinen wahren Namen wirst du niemals erfahren.«
Automatisch wandern meine Augen zu ihm. Sein Cap ist ein Stück hochgerutscht und ich sehe dunkle Haare darunter hervorblitzen, ein Bartschatten ziert sein Gesicht. Jetzt, da er so entspannt ist, sieht er total harmlos aus und hat auch keine Ähnlichkeit mehr mit einem Schlägertypen. Lediglich die tätowierten Arme bescheren mir noch immer ein mulmiges Gefühl. Ich komme aus einem saarländischen Dorf. Jeder kennt dort jeden und da ist es zwar auch schon üblich, dass sich junge Leute ein kleines Bild an einer versteckten Stelle tätowieren lassen, aber seine Tattoos überschreiten auf jeden Fall das dortige Normalmaß.
Chris merkt, dass ich ihn anstarre und sieht mich aus dunklen, unergründlichen Augen an. Das mit dem Pokerface hat er eindeutig besser drauf als ich. »Inspektion beendet?«, fragt er mich frech.
Augenblicklich schießt mir das Blut in die Wangen, die verräterisch anfangen zu pochen. Hastig senke ich den Kopf. »Ja.«
»Magst du Tattoos?«, fragt er leise.
Warum will er das wissen? Nervös räuspere ich mich. »Mögen kann man nicht gerade sagen. Bisher habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht.«
»Hast du selbst keine?« Ich spüre seinen Blick auf mir, doch ich sehe auf die Hände in meinem Schoß. Diese Situation hat etwas Intimes, das mich nervös macht.
»Nein!«, stoße ich viel zu schnell hervor und hebe dann den Kopf, da mir bewusst wird, dass er denken könnte, ich würde seine Tattoos nicht schön finden. Was ich nicht tue. Oder doch? Warum bringt dieser Chris mich nur so durcheinander?
»Schon gut.« Lächelnd sieht er mich an und in meinem Magen schlägt jemand Purzelbäume. Chris Bolognese hat Ausstrahlung, ist lustig und hat auf eine merkwürdige Weise Ehrgefühl, ansonsten würde er nicht hier mit mir zusammen auf den Nachtbus warten. »Was machst du so spät noch in der Gegend?«, will er von mir wissen.
»Ich jobbe in einem Café. Es heißt Sparky´s. Heute musste ich die Schicht schieben, während Deutschland gespielt hat. Das war kein Zuckerschlecken, sag ich dir! Tja, und dann habe ich mich nach Feierabend beeilen müssen, um den Bus zu bekommen. Und da kommst du ins Spiel.«
Abwehrend hebt er die Hände. »Ich bin unschuldig. Ich wurde von einem dunkelhaarigen Wirbelwind umgerannt.«
»Unschuldig? Du? Nie im Leben!« Langsam entspanne ich mich wieder und verschränke die Arme hinter meinem Kopf. »Und was machst du hier?«
»Ich habe mir das Spiel in einem der vielen Cafés angeschaut. Offensichtlich in dem Falschen, sonst wären wir uns schon früher begegnet.« Die tiefe, ruhige Stimme lässt mich kurz darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn ich ihm im Sparky´s über den Weg gelaufen wäre.
»Tja, man kann eben nicht alles haben«, sage ich leichthin, obwohl ich aufgeregt bin. Aufgeregt wegen seiner Anwesenheit, wegen der Art wie er mit mir redet und wegen der Art wie mein Körper auf ihn reagiert.
»Wie wahr!« Wieder schleicht sich dieser verletzte Ausdruck in seine Worte, doch auch diesmal zwinge ich mich dazu, nicht nachzufragen. »Musst du weit fahren?«, fragt er mich.
»Spandau.«
»Spandau? Du meinst den Bezirk, der Berlin von Brandenburg trennt?« Ich muss lachen. »Das ist aber ne Kelle weg!« Erstaunt sieht er mich an. »Fährst du die Tour öfter?«
»Vier bis fünf Mal die Woche. Ist zurzeit mein Hauptjob.« Hoffentlich hakt er jetzt nicht nach.
»Zurzeit?«
Zerknirscht gebe ich zu: »Ich musste meine Ausbildung abbrechen, da der kleine Laden, in dem ich Auszubildende zur Groß- und Außenhandelskauffrau war, pleite ist. Und nach Hause wollte ich nicht. Bis ich meine neue Ausbildungsstelle antrete, verdiene ich mir im Sparky´s meinen Lebensunterhalt. Irgendwie muss die Miete ja reinkommen.«
Sein Blick ist aufmerksam und dennoch unergründlich, als er sich zur Seite dreht, um mich besser sehen zu können.